Wiedergeburt
Kommen Sie mit auf eine klingende Nostalgie-Tour zurück in die 1980er-Jahre, in der Sampler noch mit 8 Bit-Auflösung und 500 Kilobyte Arbeitsspeicher ausgestattet waren. Es lohnt sich.
Von Georg Berger
Wer damals nicht mit dabei war, wird es kaum glauben: Doch in den Anfangstagen des Samplings waren Prozessor-Leistung und Datenspeicher gleichzeitig bescheiden und teuer. Samples wurden bei 8 Bit und mit Samplingraten bis gerade mal etwas über 20 Kilohertz aufgezeichnet und wiedergegeben, wobei eine Gesamt-Abspieldauer in Bereichen von wenigen Sekunden bis etwa einer halben Minute verfügbar waren. Der Arbeitsspeicher erstreckte sich auf wenige hundert Kilobyte und anstelle von USB-Sticks, CDs/DVDs oder externen Festplatten kamen 5,25-Zoll-, später 3,5-Zoll-Disketten als Speichermedium zum Einsatz, die mittlerweile ebenso anachronistisch wirken wie etwa Musik- oder VHS-Cassetten. Dass dabei Abstriche in Sachen Klang eingegangen werden mussten, war unumgänglich. Und dennoch wurden die ersten Hardware-Sampler aufgrund ihrer Möglichkeiten mit offenen Armen empfangen und schon bald schälten sich Favoriten aus der immer größer werdenden Zahl an Produkten heraus, die aufgrund ihres markanten Klangs hoch geschätzt wurden. Eines dieser Instrumente ist der Emulator II des amerikanischen Herstellers E-MU, der seinerzeit mit 8 Bit Auflösung, maximal 27 Kilohertz Samplingrate und gerade mal rund 17 Sekunden Gesamt-Abspieldauer bestach, aber dennoch die erste bezahlbare Alternative dieses jungen Marktsegments ab Mitte der 1980er Jahre war. Schon bald war das damals rund 8.000 Dollar teure Instrument Dauergast in so gut wie jeder Musikproduktion. Den charakteristischen Grundsound dieses Instruments und vielmehr noch die Samples dieses mittlerweile zum Klassiker avancierten Instruments dürfte wirklich jeder im Ohr haben, der Hits wie „Sledgehammer“ von Peter Gabriel, die Musik von Depeche Mode oder den Pet Shop Boys aus dieser Zeit hört. Auch so manchem Film aus dieser Zeit hat der Emulator II zu einem adäquaten akustischen Anstrich verholfen.
Der französische Sound-Spezialist UVI hat in Form der Emulation II Library jetzt rund 270 Presets mit Emulator II Sounds zusammengetragen, die sich auf rund 4,5 Gigabyte Festplattenspeicher verteilen. Obendrein legt der Hersteller mit dem Drumulation-Instrument seiner rund 180 Euro kostenden Library auch noch die Sounds des E-MU Drumulators bei, der als erster Schlagzeug-Computer mit Rom-basierten Samples ebenfalls Anfang/Mitte der 1980er Jahre auf den Markt kam. Für die Produktion wurden dabei restaurierte Original-Instrumente verwendet, die in allen Details und in vielen Velocity-Stufen akribisch gesamplet wurden. Dabei wurde besonders Wert gelegt auf das Einfangen des typischen Emulator-Grundsounds sowie all den Macken, die den Samples der damaligen Zeit anhafteten. Die Library ist wahlweise mit der kostenlos erhältlichen UVI Workstation oder über den MachFive 3 Sampler von Motu bequem spielbar. Ähnlich einer modernen Synthesizer/Sampler-Workstation setzt sich das Repertoire der Emulation II Library aus einer Vielzahl an Brot-und-Butter-Sounds zusammen, die in 16 Unterordner mit sprechenden Bezeichnungen wie etwa Bässe, Chöre, Flächen, Streicher und Blasinstrumente aufgeteilt sind. Mit diesem breit gefächerten Angebot an Sounds steht einem universellen Einsatz also nichts im Weg. Die Bonus-Drumulation-Library kommt mit lediglich 21 Presets, dafür aber mit über 600 wählbaren Drumsamples, die sich nach Gusto laden und kombinieren lassen. Sehr schön: Ähnlich wie im Kontakt-Sampler von Native Instruments zeigt sich nach dem Laden eines Emulation- oder Drumulation-Presets eine hübsch gestaltete Graphik-Oberfläche in der Abspiel-Software, die deutlich an die beiden Hardware-Originale angelehnt ist und Zugriff auf eine Reihe gebräuchlicher Parameter zum Ausformen des Klangs gibt. So wartet das Emulation-GUI mit einem resonanzfähigen Filter, Hüllkurven für Filter und Lautstärke sowie einer Effekt-Sektion auf. Überdies wartet die Stereo-Sektion mit drei Optionen für die Ausgabe der Mono-Samples auf. So lässt sich, ganz so wie im Original, ein Pseudo-Stereo-Effekt erzeugen, in dem das Sample alternierend auf dem linken und rechten Kanal wiedergeben wird (Alt) oder zwei Samples werden gleichzeitig per Layer-Funktion separat auf dem linken und rechten Kanal ausgegeben (Uni), wobei der Spread-Regler Einfluss auf die Stereobreite nimmt.
Die Einstellmöglichkeiten im Drumulation-GUI sind ebenso schnell erfasst. Zwei identische Sektionen warten mit einer Lauflicht-Anzeige zum Programmieren von Rhythmen sowie zum Einstellen und Auswählen des Sounds auf. Außer der Lautstärke, kann das Panorama eingestellt werden und es steht per Regler eine Höhen- und Tiefenblende bereit. Insgesamt acht Instrumente sind pro Instanz programmierbar. Jeweils zwei Instrumente werden über vier Buttons am Fuß des GUI wechselseitig aufgerufen.
Im Hörtest braucht es nicht lange, um in den Bann dieser markant klingenden Sounds gezogen zu werden. Sämtlichen Presets wohnt ein eigentümlicher Grundsound inne, der den Samples das gewisse Etwas verleiht und bei dem man nicht weghören kann. So kommt der Bass-Bereich stets voluminös und kräftig. Doch der Mittenbereich klingt irgendwie zurückgenommen ohne jedoch Frequenzlöcher zu hinterlassen. Vielmehr sind die Samples auf magische Art von nervigen Mitten-Anteilen befreit, die ihnen einen angenehmen Klang verleihen. Die Höhen sind zwar mit gleicher Kraft wie die Bässe gegenwärtig, sie kommen aber trotzdem eher zart und zurückgenommen daher. Auffällig: Das Frequenzspektrum des Großteils der Sounds reicht bis maximal zehn Kilohertz. Danach reißt es ab, so als ob ein steilflankiger Pass-Filter eingesetzt wurde. Schuld daran ist hierbei die eingestellte Samplingrate, mit der die Sounds digitalisiert wurden. Insgesamt verfügen die Emulation-Sounds über einen samtigen Grundklang, der angenehm ins Ohr geht und aufgrund seiner Eigenschaften ohne viel Zutun perfekt im Mix sitzt. Von der oftmals zu hörenden digitalen Kälte und Bissigkeit ist nichts zu hören. Bisweilen klingen manche Sounds ein sogar wenig hohl, um nicht zu sagen topfig. Doch gerade das ist es, was sie zusätzlich so markant prägt und gerade heute wieder aus dem Gros an modernen Samples hervorstechen lässt. Insofern hat UVI ganze Arbeit geleistet und die klanglichen Eigenheiten des Emualtor II akkurat eingefangen. Doch es geht noch weiter, denn der Hersteller hat es sich bei vielen Sounds auch nicht nehmen lassen, damals auftretende klangliche Artefakte in Form von Rauschen und Aliasing-Klingeln ebenfalls mit einzufangen, die letztlich die Sounds ebenfalls geprägt haben und als eher unbeabsichtigte klangliche Zutat die Sounds prägen. Im Test kommen diese Artefakte jedoch nicht unangenehm daher. Vielmehr begrüßen wir diese Störsignale wie einen alten Freund. Dazu zählt auch, dass UVI die Looppunkte der Samples gleichfalls original reproduziert hat. So manches Preset wartet mit hörbaren, eierigen Loops auf, die sich zudem bei anderen Teilsamples innerhalb eines Multisamples anders bemerkbar machen, was beim polyphonen Spiel zu bemerkenswerten und unbeabsichtigten Modulationen führt, aber keineswegs unangenehm klingt. Gleiches gilt auch für das Spiel in verschiedenen Lagen, bei denen die Samples durch Transponierung gehörig im Klang – damals bestanden Multi-Samples nur aus wenigen Einzelsamples, die entsprechend transponiert abgespielt wurden – ändern und Modulationsbewegungen sich im Tempo analog dazu ändern, was heutzutage einen ganz besonderen Charme besitzt und mehr noch richtig inspirierend wirkt. Die oben erwähnten klanglichen Artefakte betrifft dies natürlich auch. Diese Effekte nach langer Zeit wieder zu hören, versetzt uns augenblicklich wieder zurück in die 1980er Jahre und wir sind beim Wiederentdecken dieser nach heutigen Maßstäben inakzeptablen Ergebnisse, regelrecht fasziniert. Die Presets als solche leisten selbstverständlich ihr Übriges, wobei wir viele altbekannte Sounds wieder entdecken, die in der damals aktuellen Pop-Musik und im Film zum Einsatz kamen. Wir sind uns sicher, dass jeder der diese Sounds hört, unweigerlich seine ganz eigenen Erinnerungen aus dieser Zeit hervorholen wird. Die berühmte Shakuhachi-Flöte aus Peter Grabriels Hit „Sledgehammer“ ist natürlich ebenfalls mit an Bord. Allerdings versteckt sie sich eher als Teil eines Multi-Split-Samples im Preset „Zen Garden“. Die Stärken der Emulation II Library liegen dabei ganz klar auf den Naturinstrumenten und auch bei den unzähligen O-Ton- und Effekt-Sounds. Viele Flächenklänge zeichnen sich durch ein quirliges Innenleben aus, die beim Transponieren dramatische Änderungen erfahren. Einzig die vielen FM-Sounds, die uns bei unserer Klangreise immer wieder begegnen, hätten nicht sein müssen. Stattdessen hätten wir uns noch mehr Naturinstrumente gewünscht. Doch mit dem enthaltenen Repertoire sind wir mehr als zufrieden.
Fazit
UVI hat es mit der Emulation II Library geschafft, einen Klassiker der frühen Sampler-Geschichte mit all seinen schrecklich-schönen und liebgewonnenen Macken akkurat einzufangen. Gerade der eigentümliche Grund-Klang mitsamt der vielen Störsignale und natürlich das enthaltene Arsenal an Presets klingen nach so langer Zeit wieder erfrischend neu, überaus inspirierend und überhaupt nicht unangenehm. Wer diese Zeit damals miterlebt hat, wird sich beim Hören garantiert 30 Jahre jünger fühlen.
Erschienen in Ausgabe 04/2013
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 182 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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