Intuitiver Blockbuster-Sound

Mit dem String Ensemble erscheint der nächste Streich von Native Instruments‘ Premiumreihe Symphony Series. Das 60-köpfige digitale Streichorchester möchte außer mit beeindruckendem Klang, auch mit intuitivem Bedienkonzept und innovativen Features punkten.

Von Frank Neubert

Obwohl der Markt für digitale Sample-Librarys für orchestrale Musik schon ziemlich dicht bestückt ist, hat der Berliner Audiosoftware-Riese Native Instruments im vergangenen Jahr die neue Symphony Series auf den Markt gebracht und damit sein umfangreiches Repertoire um eine Premium-Produktreihe für Kontakt (beziehungsweise den kostenlosen Kontakt Player) erweitert, die professionellen Ansprüchen genügen will. Zu den Bläser-Librarys Brass Ensemble und Brass Solo kommt nun die bislang dritte Library der Serie, das String Ensemble, hinzu. Während die Brass-Produkte in Zusammenarbeit mit Soundiron entwickelt wurden, haben die Berliner bei den Streichern mit dem US-Hersteller Audiobro kooperiert, der für Kenner professioneller Streicherlibrarys keine unbekannte Größe darstellt. Schließlich gelten die LA Scoring Strings von Audiobro als Geheimtipp für den typischen Hollywood-Streicherklang. Darüber hinaus kann Audiobro-Mastermind Andrew Keresztes selbst beachtliche Erfahrung in der Vertonung von Filmen und Serien vorweisen.
Beim Symphony Series String Ensemble ist der Name Programm: Geboten werden 30 Violinen, 12 Bratschen, 10 Celli und 8 Kontrabässe. Ergänzt werden die einzelnen Streichergruppen durch ein komplettes String Ensemble, das alle 60 Streicher in einem Patch vereint. Einzelne Streicher sind in der Library indes nicht zu finden.
Für den Preis von 499 Euro erwartet man natürlich zum einen professionellen, wirklichkeitsgetreuen Sound, der sich von günstigeren Librarys hörbar abhebt, und zum anderen Features, die auch den geübten Digital-Orchestrator zufriedenstellen. Dazu gehört selbstverständlich eine amtliche Auswahl an Artikulationen, mit denen sich auch komplexere Arrangements realisieren lassen. Das wird, soviel wollen wir schon einmal verraten, beim String Ensemble allemal geboten. Als besonderes Highlight sticht außerdem das sogenannte Auto-Divisi heraus, das sich in der Praxis als sehr wertvolles und intelligentes Tool zeigte – doch dazu gleich mehr im Detail.

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Die Artikulationen

Das String Ensemble kommt mit 5 nki-Presets daher, die aus den vier Streichergruppen (Violinen, Bratschen, Violoncelli und Kontrabässe) und einem aus allen Streichergruppen zusammengesetzten Ensemble-Instrument bestehen.
Bei den Artikulationen folgt Native dem Motto „weniger ist mehr“ und präsentiert eine überschaubare Spielwiese, die jedoch ausreichend Raum für individuelle Klangkontrolle und Experimente bietet. Eingeteilt werden die Artikulationen in drei Gruppen, die bei der Verwendung von Keyswitches auch farblich in der Kontakt-Klaviatur unterschieden werden: lange Artikulationen (long: grün), kurze Artikulationen (short: rot) und Läufe (runs: lila).
Wir können bei den Streichergruppen außerdem zwischen 10 Artikulations-Patches auswählen, wobei jedem Preset standardmäßig 8 Patches zugeordnet sind. Durch die Zuweisung auf den gleichen Keyswitch oder Control Change besteht zudem die Möglichkeit mehrere Artikulationen gleichzeitig erklingen zu lassen, was auch ungewöhnliche Sounds erlaubt.

Lange Artikulationen
Beim Legato-Patch besteht zum einen die Möglichkeit, die Legato Funktion zu aktivieren, zum anderen ist auch eine Portamento-Artikulation integriert. Diese reagiert auf die Velocity: bei einer geringen Anschlagsstärke wird Portamento gespielt, bei einer hohen Legato, der Threshold ist dabei individuell einstellbar und erlaubt es somit auch, nur Legato oder nur Portamento zu spielen. Ein weiteres interessantes Feature ist der Speed-Regler, mit dem die Länge des Portamento-Gleitens angepasst werden kann.
Darüber hinaus gibt es einen zusätzlichen Legato-Patch, bei dem die Stärke des Vibratos durch einen Regler nach Wunsch eingestellt (und natürlich auch automatisiert!) werden kann.
Ebenfalls vorhanden ist ein gestrichener Sordino-Patch, der, Dank des gedämpften Sounds, ein intimeres und sanfteres Timbre liefert.
Ein Tremolo-Patch gehört natürlich zur Standardausstattung einer jeden Streicherlibrary und darf auch hier nicht fehlen.
Eine weniger verbreitete Artikulation ist der Harmonics-Patch, der gestrichene Obertöne bietet, und sich durch den „kratzigen“ Klang sehr deutlich von den anderen gestrichenen Artikulationen abhebt. In der Standardeinstellung mit relativ langem Ausklang weckt der Patch Assoziationen zu Horror- oder Mysteryfilmen. Durch die einstellbare Releasezeit ist aber auch dieser Patch klanglich vielseitig einsetzbar, jedoch eher speziellen Klangeffekten vorbehalten. Für die Kombination mit anderen Patches ist die Harmonics-Artikulation besonders gut geeignet.
Bei den Trillern kann außer dem Grundton, auch das Tongeschlecht Dur oder Moll ausgewählt werden. Daraufhin wird automatisch das passende Intervall für die gespielte Note ausgewählt. Alternativ zu Dur oder Moll kann außerdem zwischen einem Halbton und einem Ganzton auswählt werden, wodurch der Grundton ignoriert wird und immer das ausgewählte Triller-Intervall ohne Rücksicht auf das Tongeschlecht gespielt wird.

Kurze Artikulationen
Bei den kurzen Artikulationen beschränkt sich das String Ensemble auf Staccato, Spiccato und Pizzicato, Détaché, den Quasi-Normalanstrich sucht indes man vergebens – das werden als Quasi-Standard-Anstrich. Für ein realistisches Arrangement wäre das eigentlich notwendig gewesen, wobei es mit anderen Patches kompensiert werden kann.
Auch hier gibt es individuelle Einstellungsmöglichkeiten, die speziell auf die jeweilige Artikulation zugeschnitten sind. Beispielsweise das Round Robin-Feature, das dafür sorgt, dass es nicht zu einem statischen Roboterklang kommt, wenn mehrmals nacheinander der gleiche Ton angespielt wird. Dabei wird bei Spiccato und Staccato zwischen vier unterschiedlichen Samples für den gleichen Ton variiert, um einen natürlichen Klang zu erzielen. Es stehen dabei zwei Modi zur Verfügung: Beim kontinuierlichen Modus („cont.“) werden die Samples nacheinander abgespielt (1, 2, 3, 4), danach wird wieder von vorne begonnen. Der Random Mode („rnd.“) wählt jeweils nach dem Zufallsprinzip willkürlich eines der Samples aus, wobei nie zweimal nacheinander das gleiche Sample gespielt wird – raffiniert gelöst.
Bei Pizzicato wird lediglich zwischen zwei Samples variiert, weshalb die unterschiedlichen Modi entfallen.
Zusätzlich bieten die kurzen Artikulationen einen „Slam“-Regler, mit dem man für zusätzliche Kompression sorgen kann, um sich dem Hollywood-typischen, druckvollen Sound anzunähern.
Eine letzte Besonderheit der kurzen Artikulationen ist der Wiederholungsmodus („Repetition“). Wenn dieser aktiviert ist, wird die gespielte Note kontinuierlich wiederholt. Zur Auswahl stehen Achtel-Noten, Achtel-Triolen und 16tel-Noten. Dieses komfortable Feature ermöglicht eine schnelle rhythmische Begleitung ohne lästiges Editieren oder Einspielen. Zudem können bei Bedarf mit einem Klick auch Akzente hinzugefügt werden (auf Schlag 1 und 3 oder nur auf die 1), was das Ganze zu einer sehr lebendigen Angelegenheit macht.

Läufe
Zu guter Letzt werden noch aufsteigende Oktavenläufe geboten. Hier kann zwischen Dur und Moll ausgewählt werden. Der Speed-Offset-Regler bietet zudem die Möglichkeit, die Länge des Oktavenlaufs an den musikalischen Kontext anzupassen.

Sämtliche Artikulationen stehen in dieser Form für die Violinen, Bratschen und Celli zur Verfügung. Bei den Kontrabässen entfallen die Triller und Oktavenläufe. Als Ersatz erhalten die Kontrabässe einen Bartók-Pizzicato-Patch, der sofort zu kreativen Experimenten animiert. Beim Bartók-Pizzicato wird die Seite so stark angerissen, dass sie scharrend auf das Griffbett zurückschlägt, was einen „slappenden“, sehr perkussiven Klang zur Folge hat.
Darüber hinaus wird exklusiv bei den Kontrabässen noch ein Marcato-Patch angeboten, der nochmal um eine ganze Ecke kraftvoller klingt, als das Staccato und so für besondere Akzente sorgt.
Beim String-Ensemble Patch, welches alle 60 Instrumente beinhaltet, stehen dagegen nur begrenze Artikulationen zur Verfügung: Sustain, Sordino und Tremolo für lange Töne, Staccato, Spiccato und Pizzicato für kurze Töne. Zusätzlich werden auch hier die Oktavenläufe angeboten. Damit eignet sich das Ensemble-Patch eher für das schnelle Festhalten von Ideen oder zur Begleitung eines (Pop-)Songs, weniger für komplexe klassische Orchestrierarbeiten.

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Aus eins mach zwei: Auto-Divisi

Für uns das klare Highlight der Library ist das Auto-Divisi Feature, dem wir uns etwas ausführlicher widmen.
Was Auto-Divisi erlaubt, ist mit einer Streichergruppe gleichzeitig mehrere Noten, auf Untergruppen verteilt, zu spielen. Wer bereits Erfahrung mit verschiedenen Sample-Librarys hat, wird sich vielleicht an einige ernüchternde Versuche erinnern, z.B. mit Violinen eine Harmonie oder einen Akkord zu spielen. Dank Auto-Divisi werden nun mehrstimmige Passagen, egal ob polyphone Melodien oder Akkorde, automatisch auf die richtigen Instrumentengruppen des String Ensembles aufgeteilt. Das ermöglicht ein authentisches Klangbild, ohne dass man sich groß den Kopf zerbrechen muss.
Die 30 Violinen werden unterteilt in zwei Gruppen à 16 und 14 Instrumente. Jede dieser beiden Gruppen kann dann nochmals in je zwei Untergruppen (zwei Achter- und zwei Siebener-Gruppen) aufgeteilt werden, was also bis zu vier Violinen-Gruppen bedeutet. Bei den anderen Streichergruppen werden jeweils zwei Untergruppen gebildet.
Auch wenn mehr Töne gleichzeitig gespielt werden als es Gruppen gibt, bleiben alle Töne trotzdem weiterhin hörbar, was dem kreativen Fluss beim Einspielen freien Lauf lässt. Andere Librarys schließen an dieser Stelle überzählige Töne aus.
Wer sich um Arpeggios sorgt, sollte wissen, dass Noten, die mit weniger als 40 ms Zeitdifferenz gespielt werden, als Akkord interpretiert werden.
Ein erwähnenswertes Merkmal des Auto-Divisi Features ist auch, dass die Legato-Portamento Einstellungen bei polyphonen Passagen erhalten bleiben.
Beim Ensemble-Patch kann man auf die vollen 60 Spieler und zwei 23-köpfige Divisi-Gruppen zugreifen. Zusätzlich gibt es noch ein reduziertes Streichorchester mit 46 Spielern (16 statt 30 Violinen).
Durch das Section-Setup besteht nun außerdem die Möglichkeit, lediglich eine der Untergruppen für eine Spur auszuwählen. Anstatt aller 30 Violinen können also nur 16, 14, 8 oder 7 Violinen zum Klingen gebracht werden. Dieses innovative Feature erlaubt maximale Flexibilität für den individuellen Workflow und Erleichterung für den Arbeitsspeicher. Das Violinenpreset verbraucht mit allen 30 Violinen über 1 GB RAM – wenn man auf 16 Violinen herunterschraubt, halbiert sich der Arbeitsspeicher. Der Klang bleibt trotzdem überraschend voll. Andererseits können die klanglichen Unterschiede, vor allem bei den kleinen Streichergruppen, auch kreativ eingesetzt werden, wenn es mal nicht die volle Orchesterbreitseite sein soll.
Der Wehrmutstropfen dürfte die erwähnte Belastung für den Arbeitsspeicher sein. Wer bei Orchestrierungen wirklich ans Eingemachte gehen will und sich nicht auf Streicher beschränken möchte, sollte dann doch mehr RAM als die empfohlenen 6 GB zur Verfügung haben.

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Klanggestaltung: Performance Control und Mix-Features

Um das Klangbild flexibel und dynamisch genug gestalten zu können, werden auch Performance Control-Einstellungen geboten, über die jede Library dieser Preisklasse verfügen sollte.

Performance Control
Mit dem großen Dynamikregler lässt sich die Anschlagsdynamik modulieren, was natürlich vor allem für die längeren Artikulationen absolut unverzichtbar ist. Dieser lässt sich standardmäßig mit dem Control Change 1 (Mod-Wheel) automatisieren, was bedeutet, dass die meisten Masterkeyboard-Besitzer sofort mit einem Grinsen loslegen können.
Mit Expression lässt sich die Lautstärke beeinflussen, um Lautstärkeunterschiede zwischen den verschiedenen Artikulationen kompensieren zu können.
Der Attack-Parameter erlaubt es, den Anschlag zu verzögern, was dann bei gestrichenen Artikulationen einen sanfteren, fast schon Crescendo-artigen Effekt ermöglichen kann. Release regelt natürlich den Ausklang, wobei kürzere Zeiten vor allem bei schnellen rhythmischen Passagen angebracht sind, sonst wird der Klang etwas zu trocken.
Zusätzlich lassen sich noch über den Brightness-Regler die Höhen beeinflussen, was den Streichern nochmals einiges an klanglicher Vielfalt verleihen kann, wobei extreme Einstellungen schon fast zu viel des Guten sind.

Mixer
Im Mixer ist der fertige Stereomix standardmäßig ausgewählt, der klanglich viele zufriedenstellen dürfte. Wer es gerne individueller mag, kann die drei auswählbaren Mikrofonpositionen nach eigenem Geschmack oder den Anforderungen des Stückes zusammenmischen. Geboten werden Mikrofonierungen in den Abständen Close, Mid und Far, was selbsterklärend ist (der Stereomix ist eine Mischung aus Close und Mid). Wer die individuelle Mischung bevorzugt, muss beachten, dass dies auch mit einer größeren Belastung für den Arbeitsspeicher einhergeht.
Darüber hinaus gehören noch ein Dreiband-EQ, ein Kompressor und ein integrierter Reverb zur Ausstattung des Mixers, womit direkt im Player eine solide Basis für den Mixdown bereitgestellt wird. Die Mixer-Einstellungen können auch intern gespeichert und somit auf andere Streichergruppen komfortabel übertragen werden.

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Großer Sound mit vielen Gestaltungsmöglichkeiten

Um es kurz zu machen: Wer auf der Suche nach einem Streichorchester ist, das nach Blockbuster klingt, macht mit dem String Ensemble nichts verkehrt. Die Violinen klingen im Legato-Patch beeindruckend voll und auslandend seidig, ohne in den Höhen zu kratzig zu werden. Die Bässe und Celli bieten den druckvollen Klang, den man sich erhofft und können vor allem bei den kurzen Artikulationen ein mächtiges rhythmisches Fundament liefern. Tremolo und Pizzicato bieten soliden Klang, ohne besonders hervorzustechen, von dem Bartók-Pizzicato der Kontrabässe einmal abgesehen. Bei den Harmonics fallen durch speziellen (bei den tieferen Streichern ziemlich kratzigen) Klang eher wenige Einsatzmöglichkeiten ein, jedoch bietet die Kombination mit anderen Patches viel Platz für kreatives Sounddesign.
Durch die erwähnten Möglichkeiten, das Klangbild nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten, dürften Fans des Hollywood-Sounds hier auf ihre Kosten kommen. Dank der Auto-Divisi Funktion kann das Ganze aber auch auf einen kleinen Rahmen heruntergebrochen werden. Durch einige exotischere Artikulationen oder den individuellen Mix der Mikrofonpositionen lassen sich problemlos extravagante Streicherklänge erzeugen.
Die Triller und Oktavenläufe sind dabei ein schöner Zusatz, wobei die Läufe noch etwas mehr Vielfalt vertagen hätten.

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Ohne große Widerstände zum Streichersound

Einsteiger und Fortgeschrittene, die gerne schnell zu einem epischen Orchestersound kommen und auf Millimeterarbeiten bei Artikulationen verzichten können, sind mit dem String Ensemble gut bedient, müssen aber beachten, dass Solo-Instrumente nicht Teil des Produkts sind.
Trotz der klanglichen Vielfalt ist das geeignetste Einsatzgebiet vor allem moderne orchestrale (Film-)Musik. Auch in der Populärmusik kann man die Library bedenkenlos einsetzen und wird dank der intelligenten Features schnell zu beeindruckenden Ergebnissen kommen.
Ob Klassikpuristen angesichts der eingeschränkten Artikulationen (z.B. kein Detaché) und des doch eher an die auf Filmmusik optimierten Features hier voll auf ihre Kosten kommen, darf bezweifelt werden. Auch wer bei Streichern Wert auf absolute Detailtreue legt, die auch gestandene Experten den Eindruck eines realen Orchesters verleiht, sollte sich vorher anhören, ob er mit der Library glücklich wird.

Fazit

Mit dem String Ensemble liefert Native Instruments eine solide String Library zum fairen Preis, die neben dem exzellenten Sound vor allem mit cleveren Player-Features, klanglicher Vielfalt und der beeindruckenden Auto-Divisi Funktion punkten kann. Damit wird die Library sowohl für Einsteiger als auch Experten mit zielgerichtetem Workflow zu einer ernsthaften Option für den mittelgroßen Geldbeutel.