Drum-Sounds mit besonderem Flair

Die meisten Drumsample-Libraries listen akribisch das zur Produktion verwendete Equipment auf. Einige verweisen zusätzlich auf bekannte Musiker, die bei der Entstehung mitwirkten. Platinum Samples gehen einen anderen Weg und stellen den Mann hinter den Reglern in den Mittelpunkt des Produkts. Wir haben sein Können getestet.

Von Georg Berger

Die von der amerikanischen Firma Platinum Samples produzierte Drumsample-Library Andy Johns Classic Drums ist das erste Drittanbieter-Produkt für das virtuelle BFD-Instrument der britischen Software-Schmiede Fxpansion. Beim Test der Jazz and Funk Library aus demselben Haus (Heft 8/2006) stell-ten wir die Grundzüge des Plug-ins bereits vor; deshalb konzentrieren wir uns nun auf die Besonderheiten unseres aktuellen Testkandidaten. Andy Johns, der Namensgeber der Library, ist vielen Toningenieuren bekannt. Seine Referenzliste der letzten 30 Jahre liest sich wie das Who’s who der Rockmusik. So saß er beispielsweise bei der Produktion der Alben „Exile on Main Street“ und „Sticky Fingers“ der Rolling Stones an den Reglern. Der satte Drum-Sound von Jon Bonham ist dank seiner tontechnischen Kunst auf Led Zeppelin-Alben wie etwa „Led Zeppelin 2 bis 4“ und „Physical Graffiti“ für die Nachwelt konserviert. Auch der oftmals gesamplete Drum-Sound auf dem Led Zeppelin Stück „When the Levee breaks“ geht auf Johns Konto.

Für knapp 250 Euro – ein Betrag für den Mr. Johns ansonsten vielleicht gerade mal das Mischpult anschaltet – enthält die ma-ximal 70 Gigabyte große Library zehn Bass- und elf Snare-Drums, insgesamt 22 Toms in unterschiedlichen Größen, sechs Hi-Hats und insgesamt 26 Becken. Firmen wie DW, Remo, Ludwig, Pork Pie, Gretsch, Yamaha, Sabian, Paiste und Zildjian verteilen sich auf sechs DVDs. Die eingesetzten Instrumente stammen zumeist aus den letzten zehn bis 17 Jahren. Einziger Ausreißer ist ein Ludwig Psychedelic Swirl Red Drum-Set aus den 70er Jahren und eine Ludwig WFL Snare aus den 40er Jahren. Mit den Matt Sorum Signature Drums finden sich sogar Instrumenten-Prototypen, die nie in Serie gegangen sind. Das Arsenal an Instrumenten ist schließlich in neun Drum-Kits zusammengefasst. Darüber hinaus sind im Lieferumfang der Andy Johns Classic Drums auch noch 406 Drum-Grooves und 619 Drum-Fills als MIDI-Files für den Groove Librarian des BFD-Instrumentes enthalten, die zumeist dem Rock verpflichtet sind, aber ebenso eine Auswahl an Funk- und Dancefloor-Rhythmen. Bemerkenswert: Die Instrumente lassen sich in 250 Velocity-Stufen detailliert ansteuern und ermöglichen ein ungleich feineres Klangbild als die Fxpansion-Sounds, die mit lediglich 128 Stufen aufwarten. Allerdings wird dieses Feature mit einer höheren CPU-Last erkauft.

Das Highlight bei dieser Library ist jedoch die tontechnische Arbeit von Andy Johns bei der Aufnahme der Samples. Sämtliche Instrumente sind ohne Kompressor, dafür aber mit entsprechendem Eingriff des Equalizers und mitunter eines Hall-Effektes klanglich optimiert worden. Sinn und Zweck: Das Schlagzeug soll sich optimal im Zusammenspiel mit Bass und Gitarre(n) ins Arrangement einfügen. Nachträgliche Klangstellungen an den einzelnen Instrumentenspuren dürften sich damit auf ein Mindestmaß reduzieren, was sich im Test erst noch zeigen muss.

Johns beschränkte sich nicht nur auf seinen Job hinter dem Mischpult. Er übernahm auch die Mikrofonierung der Trommeln und Becken und brachte sein Können bei der Einrichtung der Drum-Sets, dem Dämpfen und dem Stimmen der Instrumente ein. Das Handbuch listet dazu jedes gesamplete Instrument de-tailliert auf. Allerdings wünschen wir uns zur besseren Übersicht zusätzlich eine sortierte Auflistung nach einzelnen Instrumen-tengruppen, da das Handbuch lediglich die DVD-Inhalte vermerkt, auf denen sich die Instrumente bunt miteinander mischen. An Recording-Equipment zählt das Handbuch außer einer 8028-Konsole von Neve und einer Studer 800 Tonbandmaschine eine Reihe bekannte Mikrofonmodelle von Herstellern wie AKG, Neumann, Royer und Sennheiser auf. Ins-gesamt verheißen die Merkmale der Library, dass der Anwender ein klanglich optimiertes wie auch eigenständiges Produkt mit einem Highend-Sound erhält.

Bei der Installation offerieren die Andy Johns Classic Drums, wie von Fxpansion gewohnt, die Möglichkeit, sowohl einzelne Instrumente und diese wiederum in vier Detailstufen auf der Festplatte des Computers abzulegen. Die Library bietet wahlweise 20, 40, 128 oder 250 Velocity-Stufen. Der resultierende Speicherplatz variiert bei einer Komplettinstallation somit zwischen 30 bis 70 Gigabyte. Um die höchste Auflösung von 250 Stufen auch ansteuern zu können, muss im Optionen-Dialog des BFD-Plug-ins der entsprechende Wert im Layer-Feld eingetragen werden. Allerdings empfiehlt sich diese Maximal-Auflösung nur für ganz flotte Rechner beziehungsweise nur beim Rendern von Drum-Spuren. Weiterhin sollten Sie auch den Sample-Cache auf den Maximalwert von 96 anheben. Dabei muss die Option zum Laden der Sounds in den Arbeitsspeicher deaktiviert sein. Denn einige Instrumente besitzen in dieser Auflösung schon einen Datenumfang von zirka einem Gigabyte. Unser D.A.X. Pro Audio-Workstation Rechner mit 3,4 Gigahertz-Prozessor und zwei Gigabyte Arbeitsspeicher kommt beim Testen der höchsten Detailstufe merkbar ins Schwitzen. Die Prozessorlast geht deutlich über 50 Prozent. Der gleichzeitige Einsatz eines weiteren virtuellen Instruments zwingt ihn schließlich in die Knie.

Im Test zeigt sich das Plus an Klangvariationen sehr subtil, fast schon unmerklich. Innerhalb eines Rock-Arrangements gehen diese Feinheiten sehr schnell unter. Den Einsatz der maximalen 250 Stufen empfehlen wir deshalb nur bei Arrangements mit wenig Instrumentarium und einer deutlichen Hauptrolle des Schlagzeugs, etwa bei Solo-Parts.

Der erste oberflächliche Höreindruck der einzelnen Drum-Kits gibt keinen Anlass, Lobeshymnen anzustimmen: Bis auf eine Ausnahme enthält das Repertoire herkömmliche Klänge mit wenig spektakulären klanglichen Eigenheiten, die sich eindeutig für den Rock-Bereich empfehlen und die man von einem Schlagzeug erwartet. Sie unterscheiden sich lediglich durch minimale klangliche Variationen. Den Ausreißer markiert das siebte Drum-Kit, das unter anderem mit den erwähnten 70er-Jahre-Instrumenten bestückt ist. Sämtliche Instrumente erklingen sehr kurz und so, als ob ein Noise Gate im Einsatz sei. Die Trommeln sind absichtlich sehr hoch gestimmt und bestechen durch eine prominente Betonung im oberen Mittenbereich. Dieser bemerkenswerte Ausreißer eignet sich damit aber hervorragend für Popmusik und Dancefloor.

Erst beim intensiven Hörtest offenbaren sich die klanglichen Eigenheiten und der Charakter der übrigen Kits. Der zu Anfang gewonnene Eindruck, auf dieser Library nur standardmäßige Hausmannskost zu erhalten, wandelt sich rasch zur Erkenntnis, dass es hier ein Festmahl für den Gourmet gibt. Sämtliche Instrumente sind mit normalen Drumsticks, wahlweise mit Holz- oder Plastikspitze, gespielt. Die Bass-Drums warten wahlweise mit einem Filz- oder Plastikschlegel auf. Die Plastik-Varianten klingen dabei eine Spur höhenbetonter und knackiger als die Holz-/Filz-Vertreter. An Spieltechniken enthalten die Snares außer einem normalen Schlag noch die Spieltechniken Rim, Flam, Drag und Sidestick. Die Toms und Bass-Drums liegen in zweifacher Ausführung vor, einmal mit und einmal ohne Übersprechanteil des Snare-Teppichs. Auffällig: Die Hi-Hats umfassen, anders als bei Fxpansion, sogar Samples mit einer Viertel- und Dreiviertel-Öffnung der beiden Becken, was für zusätzliche klangliche Vielfalt sorgt. Im Vergleich zu den Werk-Sounds von Fxpansion wohnt dem Grundklang der Andy Johns Trommeln eine spürbar wohlig angenehme Betonung im unteren Mittenbereich inne, bei gleichzeitiger behutsamer Rücknahme des Höhenspektrums, was sie etwas verhaltener und passiver erscheinen lässt. Ihnen fehlt es jedoch nicht an Bissigkeit und Durchschlagskraft, die für manch kraftvolles Rock-Arrangement nötig ist. Beim genaueren Hören der einzelnen Instrumente offenbart sich schließlich eine breite Palette an Klangvariationen, die zum Teil subtile Unterschiede aufweisen, sich aber optimal für detailliertes Sound-Design eignen. Außer dem Grundklang der Instrumente ist dafür in erster Linie eine mitunter mannigfaltige Dämpfung der einzelnen Instrumente verantwortlich.

Ein Beispiel: Die Andys engraved Black Beauty Snare von Ludwig erklingt ohne Dämpfung raumgreifend, höhenreich, brillant und mit einem überdeutlichen Anteil des Snare-Teppichs. Der Kesselanteil ist im Nachklang deutlich zu hören, was sie für den Einsatz im Rockbereich prädestiniert. Dieselbe Snare in gedämpftem Zustand klingt hingegen etwas dumpfer und verhaltener. Der Snare-Teppich ist kaum wahrnehmbar und eine Betonung im Mittenbereich klar auszumachen. Diese klanglich gezähmte Snare ist eher für ruhige Balladen geeignet. Eine dritte Variante wartet mit einer höchst unkonventionellen Dämpfungsmethode auf: Eine Zigarettenschachtel liegt auf der Snare. Klangliche Wirkung: Der Kesselanteil ist fast nicht zu hören und das Anschlags-Attack bildet zusammen mit dem Rauschen des Snare-Teppichs eine feste Einheit. Das Instrument klingt dadurch sehr kurz und prägnant und eignet sich hervorragend für Popmusik, aber auch für Drum and Bass. Ähnliche gedämpfte Variationen finden sich auch bei den Toms, die darüber hinaus in Varianten mit und ohne zweites Fell an der Unterseite aufwarten. Deutliche Resonanzen im Nachklang bei den Toms mit zweitem Fell sorgen für Charakter und Volumen. Damit zeigt Johns sein Können und beweist, wie sich mit wenig instrumentalem Repertoire ein Maximum an Klang herausholen lässt.

Wer beispielsweise ein Drum-Kit verwendet, bei dem im Arran-gement die Bass-Drum nicht knackig genug erscheint und der Teppich der Snare-Drum zu prominent im Vordergrund erklingt, bekommt mit der Andy Johns Classic Drums Library eine ausreichende Anzahl an Alternativen geliefert. Die Auswahl der einzelnen Instrumente überzeugt durch Ausgewogenheit und Vielfalt, was sich stellvertretend für alle anderen Instrumente deutlich bei den Bass-Drums zeigt. Besonders aufgefallen ist uns eine Pork Pie 26-Zoll Bass-Drum, die prominent im Bassbereich erklingt – sogar ein leichtes Flattern des Fells ist zu hören. Tief und schwer klingend dürfte sie bei langsam gespielter Blues-Musik ein probates Mittel sein; sie liefert gleichzeitig einen mächtigen und voluminösen Klang. Ähnlich verhält sich die 22-zöllige Gretsch Burnt Orange Bass-Drum, die sich durch wenig Attack und so etwas wie ein verhaltenes Brummen im Bassbereich auszeichnet. Sie ist ideal für seichte Popmusik, bei der die Bass-Drum eher unterschwellig hörbar sein soll. Das Gegenteil dazu liefert die DW Black Mardi Gras Sparkle, die durch eine Betonung des Anschlags-Attack zugunsten des Bass-Bereichs kurz und knackig klingt und für eher temporeiche Arrangements ideal ist. Vergleichbares gilt für die Ludwig Vistalite Candy Cane Swirl Bass Drum, die jedoch ein zusätzliches Nachschwingen von Bass-Frequenzen liefert und auch im Heavy Metal durchaus eine gute Figur machen würde.

Von der Fülle der Klänge beeindruckt, unterziehen wir die Sounds schließlich einem Praxistest. Dazu erstellen wir ein kur-zes rockiges Arrangement mit Schlagzeug, Bass und zwei Gitarren. Für diesen Zweck wählen wir das Extra Drum-Kit aus. Zum Vergleich ziehen wir das ähnlich klingende DW-Kit aus der Werk-Library von Fxpansion heran. Erkenntnis: Der Gesamtklang des Andy Johns Drum-Sets fügt sich organischer ins Arrangement ein. Ohne am Mixer des Sequenzers oder des Plug-ins Eingriffe vorzunehmen, klingt das Schlagzeug in Verbindung mit den übrigen Instrumenten wie aus einem Guss und findet im Frequenzspektrum die Plätze, an denen es nicht unangenehm in den Vordergrund tritt, aber hinreichend präsent bleibt. So dringen die Andy-Johns-Becken und Hi-Hats nicht unangenehm nach vorne und geben den Gitarren genügend Freiraum, bei gleichzeitig guter Ortung der Instrumente. Der simultane Einsatz von E-Bass und Bass-Drum auf der ersten Zählzeit lässt beide Instrumente sauber und isoliert voneinander klingen. Das DW Drum-Set von Fxpansion erfordert da den nachträglichen Einsatz von Equalizer und Lautstärkeregler, um mit dem Klang des Andy Johns Drum-Sets gleichziehen zu können. Folglich nimmt die Library dem Anwender einiges an Arbeit ab und liefert innerhalb kurzer Zeit klanglich sehr zufriedenstellende Ergebnisse. Beim Produzieren von Schlagzeug-Arrangements kann man sich getrost aufs Sound-Design und die Komposition konzentrieren und die eher nüchterne und lästige Korrektur von Frequenzanteilen vernachlässigen.

Fazit

Platinum Samples bietet mit der Andy Johns Classic Drums Library die Möglichkeit, Sound und Know-how eines internatio-nal renommierten Toningenieurs ins heimische Studio zu integrieren. Gleichwertig empfiehlt sich die Library für detailliertes Sound-Design, was mit Hilfe unterschiedlich gedämpfter Instrumenten-Varianten zu einem Kinderspiel wird. Wer viel Wert auf einen nuancenreichen und flexiblen Schlagzeug-Sound bei überschaubarem Instrumentarium legt, erhält mit dieser Library das richtige Werkzeug. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist sehr gut.

Erschienen in Ausgabe 03/2007

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 249 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut