Mit dem DynaCaster hat der chinesische Mikrofonspezialist sE Electronics im vergangenen Jahr einen großen Wurf gelandet. Das äußerst robust gebaute, so hervorragend wie praxisgerecht ausgestattete Tauchspulenmikrofon konnte anlässlich unseres Tests in Heft 03/2022 voll abräumen und genießt in der Pro Audio-, Podcaster- und Youtuber-Szene mittlerweile hohes Ansehen. Kein Wunder, denn wenn’s um die unkomplizierte Herstellung richtig guter Sprachaufnahmen geht, sind alle Vokalakrobaten mit diesem Mikrofon bestens bedient. Seit Anfang dieses Jahres bekam das DynaCaster zwei kompakte Mikrofone beigeordnet: Die nennen sich mit Vornamen DCM 3 und DCM 6, der Familienname lautet DynaCaster. Zur besseren Unterscheidung heißt das DynaCaster jetzt vollnamentlich DynaCaster DCM 8 und bleibt das Topmodell sowie Familienoberhaupt. Folgerichtig gibt es die beiden Nachgeborenen erheblich günstiger: Während das DCM 8 mit 280 Euro zu Buche schlägt, sind DCM 3 und DCM 6 für 125 beziehungsweise 175 Euro im Angebot. Klar, dass in puncto Ausstattung und konstruktiv einige Abstriche zu machen sind. Ebenso klar, dass wir diese benennen wollen und vor allem herausfinden wollen, was die beiden Neuen so drauf haben. Also genug der Vorrede, steigen wir ein und stellen DCM 3 und DCM 6 vor.
In bester Gesellschaft
Die beiden Mikrofone sind Tauchspulenmikrofone, die nach dem Induktionsprinzip arbeiten: Die Bewegung einer Spule in einem Magnetfeld wird in elektrische Spannung umgesetzt. Die Spule führt dieselben Bewegungen wie die im Schallwechseldruck schwingende Membran aus und taucht – Aha! – dabei in das Magnetfeld eines Permanentmagneten ein. Soweit so gut und technisch. Noch weiter ins Detail müssen wir diesmal nicht gehen. Wer es noch detaillierter wünscht, dem sei der Test des Topmodells DCM 8 zur Lektüre empfohlen.
Anders als die aufwendig konstruierte Kapsel des DCM 8, ist die der beiden Jungspunde in der Machart etwas konventioneller. Statt einer Aluminiumspule verwendet der Hersteller für die gleichwohl neu entwickelte DMC 3A-Kapsel eine Kupferspule. Damit sind die Schallwandler selbstverständlich in allerbester Gesellschaft. Zumal sE Electronics – Stichwort bestmögliches Impulsverhalten – als Permanentmagneten einmal mehr auf einen kräftigen Neodymium-Magneten setzen, sodass die Mikrofon- und Lautsprecherkenner aufmerkend eine Augenbraue lüften.
Da die Kapsel gezielt auf das Hauptanwendungsgebiet – Sprach- und Gesangsaufnahmen – der DynaCasters hin entwickelt wurde, hat sie eine Nierencharakteristik – immerhin sollen Umgebungsgeräusche beim „Casten“ die Sprecherstimme nicht untergehen lassen. Außerdem ist die DMC 3A im Inneren elastisch gelagert, sodass eine elastische Halterung, vulgo Spinne, nicht vonnöten ist. DCM 3 und DCM 6 lassen sich ohne Umschweife direkt aufs Stativ montieren. Die ins Gehäuse integrierte Halterung verfügt löblicherweise über ein Reduziergewinde – daran sparen einige Hersteller gerne mal –, wirkt sehr robust und ermöglicht auch mühelos eine Über-Kopf-Montage. Das schätzen vor allem Vlogger, die für den visuellen Volleffekt ungern ablenkendes Gerät neben und vor sich dulden – auch keine hübsch anzusehenden Mikrofone.
Zubehör eingebaut
Dass die Mikrofone von vorne besprochen werden, ergibt sich dank des Gehäusedesigns mit Schwenkhalterung praktisch von selbst. Etwaige Unklarheiten räumt die gute verfasste, auch deutschsprachige Bedienungsanleitung aus. Wie schon beim Topmodell DCM 8 hat sE Electronics dafür Sorge getragen, dass Sprecher und Sänger den beiden Neuen sehr nahe kommen dürfen, ohne dass es eines zusätzlichen Popfilters bedürfte. Denn der abschraubbare Schutzkorb ist mit Schaumstoff ausgekleidet, zudem findet sich Schaumstoff auf der Kapsel-Membran. Zugegeben: So aufwendig wie beim DCM 8 ist das alles nicht gestaltet. Dafür ist der Schutzkorb mit einem Schaumstoff-Windschutz bemützt, der auch als Popfilter dient und nach akustischen Gesichtspunkten – keine klangliche Beeinträchtigung – optimiert wurde. Der ist abnehmbar und lässt sich einfach reinigen. Das gilt auch für den Schutzkorb, wobei sich der Benutzer beim Putzen bitte schön an die Anleitung halten möge. Wie Schock- und Pop-resistent die beiden DynaCasters sind, werden wir im Rahmen des Praxisabschnitts klären.
Um den für Druckgradientenempfänger typischen Nahheitseffekt sinnvoll zu minimieren, ist die eigentliche Kapsel etwas nach hinten versetzt, außerdem gehört eine dezente Bassabschwächung zum besonderen Kapseldesign. Das aufwendige Tiefenfilter des DCM 8 bleibt diesem vorbehalten. Das gilt auch für dessen Höhenfilter, was die Anpassung des Mikrofons an die Umgebung zugunsten bestmöglicher Sprachverständlichkeit zu einer kinderleichten Übung macht. Im Falle von DCM 3 und DCM 6 haben sich die Kapselbauer direkt für eine sanfte, gleichwohl stetige Anhebung ab etwa einem mit einem Gipfel bei fünf Kilohertz entschieden. Das ist durchaus praxisgerecht und muss keineswegs übel klingen. Aber dazu ebenfalls später mehr.
Soweit die Gemeinsamkeiten der beiden Mikrofone. Das etwas teurere DCM 6 verfügt zudem über einen Vorverstärker und Impedanzwandler, um eine Eigenschaft von dynamischen Mikrofonen, ihre geringe Empfindlichkeit, beim Aufzeichnen leiser Signale nicht zu einem Nachteil werden zu lassen. „Dynamite“ nennt sich der eingebaute Vorverstärker, denn technisch basiert er auf dem anerkannt guten und separat erhältlichen Vorverstärker DM1 Dynamite von sE Electronics. Er lässt sich ganz einfach aktivieren: Ein Druck auf das hellrot leuchtende Knöpfchen auf der Gehäuserückseite genügt. Damit ergibt sich eine Pegelanhebung um 30 Dezibel, was die Empfindlichkeit des Mikrofons auf enorme 79 mV/Pa erhöht. Uff…Das ist richtig laut. Das DCM 6 ist folgerichtig sehr, sehr geduldig, was die Kraft der Preamps angeht und arbeitet deswegen auch mit den schlappen Vorverstärkern von Einsteiger-Interfaces bestens zusammen. Zum Vergleich: Das DCM 8 erreicht bei aktiviertem Dynamite eine Empfindlichkeit von 60 mV/Pa und ist ausweislich unserer Praxiserfahrungen wirklich leiser als das DCM 6.
Bei aktivem Dynamite ist die 48 Volt-Phantomspannung zu aktiveren, zusätzlich reduziert sich die Impedanz von vergleichsweise hohen 600 Ohm, die auch dem DCM 3 zu eigen ist, auf 135 Ohm. Das kann sich klanglich durchaus zugunsten eines etwas offeneren Klangbilds auswirken. Interessanterweise beträgt die Nennimpedanz des DCM 8 im Passivbetrieb lediglich 300 Ohm, was Fehlanpassungen, die sich immer klanglich auswirken, generell minimiert. Mit Preamps und Mischpulten der gehobenen Leistungsklassen gibt es in der Regel aber auch mit dem DCM 3 und dem DCM 6 keine Probleme.
Im Passivbetrieb sind DCM 3 und DCM 6 mit 2,5 mV/Pa sogar ein klein wenig lauter als ihr großes Geschwister DCM 8 mit 2,0 mV/Pa. Allemal genug, um auch mal, einen guten Vorverstärker vorausgesetzt, eine Akustikgitarre aufzunehmen. Der Hersteller weist übrigens ausdrücklich darauf hin, dass die drei DynaCasters, obschon für Sprach- und Gesangsaufnahmen optimiert, auch die Mikrofonierung von Instrumenten oder – bekanntlich eine Domäne von dynamischen Mikrofonen – Gitarrenverstärkern gestatten.
Studioqualität?
Die Verarbeitung beider Schallwandler ist auf hohem Niveau. Die robusten Metallgehäuse liegen mit gut 500 Gramm satt in der Hand, wobei die Mikrofone nicht allzu sehr am Stativ zerren. Das Gehäusedesign ist zudem richtig pfiffig, denn die Mikrofone lassen sich ohne Not auf mittelgute Tischstative schrauben, ohne dass es wegen Kopflastigkeit zu unliebsamen Umkippen käme.
Es ist höchste Zeit, dass wir die beiden DynaCasters in der Praxis erproben und die Schallwandler neben Sprachaufnahmen auch mit der Aufnahme einer akustische Flamencogitarre sowie der Mikrofonierung eines kleinen Marshall-Halfstacks, bestehend aus dem Röhrentop DSL1HR und der passenden Box SC112, betrauen.
Kommen wir zunächst zu den Sprachaufnahmen. Klanglich geben sich beide Mikrofone im Passivbetrieb nichts. Sie sind nachhörbar auf bestmögliche Sprachverständlichkeit optimiert und liefern dank guter Auflösung und der dezenten Anhebung ab dem Präsenzbereich einen klaren Sprachklang. Dumpfer Mittenmulm bleibt definitiv außen vor – mit dem Unklang von Billigheimern haben die DynaCasters nichts am Popschutz. Allerdings tönt das DCM 8 im direkten Vergleich schon wärmer, vollmundiger und ein Quäntchen detaillierter. Das stabilere Mittenband und ein Auflösungsschippchen mehr wirken sich insoweit aus. Na ja, immerhin handelt es sich um das Topmodell der Kleinfamilie. Das darf dann auch ein wenig mehr können.
Mit Plosivlauten kommen DCM 3 und DCM 6 sehr gut klar. Das Impulsverhalten ist auf gutem Niveau, ohne das in dieser Disziplin auf Oberklassenniveau reagierende DCM 8 zu erreichen. Mit Trittschall haben wir zudem keine Probleme während der Aufnahmen, die elastische Lagerung der Kapseln erweist sich als praxisgerecht. Auch der Nahheitseffekt ist vergleichsweise gering ausgeprägt, sodass Sprecher und Sänger den Schallwandlern durchaus zu nahe kommen dürfen. Die Tiefenanhebung bei Abständen zum Schutzkorb unter 20 Zentimetern erweist sich als noch dezente Andickung.
Die Gitarrenaufnahmen können durchaus gefallen, wenngleich das Bückelchen bei fünf Kilohertz einem audiophilen konzertanten Ton im Wege stehen würde. Für die Aufnahme der Flamencogitarre und eines mit Plektrum gespielten Overdub-Solos auf der Stahlsaitengitarre können die Mikrofone indes überzeugen. Alles tönt schön druckvoll. Ja, exakt, das ist das passende Stichwort für die Bewertung der E-Gitarrenaufnahmen. Dabei fühlen sich die beiden Mikrofone richtig wohl, das hat Power und eine Spur mehr Farbigkeit als der – keineswegs zu verachtende – Standardsound à la Shure SM57.
Schließlich noch ein Wörtchen zum DCM 6 im Aktivbetrieb. Davon abgesehen, dass es schon unverschämt laut wird und der Gainregler unseres Lake People Mic-Amp F355 seit Langem wieder in Minimaleinstellung verharren durfte: Der Klang erscheint eine Spur offener und luftiger, was Sprach- und Gesangsaufnahmen sehr gut steht. Ausprobieren lautet die Devise. Vielseitiger als sein günstigerer Zwilling ist das DCM 6 mithin allemal.
Fazit
Mit dem DCM 3 und dem DCM 6 hat sE Electronics zwei kostengünstige dynamische Mikrofone geschaffen, die fraglos Studioqualität besitzen und zusammen mit dem DCM 8 die klangstarke DynaCaster-Familie bilden und vor allem als Sprechermikrofone überzeugen. Fürs Geld gibt es Robustheit, sehr gute Verarbeitung und einen knackigen, druckvollen und durchaus detaillierten Klang, der auch für Instrumentenaufnahmen passen kann.
Weitere Informationen unter: https://www.megaaudio.de/
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