Horizont-Erweiterung
Die LA Scoring String Library von Audiobro tritt an, um Streicher-Arrangements fortan noch lebendiger und authentischer klingen zu lassen. Wie das geht, erfahren Sie im Test.
Von Georg Berger
Es ist das alte Lied: Der Markt kann anscheinend noch immer nicht alle Bedürfnisse und Anforderungen nach passenden Werkzeugen ausreichend befriedigen. Was macht der findige Produzent? Er entwickelt selbst. In diesem Fall handelt es sich um den amerikanischen Filmmusik-Komponisten Andrew Keresztes, der sich mit seinem Unternehmen Audiobro daran gemacht hat, eine Sample-Library mit sämtlichen klassischen Streicherinstrumenten zu produzieren. Diese soll flexiblere Möglichkeiten zum Arrangieren von Streicher-Sätzen bieten als gängige Produkte und darüber hinaus mit ausdrucksstärkeren und leichter zu steuernden legato-, sostenuto-Sounds aufwarten sowie besser getimte staccato- und spiccato-Klänge enthalten. Herausgekommen ist dabei die LA Scoring Strings Library (LASS), die seit kurzem für knapp 1.000 Euro erhältlich ist. Ein stolzer Preis, der aber durchaus gerechtfertigt ist, wenn man einen Blick auf die Details wirft, die vielen Komponisten und Arrangeuren das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen dürften.
Denn die Library wartet mit einer individuellen Organisation der Streichersounds auf, die dem Anwender die Freiheit gibt, aus nur einer Library Arrangements wahlweise mit einer Kammerbesetzung oder einer gewaltigen Orchester-Sektion mit bombastischem Ausmaß inklusive Solo-Instrumenten zu realisieren. Der Clou: Anders als in vielen Konkurrenzprodukten, die außer Presets mit Solo-Sounds, lediglich Samples mit gleich sieben, elf oder gar 18 Instrumenten feil bieten, offeriert die LASS in jeder Instrumentengruppe drei Sektionen mit deutlich kleinerer Besetzung, die je nach Instrumentengruppe aus zwei bis maximal acht Spielern bestehen. Dazu gesellen sich Ensemble-Sound-Presets, bestehend aus den Klängen der drei Sektionen. Sample-Patches mit nur einem einzigen Instrument für solistische Einsätze runden jede Streichersektion ab. Das Besondere daran ist, dass die Samples der drei Sektionen von jeweils anderen Musikergruppen eingespielt wurden, die ihre Sounds mit jeweils geringen, aber doch hörbaren Unterschieden realisierten. Beim unisono-Spiel aller Sektionen entsteht dabei tatsächlich ein deutlich vollerer, organischerer und vor allem authentischerer Klang, als dies mit Sektionen aus gleich elf oder 20 Instrumentalisten möglich ist. Nächste Besonderheit: Aus Gründen klanglicher Homogenität wurden die Solo-Sounds bewußt von einem Instrumentalisten aus einer der Gruppen realisiert. Das Ergebnis überzeugt: Arrangements mit Streicher-Begleitung plus Solo-Stimme klingen wie aus einem Guss. Doch der eigentlich unschlagbare Vorteil an dieser Instrumenten-Aufteilung besteht in der Möglichkeit, Divisi-Spielanweisungen deutlich authentischer realisieren zu können. Wie im richtigen Leben sind polyphone Streichersätze dadurch mit der richtigen Anzahl an Spielern realisierbar, die überdies mit jeweils individuellen Spielvarianten aufwarten können. Für diesen genialen Streich, der authentisch die realen Kompositionsbedingungen reflektiert, gebührt der LASS ein Sonderlob. Das Repertoire der Library wartet selbstverständlich mit einer Vielzahl an Artikulationen und Spieltechniken auf. Es finden sich für jedes Instrument und jede Sektion Patches die per Anschlagsdynamik, legato, portamento und glissando-Sounds erklingen lassen. Dazu gesellen sich weitere separat aufrufbare Presets mit den üblichen Artikulationen und Spieltechniken wie etwa sostenuto, spiccato, tremolo, oder pizzicato. Streichersätze, die mit einer Vielzahl an Artikulationen aufwarten sollen, werden folglich durch Laden der entsprechenden Presets realisiert, die über einen jeweils eigenen MIDI-Kanal anzusteuern sind. Die LASS bedient sich dabei des virtuellen Samplers Kontakt von Native Instruments ab Version 3.5. Der kostenlose Kontakt-Player ist im Lieferumfang übrigens enthalten. Wichtig: Je nach Bedarf an einzelnen Presets zur Gestaltung des Streichersatzes bringt die LASS den Rechner schnell an seine Leistungsgrenzen. Zwar wird der Großteil der Presets im DFD-Modus, also durch Lesen der Samples direkt von der Festplatte, abgespielt und entlastet den Arbeitsspeicher. Doch gerade wenn über die einzelnen Divisi-Sektionen polyphone Sätze mit mehreren Artikulationen realisiert werden sollen, ist schnell Hängen im Schacht, selbst bei unserem Quadcore-Redaktionsrechner. Darauf weist auch das sehr gut gemachte Handbuch hin und empfiehlt deshalb, die Library nach Möglichkeit auf zwei Rechner zu verteilen, zwei Lizenzen sind per se im Lieferumfang enthalten.
Doch die spezielle Organisation der Streichersounds markiert nur einen Eckpfeiler der LASS-Library. Der zweite findet sich in einer pfiffigen Nutzung des in Kontakt integrierten Script-Editors, mit dem sich durch geschickte Programmierung den nach wie vor statisch gespeicherten Audio-Informationen beim Antriggern eindrucksvoll neues Leben einhauchen lässt. Dies geschieht mit Hilfe einer überschaubaren Anzahl von Spielhilfen wie dem Modulations-Rad, dem Sustain-Pedal, Key-Switches und einigen wenigen MIDI-Controllern zum Aktivieren bestimmter Funktionen. So findet sich in den Legato-Presets ein spezielles Script, das den nahtlosen Übergang zwischen zwei gespielten Noten realisiert, aktivierbar über das Sustain-Pedal. Zusätzlich ist es möglich, manuell per MIDI-Controller die Geschwindigkeit von Portamento und/oder Glissando fein einzustellen. Das Modulations-Rad sorgt für zusätzliche Expressivität indem sich gefühlvoll vier Dynamik-Layer-Samples von pianissimo bis forte einblenden lassen. Über die Anschlagsdynamik werden gezielt die legato-, portamento-, oder glissando-Teilsamples getriggert. Insgesamt bietet sich trotz oder gerade wegen des überschaubaren Arsenals an Spielhilfen, eine Vielzahl an musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten. Andrew Keresztes beweist damit eindrucksvoll sein Know-how als gestandener Praktiker, der sich quasi selbst auf die Finger geschaut hat und ein praxisnahes Tool zur Unterstützung des Workflow realisiert. Damit nicht genug findet sich in allen Presets ein aktivierbarer Anti-Machine-Gun-Modus, der beim repetitiven Spielen eines Tons per Zufallsfunktion oder Round Robin-Modus verschiedene Sample-Varianten triggert. Triller-Presets lassen sich mit einem eigenen Script per Key-Switch automatisch harmonisch korrekt abspielen. Das unumstößliche Highlight bildet jedoch das sogenannte „Auto Rhythm Tool“, das bei spiccato-, pizzicato- und staccato-Presets für eine atemberaubende Lebendigkeit sorgt. Über einen Step Sequenzer-Dialog – natürlich in Länge, Taktmaß und Geschwindigkeit einstellbar – lassen sich Velocity-Werte eingeben, die relativ zu den angeschlagenen Tasten auf dem Keyboard eine lebendig klingende rhythmische und dynamische Sequenz abspielt. Das kleinteilige Editieren von MIDI-Daten oder ein kräfteraubendes manuelles Einspielen gehört damit der Vergangenheit an. Dafür gibt es die Bestnote. Das Erlernen der Spielhilfen und der Umgang mit der Library erfordert dank übersichtlicher Einstellmöglichkeiten nur eine kurze Zeit. In Sachen Grundsound bestechen die Klänge durch einen angenehmen weichen und lyrischen Ton, der ein wenig zurückgenommen und nicht ganz so vordergründig wirkt wie etwa die Sounds aus dem Hause VSL (Test in Heft 6/2006). Damit sind sie optimal für die Aufgabe prädestiniert, die sie in erster Linie auszuführen haben: Die sozusagen zweite Geige im Arrangement als Begleitinstrumente zu spielen. Sehr schön: Bis auf eine subtile Rauminformation, die den Sounds ein wenig mehr Luftigkeit verleihen, erklingen sämtliche Samples trocken, was Ihnen beim nachträglichen Verhallen zu Gute kommt.
Fazit
Die LA Scoring Strings ist eine Library von einem Profi für Profis. Die vielen praxisnahen und vor allem leicht bedienbaren Features und Funktionen dürften die Konkurrenz alsbald das Fürchten lehren, sorgen sie für eine deutliche Verbesserung der Authentizität. Andrew Keresztes schließt mit seinem Erstlingswerk gezielt vorhandene Lücken in einem Marktsegment, die mit Sicherheit die Bedürfnisse vieler Anwender befriedigen werden.
Erschienen in Ausgabe 01/2010
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 979 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut – sehr gut
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