Außerweltliches
Software-Hersteller Zero-G entführt mit Other Worlds in wabernd-außerweltliche Sphären. Die Sample Library bietet synthetisch erzeugte Texturen, Effekte und Soundgemische, die zum Vertonen unterschiedlichster Games, Hörspiele und Filme einladen.
Von Sylvie Frei
Der britische Software-Experte Zero-G, bekannt unter anderem durch seinen Software-Synthesizer Vocaloid, der es durch Sprachanalyse möglich macht, virtuell Gesangsstimmen zu kreieren (siehe auch Test der virtuellen „Sängerin“ Prima in Professional audio 9/2013), ist auch in anderen Bereichen des Sound-Designs ausgesprochen aktiv. Other Worlds – Cinematic Textures nennt sich eine seiner Sample Library-Schöpfungen, die jede Menge Ready-to-use-Klang-Sphären für die Soundtrack-Komposition zur Verfügung stellt. Anders als bei der Vielzahl von Sample Librarys, die auf Aufnahmen analoger Instrumente basieren, wurden die Klangtexturen der Zero-G Library ausschließlich durch unterschiedliche Formen der Synthese gewonnen. Insgesamt sprechen wir von einer üppigen Menge von 4,6 Gigabyte Samplematerial. Die Samples liegen als Acidized Waves und Apple Loops vor, zu den unterstützten Playern zählen die aktuelle Vollversion von Native Instruments Kontakt 5, Steinbergs HALion, Reasons NN-XT und der Logic EXS24.
Das gesamte Klangmaterial liegt mit einer Samplerate von für die Filmproduktion üblichen 48 Kilohertz bei einer Wortbreite von hochauflösenden 24 Bit vor. Dafür legt der geneigte Käufer gerade einmal 73 Euro auf den Tresen. Zero-G Other Worlds steht unter www.timespace.com als reines Download-Produkt zum Verkauf.
Inhalt und Umfang
Kreiert wurden die Sounds und Texturen der Other Worlds-Library von dem polnischen Sounddesigner Adam Pietruszko, seines Zeichens Audio Engineer, elektronischer Musiker, Produzent und Synthesizer-Liebhaber. Für Other Worlds nutzte er zur Soundgewinnung unter anderem analoge subtraktive Synthese, digitale FM-Synthese und physikalisches Modeling. Dabei heraus kamen insgesamt 500 Acidized WAV-Files sowie 500 AIFF-Apple Loops von 30 bis 40 (und mehr) Sekunden Länge. Die Samples sind bewusst so lang gestaltet, dass in den meisten Fällen kein Loopen notwendig ist. Für eine einfache Anwendung sind sie außerdem in jeweils 516 Presets für alle erwähnten Sample Player hinterlegt. Organisiert sind sie in den vier thematisch benannten Ordnern Futuristic, Industrial, Mellow und Suspense.
Download und Installation
Für den Download der Sample Library erhalten wir vom Time+Space-Vertrieb einen Link und eine Serien-Nummer. Dann gilt es die Connect-Download- und Installations-Software herunterzuladen und zu starten. Dort genügt es die Seriennummer einzugeben und der Download beginnt. Nach erfolgreichem Download folgen wir den Anweisungen in der Read-me-Datei.
Wir testen die Sample Library mit Native Instruments Kontakt 5, wo sie sich zwar nicht wie gewöhnlich über die „Library hinzufügen“-Funktion aufrufen lässt, sondern lediglich über den File-Browser. Öffnet man nun ein .nki-Preset in Kontakt, wird es zunächst im Demo-Modus angezeigt. Wenn die Demozeit abgelaufen ist, kann es mit der Serien-Nummer, die dem Download-Code für Connect entspricht, aktiviert werden.
Benannt sind die unterschiedlichen .nki-Instrumente auf eine Weise, dass man als Nutzer grob den Klangeindruck abschätzen kann. Außerdem finden sich bei den meisten Presets Anmerkungen dazu, auf welchem harmonischen Konstrukt/Akkord sie basieren. Zwei Beispiele: „Mystery Forest Aaug“ (= „mysteriöser Wald“, basierend auf einem übermäßigen A-Akkord) oder „Crystal organ Cm“ (= „Kristall-Orgel, basierend auf einem c-Moll-Akkord). Bei den rhythmisch angelegten Presets ist auch eine Tempoangabe mit dabei, damit sie sich in bestehende Setups unkompliziert integrieren oder problemlos selbst loopen lassen.
Klangeindrücke
Wie bereits angeklungen, handelt es sich bei Other Worlds nicht um eine im eigentlichen Sinne instrumental spielbare Library. Die sehr lange klingenden Sounds setzen sich aus ganz unterschiedlichen synthetisch erzeugten Klangelementen zusammen, die sich nach und nach zu einer Atmosphäre aufbauen, durcheinanderwabern, an- und abschwellen oder pulsieren. Damit lassen sich beispielsweise auf akustische Weise Landschaften, Räume oder Locations in Film, Game oder Hörspiel illustrieren, Gespräche oder Geräusche im Film mit einem Klangfundament unterlegen oder auch Bordun-artige durchklingende oder rhythmisch repetierende Basis-Sounds für elektronische und experimentelle Musik schaffen. Um einen Eindruck vom Klangspektrum der Library zu erhalten, haben wir uns durch sämtliche Presets gehört und gingen dabei Ordner für Ordner vor.
Futuristic
Die Futuristic-Rubrik ist für Genres wie Cyberpunk, Science-Fiction und Co gedacht. Sie umfasst eine Vielfalt ganz unterschiedlich komponierter Sounds, die faszinierend, anregend, beklemmend, bedrohlich, traumartig oder durchdringend klingen können, den Eindruck von Weite schaffen, mal mehr Effekt- mal mehr musikalischen Charakter haben. So erinnert etwa ein Preset an Vogelgezwitscher, das andere an einen Raum-Zeit-Sprung-Sound eines Raumschiffes, während andere Presets fast Tanzmusik-ähnlich rhythmisch-animierende Pattern bereit stellen, die so ähnlich auch in der einen oder anderen 90er-Jahre Dance-Nummer zu hören waren. Oft macht der Klang im gleichen Preset in den tiefen Oktaven einen ganz anderen Eindruck als in den mittleren oder hohen und lässt sich so vielseitig einsetzen. Bei manchen Presets steigert sich auch das Tempo des Samples bei steigender Tonhöhe.
Die meisten Presets bieten eine Mischungen aus Klang und Geräusch. Manche erinnern entfernt an Instrumente wie Orgel, Flöte, Streichinstrumente, Glockenspiel oder Didgeridoo. Texturen und Effekte der Samples sind sehr durchmischt: mal wird repetitiv-rhythmisch gearbeitet, mit Panning-Fahrten, mit an- und abschwellender Lautstärke und Intensität, teils Loop-artig, mit Wobble-Effekten, oder klirrenden, wabernden und blubbernden Sounds. Allen Futuristic-Presets gemeinsam ist ein gewisses spaciges, außerweltliches Feeling. UFOs, Weltraumstationen, schwarze Löcher, fremde Lebensformen und mehr lassen sich damit ausgezeichnet in Klang umsetzen.
Industrial
Die Industrial-Sektion ist ein absolutes Highlight dieser Sample Library und inspiriert mit den Geräuschen schwerer Maschinen, perfekt für Sujets wie Steampunk und Industrial Fiction. Dabei ist die Palette der Sounds, die von der kreischenden Säge bis zur pochend-schnaubenden Dampfmaschine reichen, extrem vielseitig. So finden sich Presets mit lärmenden, dröhnenden, pulsierend-pochenden, schraubenden, propellerartig rotierenden, stampfenden, schimmernd-flirrenden, raunenden, sägendem, schleifenden, kreischenden, sirrenden, verzerrenden und dampfenden Sounds. Manche Presets durchschreiten das Obertonspektrum, andere sind durch Panning, Verzerrung und Delay entsprechend atmosphärisch verdichtet. Manche Sounds klingen anregend und faszinierend, andere bedrohlich, wieder andere fast unerträglich schrill. So ist quasi für jede Maschine im Film-, Game- und Hörspielkontext der passende Sound mit dabei. So einige Texturen machen sich auch gut in einem Industrial oder Ambient-Musik-Kontext.
Mellow
Die Mellow-Rubrik bietet sehr unterschiedliche Klänge, die einen mehrheitlich hellen Eindruck vermitteln, wobei auch dunklere, bedrohlichere, selten kreischend-lärmende Sounds hinzukommen. Auch hier mischen sich Presets mit eher rhythmisch-musikalischem Charakter mit szenischen Texturen. Viele Klänge hinterlassen einen Eindruck von Leuchten, Wabern, Schimmern und Scheinen, tönen klirrend, tropfend oder perlend. Gleißende Kreaturen und Objekte in einem dunklen Ambiente, zauberhafte Geschehnisse, außerweltliche Erscheinungen, fabelhafte Kreaturen, faszinierende Naturwunder und andere Szenen spielen sich vor unserem geistigen Auge beim Hören ab. Auch diese Sektion lässt sich sehr unterschiedlich einsetzen – uns erscheint spontan der Fantasy-, Science-Fiction-Kontext sowie New-Age-Musik als passend.
Suspense
Die Suspense-Rubrik umfasst unter anderem Presets mit noch mehr instrumentalem Charakter als die anderen drei Sektionen. Manche erinnern an Klavier und Orgel, auf unterschiedliche Weisen atmosphärisch verfremdet. Einige davon arbeiten mit unterschiedlichen Arpeggios und bieten so reichlich musikalisches Potenzial. Hinzu kommen aber auch eine Menge Sounds, die in Richtung Effekt und Geräusch gehen und Ohren wie Nerven mit ihren schneidend-hohen Tönen, wie wir sie aus den beklemmendsten Horror-Filmen kennen, regelrecht strapazieren. So mischen sich in der Rubrik melodische, harmonische und quälend dissonante Klänge, die sich für allerhand Szenen in den unterschiedlichen Genres von Fantasy, Science-Fiction, Horror, Psycho bis Drama einsetzen lassen.
Einsatzempfehlung
Other Worlds eignet sich besonders für Produzenten, die Game-, Film- und Hörspielsoundtracks mit wenig Aufwand erarbeiten wollen. Besonders Szenen, in denen aus erzähltechnischen oder thematischen Gründen, mehr das Geräusch oder die Atmosphäre als ein Filmscore im Vordergrund stehen sollen, bietet die Library eine Vielzahl fertig ausproduzierter Sounds, Texturen, Atmosphären und Effekte an. Genre-technisch werden vor allem Science-Fiction, Steampunk, Fantasy, Cyberpunk, Horror, Action und Psychodrama bedient. Aber auch für elektronische Musik, Dance, Ambient und Industrial könnte das eine oder andere Sample als interessantes Klanggewürz dienen.
Fazit
Die Zero-G Library Other Worlds bietet eine Vielzahl interessanter außerweltlicher Klänge für typische Sci-Fi-, Cyberpunk, Steampunk oder Fantasy-Scores, die zum Experimentieren und Kreieren einladen. Gemessen an der großen Vielfalt und hohen Klangqualität für 73 Euro ein echtes Schnäppchen.
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