Sounddesign-Kraftwerk
Steinberg will mit Halion 4 neue Maßstäbe im Segment der Software-Sampler setzen und dies mit einem neuen, flexiblen Bedienkonzept sowie einer Vielzahl an Features erreichen. Ob der Hersteller Wort hält, klärt der Test.
Von Georg Berger
Wenn es darum geht, seinem Erstlingswerk einen einzigartigen und treffenden Namen zu geben, vollführen Entwickler und Hersteller nicht selten äußerst komplexe Gedankensprünge, die sich dem Endverbraucher nicht auf Anhieb erschließen. Im Fall des virtuellen Samplers Halion ist die Sache zumindest halbwegs klar. Der Name ist in Anlehnung an den Computer HAL 9000 aus Stanley Kubricks Meisterwerk „2001 – Odyssee im Weltraum“ entstanden, wobei die Parallele auf der Hand liegt, denn Halion erblickte erstmals 2001 das Licht der Welt und was lag also näher, die Königsklasse der virtuellen Klangerzeuger mit solch einem Namen zu adeln? 10 Jahre später und sechs Jahre nach dem letzten Major-Update präsentiert der Hamburger Software-Hersteller mit Halion 4 eine in vielerlei Hinsicht überarbeitete Version seines virtuellen Sampler-Flaggschiffs. Dabei tritt Steinberg äußerst selbstbewusst auf und will mit Halion 4 neue Maßstäbe hinsichtlich Bedienung und Klangbearbeitung setzen. Ein oberflächlicher Blick auf die neuen Features macht jedenfalls schon einmal gehörig Appetit: Außer einer neu entwickelten Sampler-Engine wartet die vierte Halion-Generation mit einem virtuell-analogen Synthesizer auf. Der jüngst mit Cubase 6 eingeführte VST3.5-Standard ist auch in Halion 4 integriert und versetzt das Instrument in die Lage, umfangreiche Controller-Automationen auf einzelne Töne eines Akkords anzuwenden, womit er zusammen mit den anderen Steinberg-Klangerzeugern zurzeit noch eine Nische besetzt (siehe Test in Heft 4/2011). Viele Features sind auch aus der Sampling-Workstation Halion Sonic übernommen worden, so der komplexe Phrasen-Player Flex-Phraser sowie die komplette Sound-Library, die in Halion 4 mit zusätzlichen Sounds erweitert wurde (siehe Test in Heft 10/2010). Augenfälligste Neuheit ist jedoch ein komplett überarbeitetes User-Interface, das, soviel sei schon verraten, mit einem einzigartigen Clou in Sachen Bedienkomfort und Workflow aufwartet. Doch der Reihe nach. Die Vollversion von Halion 4 kostet knapp 350 Euro, ein Update/-grade von Halion 3 oder Halion Sonic ist bereits für 100 Euro zu haben. Damit ist es günstiger als Kontakt 4 von Native Instruments. Ein kurzer Blick unter die Motorhaube von Halion 4 offenbart Leistungsdaten, mit denen der Steinberg-Sampler up to date ist. Vier MIDI-Ports zu je 16 Kanälen, 32 physikalische Stereo-Ausgänge plus ein 5.1-Surroundsound-Kanal, eine maximal 1.024-stimmige Polyphonie, eine umfangreiche Effekt-Sektion sowie mannigfaltige Optionen zum Ansteuern und Bearbeiten von Samples lassen ihn auf Augenhöhe zu den Mitbewerbern erscheinen. Einzig die mitgelieferte Sample-Library fällt mit knapp 15 Gigabyte etwas schwachbrüstig aus. Mitbewerber wie etwa der erwähnte Kontakt 4 oder Yellow Tools Independence sind in dieser Disziplin deutlich umfangreicher ausgestattet. Im Hörtest wird sich noch zeigen, was die mitgelieferten Sounds taugen. Doch zuerst werfen wir einen näheren Blick auf die Bedienoberfläche und die Ausstattung. Eines vorweg: Standesgemäß verfügt Halion 4 über eine riesige Fülle an einstellbaren Optionen und teils komplexen Einstellmöglichkeiten, die unmöglich in aller Ausführlichkeit dargestellt werden können, weshalb wir uns in diesem Test auf die wesentlichen Funktionen beschränken wollen.
Beim Erstaufruf von Halion 4 blicken wir auf eine Bedienoberfläche, die mit ihrem vornehmen schwarz sowie dem Layout einiger Bedienelemente eine unverkennbare Nähe zu Halion Sonic besitzt. Allerdings erfordert der Wust an vielen einzelnen Sektionen zunächst eine gewisse Zeit der Orientierung. Links oben findet sich eine globale Menüleiste, die zum Laden von (Multi-)Sounds und zum Einstellen und Anzeigen globaler Parameter dient. In der Stand-alone-Version ist dort übrigens zusätzlich ein Player zum Aufzeichnen, Speichern und Laden von MIDI-Files integriert. Darunter ist das sogenannte Slot-Rack integriert in dem sich die geladenen Sounds finden und mit den üblichen Parametern (Volume, Panpot, Solo, Mute, MIDI-Kanal) grob voreinstellen lassen. Den größten Platz nimmt jedoch ein Dialog-Feld in der Mitte zum Aufruf diverser Editoren ein. In der Default-Stellung zeigt sich dort zuerst die Media Bay, das aus Cubase bekannte Datenbank-Verwaltungs-System zum Suchen, Verwalten und Laden von Sounds. Am Fuß des GUI treffen wir schließlich auf altbekannte Sektionen aus Halion Sonic, wie die acht Trigger-Pads zum Spielen von Drumsounds, Tönen und sogar Akkorden, die acht Makro-Controller zum raschen Editieren von Parametern sowie das virtuelle Keyboard nebst Sphere-Controller, der bereits seit Halion 1 existiert und via XY-Matrix das simultane Ändern von zwei Parametern erlaubt. Auf der rechten Seite ist eine sogenannte Program-List und darunter eine Program-Table integriert. Was es damit auf sich hat, erläutern wir später. Wer nun denkt, dass es das in Sachen GUI gewesen ist und mit leisem Groll über die doch recht vollgestopfte Bedienoberfläche urteilt, der irrt sich gewaltig, denn Halion 4 hat gegenüber allen anderen Samplern einen entscheidenden Vorteil: Bis auf die globale Menüleiste oben links lassen sich ausnahmslos sämtliche Dialoge und Editoren aus dem Gesamtfenster herauslösen und in einem eigenen Fenster auf dem Bildschirm frei positionieren und das sogar über die Grenzen der DAW hinweg. Bedienfelder können bei Bedarf auch aus dem Halion-Hauptfenster entfernt werden, um Platz zu schaffen. Darüber hinaus kann jedes Halion-Fenster sogar nach Belieben skaliert werden, wobei sich der Inhalt dynamisch in der Größe anpasst. Damit nicht genug ist jedes Fenster respektive jede Bediensektion noch einmal bei Bedarf beliebig oft horizontal oder vertikal teilbar, um Platz für weitere Bedienfelder/Editoren innerhalb des Fensters zu schaffen. Solch tief greifende Möglichkeiten sind uns bislang bei einem Sampler noch nicht begegnet und lassen die Mitbewerber in Sachen Bedienkomfort weit hinter sich, die höchstens das Abkoppeln des Wellenform- und/oder Mapping-Editors gestatten, so etwa in Kontakt 4 oder in Avid Structure (Test in Heft 10/2007). Anwender, die mit mehreren Computer-Monitoren arbeiten, werden diese Möglichkeit in jedem Falle begrüßen. Änderungen am Layout und individuell erstellte Fenster-Kombinationen lassen sich dabei als sogenanntes Screen-Set speichern und blitzschnell aufrufen. Für diesen genialen Coup gibt’s jedenfalls schon einmal Dreifach-Bonuspunkte in Sachen Bedienkomfort. So ein Beispiel sollte jedenfalls Schule machen.
Insgesamt 18 Bedienfelder/Editoren sind in Halion 4 aufrufbar, von denen wir einige schon erwähnt haben wie etwa die Trigger-Pads, das virtuelle Keyboard, das Slot-Rack oder die Media Bay. Die wichtigsten Editoren sind im Standard-Layout von Halion 4 im zentralen Haupt-Dialog über entsprechende Menü-Buttons aufrufbar. Dazu zählt die bereits erwähnte Media Bay. Über das MIDI-Menü erhalten wir Zugriff auf die wichtigsten MIDI-Einstellmöglichkeiten der in den Slots geladenen Sounds wie unter anderem die Polyphonie, den MIDI-Kanal, den Tastaturbereich sowie eine Option zum Feintunen der Anschlagsstärke. Der gleiche Dialog findet sich übrigens auch in Halion Sonic. Weiter geht’s mit dem Mixer-Menü, das wiederum in drei wechselseitig aufrufbare Fenster unterteilt ist. Für jedes geladene Program zeigt der Slot-Bus-Mixer einen Channelstrip, der mit der üblichen Ausstattung aufwartet. Zwei weitere Fenster zeigen vier Aux-Busse sowie die physikalischen Ausgänge von Halion 4. Die Kanalzüge des Slot-Bus- und Aux-Mixers erlauben dabei per Ausklappliste das Routen auf die physikalischen Ausgänge. Wichtig: Jeder Channelstrip verfügt über acht Insert-Slots, in die sich Effekte oder die Aux-Busse laden lassen. Die Effekte sind dabei unterhalb des Mixer-Dialogs im gleichen Fenster bequem editierbar. Trotz überschaubarer Ausstattung lässt sich mit diesem Mixer-Konzept schon eine Menge anstellen. Das Repertoire an mitgelieferten Effekten umfasst 49 Algorithmen, angefangen von Hall und Echo bis hin sogar zu Amp-Simulationen und den Effekten aus Halion 3. Der in Cubase 5 erstmals mitgelieferte Reverence-Faltungshall ist ebenfalls mit an Bord, der im Gegensatz zu Halion Sonic deutlich mehr Eingriffsmöglichkeiten besitzt. Die Klangqualität der Effekte ist, wen wunderts, auf gleichem Niveau wie die Pendants in Cubase. Über den Option-Button erhalten wir Zugriff auf eine Reihe globaler Parameter. Ganz wichtig darin sind Optionen, die primär Einfluss auf die Performance von Halion 4 nehmen. So ist es möglich, die maximale Polyphonie einzustellen, CPU-Ressourcen einzustellen und Einfluss auf das Streaming von Samples zu nehmen. Per Fader lässt sich dort zwischen dem Streamen aus dem Arbeitsspeicher und von der Festplatte balancieren sowie die Speichergröße zum Vorladen von Samples definieren. Durch Druck auf den Edit-Button erhalten wir schließlich Zugriff auf weitere Editoren, die zum Ausformen der Sounds dienen und quasi das Herz von Halion 4 repräsentieren. Doch bevor wir uns diesen Möglichkeiten widmen, sei zunächst kurz auf die Klangarchitektur und Sound-Organisation hingewiesen. Insgesamt drei Datenformate sind ladbar: Programs, Multi-Programs und Layer. Die Programs repräsentieren dabei fertig spielbare Sounds, die ins Slot-Rack geladen werden. Die Programs können wiederum aus mehreren Layern bestehen. Ein Layer setzt sich dabei wahlweise aus einem oder mehreren Samples, respektive virtuellen Klangerzeugern zusammen, die auf unterschiedliche Art und Weise auf der Tastatur verteilt sind. Ein Multi-Program ist schließlich eine Zusammenstellung mehrerer ins Slot-Rack geladener Programs. Halion 4 ist selbstverständlich auch in der Lage, Samples und Sample-Formate anderer Hersteller zu importieren (siehe Steckbrief). Im Test funktioniert dies beispielsweise hervorragend mit Files im Kontakt-Format. Loops im REX- oder Acid-Format kann Halion 4 selbstverständlich auch laden und spielen, was über einen eigenen Slice Player realisiert wird. Sehr schön ist auch die Möglichkeit, Samples ganz einfach per Drag-and-drop ins Slot-Rack zu ziehen. Das geht sowohl aus Ordnern im Windows-Explorer beziehungsweise Mac-Finder heraus, als auch sogar aus Cubase und Wavelab 7. Im letztgenannten Fall werden dabei sogar zuvor gesetzte Loop-Punkte automatisch mit übernommen. Doch damit kratzen wir gerade einmal sanft an der Oberfläche von Halion 4. Darunter findet sich ein wahres Schlaraffenland an Einstellmöglichkeiten für passionierte Klang-Schrauber, um Sounddesign bis zum Exzess zu betreiben. Im Test sind wir von den gebotenen komplexen Möglichkeiten anfangs überwältigt. Um dabei hinter alle Finessen des Samplers zu steigen ist das Studium des sehr gut strukturierten und informativen Handbuchs ein Muss, möchte man das Optimum aus dem Sampler herausholen.
Durch Druck auf den Edit-Button erhalten wir Zugriff auf sechs weitere Editoren. Der Macro-Editor ist dabei Sounds aus Halion Sonic (SE) vorbehalten und zeigt eine Reihe wichtiger editierbarer Parameter. Der Mapping- und Sample-Editor dürfte für sich sprechen. Beide Editoren sind graphisch editierbar und bereits ohne Studium des Handbuchs von erfahrenen Anwendern leicht bedienbar, wenngleich sich dort eine Vielzahl an Funktionen finden, die es ebenfalls zu entdecken gilt. Der Mapping-Editor erlaubt das Erstellen von Multisamples, indem sich Einzelsamples graphisch einzelnen Tasten, Tastaturbereichen und natürlich auch Velocity-Bereichen zuordnen lassen. Jedes dort eingefügte Sample wird in der Diktion von Halion 4 dabei „Zone“ genannt. Samples können dabei ebenfalls bequem per Drag-and-Drop direkt in den Mapping-Editor gezogen und anschließend auf der Tastatur verteilt werden. Beim Importieren mehrerer Samples verteilt Halion 4 die Klangdaten automatisch über die Tastatur. Per Rechtsklick erhalten wir Zugriff auf viele Optionen rund um das Importieren von Samples und das Verteilen von Zonen über die Tastatur. So ist es unter anderem möglich, Samples nur auf die weißen Tasten zu routen. Sehr schön ist eine integrierte Crossfade-Funktion, die sich auf die Tonhöhe und Velocity anwenden lässt, wenn Zonen einander überlappen. Parallelen zu Avid Structure (siehe Test in Heft 10/2007) sind hier nicht zu verleugnen. Beim Einsatz sind diese Fades zunächst exponentiell ausgelegt, sie lassen sich aber einfach mit der Maus verändern. Der Mapping-Editor ist auch in der Lage, automatische Fades zu erzeugen, die sich beim Verändern von überlappenden Zonen/Samples dynamisch anpassen. Der Sample-Editor entpuppt sich im Test als sehr gut ausgestatteter Wellenform-Editor. Sample-Start- und Endpunkte sowie Loop-Punkte sind über entsprechende Marker graphisch editierbar und auf das Sample angewandt. Halion 4 verfügt hierbei über die Möglichkeit zwei Loops zu setzen, einen Sustain- und einen Release-Loop, der startet sobald die Keyboard-Taste losgelassen wird. Wie es sich für einen waschechten Sample-Editor gehört, können kritische Loop-Punkte mit Hilfe einer Crossfade-Funktion entsprechend angepasst werden, was wiederum graphisch realisierbar ist. Im Test macht das Arbeiten mit dem Sample-Editor einen Heidenspaß nicht zuletzt auch durch die Möglichkeit, den Editor in ein eigenes Fenster zu transferieren und dieses über den gesamten Bildschirm zu skalieren. Einzig vermisst haben wir die Möglichkeit, ein Sample/Loop mit Hilfe einer Slice-Funktion in einzelne rhythmische Abschnitte zu unterteilen. Solch eine Funktion sollte mittlerweile zum Standard-Repertoire eines Samplers zählen. Wir hoffen auf ein künftiges Update in dem diese Option nachgereicht wird. In der Zwischenzeit müssen wir uns mit der Hitpoint-Funktion des Cubase Sample-Editors behelfen, denn Halion 4 erkennt derart bearbeitetes Audiomaterial beim Import automatisch.
Mit dem Editieren und Mappen von Samples fängt der Spaß jedoch erst an. Über die Sound-, Zone- und MIDI Module-Editoren lassen sich Programs, Samples/Zonen und Layer mit einer opulenten Zahl an Features weiter im Klang ausformen und Ansteuern. Der Sound-Editor wirkt hierbei auf ein gesamtes Program oder Layer, also alle darin befindlichen Samples ein. Primär sind dort Optionen zum Ansteuern und groben Anpassen des Programs/Layer versammelt. Standard-Funktionen wie der einstellbare Tastatur-Bereich, die Transponierung des Programs/Layers, aber auch ein Dialog zum Zuweisen von steuerbaren Parametern auf die Macro-Controller finden sich dort. Weitere wichtige Sub-Dialoge erlauben das Definieren von Parametern für das Note Expression-Feature und über das sogenannte Voice-Management können Layer bestimmten Gruppen zugewiesen werden, die anschließend in ihrem Abspielverhalten noch einmal definiert werden. So lässt sich unter anderem die Polyphonie einstellen, das Layer mit einer Legato-Funktion oder einer Last-/High Note Priority versehen werden. Wichtig ist auch der Variation-Group-Eintrag, der beim Triggern der gleichen Note die Zuweisung wahlweise einer Round-Robin oder Zufalls-Funktion erlaubt, um den berüchtigten Maschinen-Gewehr-Effekt zu vermeiden. Dazu müssen logischerweise mehrere Samples auf die gleiche Mapping-Zone zugewiesen sein. Ins Eingemachte geht’s schließlich im Zone-Editor, der das weitere Ausformen des Sample-Klangs mit Hilfe von Filtern, Hüllkurven und LFOs erlaubt. Highlights in dieser Sektion sind die Filter und Hüllkurven. Bis zu vier Filter sind simultan einsetzbar, die wahlweise seriell, parallel oder sich mit Hilfe einer XY-Matrix morphen lassen. Das Repertoire an wählbaren Filterarten und Charakteristiken ist dabei immens. So finden sich klanglich unterschiedliche Charakteristiken auf Basis von Röhren oder Bit-Reduktion, die ihrerseits mit unterschiedlichen Kombinationen von Pass-Filtern und Flankensteilheiten aufwarten. Alleine damit öffnen sich dem Anwender schon mannigfaltige Möglichkeiten zur Klanggestaltung. An Modulatoren offeriert der Zone-Editor zwei LFOs mit je acht wählbaren Wellenformen sowie vier Hüllkurven, die auf den Verstärker, die Filter und die Tonhöhe einwirken. Die vierte ist für zusätzliche Modulationen frei einsetzbar. Der Clou: Jede Hüllkurve kann aus bis zu 128 Knotenpunkten bestehen, was opulente Steuerungen möglich macht und per Loop-Option ist die Hüllkurven sogar in der Lage wie ein LFO zu wirken. Gleiches gibt’s übrigens auch im Absynth-Synthesizer von Native Instruments (Test in Heft 1/2007). Nicht unerwähnt bleiben soll auch ein Step-Modulator, der als zusätzliche Modulationsquelle dient und über maximal 32 Steps verfügt. Ganz am Ende des Zone-Editors findet sich schließlich eine Modulations-Matrix mit flexiblen Einstellmöglichkeiten, die insgesamt 32 Modulationen erlaubt, wobei doppelt soviele Quellen auf die Ziele einwirken können. Last but not Least ist dort auch der virtuelle Synthesizer programmierbar. Dazu müssen wir lediglich im Type-Menü des Editors von Sample auf Synth umschalten. Anschließend wird der Sample-Oscillator-Dialog, der noch einmal die wichtigsten Parameter des Sample-Editors zeigt, gegen einen Synth-Dialog ausgetauscht. Darin finden sich drei aktivierbare Oszillatoren, ein Sub-Oszillator, ein Ringmodulator sowie ein Rauschgenerator. Jeder Oszillator verfügt dabei über 15 wählbare Wellenformen, die in der Lautstärke und Oktavlage justierbar sind. Der Gesamtklang der Oszillator-Sektion kann anschließend über die bereits erwähnte Filter-Sektion und die Modulatoren weiter ausgeformt werden. Der Grundklang der Oszillatoren ist dabei eher schlank und transparent ausgefallen. Doch durch die Kombination mehrerer Oszillator-Wellenformen kann die Synth-Sektion jedoch mächtig aufspielen und knallharte, voluminöse Sounds erzeugen, wenngleich ihnen die sogenannte analoge Wärme ein wenig fehlt. Dennoch: Wir können uns ab sofort das Laden entsprechender Wellenform-Samples sparen, wenn es darum geht, mal rasch einen Synthesizer-Sound zu programmieren, ganz zu schweigen davon, dass solch ein Feature bei den Mitbewerbern nicht enthalten ist.
Weitere Gestaltungsmöglichkeiten, die auf das Ansteuern von Programs und Layern Einfluss nehmen offeriert schließlich der MIDI-Module-Editor. Außer den erwähnten Trigger-Pads und dem Flex Phraser können dort eine weitere Hüllkurve sowie zwei LFOs eingesetzt werden, die als zusätzliche Modulationsquellen einsetzbar sind. Daneben finden sich noch viele weitere Dialoge etwa zum Definieren von Key-Switches, zum Programmieren oder zum Routen von MIDI-Controllern. Richtig komplex wird’s dabei mit dem Mega-Trig-Modul, mit dem sich Anweisungen und Bedingungen definieren lassen, die sowohl Einfluss auf das Abspielen des Sounds als auch auf das Note Expression-Feature nimmt. Damit bietet sich dem Anwender noch einmal eine fast überbordende Fülle an Möglichkeiten zum Ausgestalten von Sounds. Je nach Anzahl der eingesetzten MIDI-Module und Samples kann der Anwender jedoch leicht die Übersicht verlieren. Doch dafür hat Steinberg die passende Lösung parat: Die anfangs erwähnte Program-List. Sie zeigt, ähnlich wie im Explorer/Finder, eine Baumstruktur, die Auskunft gibt über sämtliche eingesetzten Samples, Layer, Module und Effekte eines Programs. Im Test zeigt sich diese Program-List rasch als unverzichtbares Werkzeug. Sie dient nicht nur dazu, um eine Übersicht in komplexen Klangstrukturen zu erhalten, sondern bietet auch die Möglichkeit per Klick die einzelnen Module zwecks Editieren aufzurufen. Über einen Rechtsklick erhalten wir Zugriff auf viele weitere Funktionen rund um das Erzeugen und Verwalten einzelner Elemente der Program-List. Bei komplexen Sounds wächst die Liste zwar rasch an, aber wir haben stets den Überblick über die Sound-Struktur und können rasch auf die gewünschten Elemente zugreifen. Dafür gibt’s noch einmal ein Sonderlob in Sachen Bedienkomfort. Der Zweck der darunter befindlichen Program-Table erschließt sich uns indes nicht so ganz. Sie zeigt in einer Liste noch einmal sämtliche geladenen Sounds des Slot-Racks, was aber überflüssig ist. In einem zweiten Reiter erhalten wir jedoch Zugriff auf eine Undo-List, die wiederum sehr sinnvoll ist, sollte beim Editieren mal was schief gegangen sein. Doch Features und Funktionen ist das Eine, die mitgelieferte Werks-Library das andere. Als erstes hören wir in die Orchester-Instrumente und müssen direkt Kritik üben. Dass der Anwender angesichts des Library-Datenumfangs mit klanglichen Kompromissen rechnen muss, ist eigentlich nicht auszuschließen. Insgesamt hätten wir uns dennoch hier und da ein wenig mehr klangliche Feinheiten in den einzelnen Instrumentengruppen gewünscht. Im direkten Vergleich zu Kontakt 4 mit seiner darin enthaltenen VSL-Library vermitteln die Halion-Orchesterinstrumente einen eher sterilen Klang, der in unseren Ohren insgesamt zu hell und spitz ausgelegt ist. Die Streicher wie auch die Blechblasinstrumente klingen stellenweise sogar ein wenig synthetisch. Nächster Kritikpunkt: Die Holzblassektion bietet zwar eine Vielzahl an Instrumenten und Instrumentengruppen, lässt aber Details wie Anblas- oder Klappengeräusche vermissen. Schlussendlich hat Steinberg in dieser Instrumenten-Disziplin noch Luft nach oben. Wahrlich nichts zu meckern gibt’s jedoch beim Rest der Library, die, wie bereits in Halion Sonic, durchweg überzeugen kann und so ziemlich jeden musikalischen Stil souverän abdeckt. Highlights sind die akustischen Drums und Dancefloor-Loops, die Gitarren- und Bass-Sounds sowie die Synthesizer-Sounds, wenngleich es letzteren ein wenig an Durchsetzungskraft im Mix fehlt. Absolut überzeugen kann im Test das große Concert Grand Piano, das im Vergleich zu Halion Sonic noch einmal einen draufsetzt.
Fazit
Mit Halion 4 legt Steinberg ein wahrhaft mächtiges Sounddesign-Kraftwerk vor, das sich hinter den Mitbewerbern nicht zu verstecken braucht. Seine Stärken spielt der Sampler durch einen hohen Bedienkomfort aus, dank der einzigartigen Möglichkeit Editoren in eigene Fenster auszulagern und diese skalieren zu können. In Verbindung mit der mächtigen Program-List ist das Erstellen komplexer Soundstrukturen deutlich komfortabler realisiert. Allerdings erfordern die vielen Optionen ein gehöriges Maß an Einarbeitungszeit. Blutige Anfänger sollten zuerst mit Halion Sonic üben.
Erschienen in Ausgabe 09/2011
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 349 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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