Welcome to the 80ies
Native Instruments und das renommierte Abbey Road Studio setzen ihre gemeinsame Arbeit konsequent fort. Nach Librarys mit den Drumsounds der 60er und 70er Jahre folgt jetzt eine Sample-Library mit den markanten Schlagzeugklängen der 80er Jahre.
Von Georg Berger
Es war nur eine Frage der Zeit, wann Native Instruments in Kooperation mit dem legendären Abbey Road Studio das nächste Kapitel klingender Tontechnik-Geschichte aufschlägt. Nachdem sich beide Unternehmen den charakteristischen Drumsounds der 60er und 70er Jahre annahmen, die als jeweils eigenständige Library erschienen (siehe Test in Heft 5/2010), steht im quasi dritten Teil der Serie schließlich der Schlagzeugklang der 1980er Jahre im Zentrum. Die Abbey Road 80s Drums Library wartet, ebenso wie ihre Vorgänger, mit zwei Drumsets auf, sie ist für gerade einmal 100 Euro erhältlich, via Kontakt (Player) 4.1 spielbar und offeriert im GUI die gleichen überschaubaren aber effizienten Einstellmöglichkeiten, um die Sounds den eigenen Wünschen und Bedürfnissen flexibel anzupassen. Der Drums-Reiter bietet Optionen zum Einstellen, Laden, Löschen und Austauschen von Sounds und Spielartikulationen. Ein Klick auf den Options-Button gestattet globale Eingriffe in das Spiel- und Klangverhalten der Library. Der Mixer-Dialog erlaubt schließlich das Austarieren der Lautstärke von Direktsignalanteilen jedes einzelnen Instruments sowie der virtuellen Overhead- und Raum-Mikrofone. Doch das war es auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Unterschiede zu den Schwester-Librarys finden sich logischerweise im Klang, wobei das Abbey Road Studio bei den Aufnahmen wiederum peinlich genau darauf geachtet hat, das entsprechende Instrumentarium und Equipment dieser Dekade einzusetzen. Zusätzlich wurden wiederum tontechnische Verfahren genutzt, die gerade in diesem Jahrzehnt aufkamen, den Schlagzeugsound nachhaltig prägten und ebenfalls in den Content der Library einflossen. Klingendes Highlight der Library sind dabei zweifellos die enthaltenen Gated-Reverb-Sounds. Das zweite klangliche Highlight, dessen Entdeckung wir Phil Collins während der Aufnahmen zu „In the Air tonight“ zu verdanken haben, ist selbstverständlich ebenfalls mit an Bord. Die Rede ist vom Talkback-Kompressor der B- und E-Serien-Pulte von SSL, der gerade bei Schlagzeugaufnahmen eingesetzt, den Sound auf charakteristische Weise färbt und seitdem auf unzähligen Produktionen zu hören ist. Doch der Reihe nach.
Zwei Drumsets aus den 80er Jahren wurden penibel mit teils exklusivem Studio-Equipment gesamplet und aufbereitet: Das damals sehr populäre Vintage 9000 Kit von Yamaha sowie das Magnum Kit von Slingerland, die mit sehr eigenen klanglichen Charakteristika aufwarten. Das Yamaha-Kit besticht durch einen sehr offenen, höhenreichen Grundklang, der vordergründig und knallig daherkommt, das perfekte Drumset für alle Arten von kraftvoller Rockmusik. Die Instrumente strahlen förmlich und zeichnen sich durch eine markant klingende Impulshaftigkeit aus. Das Slingerland-Kit offeriert hingegen einen eher homogenen und sanften Grundklang mit samtigen Mitten, was den Instrumenten eine gewisse Intimität verleiht. Deutlich hervorstechende Transienten sind nicht vorhanden, das Drum-Kit wirkt klanglich dadurch eher klein und unscheinbar, was es optimal einsetzbar macht für Pop-Balladen und alle Arten von Songs, in denen es auf Subtilität und Atmosphäre ankommt. Dies setzt sich auch bei den Snaredrums fort. Die zwei wählbaren Snares des Yamaha-Sets zeichnen sich durch deutlich hörbare Snareteppich-Anteile aus, wahlweise mit wenig oder viel Kesselanteil, was ihnen Vordergründigkeit und Volumen verleiht. Sie klingen überdies knallig, also scharf mit deutlich hörbaren Transienten. Die insgesamt drei austauschbaren Snares des Slingerland-Kits setzen ihre Schwerpunkte auf hörbare Kessel- und Fellresonanzen. Der Snareteppich ist dabei deutlich zurückgenommen und fast nicht hörbar. Darüber hinaus offeriert die Library mit den „Skin on Skin“-Samples bei sämtlichen Snares sowie den Toms des Slingerland-Kits einen weiteren klanglichen Kunstkniff, der in den 80er Jahren oft eingesetzt wurde. Hierfür wurde ein loses Fell auf die Trommel gelegt, was beim Anschlagen zu einem eigentümlich gedämpften Sound führt. Die Snares klingen zwar immer noch leicht nach, doch der Gesamtklang wirkt pappig, gleichzeitig aber auch prägnanter. Die Skin-on-Skin-Varianten der Slingerland-Toms klingen sogar höher, ihr Resonieren ist dafür merkbar beschnitten und im Klang wird das Attack deutlich betont. Sie klingen dadurch kurz und knapp, was sich hervorragend für wieselflink gespielte Tom-Orgien anbietet. Die Percussion kommt in den Abbey Road 80s Drums ebenfalls nicht zu kurz und enthält als historisches Instrumenten-Highlight die sogenannten Octoban-Röhren-Toms. Schade ist jedoch, dass die Octobans ausschließlich im Slingerland-Kit ladbar sind. Für die Aufnahmen der Instrumente schöpfte Abbey Road – Adel verpflichtet – wiederum aus dem Vollen und nutzte teils exklusives Equipment. Im Zentrum stand die sogenannte Air Montserrat-Konsole von Neve – ein Unikat aus dem gleichnamigen Studio –, die ihre Signale an eine Studer A80 Bandmaschine schickte. Die Aufnahmen wurden anschließend über Wandler des Herstellers Prism Sound digitalisiert. Der legendäre EMI TG12413 Limiter sorgte dabei für den klanglichen Feinschliff der Stereo-Gate-Samples im Yamaha-Kit. An Schallwandlern kamen Klassiker wie unter anderem das Neumann U 87, FET 47, Sennheiser MD 421, Shure SM 57 und das AKG C 414 zum Einsatz. Der bereits erwähnte Talkback-Kompressor ist für die Produktion jedoch in Form eines Nachbaus eingesetzt worden, der von den Abbey Road-Technikern anhand der Original-Schaltpläne akribisch nachempfunden wurde. Sein Einsatz ist in den Mono-Gate-Samples zu hören. Besonderheit: Die in den Talkback-Kompressor eingespeisten Signale wurden vom sogenannten „Ball & Biscuit“-Mikrophon eingefangen. Es handelt sich dabei um das Kugel-Mikrofon 4021 von STC, das in den Abbey Road Studios bis heute als Talkback-Mikrofon eingesetzt wird und schon damals bei der Entdeckung der klanglichen Qualitäten dieses Kompressors klanglich mitgemischt hat.
Das Yamaha-Kit wurde im Studio 3 aufgenommen, das als raumakustische Besonderheit in einem Abteil mit verspiegelten Decken und Wänden aufwartet, was die aufgenommenen Sounds nachhaltig prägt und die selbstverständlich in der Library zusätzlich enthalten sind. Allerdings betrifft dies ausschließlich die Trommeln. Das Slingerland-Drumset wurde hingegen im Studio 2 aufgenommen, dessen Raumakustik alleine für sich ein Stück Tontechnik-Geschichte repräsentiert. Im Vergleich zum Studio 3, das den Nachhall eines großen Raums besitzt, ist der Nachhall von Studio 2 hörbar voluminöser und mächtiger. Der natürliche Nachhall der beiden Studios inklusive tontechnischer Aufbereitung ist dabei essentieller Bestandteil der Gated-Reverb-Samples. Hierbei haben die Abbey Road-Ingenieure einen enormen Aufwand getrieben und für jedes Instrument mitsamt seiner Spiel-Artikulationen, Velocity-Stufen und Variationen separate Gated-Reverb-Samples in stereo und mono aufgenommen. Vorteil für den Anwender: Die Gated-Sounds lassen sich flexibel auf die Instrumente und anschließend per Summenfader den Direktsound-Samples hinzumischen, was über einen zusätzlichen Unter-Dialog des Mixer-Fensters im GUI realisiert wird. Besonderheit: Per Button rufen wir wechselweise Mixer-Oberflächen für die Mono- und Stereo-Gate-Sounds auf. Mit aktivierter Link-Funktion ändern wir Parameter gleichzeitig in beiden Gate-Mixern, wobei sich Änderungen in einem Dialog relativ auf den anderen auswirken. Damit nicht genug verfügt jeder Gate-Kanal zusätzlich über eine dreistufige Hüllkurve mit dessen Hilfe sich das Hall-Sample noch einmal flexibel ausformen lässt. Der Attack-Regler führt dabei die Funktion eines Predelays aus, über den Hold-Parameter stellen wir die Dauer des Nachhalls ein. Mit Decay lässt sich quasi einstellen, wie schnell das Gate zumacht. Damit bietet Native Instruments dem Anwender zwar ein überschaubares Arsenal an Einstellmöglichkeiten, mit denen sich trotzdem eine Menge anstellen lässt. Im Test verhallen wir die Snare nach allen Regeln der Kunst. Mit aufgerissenem Hold- und Decay-Regler klingt der Gate-Hall natürlich über etwa zwei Sekunden aus. Bei zugedrehtem Decay-Regler ist ein sehr deutliches Abschneiden der Hallfahne hörbar. Je nach Einstellung von Hold und Decay sind Sounds machbar, die von künstlich-verfremdet über deutlich abgeschnitten bis natürlich ausklingend reichen. Der Anwender erhält somit zwei zusätzliche Raumkanäle mit Spezial-Ausstattung. Obwohl die Gate-Samples nur einen Hallsound offerieren, sind wir beim gezielten Erstellen hörbarer Gated-Reverb-Sounds von der klanglichen Vielfalt beeindruckt, die wir lediglich mit Hilfe der drei Hüllkurven-Parameter erzeugen. Mono- und Stereo-Gate-Samples besitzen durch die jeweils eigenständige tontechnische Bearbeitung individuelle klangliche Eigenschaften. Im Vergleich zu den herkömmlichen Raumsamples, die den Instrumenten auf subtile Weise Räumlichkeit und Tiefe verleihen und eher zart ans Werk gehen, fügen die Gate-Samples den Sounds einen kraftvollen Schuss an Rauminformation hinzu. Die Stereo-Gate-Sounds klingen hierbei zwar ebenso fein aufgelöst wie die normalen Raumkanal-Samples. Sie sind jedoch deutlich hörbar komprimiert, was ihnen Kraft und Durchsetzungsvermögen verleiht. Die Instrumente klingen damit so, als ob sie einen Power-Drink erhalten haben, denn auf einmal macht sich klanglicher Bombast breit, der selbst das zuvor noch als eher klein beschriebene Slingerland-Kit in ein mächtig fett klingendes und knalliges Schlagzeug verwandelt. Damit kann auch das Slingerland-Kit ordentlich rocken. Dabei haben die Abbey Road-Ingenieure klug gehandelt, das eh schon groß klingende Yamaha-Set in den kleineren Raum und das eher unauffällige Slingerland-Drumset im großen Studio aufzunehmen. Beide Drumsets gewinnen an Vordergründigkeit, Punch und Volumen.
Durch gezieltes Abschneiden der Hallfahnen in den einzelnen Instrumentenkanälen verleihen wir den Drumsets mal einen deutlichen Schuss an Rauminformation, das andere Mal dienen die Gate-Samples zum Anfetten, um bestimmte Instrumente aus dem Groove deutlicher hervortreten zu lassen. Den Vogel schießen dabei die Skin-on-Skin- sowie die Mirror-Samples ab, die den Schlagzeugen noch einmal eine ganz eigene klangliche Qualität hinzufügen. So treten die Transienten bei den Skin-Samples im Stereo-Gate-Kanal noch einmal deutlich nach vorne. So richtig böse wird es jedoch bei Einsatz der Mirror-Sounds des Yamaha-Kits. Ohne Einsatz des Stereo-Gate-Kanals klingen die Trommeln eigentümlich nach inklusive leicht hörbarer Slapback-Echos, was ursächlich von den Reflexionen der Spiegel herrührt und die Klänge eigenartig andickt. Der gleichzeitig eingefangene Raumklang vermittelt einen sehr kleinen Raum. Zusätzlich klingen die Sounds deutlich höhenreicher, was ihnen noch einmal Schärfe und Biss hinzufügt. In den Gated-Varianten ist der Nachhall durch den kleinen Raum zwar nicht so mächtig. Doch im Vergleich zum normalen Studioraum drängen die Gate-Varianten der Mirror-Samples deutlich aggressiver in den Vordergrund. Wer mag, kann mit diesen Sounds seinen Grooves charaktervolle Akzente verleihen. Last but not Least prägen auch die Mono-Gate-Samples die Instrumenten-Sounds nachhaltig. Im Vergleich zu den Stereo-Varianten klingt es in diesem (virtuellen) Kanal jedoch dominant mittig. Die eingefangene Rauminformation ist durch die Kompression wiederum deutlich stärker hörbar, sie erinnert an einen dunklen, feuchten Kellerraum. Wer mag, kann den Drumsounds durch ausschließlichen Einsatz des Mono-Gate-Kanals nachhaltig Trash-Qualitäten verleihen. Doch dieser im Frequenzgang beschnittene Hall-Sound lässt gerade die Snare-Drum deutlich aus dem Groove heraustreten ohne jedoch die übrigen Instrumente zu überlagern. Der Sound wirkt merkbar prägnant, er verhält sich im Zusammenspiel mit den anderen Instrumenten jedoch organisch und sorgt für ein Andicken des Sounds und ein Herausschälen des Punchs, ohne dies mit einer unnatürlichen Verstärkung in den Höhen oder dem berüchtigten Pumpen teuer erkaufen zu müssen. Als Geheimwaffe sorgt der Mono-Gate-Kanal sozusagen für ein homogenes Anheben der Punch-Anteile in den einzelnen Instrumenten. Beide Gate-Kanäle stehen sich klanglich dabei nicht im Weg und verwaschen die Instrumentenklänge, was für das erstklassige tontechnische Know-how der Produzenten spricht.
Fazit
Mit Abbey Road 80s Drums präsentiert Native Instruments eine weitere exzellent und authentisch klingende Drumsample-Library mit thematischem Schwerpunkt und markantem Charakter. Wer auf der Suche nach knalligen Rockdrums mit legendärem Sound ist, der direkt out-of-the-box und ohne großes Zutun amtlich klingt, wird mit dieser Library in jedem Falle glücklich. Das Etikett „80s“ darf man dabei getrost ignorieren. Die Sounds klingen nach wie vor modern und aktuell. Dank der Gated-Reverb-Samples mitsamt der effizienten Einstellmöglichkeiten offeriert die Library überdies eine überbordende Fülle an Klangfarben.
Erschienen in Ausgabe 11/2010
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 99 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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