Ambius Prime – Ein ganz heißes Eisen

Der Bedarf an atmosphärisch dichten Klängen steigt bei den Musikproduzenten anscheinend stetig an. Die Soundschmiede Soundiron, auf diesem Terrain wahrlich keine Unbekannte, trägt dem Rechnung und hat jetzt mit „Ambius Prime“ ein neues Sample-Paket vorgelegt, das mit einigen sehr interessanten Features aufwartet und gleich drei Instrumente im Kontakt-Format bietet, um höchst ungewöhnliches Klangmaterial zu generieren.

Von Christian Stede

Soundiron Ambius Prime ist ein Software-Instrument für Kontakt von Native Instruments, das auch mit der kostenlosen Version Kontakt Player funktioniert. Dieser beliebte Sample-Player von NI ist bekanntlich entweder als Standalone oder DAW-Plug-in zu betreiben. Hat man Ambius Prime installiert, wofür gut 9 GB Festplattenspeicher gebraucht werden, zeigt der Instrumentenbrowser von Kontakt drei verschiedene Ambius Prime-*.nki Files an. Die beiden ersten, Transmissions und Systematik, sind bereits aus früheren Ambius-Paketen bekannt und immer noch zu je 79 Dollar auf der Webseite des Herstellers erhältlich. Für das neue Paket, in dem als drittes Instrument auch noch Expanse mit mehr als 1000 zusätzlichen Soundquellen enthalten ist, sind 149 Dollar fällig.

Das Konzept

Das Bedienfeld von Ambius Prime, „Main Panel“ genannt, erinnert mit seinem XY-Controller stark an das in Ausgabe 9/2017 getestete Software-Instrument „Thrill“ von Native Instruments. Auch die Sounds gehen mit größtenteils eher düsteren, ambient geratenen Klängen in eine ähnliche Richtung. Laut Soundiron hat man jedoch bewusst auf ein hybrides Konzept verzichtet und sich für das Sampling auf rein akustisches Material konzentriert. Die Auflösung dieser Samples wird mit 48 kHz bei 24 Bit angegeben. Der Gesamtsound von Ambius Prime setzt sich aus vier Layern, 1 bis 4, zusammen. Der Controller in der Mitte des Main Panels regelt in der Grundeinstellung wie ein Crossfader das Lautstärkeverhältnis dieser Sounds.

 

In jedem dieser vier Layer bietet die Software nun diverse Möglichkeiten, das klangliche Ergebnis zu beeinflussen. Neben den Reglern für Lautstärke, Attack und Release kann man auch die Balance und das Tuning variieren, letzteres in Halbtonschritten. Zudem gibt es zwei Flip-Menüs für die Auswahl der Sound-Bank und der des eigentlichen Samples, sowie zwei Schaltflächen für einen Schnellzugriff auf die Filter- und Modulationseinstellungen.

Die Auswahl der Sample-Bank sowie der folgenden Presets ist je nach gewähltem Instrument, also Transmissions, Systematik oder Expanse, unterschiedlich. Die Namen der Bänke und Samples sind mitunter etwas kryptisch und lassen kaum Rückschlüsse auf die Art der Klänge zu, von wenigen Beispielen einmal abgesehen. Um hier auf Anhieb den Sound zu finden, der einem vorschwebt, ist definitiv eine gewisse Einarbeitungszeit vonnöten. Nicht von ungefähr hat Soundiron daher auch einen „Random“-Button in das Hauptfenster gesetzt, mit dem man ein Preset auch per Zufallsgenerator laden kann.

Um den Sounds noch ein Plus an Dynamik und Lebhaftigkeit zu verleihen, ist Ambius Prime mit einem Arpeggiator sowie einem Glide-Regler ausgestattet. Der Arpeggiator bietet was die Einstellungsmöglichkeiten angeht keine Überraschungen. Interessanter ist dagegen schon das „Modulation Panel“, auf dem man für alle vier Layer eine eigene Auswahl an Modulations-Quellen zu den fünf Destinationen, Lautstärke, Tonhöhe, Balance, Filter-Schwellenwert und -Resonanz leiten kann. Bei den Quellen hat man die Wahl zwischen LFOs (mit einer außergewöhnlich großen Auswahl an Wellenformen), einem Wavetable, den man selbst erstellen kann, sowie einer ADSR-Hüllkurve, dem Notenwert und der Anschlagstärke. Möchte man beispielsweise das Vibrato eines Tons anschwingen lassen, kann man das Einsetzen dieses Effektes mit dem „Fade In“-Regler genau abpassen. Da es das Plug-in wie gesagt erlaubt, separate Modulationen für alle vier Layer vorzunehmen, ist diese Seite wie geschaffen dafür, mit interessanten rhythmischen Variationen zu spielen.

Automation des XY-Controllers sorgt für Aha-Erlebnis

Das eigentliche Aha-Erlebnis mit Ambius Prime stellte sich aber durch die Betätigung eines Tasters ein, den man auf dem „Main Panel“ fast zu übersehen droht. Gemeint sind die Doppelpfeile unter dem Controller, die „XY Options“. Nach einem Klick hierauf kommen nämlich zwei weitere Drehregler zum Vorschein, mit denen man den XY-Controller in eine kontinuierliche Bewegung versetzen kann. Die Geschwindigkeit dieser Bewegung wird mit den Reglern eingestellt, die man frei der X- oder Y-Achse zuweisen kann. Unterscheiden sich die Sounds der vier Layer sehr stark voneinander, lassen sich hiermit wunderbar dramatische Effekte erzielen, mit die überzeugendsten Ergebnisse kamen bei resonanten Streichersounds heraus. Hier ähnelt das Pendeln des Controllers dem Effekt eines druckvoll gespielten Bogens auf den Saiten. Hat man eher weiche Streicher- oder Pad-Sounds in die Layer gefüllt, kommt es durch die Controller-Bewegung zu einem driftenden Klang, der einen sofort an die flächigen Backgroundsounds der „Boards Of Canada“ denken lässt.

Doch damit nicht genug, denn der Geschwindigkeitsregler für die Bewegung auf den beiden Achsen ist als solcher auch noch über Midi-Controller automatisierbar, man kann die Sound-Wechsel also auch während des Songs noch beschleunigen und wieder verlangsamen. Dadurch entstehen je nach gewähltem Sample Geräusche wie von einer ins Stottern geratenen und wieder anlaufenden Maschine oder auch ganz abgedrehte Klänge, für die die Assoziationen weniger eindeutig sind. Die Bandbreite der XY-Bewegung kann man nicht einschränken, das heißt, der Controller prallt sozusagen immer von den Rändern des Quadrates ab, auch lassen sich die Regler anders als die der Modulationsseite nicht zur BPM-Zahl synchronisieren. Daher ist im Songkontext einiges an Geduld vonnöten, um diese Sounds rhythmisch einzubetten. In einem unserer Arrangements haben wir uns daher dafür entschieden, einen Break mit dieser Methode zu gestalten und waren mit diesem außergewöhnlichen weil unerwarteten Ergebnis überaus zufrieden.

Controller kann auch Effekte steuern

Außerdem sieht man auf der Ebene „XY-Options“ auch, dass der Controller nicht zwangsläufig den Anteil der vier Layer am Gesamtsound regeln muss. Per Drop-Down-Menü kann man damit nämlich auch dafür sorgen, die Parameter der proprietären vier Effekte zu steuern.

Die klanglichen Ergebnisse, zu denen man mit Ambius Prime gelangen kann, sind durchaus vielschichtig. Bei erheblichen Klangunterschieden zwischen einzelnen Layern wirken sich die Bewegungen auf der X- und Y-Achse teilweise recht dramatisch aus. Allerdings ist es auch möglich, mit Hilfe des Arpeggiators einen Klangteppich auszubreiten, wenn man für mehrere Midi-Kanäle auch mehrere Ambius Prime-Instrumente im Kontakt-Player aufruft. Das stetige Changieren zwischen den vier Layern pro Spur ist hervorragend dazu geeignet, eine dichte und abwechslungsreiche klangliche Atmosphäre zu schaffen.

Fazit

Ambius Prime ist ein sehr speziell klingendes Sound-Tool, an dem die Fans von atmosphärischen, düsteren Klangwelten ihre wahre Freude finden können. Die Preset-Auswahl ist zwar relativ übersichtlich, was andererseits aber umso mehr zum Experimentieren einlädt. Insbesondere durch die Modulations-Möglichkeiten und den sich nach Wunsch bewegenden und automatisierbaren XY-Controller hebt sich das Produkt positiv von seinen Mitbewerbern ab.

Erschienen in Professional audio 10/2017