Holleri-Di-Dudel-Dijö

Best Service betätigt sich einmal mehr als Vorreiter und präsentiert mit Alpine Volksmusik die unseres Wissens nach erste moderne Klangsammlung zur Produktion (süd)deutschsprachiger Volksmusik. Ein Jodel-Diplom ist nicht nötig, um damit authentische Arrangements zu machen, aber es schadet auch nichts. Folgen Sie uns auf eine klanglich interessante Reise südlich des Weißwurst-Äquators.

Von Georg Berger

Wenn es darum geht ethnisch authentische Musik aus dem Sampler zu zaubern, findet sich mittlerweile eine riesige Auswahl an Produkten um indischen Bollywood-Charme, orientalische Wüsten-Sehnsucht, lateinamerikanisches Karnevals-Flair oder ostasiatisches Fernost-Ambiente in vielen Schattierungen zum Klingen zu bringen. Komplette Fehlanzeige herrscht aber, wenn es um das Produzieren der eigenen musikalischen Volkskultur geht, also der bayerischen, österreichischen, schweizerischen Volksmusik und auch der slowenischen Oberkrainer-Musik. Sicherlich, das Instrumental-Repertoire der alpenländischen Volksmusik setzt sich aus Orchesterinstrumenten zusammen, die auf jedweder Orchester-Sammlung bereitstehen. Instrumente jenseits dieses Apparats wie Zithern oder Alphörner müssen aus anderen Librarys jedoch mühsam zusammengeklaubt werden. Doch glauben Sie uns, eine zünftig klingende Blas-Musi aus Orchester-Librarys zu erzeugen ist mitunter recht schwierig. Letztlich fehlt es einfach am klanglich-authentischen Timbre. Das Fehlen einschlägiger Klangsammlungen wundert daher umso mehr, wenn man sich anschaut wie ungebrochen populär die alpenländische Volksmusik, oder präziser gesagt volkstümliche Musik, nach wie vor ist.

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Das Münchner Unternehmen Best Service hat diesen Mangel erkannt und legt mit der Library „Alpine Volksmusik“ jetzt erstmals eine spezielle Sammlung volkstümlichen Instrumentariums vor. Die nur rund 500 Megabyte große und rund 200 Euro kostende Library enthält 24 Presets, die sich auf die wichtigsten Instrumente verteilen, mit der das Produzieren sowohl einer gestandenen Blasmusik, als auch einer zünftigen Stub’n-Musi möglich ist. Blechbläser in allen Registern, eine Klarinette und eine Geige, diverse Akkordeons, Gitarren, Bässe, aber auch Schlagzeug, Alpenschellen und sogar alpenländische vokale O-Töne sind in der Sammlung enthalten. In der Szene bekannte Größen wie Sepp Mattlschweiger, Sebastian Fuchsberger, Freddy Pfister, Ivan Prešern oder Vito Muzenic wurden mit ihren ureigenen Instrumenten für diese Library gesamplet.

24 Presets auf 500 Megabyte

Wie üblich bei Best Service-Produkten wird als Abspiel-Software der kostenlos erhältliche Engine-Player von Magix benötigt, der seinerseits auf dem Independence-Sampler aus gleichem Hause (früher Yellow Tools) basiert. Der Player offeriert per Button zwei Ansichten: Über den Quick-Edit-Dialog steht eine thematisch zum Inhalt gestaltete Oberfläche mit einer Reihe von Instrumenten-relevanten Parametern bereit. Die Pro-Ansicht erlaubt einen ungleich tieferen Eingriff in die Klanggestaltung, sei es beispielsweise durch detailliertes Einstellen von Hüllkurven und Filtern oder das Hinzufügen weiterer Effekte. Nicht unerwähnt bleiben sollen auch der flexibel einsetzbare Arpeggiator und der integrierte MIDI-File-Player, mit dem sich vorprogrammierte Phrasen per Tastendruck bequem abfeuern lassen. Doch das sind Spezialisten-Anwendungen, die nicht unbedingt nötig sind, um die alpinen Instrumente ordentlich zum Klingen zu bringen. Schauen wir uns die Ausstattung der einzelnen Patches einmal näher an.

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Wie erwähnt, ist die Ausstattung mit Parametern auf der Quick-Edit-Oberfläche sehr überschaubar. Außer gebräuchlichen Parametern wie Volume, Panorama, Attack und Release für die Lautstärke-Hüllkurve, steht ansonsten noch ein zumischbarer Hall-Effekt in allen Patches zur Verfügung. Weitere Parameter kommen je nach Instrument hinzu. So kann per Drehregler im Akkordeon das Klicken der Tasten, bei der Klarinette das Klappengeräusch zugemischt werden. Je nach Instrument sorgt eine schaltbare Legato-Funktion bei entsprechendem Spiel für einen weichen Tonübergang. Viele Patches besitzen überdies Key-Switches zum Aufruf von zumeist zwei bis vier Artikulationen. So kann bei den Blechbläsern zwischen staccato und marcato respektive Sustain umgeschaltet werden. Die Gitarren-Akkord-Presets halten über diese Tasten Akkorde in Dur, Moll, vermindert und in Form von Septakkorden bereit. Insgesamt ist die Bedienung und Ausstattung der Alpinen Volksmusik binnen kurzer Zeit verinnerlicht.
Schauen wir als nächstes einmal genauer auf die einzelnen Patches.

Gestandene Blasmusik aus dem Sampler

Den Anfang machen die Alpenschellen, oder anders ausgedrückt, die Kuhglocken. Sie sorgen gleich zu Anfang für authentisches alpenländisches Flair, wobei zwischen Tremolo und Einzelschlag ausgewählt werden kann. Ein sehr gut klingendes Preset, mit dem sich charakteristisch klingende Melodiebögen sowohl für große, als auch kleine Besetzungen erstellen lassen.
Nächste Station ist das Akkordeon, das gleich in fünf verschiedenen Varianten vorliegt. Vier Patches offerieren Steirische Knopf-Harmonikas in unterschiedlich klingenden Register-Mixturen. Die klanglichen Unterschiede zwischen den einzelnen Instrumenten sind zwar nicht groß und zumeist in den mittleren und hohen Lagen hörbar, aber sie klingen dennoch markant. Ungleich mächtiger ist das schlicht „Akkordeon“ betitelte Patch das per Button ein An- und Abschalten verschiedener Register von Piccolo, über Musette und Violin bis hin zum Bass ermöglicht. Damit besitzt dieses Patch den logischerweise größten Klangfarbenreichtum, um dieses Instrument passgenau in Arrangements einzusetzen. Sehr schön: Sämtliche Akkordeons verfügen in der unteren Lage über in je einer Oktave den Melodie- und den Stradella-Bass. So soll es sein.

Den Hauptanteil der Alpinen Volksmusik-Library nehmen die Belchbläser ein. Außer einer Solo-Trompete findet sich auch ein Tutti-Preset, das mit einem wohlig-weichen Timbre daherkommt, wohingegen das Solo-Instrument schon für die nötige Schärfe sorgt. Highlights sind jedoch die tiefen Blechbläser, genauer gesagt das Bariton-Horn, die Bass-Posaune und die Tuba. Die erstgenannten Instrumente gehören dabei nicht zwangsläufig zum Standard-Repertoire eines Orchesters und adeln die Best Service Library. Die Patches kommen mit marcato-, staccato- und teils Sustain-Artikulationen daher, wobei die kurz gespielten Töne knackig, wuchtig und überaus präzise kommen, perfekt für walking-Bass-Lines, nicht nur für volkstümliche Musik. Für fetzigen Balkan-Pop, klassische Musik mit erhöhtem Bedarf für solche Klangfarben, aber auch durchaus im Dancefloor mit Exoten-Touch sind das echte Geheimtipps. Anders als im Orchester besitzen die Blechbläser einen teils sehr vordergründigen Klang, der in jedem Fall seine Bühne einfordert und für den nötigen Druck unten herum sorgt.

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Zünftige Stub’n-Musi im Handumdrehen

Weiter geht’s mit dem einzigen Holzblas-Instrument, der Klarinette. Sie liegt in zwei verschiedenen Sustain-Varianten vor und klingt eher verhalten im Vergleich zu den Blechbläsern, aber immer noch seltsam vordergründig und andersfarbig, als eine herkömmliche Orchester-Klarinette. Anders ausgedrückt: Das Timbre besitzt ein gewisses Eigenleben, bei dem man nicht weghören kann. Schade ist allerdings, dass im Ausklang ein hochfrequentes Rauschen hörbar ist, was gerade in Solo-Passagen auffällt. Das hätte nicht sein müssen und gibt einen Punkt Abzug. Ansonsten sorgt die Klarinette mit ihrem eher weichen Klang für ein samtiges Gegengewicht zum Blech, das trotzdem Spaß macht zu spielen.

Gitarren dürfen im Instrumenten-Repertoire der volkstümlichen Musik auch nicht fehlen. Die Alpine Volksmusik Library kommt da gleich mit zwei Instrumenten, einer Nylon- und einer jazzigen Hollow-Body-Variante mit Stahlsaiten. Beide Instrumente besitzen sowohl ein Single-Note-Patch zum Spielen von Melodien, als auch ein Akkord-Patch, das per Key-Switch Dur-, Moll-, Sept- und verminderte Akkorde auf die Tastatur legt. Auffällig: Das Stahlsaiten-Preset wartet mit einem Pedal FX-Parameter auf, hinter dem sich ein eigentümlicher Mischmasch aus Tremolo und Vibrato verbirgt, was für diese Art von Musik jedoch völlig überflüssig, um nicht zu sagen unpassend ist. Die Nylon-Gitarre bietet sich primär für kleine Besetzungen an, die Stahlsaiten-Variante ist eher für große Besetzungen mit viel Blech prädestiniert und setzt sich ungleich besser durch. Im Test hinterlassen die Patches jedoch einen zwiespältigen Eindruck. Während das Single-Note-Preset der Nylon-Gitarre exzellent klingt, ist das Pendant der Stahlsaiten-Gitarre eher dünn und klingt bisweilen eher künstlich. Problematisch in beiden Instrumenten sind die Akkord-Presets: Ein ostinates Spiel auf einer Taste, also das mehrfache Wiederholen eines Akkords ist nicht möglich, denn es wird immer nur ein und dasselbe Sample gespielt, was rasch den berühmten, künstlich klingenden Maschinen-Gewehr-Effekt erzeugt. An dieser Stelle wurde eindeutig zu viel gespart und wir hätten gerne auch das eine oder andere Megabyte an zusätzlichem Speicherplatz dafür geopfert. In der Form sind die Gitarren daher nur entsprechend vorsichtig einsetzbar.

Zwischen Tradition und Schlager

Einige Fragezeichen kommen uns in den Sinn beim Durchhören der beiden Synthesizer-Bass-Presets, die vom Yamaha CS01 und DX100 stammen. Beide Synthesizer waren seinerzeit bei ihrem Release eher als Spielzeug belächelt worden, nicht zuletzt aufgrund ihrer winzigen Dimensionen. Mehr noch stellen wir uns in dem Fall die Frage, wo die Alpine Volksmusik Library thematisch eigentlich hin will. Denn Synthesizer haben, geht man vom Standpunkt einer reinrassigen Ethno-Sound-Library aus, in der Volksmusik nun rein gar nichts zu suchen. In dem Fall schielt die Best Service Library schon mehr in Richtung volkstümliche Musik respektive Schlager und verwässert zumindest in unseren Augen dadurch den Anspruch eine Ethno-Sound-Library zu sein. Abseits dessen überraschen beide Sounds mit ihrem eher posaunenartigen Timbre und bilden eine perfekte Alternative und Bereicherung für das ohnehin schon zahlreich vertretene tiefe Blech.
In die gleiche Kerbe schlägt auch der Walzer-Bass, der als reinrassiger E-Bass im gleichen Maße einen Stilbruch darstellt, sich musikalisch aber trotzdem als weitere Alternative im Tiefton-Bereich anbietet. Durchweg mit dem Finger gezupft, besitzt dieser Bass fast kein Attack und dröhnt eher samtig weich, fast schon unauffällig im Bassbereich und sorgt für zusätzliches Fundament bei marcato und staccato gespielten Blechbläsern.

Ebenso zwiespältig fällt unser Urteil auch bei den Drumsounds aus. Zu hören ist ein herkömmliches Drumset mit Bass-Drum, Snare, Toms, Hihats, einigen Becken und als zusätzliche Schmankerl noch Clap- und Tambourin-Sounds. Das sind herkömmliche, schnörkellose Allerwelts-Sounds, die nichts großartig Spezielles besitzen. Auch an dieser Stelle stellt sich uns wieder die Frage, wie sich die Best Service Library positionieren möchte. Der Sound des Drumsets geht zwar in Ordnung. Aber nötig sind diese Sounds für unseren Geschmack nun nicht. Uns fehlen im Gegenzug dafür die klassischen Drumsounds einer Blaskapelle, also der wuchtige Bassdrum-Sound einer vor den Bauch geschnallten Bass-Trommel, die entsprechenden Snares und auch die typischen Sounds, wenn zwei Becken aufeinander geschlagen werden. Genau das hätte nach unserer Einschätzung der Alpinen Volksmusik gut getan. So müssen wir uns mit dem gegebenen Repertoire eines Studio-Schlagzeugs behelfen.

Sehr gut auch in anderen Genres einsetzbar

Versöhnt werden wir schließlich durch zwei weitere typische Vertreter in Form einer steirischen Fiedel und eines Hackbretts. Die Violine kommt dabei mit einer korrekten Intonation. Doch das Timbre klingt auf eigentümliche Weise eher schräg, bisweilen ein wenig wimmernd. Das geschieht zwar auf subtile Weise, setzt sich aber im Vergleich zum Pendant aus der Klassik merkbar ab. Ein weiteres Highlight ist schließlich das Hackbrett, das einen Highend-Glanz im Grundsound besitzt, jeden Ton akkurat und äußerst fein aufgelöst darstellt und auch Freunde der Mittelalter-, Renaissance- und Barock-Musik in jedem Falle mit der Zunge schnalzen lässt. Per Sustain-Pedal oder via Release-Parameter kann der Ausklang gedämpft werden, so dass sich das Hackbrett im Klang ein wenig in Richtung eines ungarischen Cymbaloms bewegt. Im Test macht das Spielen dieses Instruments, nicht zuletzt aufgrund seiner Klangqualität, einen Riesen-Spaß und wirkt äußerst inspirierend.
Doch wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten und zwar in Form des Voice FX-Presets, das unsere Erwartungen ganz und gar nicht erfüllt. Enthalten sind eine Reihe gesprochener O-Töne. Soweit so gut. Mit Ausrufen wie „Auffi geht’s“ oder „Super“ können wir ja noch leben. Aber Einwürfe wie „Zicke Zacke“, „Geht’s Euch gut“, „I hör nix“ oder „Alle die Hände nach oben und im Rhythmus mitklatschen“, um nur ein paar zu nennen, vermitteln zumindest uns das hässliche Bild einer alkoholgeschwängerten Ballermann-Bierzelt-Kulisse. Zumindest wird mit diesen Ausrufen dieses Klischee ordentlich befeuert, was die volkstümliche Musik, sofern sie mit Anspruch gemacht wird, nicht verdient hat. Abseits dessen finden sich gerade mal zwei Jodler und zwei typische Jauchzer und Juchzer in diesem Preset, was viel zu wenig ist. Der Schwerpunkt hätte gerade auf der Vielfarbigkeit des Jodelns liegen sollen, denn so etwas kann nicht jeder, wohingegen die enthaltenen Ausrufe sich rasch abnutzen, mal ganz zu schweigen davon, dass so etwas ohne Probleme auch selbst bewerkstelligt werden kann.

Fazit

Die Alpine Volksmusik Library von Best Service hinterlässt im Test einen geteilten Eindruck. Zunächst ist dem Unternehmen ein sehr großes Lob für den Schritt auszusprechen, eine solche Klangsammlung zu produzieren und auf den Markt zu bringen, denn sie bedient erstmals eine bislang sträflich missachtete Gruppe von Musikschaffenden. Highlights sind die Blechbläser, die Akkordeons und das Hackbrett, die authentische Klangfarben offerieren und nicht nur für volkstümliche Musik geeignet sind. Ganz gleich ob klassische Musik, Mittelalter-Musik, Polka, Balkan-Pop, ja sogar im Dancefloor können sich einige der Presets durchaus heimisch fühlen. Mit den enthaltenen elektrischen und synthetischen Bässen sowie dem Schlagzeug und leider auch den in unseren Augen ärgerlichen Voice FX versucht die Library sowohl die Traditionalisten, als auch die auf den sogenannten volkstümlichen Schlager ausgerichteten Anwender einzufangen. Dies, so finden wir, ist aber nicht ganz gelungen, wenngleich die Sounds sich trotzdem hervorragend musikalisch einsetzen lassen und vom Know-how der Instrumentalisten zeugen. Abseits einiger Schwachstellen fehlen uns in dieser Library einige typische Klänge und Instrumente wie etwa das Alphorn, die Zither und vor allem eine gut sortierte Auswahl an Jodlern, die der Alpinen Volksmusik sehr gut zu Gesicht stünden. Wir hoffen daher alsbald auf ein Update, in dem dies nachgereicht wird. Damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Alpine Volksmusik besitzt ein großes Potenzial mit dem sich in jedem Fall auf weite Strecken amtlich klingende deutschsprachige Volksmusik in vielen Varianten produzieren lässt. Aber angesichts der Ausstattung können wir in Sachen Preis-Leistung dieses Mal nur ein Gut vergeben.