Willkommen im klingenden Synthesizer-Museum

Der Kauf nur eines originalen Moog-Synthesizers reißt ein großes Loch in die Kasse. Der Kauf von 16 Moog-Instrumenten würde astronomische Summen verschlingen, ganz zu schweigen von der Verfügbarkeit am Markt. Mit IK Multimedias jüngstem Streich SampleMoog geht das einfacher und billiger.  

Von Georg Berger

IK Multimedia scheint bei der Entwicklung neuer Produkte immer mehr in Richtung Emulation legendärer Instrumente und Verstärker zu schielen. Bereits im vorigen Jahr überzeugte das Unternehmen mit der Ampeg SVX Bassverstärker-Simulation (Test in Heft 8/2006) und erst jüngst präsentierte es mit Amplitube Jimi Hendrix (Test in Heft 8/2007) eine exzellent klingende virtuelle Umsetzung des Verstärker- und Effekte-Setups des amerikanischen Ausnahme-Gitarristen. Im Zentrum der jüngsten Veröffentlichung SampleMoog – der Name sagt es schon – steht das Klang-Repertoire der schon längst zu Klassikern avancierten Analog-Synthesizer von Moog. Über 1800 Presets von nicht weniger als 16 legendären Instrumenten enthält SampleMoog, die streng chronologisch nach Herstellungsjahren sortiert sind. SampleMoog zeigt somit einen klingenden Querschnitt durch fast sämtliche jemals von Moog entwickelten Instrumente von 1970 bis in die heutige Zeit. So finden sich selbstverständlich Sounds aus Highlights, wie dem Mini- und Memorymoog sowie Klänge der modularen Systeme 3C, 15 und 55. Der Volks-Synthie Prodigy fehlt ebenso wenig wie der als Bodenpedal ausgelegte Taurus-Bass-Synthesizer. Nicht ganz so verbreitete Vertreter wie Poly- und Multimoog und auch das Concertmate MG-1 Instrument finden sich ebenso wie der Rogue und Source. Doch da ist noch mehr: Exotische Roboter-Sounds des Moog-Vocoders sind ebenfalls an Bord, genauso wie die charakteristischen Sounds des Etherwave Theremin. Die jüngsten Produkte Minimoog Voyager und Little Phatty beenden schließlich den Rundgang durch die Moogsche Instrumenten-Geschichte. Der Eintrittspreis in das klingende Synthesizer-Museum beträgt dabei knapp 300 Euro.

Ähnlich wie bei Ampeg SVX und Amplitube Jimi Hendrix sind die Programmierer aus dem italienischen Modena bei der Entwicklung von SampleMoog wiederum eine Kooperation mit dem Hersteller der Originale eingegangen, also mit dem Unternehmen Moog höchstselbst. Die Aufbereitung und Erstellung der Presets wurde dabei von der amerikanischen Sound-Design-Schmiede Sonic Reality übernommen. Anders wie Arturia, die ihre virtuelle Emulation analoger Synthesizer-Klassiker rein algorithmisch realisieren, baut IK Multimedia auf die Klangerzeugung durch Samples. Ressourcenfreundliche vier Gigabyte umfasst die Library, die sich über die im Lieferumfang enthaltene Abspielsoftware ansteuern lässt. Auf Basis von IK Multimedias Sampler-Workstation Sampletank 2.5 bietet sie mannigfaltige Eingriffsmöglichkeiten in das Sample-Material und ist außer als Stand-alone-Version über die VST-, AU- und RTAS-Schnittstelle in so gut wie jeden Sequenzer als Plug-in integrierbar. Besitzer von Sampletank 2.5 können die Library logischerweise auch direkt in ihr Instrument importieren. Dazu reicht es, die separate Installations-Routine der Library auszuführen.   

Über 1800 Presets von 16 Moog-Klassikern 

 

Die Bedienung der Abspiel-Software ist auch ohne Studium des detaillierten Handbuchs – leider nur in Englisch – schnell verstanden. Bis auf ein paar marginale Unterschiede ist sie in ihrer Leistung und Ausstattung identisch zur Abspiel-Software der Miroslav Philharmonik Classik Edition, die wir In Heft 5/2007 bereits detailliert vorgestellt haben. Hier wie dort ist sie 16-fach multitimbral, erlaubt also das Laden von 16 Presets in einer Plug-in-Instanz, die über 16 verschiedene MIDI-Kanäle angesteuert und über maximal 16 Stereo-Kanäle in den Sequenzer geleitet werden können. Somit ist es möglich, komplette Arrangements mit Leichtigkeit in SampleMoog zu programmieren und anschließend als sogenanntes Combi abzuspeichern. Einzige Kritikpunkte: Die Schrift, gerade in der Part-Liste und im Sound-Browser, ist viel zu klein geraten und die doch im Vergleich zum schwarzen Hintergrund kontrastarme rote Schriftfarbe macht das Ablesen nicht gerade einfach.  Pro geladenem Preset stehen ein Filter und jeweils zwei Hüllkurven und LFOs zur Verfügung, die über Schalter in die obere Leiste der Programmier-Sektion zwischen Sound-Browser, Slot-Liste und virtueller Klaviatur aufgerufen werden. Der Synth-Dialog erlaubt es, Einstellungen der Fußlage, des Panoramas und des Pitchbend-Bereichs vorzunehmen. Wichtig: Bei aktiviertem Stretch-Button wird das Preset über IK Multimedias eigenen, sinnigerweise „STRETCH“ (Sampletank Time Resynthesis Technology) genannten, Timestretch- und Pitchshifting-Algorithmus abgespielt. Vorteil: Sounds und vor allem Loops sind separat in Tempo, Tonhöhe und Obertonspektrum justierbar. Im Test leistet der Algorithmus hervorragende Dienste, wenn es um die absichtliche Dekonstruktion von Presets geht, er schafft es, das Klang-Potenzial opulent anzureichern. Ebenfalls nicht zu verachten ist der Zone-Button in Verbindung mit dem Range-Dialog: Die Zonen-Ansicht gibt einen Einblick in die Verteilung der Multisamples, die sich über den Range-Dialog schließlich neu auf der Tastatur verteilen und in ihrer Anschlagsdynamik einstellen lassen. Vier Macro-Regler erlauben zumeist Eingriffe in die Filtereckfrequenz- und Resonanz, sowie das Attack und Release der Amplituden-Hüllkurve und bieten einen komfortablen Eingriff in die wichtigsten Parameter eines Sounds. Vier Insert-Effekt-Slots pro geladenem Preset stehen schließlich am Ende der Signalkette und erlauben die Veredelung des Sounds etwa mit Hall, Delay oder Chorus. Insgesamt 32 Algorithmen mit der üblichen Palette an Effekten stehen zur Verfügung, aber auch eher seltene Vertreter wie Phonograph – eine Simulation die Vinyl-Plattenknistern erzeugt – sowie Amplituden- und Frequenzmodulation, oder der Slicer-Effekt, der eine Bit-Reduktion des Signals erzeugt. Allerdings können die Effekte nur in drei Slots geladen werden. Der erste Slot ist immer fest mit einem kombinierten Equalizer und Kompressor belegt. Die Editierung der Effekte erfolgt schließlich in der unteren Reglerreihe der Programmier-Sektion. 

Auf den Spuren von Rick Wakeman, Vangelis & Co.

Der Schwerpunkt der Library liegt auf Bass- und Lead-Sounds. Gleichwohl kommen Flächenklänge ebenfalls zum Zuge, wenngleich nicht so zahlreich. Der Abspielmodus der meisten Presets ist monophon programmiert, ganz so wie in den Originalen. Durch Druck auf den Poly-Button können sie auf Wunsch auch polyphon gespielt werden. Die Qualität der authentisch klingenden Samples ist durchweg sehr gut. Hörbare Loop-Punkte oder Registersprünge sind nicht zu hören. Einzige Ausnahme: Das Madame Synth-Preset in der Modular-Kategorie. Im Test zeigt sich SampleMoog weiterhin als ressourcenfreundliches Instrument. Im Durchschnitt benötigt jedes Preset lediglich fünf Megabyte an Speicher. Einzige Ausreißer bilden auch hier wieder zwei Sounds der Modular-Sektion, die zwar durch einen sehr gefühlvollen und langsamen Filter-Sweep gefallen, aber mit 100 bis 185 Megabyte den Arbeitsspeicher doch über Gebühr belasten. Die mit Abstand meisten Sounds finden sich in der Minimoog-Kategorie mit 447 Presets, mit einigem Abstand gefolgt vom Minimoog Voyager, Memorymoog und Multimoog, die cirka 200 bis 250 Presets enthalten. Die übrigen Instrumente sind im Durchschnitt mit 30 bis 50 Presets vertreten, was jedoch in Ordnung geht, da sie weniger Klangformungsmöglichkeiten besitzen. Dazu zählt etwa der Prodigy oder der Polymoog, der von vorne herein als Preset-Synthesizer mit wenigen fest programmierten Sounds und spärlichen Eingriffsmöglichkeiten aufwartet. Allen Sounds gemeinsam ist der typische Moog-Sound, der sich durch Vordergründigkeit und Durchsetzungsvermögen auszeichnet. Ihnen wohnt grundsätzlich eine gewisse Betonung des Mittenspektrums inne, die durch eine gewisse Dichte auffällt, ähnlich wie bei Einsatz eines Kompressors. Dadurch wissen sie sich auch in opulenten Arrangements durchzusetzen. So kennt und schätzt man den Moog-Sound. Die Library überzeugt insgesamt durch eine Reichhaltigkeit unterschiedlicher Spektren, die von warm, weich und äußerst fett, bis hin zu zart, höhenreich, bisweilen auch hohl und mitunter auch unangenehm scharf und sehr bissig reicht. Das Repertoire zeichnet sich weiterhin durch seine uneingeschränkte musikalische Verwertbarkeit in unterschiedlichen musikalischen Genres aus. Dancefloor-, HipHop- und Techno-Musiker werden hier ebenso das Passende finden, genauso wie Produzenten für rein elektronische Musik, Schlager oder alle anderen Spielarten populärer Unterhaltungsmusik. Presets mit wilden Filter-Sweeps und Modulationsorgien mit LFOs und Hüllkurven finden sich deshalb nur stellenweise und ganz zaghaft. Filter-Sweeps und der Gebrauch von Hüllkurven und LFOs sind immer soweit als nötig eingesetzt um den Sound melodisch spielbar zu erhalten. Dennoch hätte es an einigen Stellen ruhig etwas mehr sein können. Minimoog, Moog Modular, Memorymoog und Voyager warten zwar mit einer eigenen Effekt-Sound-Unterkategorie auf, doch ist das Repertoire an Spektren dort mehr als dürftig. So finden sich dort beim Minimoog und Moog Modular zumeist nur Presets, die unterschiedliche Variationen von Rauschen enthalten, was eindeutig zu wenig ist und gerade bei den Modularsystemen noch nicht einmal im Ansatz das Potenzial des Möglichen anreißt. Da hatten wir uns mehr von versprochen. Arturias Analog Factory etwa (Test in Heft 11/2006) weiß da in Sachen Farbenpracht, gerade bei der Emulation des Moog Modular eindeutig mehr zu überzeugen. Das ist zwar sicherlich auch eine Frage des Geschmacks, doch insgesamt verkauft SampleMoog die Klassiker in dieser Disziplin da unter Wert.

Kraftvolle Eingriffsmöglichkeiten in die Presets

Wer jedoch auf Zwitscher- und Klingel-Sounds verzichten kann, der kommt in SampleMoog voll und ganz auf seine Kosten und kann getrost seine bisherigen Sound-Libraries, auf denen sich Moog-Sounds weit verstreut verteilen, beiseite legen. SampleMoog hat alles zentral an Bord. Die Minimoog-Bässe warten mit einem opulenten Arsenal an Sounds auf, das bei zarten Sinus-Bässen anfängt und einen Bogen bis hin zu fettesten, knurrigen Spektren spannt, die durch Verstimmung der Oszillatoren erzeugt werden und mit unterschiedlichen Filtereinstellungen aufwarten. Die Lead-Sounds stehen dem in nichts nach und erinnern an das Spiel von prominenten Moog-Usern wie Rick Wakeman oder Vangelis. Die Modular-Kategorie weiß in Sachen fetter Klänge sogar noch einen drauf zu setzen – dank dem Einsatz von gleichzeitig acht Oszillatoren. Ähnlich mächtige Sounds sind auch in den Ordnern des Multi- und Memorymoog enthalten. Charakteristisch zeigen sich die Presets des Polymoog, der mit synthetischen Nachbildungen von Klavier, E-Piano und Cembalo aufwartet. Das Concertmate MG-1 Instrument steht dem in nichts nach und enthält eine Reihe von Lead-Sounds, die sich im Vergleich zu den übrigen Presets durch einen sehr stark mittenbetonten, um nicht zu sagen quäkenden, Charakter profilieren. Die etwas moderneren Rogue- und Source-Synthesizer wissen ebenfalls durch druckvolle und fette Bässe zu überzeugen. Die Lead-Sounds klingen jedoch feiner als beim Minimoog und empfehlen sich für eher subtile Einsätze. Die farbenprächtigsten Klang-Repertoires liefern schließlich Multi- und Memorymoog, die außer Bässen und Leads auch über eine Vielzahl an einsetzbaren Flächensounds verfügen. Insbesondere die Flächen überzeugen durch große Vielfalt, sie generieren durch geschickten Einsatz von Filter, Hüllkurven und LFO unterschiedliche Atmosphären. Weiche zerbrechliche Texturen, die mal nach Orgel, mal nach Streicher klingen, bis hin zu kraftvollen Bläsersounds und sogar eher glockenartig metallisch klingende Spektren sind dort zu finden. Polyphon gespielte Presets der übrigen Moog-Instrumente erreichen nicht die gleiche Präsenz. Die beiden jüngsten Vertreter der Moog-Geschichte, der Voyager und Little Phatty eifern eindeutig ihrem Vorbild Minimoog nach. Im Vergleich zu den älteren Brüdern und Schwestern ist ihr Grundsound insgesamt jedoch feiner, sauberer und etwas luftiger. Die Presets des Vocoders enthalten zumeist kurze percussionsartige Sounds, die durch den knurrenden Vocoder-Grundsound mit angenehmen Mitten geprägt sind. Eine Reihe von Sounds, die durch Sprache moduliert sind, erinnern an so manche Platte von Kraftwerk. Mit lediglich nur vier Presets wartet schließlich das Etherwave Theremin auf. Doch ist gerade mit geschmackvollem Einsatz des Modulationsrads der berühmte Sound beispielsweise einer 50-Jahre-Billig-Horrorfilmproduktion mit Leichtigkeit erstellt. Alles in allem wirkt die Library sehr inspirierend.

Doch SampleMoog kann über die Abspielsoftware noch viel mehr. Wem die Anzahl an Effekt-Sounds und lebendigen Texturen zu wenig erscheint, kann mit Hilfe des Filters und der LFOs schnell und unkompliziert nachhelfen und erreicht mitunter recht drastische Ergebnisse. Gerade das IK Multimedia-Filter in der 24-Dezibel-Einstellung sollte behutsam eingesetzt werden. Schon leichte Einstellungen an Filtereckfrequenz und -Resonanz lassen unsere Abhörmonitore ordentlich wackeln und ein vormals zart klingendes Preset klingt bissig und scharf bis deutlich verzerrt. Der Grundsound des IK Multimedia-Filters kommt aber nicht an den charakteristischen Klang des Moog-Filters heran. Ihm fehlt es an Vordergründigkeit und Betonung im Mittenspektrum. Dennoch weiß er sich organisch mit den Samples zu verbinden. Hardcore-Techno-Musiker dürften hier ihre wahre Freude haben. Um die Lebendigkeit weiter anzuheben, empfehlen sich weiterhin die beiden LFOs, die gemeinsam auf Filter, Tonhöhe und Amplitude einwirken können und bei gleichzeitigem Einsatz nur auf der Tonhöhe so etwas wie eine zweidimensionale Modulation erlauben. Ein eher statisch klingendes Preset wie etwa der „Strong“-Sound in der Modular-Kategorie liefert durch Einsatz der beiden LFOs auf die Tonhöhe bei Bedarf schließlich doch noch die gewünschten lebendigen Klingel-Sounds.

Fazit

Mit SampleMoog präsentiert IK Multimedia einen authentischen und reichhaltig klingenden Querschnitt durch 30 Jahre Moog-Synthesizer-Geschichte. Der Schwerpunkt des Instruments liegt zwar auf Bässen und Lead-Sounds, doch ist mit den Möglichkeiten der Abspielsoftware noch einiges mehr herauszuholen.

 

Erschienen in Ausgabe 12/2007

Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 296 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut