Klänge aus vergangenen Zeiten

Der Name ist Programm: Auf Era Medieval Legends versammelt sich eine breite Palette teils selten gehörter historischer Musikinstrumente, die frischen Wind mit ihren teils fremdartig klingenden Timbres in die DAW bringen wollen.

Von Georg Berger  

Der (Filmmusik-)Komponist, Sounddesigner und Library-Produzent Eduardo Tarilonte hat ohne Zweifel ein Faible für besondere Instrumenten-Klänge. Bereits seit einiger  Zeit bringt er Librarys nach bestimmten Themen sortiert auf den Markt, die stets mit  exotischen Instrumenten und Klangfarben aufwarten (siehe auch den Test der Desert Winds Library auf Seite 60). Mit dem jüngsten Output, der rund 200 Euro kostenden Era Medieval Legends Library, stößt der umtriebige Produzent erstmals in den Bereich historischer Instrumente vor. Die rund zehn Gigabyte große Library versammelt eine Reihe von Blas-, Streich-, Tasten-, Zupf- und Percussion-Instrumenten, die ihre Hochphase in einer Zeitspanne vom Mittelalter bis in den Barock hatten. Als besonderes Leckerli und typisch für die Librarys von Tarilonte findet sich zusätzlich eine Reihe moderner, opulent produzierter Soundscapes, die den Instrumenten-Presets bei Bedarf den passenden klanglichen und atmosphärisch dichten Background liefern sollen. Era Medieval Legends ist über den mitgelieferten Engine-Player spielbar, einer abgespeckten Variante des Yellow Tools Independence Samplers (Test in Heft 8/2008). Über die sogenannte Quick Edit Page steht für jedes Instrument ein individueller Satz an Parametern bereit, die im Test ein ausreichendes Arsenal an Einstellmöglichkeiten offeriert. Für entsprechende Authentizität beim Spielen der Instrumente sorgen Key-Switches, über die sich verschiedene Artikulationen und Spieltechniken aufrufen lassen. Bei den Blasinstrumenten sind übrigens ständig Legato-Samples aktiv, die in Abhängigkeit zur Anschlagsdynamik gegen Portato-Samples ausgetauscht werden. Individuell für jedes Instrument finden sich überdies im GUI eine Reihe spezieller Parameter zum Ausformen des Klangs. So lassen sich beispielsweise die Bordun-(Drone-)Töne von Dudelsack und Drehleier aktivieren sowie in der Lautstärke feinjustieren oder das Vibrato in den Streichern und Bläsern einstellen.

Erfrischend anders und lebendig klingen auch die Blockflöten, die dank Round Robin-Funktion immer wieder mit subtilen Spielvarianten, leichten Überblas-Geräuschen sowie einem eigentümlich hohlen Timbre aufwarten, die so nichts mit dem heutigen Instrument zu tun haben. Sehr schön: Das Anyafil- und Schofar-Instrument wartet mit Presets auf, die verschiedene Fanfaren-artige MIDI-Sequenzen enthalten und per Tastatur zu starten sind. Genial: in Kombination mit der Anschlagsdynamik liegen sogar mehrere Sequenzen auf einer Taste, die ein reichhaltiges Feld zur Ausgestaltung entsprechender melodischer Signale geben. Im Vergleich dazu fallen die Percussion-Instrumente jedoch ab. Sie enthalten ein Klang-Repertoire, das sich nicht wesentlich von denen anderer Librarys orientalischer Herkunft unterscheiden und dort ungleich opulenter eingefangen wurden. Das hätte man sich auch schenken können. Einzige Ausnahme bildet das Tamburin, das in mannigfacher Weise und mit einer Vielzahl an Spielvarianten gesamplet wurde. Gleiches gilt auch für die Tasteninstrumente. Das orgel-ähnliche Organetto und die beiden Cembalo-Varianten Virginal und Spinett besitzen zwar jeweils individuelle Klangfarben. Doch das haben wir auch schon in anderen Librarys gehört. Versöhnt werden wir schließlich bei den Saiten-Instrumenten, allem voran der Drehleier, der Gambe und den Harfen. Die Drehleier-Presets sind aufgeteilt in vier Tonarten mit jeweils mehreren Grooves im 2/4- und 6/8-Takt. Das Drücken einer Taste startet den Groove und liefert dabei den Bordunton, der staccato-artig und mit der schnarrender hoher Trompeten-Saite rhythmisch durchbrochen wird. Das Chanter-Preset erlaubt schließlich das melodische Drehleier-Spiel, wobei sich jeweils zwei Borduntöne wiederum separat aktivieren lassen. Eine Reihe von Nebengeräuschen sind zudem per Regler in der Lautstärke justierbar.

Im Vergleich zur Sonokinetic-Drehleier (Test auf Seite 67) wartet der Era-Variante mit einem eher zarten und schlanken Klang auf, die teils an ein Akkordeon erinnert. Die Gambe gefällt hingegen durch ein deutlich hörbares hölzernes Resonieren, das den Tönen einen wunderbar rauen, rustikalen Charakter verleiht. Die Fidel steht dem in nichts nach. Durch die Round Robin-Funktion mit leichten Nebengeräuschen durchsetzt, besitzt das Instrument etwas eigentümlich hölzernes, amateurhaft gespieltes. Durch das Hinzuschalten eines Borduntons spannt sich sogleich eine akustische Szenerie auf, die an die Kneipen-Szenes aus dem ersten Herr der Ringe-Film erinnert. Die Barock-Gitarre und Laute fallen im Vergleich dazu ein wenig ab, wenngleich auch sie mit einem eigentümlichen Timbre, das sich deutlich von einer Konzert-Gitarre absetzt, punkten können. Last but not Least  zeigt Tarilonte in der Sounddesign-Abteilung sein ganzes Können. Aufgeteilt in Soundscapes, Atmosphären und Whooshes spannt sich ein weites Feld von zarten und zerbrechlich klingenden Atmosphären bis hin zu dramatischen, bombastisch und bedrohlich wirkenden Klang-Szenarien auf, die abseits vom Oberthema der Library auch in anderen Genres hervorragend einsetzbar sind. Sehr schön: Bis zu sechs Layer finden sich in einer Klangkulisse, die sich per Regler in der Lautstärke justieren lassen. So etwas findet man auch nicht jeden Tag.

Fazit 

Mit der Era Medieval Legends Library von Best Service halten historische Instrumente Einzug in die DAW, die oberflächlich zwar vertraut klingen, aber stets mit Klangzutaten durchsetzt sind, die sie markant aus dem modernen Orchester-Apparat hervortreten lassen. Dank der Vielzahl an Spielvarianten lässt sich damit nicht nur perfekt der nächste Soundtrack für historische Filme produzieren oder Arrangements im Mittelalter-Rock mit zusätzlichen Klangfarben anreichern. Alle anderen Musikstile dürften mit dieser markant klingenden Library ihren Arrangements ohne Zweifel neue klangliche i-Tüpfelchen aufsetzen, bei denen man nicht weghören kann.

Erschienen in Ausgabe 09/2012

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 199 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut