Etwas Altes und etwas Neues…

…bereichert seit kurzem die Palette an Drumsample-Librarys von Native Instruments. Während die eine Klang-Bibliothek auf den Vintage-Sound der 1950er Jahre setzt, stellt die andere einen sattsam bekannten Profi-Studio-Trick in den Mittelpunkt mit dessen Hilfe sich rasch und komfortabel hochmoderne Drumsounds und -grooves produzieren lassen. Beide wollen mit markantem Klang punkten. Wir haben nachgehört. 

Von Georg Berger

„Das wurde aber auch höchste Zeit“, war unser erster Kommentar als wir vor kurzem vom Release der neuen Abbey Road 50s Drummer Libary von Native Instruments erfuhren. Hatte sich der Berliner Hersteller zuletzt mit dem Vintage Drummer, der Schlagzeuge der 1940er Jahre zum Inhalt hatte, im Dezember 2012 gemeldet, war es seitdem ruhig geworden in diesem Teil der Produkt-Palette für den Kontakt-Sampler respektive die kostenlose Player-Variante. Wenig später legte Native Instruments mit der Drumlab-Library sogar noch eine weitere Schlagzeug-Bibliothek nach, die mit einem ganz eigenen Konzept jenseits der Abbey Road-Serie aufwartet. Beide Librarys sind für rund 100 Euro erhältlich und könnten ausstattungsseitig und klanglich nicht unterschiedlicher sein. Beiden gemeinsam ist jedoch ein markanter Sound, der sie eindeutig charakterisiert, sie von den Mitbewerbern absetzen und Arrangements auf nachhaltige Weise prägen soll. Dabei schließt der Abbey Road 50s Drummer endlich die noch offene Lücke innerhalb der Serie, so dass jetzt nahtlos virtuelle Drumkits von den 1940er Jahren bis in die heutige Zeit zur Auswahl stehen. Wie in der Namensbezeichnung erwähnt, wurde auch diese Klangbibliothek in den legendären Abbey Road-Studios mit entsprechendem Vintage-Equipment aufgenommen, um dem Sound der Instrumente das entsprechende klangliche Flair, in diesem Fall der 1950er Jahre, aufzuprägen. Zwei Drumkits, ein Gretsch Cadillac Green Nitron- und ein WFL-Set, wurden dafür aufgenommen, wobei gleich drei Snaredrums pro Kit im Wechsel zur Verfügung stehen und geladen werden können. Besonderheit: Die Toms des Gretsch-Kits sind absichtlich tiefer gestimmt, wohingegen die Pendants im WFL-Kit höher gestimmt wurden, so dass die Toms beider Kits im gemeinsamen Zusammenspiel perfekt miteinander harmonieren sollen. Als besonderes Leckerli wurde schließlich auch eine höchst seltene Gladstone-Snaredrum aus dieser Zeit in die Library mit aufgenommen. So wundert es nicht, dass die im Lieferumfang enthaltenen Drum-Grooves und Sound-Presets typische musikalische Stile der damaligen Zeit bereithalten wie etwa Rock’n Roll, Country oder Blues. Abseits dessen sind aber auch ungleich modernere Stile wie Funk, Soul und Indie vertreten, mit der sich der 50s Drummer zeitlos geben will. Vier Drum-Kits, je zwei komplette und zwei Light-Versionen mit geringerem Datenumfang sind in Kontakt ladbar. Besonderheit: Die üblichen Spieltechniken der Instrumente etwa Tip und Bell bei den Becken oder Sidestick und Rimshot bei der Snare, liegen noch einmal teils in linke und rechte Hand Samples mit leicht akustischen Varianten vor. Zudem finden sich eine ganze Reihe von Artikulationen, die mit Besen gespielt wurden, perfekt für Jazz und Pop.

Ganz anders stellt sich die Drumlab-Library auf, die als singuläres Produkt ein komplett anderes Ziel verfolgt. Im Kern lassen sich Sound-Layer, bestehend einmal aus akustischen, das andere Mal aus elektronischen Drumsounds dynamisch mischen, um auf diese Weise einen modernen, durchsetzungsfähigen Drumsound zu erhalten, der in allen gängigen Dancefloor-Genres, aber auch härteren Musikrichtungen wie Nu-Metal, Crossover oder Industrial fröhliche Urständ feiert. Dabei treffen 38 akustische Einzel-Instrumente, die mit modernem und historischem Equipment auf Analogband aufgezeichnet und anschließend per Studio-Effekte bereits klanglich optimiert wurden, auf rund 400 elektronische Drumsounds, die zumeist von klassischen Drum-Computern stammen. Dabei wurden akustische und elektronische Samples auch in der Phasenlage aufeinander abgestimmt, so dass ein Zusammenspiel zu optimalen Ergebnissen führt. Zugegeben, der Trick, akustische und elektronische Drumsounds zu mischen ist jetzt wahrlich nicht neu und wird seit langem praktiziert. Doch neu ist hingegen, laut Aussage von Native Instruments, dass Drumlab die erste Sample-Library sei, die diesen Trick auf denkbar einfache Weise möglich macht. 
Die Ausstattung und Bedienung beider Librarys zeigt sowohl eine Reihe von Gemeinsamkeiten, als auch Unterschiede. So verfügen beide Produkte über einen Groove-Browser, der eine Vielzahl von live eingespielten MIDI-Sequenzen bereithält, die sich per Drag-and-drop in die DAW importieren lassen. Drumlab zeigt dabei zusätzlich in einer Pianorollen-Ansicht den gerade angewählten Groove an. Über den Optionen-Dialog können in beiden Librarys Eingriffe ins Mapping der Sounds und Sound-Artikulationen vorgenommen sowie die Anschlagsdynamik feinjustiert werden. Der 50s Drummer offeriert zusätzlich Möglichkeiten zum Editieren des momentan angewählten Samples (unter anderem Lautstärke, Tonhöhe, Klang). Die Kit-Page im 50s Drummer zeigt die Graphik des gerade geladenen Drumkits und erlaubt weitere grundlegende Eingriffe in die Einzelsounds (Hüllkurve, Lautstärke-Anteil in Overhead und Raum-Kanäle) sowie den Austausch der Snaredrums und der Percussion-Sounds. Die Machtzentrale im 50s Drummer markiert jedoch der Mixer-Dialog. Jedes Einzelinstrument ist in der Lautstärke und im Panorama einstellbar. Via Sendregler lässt sich das Signal auf den integrierten Faltungshall leiten, der im Master-Tab neben dem Master-Regler via Return-Fader einstellbar ist. Zusätzlich verfügt der Mixer über je zwei Overhead- und Raum-Känäle, einmal in stereo, das andere mal in mono, wobei die Becken erwartungsgemäß auschließlich über die Overheads einstellbar sind. Am Fuß des Dialogs erlaubt eine Effektsektion, das weitere klangliche Bearbeiten jedes Kanals. Dabei stehen mit dem Equalizer und Kompressor die separat erhältlichen Solid Mix-Effekte zur Verfügung, ebenso wie der Transient Master. Abgerundet wird die Sektion durch einen einstellbaren Bandsättigungs-Effekt. Sehr schön: Die Reihenfolge dieser Effekte ist frei bestimmbar. Zudem können in dieser Sektion auch für Bass- und Snaredrum das Übersprechen der anderen Instrumente sowie die Signalanteile von Kessel- und Fell-, respektive Top- und Bottom-Mikrofon feinjustiert werden. Damit offeriert der 50s Drummer alles was nötig ist, um Drumsounds zu veredeln und bei Bedarf auch bis zur Unkenntlichkeit zu verbiegen.

Die Kit-Page in Drumlab gibt sich optisch modern und stylish. Sie fasst im Unterschied zum Kit- und Mixer-Dialog des 50s Drummer die Aufgaben direkt auf einer Seite zusammen. Im Hauptteil des Dialogs finden sich in einzelne Sektionen unterteilt die Einzel-Instrumente, darunter auch fünf Percussion-Instrumente. Zusätzlich findet sich ein Stereo- und Mono-Overhead- und lediglich ein Raum-Kanal in mono sowie ein Reverb-Return hinter dem ein Faltungshall werkelt. Das Handling geschieht dabei denkbar einfach. Durch Klick auf das gewünschte Instrumenten-Symbol zeigen sich die üblichen Mixer-Parameter im Symbol selbst (Solo, Mute, Lautstärke, Panpot). Gleichzeitig wird am Fuß des GUI die dazu korrespondierende Editier-Sektion aufgerufen, die ihrerseits in Source- und Effekt-Dialog unterteilt ist. Die Effekt-Abteilung zeigt dabei die gleichen Effekte wie der 50s Drummer. Allerdings sind die Einstellmöglichkeiten vergleichsweise eingeschränkt. Das freie Anordnen der Einzel-Effekte ist übrigens auch nicht möglich, was die Flexibilität entsprechend einschränkt. Der Source-Dialog erlaubt hingegen das Austauschen der Akustik- und Elektronik-Samples, die sich anschließend per Crossfader ausbalancieren lassen. Weiterhin finden sich zusätzliche Mix- und Sample-Parameter, die auf die Akustik- und Elektronik-Klänge Einfluss nehmen, etwa auf die Tonhöhe der Sounds, eine dreistufige Hüllkurve, der Lautstärkeanteil in die Overhead-Kanäle und ein Tiefpassfilter auf den Elektronik-Samples. Besonderheit: Über den Trigger Offset-Parameter lassen sich die Elektronik-Samples bei Bedarf um bis zu 50 Millisekunden verzögern. Insgesamt gestaltet sich der Umgang mit Drumlab ebenfalls schon nach kurzer Zeit sehr komfortabel und leicht. Es besteht einzig die Gefahr, sich in der Vielzahl der Einstellmöglichkeiten zu verlieren und das eigentliche Ziel, Musik zu machen, nur allzu leicht aus den Augen zu verlieren. 
Im Hör- und Praxistest zeigen sich beide Librarys von ihrer besten Seite und punkten ohne Wenn und Aber mit ihren ureigenen klanglichen Charakteristika. Dabei hat Native Instruments in der Beschreibung der klanglichen Vorzüge beider Produkte wahrlich nicht übertrieben. Die Drumkits des 50s Drummer kommen mit einem verhaltenen Raumklang, der den Instrumenten schmeichelt. Das Nachschwingen der Trommeln erhält dadurch eine Betonung, die organisch mit den Transienten verschmilzt. Die verfügbaren Snare-Drums warten mit verschiedenen Tonhöhen und Kesselanteilen auf, die dem Drumset mal einen treibenden, bissigen Charakter verleihen, wenn die Transienten lauter und vordergründiger als der Kesselanteil erklingen, das andere Mal geht es umgekehrt und die Grooves erhalten einen intimen Charakter, der sich perfekt für Balladen und seichte Pop-Musik empfiehlt. Im direkten Vergleich mit den Drumkits des Vintage Drummers, klingen die Pendants im 50s Drummer deutlich fetter, vordergründiger und tighter, wenngleich, wie erwähnt das Nachresonieren des Holzes beiden Drumsets das Flair historischer Aufnahmen verleihen. Anders sieht es im Vergleich mit dem direkten Nachbarn, dem Abbey Road 60s Drummer aus. Dort klingt es deutlich bissiger, tighter und vordergründiger als im 50er Pendant, das sich in diesem Klangvergleich eher zart, subtil und intim gibt. Auffällig ist tatsächlich der vom Hersteller erwähnte mittenbetonte Grundklang. Höhen und Bässe sind gefühlvoll zurückgenommen, was gerade im Vergleich mit dem 60s Drummer auffällt, der ungleich höhenlastiger im Klang daherkommt und mehr Tiefe im Bass besitzt. Selbst der Vintage Drummer ist im Grundklang ein wenig breitbandiger aufgestellt. Im internen Vergleich wartet das Autumn-Kit mit einem weichen, eher dunkel gefärbten Grundsound auf, was nicht zuletzt von den tiefer gestimmten Toms herrührt. Das Spring-Kit klingt hingegen frischer, lebendiger und knalliger, was sich im Mix souveräner durchsetzt als das Autumn-Kit.

Doch das sind lediglich die grundlegenden klanglichen Charakter-Eigenschaften der 50s-Drumsets. Beide Instrumente gewinnen im Test deutlich an Vielfältigkeit und Farbenpracht beim Einsatz der verschiedenen Mixer-Presets, die mit unterschiedlich starken Raumanteilen, Kompressor- und EQ-Settings daherkommen und etwa im Blues-Preset den Bassdrums ein ordentliches Pfund im Bass verleihen. Das Jazz-Preset kommt ebenfalls etwas bassiger daher, jedoch mit einem etwas trockeneren Raumanteil, was beide Drumsets etwas kleiner abbildet. Sehr schön ist das Vintage Mono-Preset, das so richtig schön vintage daherkommt und an den Sound alter Röhrenradios erinnert. Wem der Vintage Drummer zu schlapp und der 60s Drummer schon zu hart klingt, erhält mit dem 50s Drummer eine exzellent klingende und flexibel einstellbare Lösung zwischen diesen beiden Polen.

Im Hörtest der Drumlab-Library werden wir hingegen in Lichtgeschwindigkeit 50 Jahre in die Zukunft katapultiert. Die Akustik-Instrumente klingen crisp, tight, vordergründig und teils voluminös. Insgesamt hält Drumlab dabei modern produzierte Drumsounds bereit, die sich problemlos gegen kellertiefe (Synth-)Bässe und schneidend scharfe (Metal-)Gitarren durchsetzen können. Je nach gewählten Instrumenten lassen sich sowohl beinharter Rock und bedingt auch gefühlvolle Popmusik damit produzieren. Auffällig ist dabei eine oftmals zu hörende Dominanz in den Höhen und im Bass. Auffällig ist auch, dass bei Anwahl eines Mixer-Presets gleichzeitig auch Samples ausgetauscht beziehungsweise neu miteinander kombiniert werden. So stehen sieben Hauptkategorien zur Auswahl, die mit ihren Bezeichnungen grob die klangliche Richtung vorgeben wie etwa Smooth, Raw, Fat oder Dirty. Innerhalb dessen finden sich dann noch einmal zehn Unter-Presets. Im Test werden wir auch sogleich von einer klanglichen Farbenpracht förmlich erschlagen. Kellertiefe Bassdrums, die von schneidend scharfen Snaredrums begleitet werden und wie ein aufwändig prozessiertes Akustik-Drumset klingen markieren den einen Pol. Dünn klingende Elektronik-Drumsets mit deutlich hörbar beschnittenen Transienten markieren den anderen Pol. Dazwischen sind Variationen hörbar, die mal äußerst fett, punchy und vordergründig daherkommen, das andere Mal eher weich, klein und unscheinbar. Hinzu kommt ein teils heftiges Signal-Processing, das diesen Sounds eine voluminöse räumliche Tiefe verleiht und mitunter weidlich Verzerrungen einsetzt, was den Sounds eine zusätzliche charakteristische Schärfe verleiht. Unabhängig davon wohnt allen Presets stets das gewisse Etwas inne. Zwar ist im Kern ein Akustik-Drumset hörbar, doch dank der Beimischungen elektronischer Sounds erhalten sie stets eine besondere Komponente, die für den larger-than-Life-Effekt sorgt, sei es ein Nachsummen in der Bassdrum, ein Knistern in der Hihat oder ein angezerrtes Rauschen im Verklingen der Snaredrum. Dieser eigentümliche Mischmasch aus Akustik und Elektronik zieht sich logischerweise wie ein roter Faden durch sämtliche Presets, wobei wir im Test fortwährend durch immer wieder neue, ansprechende Soundkombinationen überrascht werden. Der Spaß erhöht sich dabei um ein Vielfaches, wenn lediglich mit dem Crossfader oder dem Tune-Parameter  experimentiert wird. Sehr schön: Bei gedrückter Alt-Taste wird der zu editierende Parameter auf einen Schlag in allen Instrumenten geändert.

So lassen sich ohne Mühe drastische Klangänderungen von akustisch zu rein elektronisch oder Achterbahnfahrten mit dem Tune-Regler realisieren. Gefällt eine Sample-Kombination in den Instrumenten nicht, lässt sich dies nach Herzenslust soweit aus- und vertauschen, bis das gewünschte Maß an Schärfe bei gleichzeitiger Wuchtigkeit etwa in der Snaredrum hergestellt ist. Dabei besteht nur allzu leicht die Gefahr, sich in den Möglichkeiten zu verlieren. Pfiffig erweist sich im Test auch der Track-Offset-Parameter, der bei Bedarf für ein zeitliches Versetzen des Elektronik-Samples sorgt. So können wir alleine damit das Nachklingen etwa der Snaredrum durch einen elektronischen Sound künstlich verlängern und gleichzeitig mit einem Klangspektrum bereichern, das dem Gesamtklang die nötige Aufmerksamkeit verleiht. Insgesamt adressiert sich das Klangrepertoire von Drumlab an Tonschaffende in allen Bereichen des Dancefloor. Die Presets klingen immer wieder so, als ob sie von aufwändig prozessierten Loops stammen, nur mit dem Unterschied, dass wir im Gegensatz zu einem Loop ungleich mehr Eingriffsmöglichkeiten besitzen. Wer mit Drumlab abseits aktueller Tanzflächen-Musik tätig werden will, muss jedoch ein gewisses Maß an Zeit investieren, um die gewünschte Klangkombination zu erhalten.

Fazit

Native Instruments präsentiert mit dem Abbey Road 50s Drummer und Drumlab zwei Schlagzeug-Librarys, die sich durch markanten Grundklang, flexible Eingriffsmöglichkeiten, leichte Bedienung und einen Riesenspaß beim Produzieren von Grooves auszeichnen. Während sich der 50s Drummer primär an den Klang-Gourmet richtet, der auf der Suche nach historischer Authentizität ist, dürfte Drumlab für diejenigen Dancefloor-Produzenten von Interesse sein, die in fett und kunstvoll prozessierten Drumloops schon immer die Möglichkeit vermisst haben, nachträglich in den Sound eingreifen zu können.

Erschienen in Ausgabe 10/2013

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 99 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut