Das Vermächtnis des Meisters
Der MBC von Rupert Neve Designs ist das Vermächtnis des Großmeisters der Pro Audiotechnik „Mister“ Rupert Neve und ein AD-Wandler der ganz eigenen Art.
Text und Fotos von Harald Wittig

Als Rupert Neve 2021 hochbetagt in seinem 95. Lebensjahr verstarb, trauerte die weltumspannende Pro-Audio-Gemeinde in bemerkenswerter Geschlossenheit. Kein Wunder, denn der gebürtige Brite, der spät die Staatsbürgerschaft seiner Wahlheimat USA bekam, hatte als Designer von Geräten der „professionellen Tonverarbeitungstechnik“ – was für ein herrlicher Technokratenbegriff – ab den 1960er-Jahren bis in die 2020er Maßstäbe gesetzt. Auch Tonschaffende, die niemals mit einer alten Neve-Konsole oder einem Focusrite-Gerät aus der Neve-Zeit des englischen Herstellers gearbeitet haben, verbinden mit dem Namen des Mannes, den seine engsten Mitarbeiter schlicht „Mister“ nannten, vor allem ganz viel Ingenieurskunst und analogen Wohlklang. Wie auch immer sich der konkret darstellt. Den bieten jedenfalls – auch ausweislich unserer früheren Test-Erfahrungen – die Geräte von Rupert Neve Designs par exellence. Dabei handelt es sich um das letzte und selbstverständlich nach wie vor quicklebendige Unternehmen, üblicherweise mit RND abgekürzt, das der Meister im Jahr 2005 zusammen mit Evelyn Neve und Joshua Thomas gründete und für das er zahlreiche Geräte entwickelte, die beides draufhaben: Pflege des immergrünen traditionellen Analogklangs und hervorragende Integration in die digital dominierte Gegenwart. Ein feines Beispiel hierfür ist unser heutiges Testgerät aus dem Hause RND, der sogenannte „Master Buss Converter“, der auch auf das Kürzel MBC hört. Dabei handelt es sich um einen zweikanaligen Analog-Digital-Wandler, der entweder besonders signaltreu Klänge in die digitale Welt portieren oder auf Wunsch sein Wandlerwerk auch hochmusikalisch-farbenfroh erledigen können soll. Rupert Neve höchstselbst war noch in die Entwicklung des MBC einbezogen, weswegen dieser – so viel sei schon angedeutet – eigenwillige Wandler auch als des Meisters Vermächtnis ansehbar ist. Gefertigt aus besten Bauteilen in den USA ist der MBC selbstverständlich nicht für eine Handvoll zerknitterter Dollar zu bekommen, sondern schlägt mit gut 4.800 Euro zu Buche. Dafür bekommt der Erwerber allerdings auch ein außergewöhnliches Stück Audiotechnik.
Glasklar oder bunt schillernd
Grundsätzlich haben wir es mit einem zweikanaligen AD-Wandler zu tun, dessen analoge Ansteuerschaltung in Class A-Transistortechnik aufgebaut ist. Dabei finden im MBC tatsächlich altbewährte Analog-Bauteile Verwendung, die Rupert Neve buchstäblich vor zig Jahren entwickelt hatte. Neu ist lediglich der konsequent übertragerlose Class A-Betrieb, um die zugespielten Signale so klar wie nur möglich an die Wandlersektion zu leiten.
„Moment!“, merken die aufmerksamen Leser auf: „War da nicht einleitend von Farbe die Rede?“. Richtig, so ungefähr. Die Farbe bringen die für den MBC entwickelten Interstage-Audioübertrager ins Spiel – sofern das von Anwenderseite gewünscht ist. Dazu bedarf es nicht viel: Es genügt ein Druck auf den Taster „Transformator In“ und da sind sie auch schon im Signalweg, die beiden Übertrager. Die machen dann schon Klang, auf Wunsch darf es dann aber gerne noch mehr sein. Dafür sorgt die zusätzlich eingebaute Silk Red und Blue-Schaltung, die von anderen RND-Geräten wie den Portico-Preamps oder dem hochgelobten Channelstrip „The Shelford Channel“ bekannt sind. Dabei wirkt „Red“ auf den Präsenz- und Höhenbereich und sorgt für mehr Brillanz. „Blue“ greift demgegenüber in den Tiefmitten- und Bassbereich ein, womit sich Signale anfetten lassen. Konkret verfügt der MBC über die Shelford-Schaltung einschließlich „Texture“-Regler, der eine feinfühlige Abstimmung von „Red“ oder „Blue – beides geht nicht – nach Gehör gestattet. Sehr gut so, denn der MBC soll für anspruchsvolle Arbeiten des feinohrigen Tonschaffenden für Aufnahme und/oder Mastering zum Einsatz kommen. Da würden schlichte, wenngleich sehr farbige Lösungen wie die einfache Ein-Knopf „Silk“-Schaltung im Portico 5017 unter den Händen der Kundigen im MBC untermotorisiert erscheinen.
Damit nicht genug, verfügt der MBC zudem über einen rein analog arbeitenden VCA-Limiter, der die Signale optional für die Wandler-Sektion vorformt. Der Limiter soll zunächst dafür sorgen, dass die hässlichen digitalen Verzerrungen von vorneherein auch bei sehr dynamischen Zuspielereien gänzlich außen vor bleiben. Der VCA-Limiter lässt sich nur global für beide Kanäle aktivieren, allerdings sind unterschiedliche Einstellungen für Channel 1 und 2 möglich. Deswegen haben beide Kanäle die gleichen Bedienelemente: Mit dem roten Gainregler, wie sämtliche Drehregler mit fein gearbeiteten Metallknöpfen und präziser Rastung versehen, wird das Signal dem Limiter bis zum Schwellwert zugeführt. Der lässt sich via Drehgeber im Bereich von -14 bis maximal etwa +2 dBFs – am Gerät mit „over“ bezeichnet – einstellen. Darauf folgt direkt der Regler für die Releasezeit, die sich im Bereich von 50 Millisekunden bis zu einer vollen Sekunde einstellen lässt. Gainregler, Threshold und Release sind jeweils in 31 Stufen gerastet, sodass sich gleiche Einstellungen für beide Kanäle einfach nach Klickgefühl und Hören realisieren lassen. Grundsätzlich empfiehlt sich dieses Vorgehen, denn der „Link“-Schalter sorgt nicht dafür, dass eine Einstellung für den anderen Kanal übernommen wird. Stattdessen gleicht er ähnliche Settings für ein ausgewogenes Stereobild an. Dabei dient als Referenz das stärker vom Limiter bearbeitete Signal. Geht also je nach Einstellung der Limiter in einem Kanal beherzter zu Werke, nivelliert „Link“ das Signal zugunsten eines ausgewogeneren Gesamtbilds. Der Limiter gehört bestimmt nicht zu den klinisch reinen Digitalsaubermännern – wie auch, immerhin arbeitet er rein analog. Er kann sogar – das ist selbstverständlich abhängig von der konkreten Einstellung – sogar kräftig verfärben und bei perkussivem Material ganz schön Druck machen. Wer ihn gar nicht haben kann und will, schaltet ihn einfach nicht ein. Das gilt auch für das für beide Kanäle vorhandene Sidechain-Filter das mit 12 dB/Oktave im wählbaren Bereich von 20 bis 250 Hertz arbeitet. Dieses Tiefpassfilter sorgt dafür, dass der Limiter alle Frequenzen unterhalb der ausgewählten Grenzfrequenz nicht anfasst. Damit lässt sich der Klang zusätzlich und nach Gusto formen. Ist also mehr Druck im Tiefmitten- und Bassbereich gewünscht – bitte sehr, der Tiefpassfilter lässt alles unbehandelt zur Wandlersektion durch.
Aufwändige Digital-Sektion
Kommen wir nun zur Digital-Abteilung. Der MBC wandelt die Signale mit Abtastraten von 44,1 bis maximal 192 Kilohertz, das Datenwort ist immer 24 Bit breit. Der Schalter „Word Clock In“ aktiviert nicht, wie schon behauptet wurde, die geräteeigene Wordclock, sondern stellt gewissermaßen die rückseitigen BNC-Buchsen für eine externe Clock scharf. Der MBC synchronisiert sich dann auf die externe Clock als Referenz. Sobald die Synchronisation erfolgt ist, leuchtet die „Sync“-Led in sattem Grün auf und die Wandlung erfolgt in perfekter Taktung. Obschon der MBC insoweit auch ein Könner ist – zumindest ist die Entwicklungsabteilung von RND sehr überzeugt von der eingebauten Clock, die praktische Jitterfreiheit und geringste Phasenverzerrungen gewährleiste. Dass es bei einem Digital-Gerät immer auf zeitrichtiges Verhalten ankommt, wissen die RND-Leute selbstverständlich. Dass die ihres Erachtens nach besonders gut sein muss, erklärt auch den Word Clock-Ausgang des Geräts: Damit kann der MBC auf Wunsch auch fürs komplette Studio-Setup den Takt angeben.
Ansonsten ist der MBC selbst ein anpassungswilliger Wandler, denn über seine Kalibrierungsfunktion lässt sich der Pegel wahlweise auf -14, -16, -18 oder -20 dBFS bezogen auf +4 dBu einstellen und damit mit anderen Wandlern abgleichen. Das ist fein ausgedacht und mittels „ADC CAL“-Taster, begleitet von einem satten Relaisklicken, schnell eingestellt.
Wechseln wir, bevor wir einen Scharfblick ins Innenleben des MBC werfen, zur Rückseite. Hier finden sich die beiden Neutrik XLR-Eingangsbuchsen für Channel 1 und Channel 2. Mittig sind die Digitalausgänge des Wandlers zu erkennen: Er gibt die digitalisierten Signale gleichzeitig im AES/EBU und im S/PDIF-Format – optisch und elektrisch – aus. Wordclock In/Out haben ihren Auftritt schon gehabt, bleiben nur noch die winzigen Schalterchen für die Peak Hold-Funktion: „On“ aktiviert die Funktion, der zweite Schalter bestimmt die Dauer. Eine oder drei Sekunden lang hält die Anzeige dann die Pegelspitze fest. Ach so: Die LED-Ketten für die Aussteuerungsanzeige beider Kanäle haben 22 Segmente, sind super ablesbar und erweisen sich als ausgesprochen präzise. Nicht dass wir anderes von einem RND-Gerät erwartet hätten. Mit Euch teilen wollen wir die erfreuliche Beobachtung gleichwohl. Dass auch die Gain Reduction-Anzeige für den Limiter mit ihren acht Segmenten erfreulich exakt ist, habt Ihr Euch nunmehr auch gedacht.
Dann mal die inneren Werte des MBC in Augenschein genommen: Das Innenleben mit seinem klaren Platinenlayout präsentiert sich übersichtlich. Die beiden Custom-Übertrager sind erkennbar, zudem ein Schaltnetzteil. Fette Ringkerntrafos gibt es indes nicht. Das mit viereinhalb Kilogramm nicht unerhebliche Kampfgewicht des Wandlers resultiert aus dem sehr robusten Metallgehäuse und der massiven Frontplatte aus gebürstetem Aluminium. Zugegeben, es geht noch massiver und letztlich edler – wir denken da beispielsweise an den formidablen Mikrofonvorverstärker Crescendo Duo von SPL (Test in Heft 03/2022). Aber ein Edelgerät ist der MBC durchaus.
Als Wandlerchip vertraut RND auf den hervorragenden AK5397, der mit 32 Bit-Auflösung arbeitet, PCM bis maximal 768 kHz-Abtastrate unterstützt und mit einem herausragenden Dynamikumfang von 127 Dezibel aufwartet. Dieser DAC war das Flaggschiff von AKMs VERITA Reihe von Produkten der sogenannten Audio 4 Pro-Familie und ist sicherlich ein ausgezeichneter Wandler-Chip. Dass die Japaner nach eigenem Bekunden inzwischen einen noch besseren DAC anbieten, sei nicht verschwiegen.
Klangfarbensinfonien erschaffen
Gleichwohl, das MBC-Gesamtpaket wirkt sehr stimmig und gerade weil dieser Wandler als Vielzweckgerät verstanden sein will, ist er so attraktiv. Deswegen ist es nunmehr höchste Zeit, dem MBC auf die Klangspur zu kommen. Dafür machen wir diverse Aufnahmen mit Konzertgitarre alleine. Den Klang des Instruments fängt ein gematchtes Stereopaar Microtech Gefell M 300 stereo ein. Dieses ausgezeichnete Druckgradientenempfänger-Duo mit Nierencharakteristik liefert bei hochfeiner Auflösung einen vergleichsweise frischen Klang aufgrund seiner Höhenpräsenz. Als Preamp kommt wie üblich unser absolut signaltreuer Lake People Mic-Amp F355 zum Einsatz, dessen Analog-Ausgänge direkt mit dem MBC verbunden sind. Dessen AES/EBU-Signal empfängt wiederum unser Mutec MC3+ USB, der als Mittler zwischen MBC und MacBook Pro 16 mit empfangsbereitem Logic Pro fungiert. Der Mutec dient dabei wie immer als Audio-Interface und Reclocker. Er analysiert, zerlegt und setzt das AES-Signal des MBC also neu zusammen. Nach unseren hinreichenden Erfahrungen profitiert fast jeder Wandler von diesem Verfahren – obschon der MBC in der Tat über eine sehr gute Clock verfügt. Denn wir greifen gleichzeitig auch das S/PDIF-Signal ab und nehmen es auf unserem Tascam SS-CDR250N auf. Die Aufnahme können wir später in Logic laden und mit der Direktaufnahme vergleichen – und erhören, dass der MBC über eine sehr gute Clock verfügt. Schließlich muss auch der Mytek ADDA noch mal für einen Vergleichstake ran. Denn es interessiert uns und Euch, wie der MBC ganz ohne Färbungswerkzeuge im Vergleich zu diesem sehr neutralen Wandler arbeitet.
Beginnen wir direkt damit: RND haben ohrenfälligerweise sehr gut daran getan, ihren MBC auf Signaltreue zu optimieren. Er arbeitet präzise, sehr klar und digitalisiert, was ihm angeliefert wird. Dabei erscheint er eine Spur lebendiger als der sehr nüchterne Mytek, ohne dabei dieses Funkeln à la Apogee zu haben. Was wir jedenfalls begrüßen. Die Unterschiede sind, wie immer bei richtig guten Wandlern, sehr fein und erfordern ein gewisses Maß an Konzentration, um sie herauszuhören.
Aber das wirklich Tolle am MBC ist, dass er sich damit nicht zufriedengibt. Er arbeitet lediglich auf wortgetreuer Basis – um dann den Klang zu „analogisieren“. Dazu genügt zunächst ein Druck auf „Transformer In“, der die beiden Übertrager aktiv werden lässt. Die sorgen direkt für eine gewisse Sättigung, die das nüchterne Audiosignal gar nicht mal so dezent aufwärmt. Nach unseren früheren Erfahrungen mit Rupert Neve Designs-Geräten ist das der Neve-Sound. Ob der dem Vintage-Klang à la Neve entspricht, lassen wir einfach mal offen. Denn der lässt sich eher tendenziell, nicht unbedingt präzise beschreiben.
Wenn es klangfarblich noch ein bisschen mehr sein soll, lohnt sich die Aktivierung der Silk-Schaltung in jedem Falle. „Red“ betont die Höhen und sorgt bei unseren Aufnahmen für einen letztlich zu scharfen Klang, allerdings gibt es etliche Situationen, wo diese Kombination aus eher präsentem Mikrofonklang und Silk Red passt. Wir denken an Akustikgitarren mit Nylon- oder Stahlsaiten im Mix oder auch an das Herausarbeiten von Gesangsstimmen. Da der Effekt fein regelbar ist, sind der Varianten viele. Für unsere Aufnahmesitzung erweist sich Silk Blue als goldrichtig, denn damit glänzt der Konzertgitarrenklang so rotgolden, dass es der schiere Hochgenuss ist. Wir halten es für recht wahrscheinlich, dass der große Konzertgitarrist Andres Segovia, als solcher ein wahrer Klangästhet, diesen ausnehmend warm-vollmundigen Klang geliebt hätte. Ja, es ist im besten Sinne ein „alter“ Sound, der sich zwar mit Plug-ins in der Postproduktion nachbilden lässt, aber in letzter Konsequenz eben doch die Domäne der – guten – Hardware bleibt.
Den Limiter haben wir bereits beschrieben. Ergänzend wollen wir aber anmerken, dass er dann am Besten ist, wenn er nur im Zaum hält, was die Wandler-Sektion ohnehin nicht zu spüren bekommen soll. Dann arbeitet er nämlich diskret, ohne grell zu verfärben. Farbe bringt er aber stets ins Spiel. Das muss so sein, immerhin handelt es sich um eine Entwicklung von Rupert Neve. Dessen Vermächtnis für alle Tonschaffenden bleibt eben eine dezidierte Klanglichkeit, die wohl niemals an Wert verliert.
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