Inspirations-Schub

Propellerhead hats mal wieder getan und legt mit Reason 8 ein weiteres Major-Update seiner DAW vor. Im Zentrum stehen dieses Mal Verbesserungen rund um den Workflow und das Handling. Ob das Update Pflicht ist, klärt der Test.

Von Georg Berger

Mit Software ist es ähnlich wie etwa mit dem Kölner Dom: Beides wird niemals fertig sein, denn es gibt immer etwas zu verbessern, beseitigen oder hinzuzufügen. So jetzt vor kurzem erneut auch mit Reason, dem Erfolgs-Produkt des schwedischen Software-Herstellers Propellerhead geschehen. Die nunmehr achte Version der weltweit beliebten DAW stellt sich in weiten Teilen aufgehübscht vor und wird von seinen Schöpfern als das größte Oberflächen-Redesign und -Update überhaupt gefeiert. Sinn und Zweck: Der Anwender soll in seiner Kreativität deutlich weniger gebremst werden und kann sich dadurch noch besser auf das konzentrieren, was wichtig ist, nämlich das Musizieren und Realisieren von Ideen. Alte, gewohnte Arbeitsschritte und -abläufe lassen sich im neuen Reason jetzt schneller und bequemer erledigen, das Klicken mit der Maus reduziert sich merkbar, sofern der Anwender sich auf diese neuen Arbeits-Prozesse einlässt. Selbstverständlich lässt sich auch noch wie in den Vorversionen in Reason 8 arbeiten, was den Übergang zu den neuen Abläufen entsprechend dynamisch und behutsam gestaltet. Abseits dessen haben die Entwickler eine Reihe weiterer Detail-Verbesserungen primär im Sequenzer vorgenommen.

Zudem kommt ein Reason Major-Update auch in Version 8 nicht ohne neue Module für das virtuelle Rack aus, wenngleich die Ausbeute im Vergleich zu den letzten drei Updates eher schmal ausfällt. Lediglich zwei neue Module, eine Gitarren- und eine Bassverstärker-Emulation kommen hinzu, die vom schwedischen Software-Spezialisten Softube programmiert wurden und auf Großes hoffen lassen. Denn bislang haben die Produkte von Softube in unseren Produkttests stets Höchstnoten eingefahren. Näheres dazu im Kasten auf Seite XX. Klasse statt Masse lautet also die Parole.

Sehr erfreulich: Das Preis-Niveau beim Erstkauf und fürs Update rangieren stabil bei rund 400 beziehungsweise 130 Euro. Wer es nicht ganz so mächtig haben will und sich sachte in die Reason-Welt einarbeiten will, kann die Light-Version Reason Essentials 8 für knapp 120 Euro erwerben.
Doch genug der Vorrede, schauen wir uns einmal an, was es Neues gibt.

Reason-Routiniers werden beim Erstaufruf der neuen Version zunächst alles am alten Platz vorfinden. Das Farbschema im dominierenden Weiß ist ebenfalls vertraut. Die Transportleiste hat ein neues Design erfahren und ist erwartungsgemäß am Fuß des GUI eingelassen und im Zentrum stehen wie gehabt die drei Haupt-Dialoge in Form des Sequenzers, des virtuellen Mischers und des virtuellen Racks in das sich Instrumente und Effekte nach Gusto in die Slots der entsprechenden Spuren einfügen lassen.
Neu ist jetzt der ständig sichtbare Browser auf der linken Seite, der als zentrale Anlaufstelle zum Auswählen von Instrumenten, Effekten, Loops, Audio-Files und Patches dient. Das frei schwebende Werkzeug-Fenster ist damit fast ad acta gelegt. Beim Aufruf enthält es jetzt lediglich die üblichen Editiermöglichkeiten für den Sequenzer und den Regroove-Mixer. Per Maus lässt sich die Breite des Browser-Dialog selbstverständlich dynamisch skalieren oder ganz wegklappen. Ein näherer Blick zeigt jetzt auch im Hauptfeld der Bedienoberfläche schmale graue Balken mit einem Kreissymbol auf der linken Seite und einer entsprechenden Bezeichnung. Es handelt sich dabei um Reiter, die beim Klick darauf die drei Haupt-Dialoge ausklappen lassen. Das Betätigen der F5-, 6- und 7-Taste am Keyboard ist also nicht mehr zwingend nötig – aber immer noch möglich –, um von der einen in die andere Ansicht zu wechseln. Die Höhe jedes aufgeklappten Haupt-Dialogs ist ebenfalls dynamisch per Maus skalierbar. So erhält der Anwender eine zusätzliche Option zum Einrichten seines virtuellen Arbeitsplatzes. Wie auch in den Vorversionen schön möglich, kann der Mixer und/oder das Rack auch aus dem Hauptfenster ausgekoppelt werden, wovon Anwender, die mit mehreren Monitoren arbeiten, naturgemäß am meisten profitieren. Die Zahl an Reitern reduziert sich analog dazu im Hauptfenster.

Das unumstrittene Highlight in Reason 8 versteckt sich eher unscheinbar im Browser. Zuoberst steht, dass beim Suchen, Auswählen und Laden eines Presets das ständige Aufrufen des entsprechenden Explorer-/Finder-Menüs jetzt der Vergangenheit angehört. Noch besser ist aber, dass jetzt sämtliche darin befindlichen Inhalte bequem per Drag-and-drop in die Hauptfenster eingefügt werden können. Sicherlich, Drag-and-drop von Dateien ist jetzt nichts großartig Neues und wird auch in den Produkten der Mitbewerber praktiziert. Gleiches gilt auch für den ständig erreichbaren Browser inklusive Such-Funktion als solchen. Doch das konsequente Etablieren dieses Prinzips bis hinab auf den kleinsten Bereich ist uns bislang in der Art noch nicht untergekommen. Im Test rufen wir im Browser die Instrumente auf, ziehen den Thor-Synthesizer in einen leeren Bereich der Spurenspalte des Sequenzers, et Voilà: Ohne Rechtsklick oder Aufruf eines Menüs plus Auswahl des entsprechenden Befehls ist eine entsprechende Spur mit Thor als Klangerzeuger erstellt worden. Das Gleiche funktioniert auch im Rack, woraufhin automatisch eine Spur im Sequenzer und ein Kanalzug im Mixer erscheint. Noch besser: Ist das erfolgt, wechselt der Inhalt des Browsers automatisch auf die Preset-Liste des zuvor eingesetzten Instruments, so dass wir direkt Zugriff auf das Sound-Arsenal erhalten. Eine halbtransparente orangefarbene Fläche über dem Disketten- und Ordner-Symbol direkt neben der Preset-Anzeige des Instruments signalisiert dabei, dass im Browser gerade die Preset-Liste dieses Instruments geöffnet ist. Durch Doppelklick auf verschiedene Presets laden diese in Windeseile, so dass wir gleichzeitig auch eine Möglichkeit zum Vorhören von Sounds erhalten. Wer gezielter ans Werk gehen möchte, kann auch über die Suchen-Zeile ein entsprechend aussagekräftiges Schlagwort eingeben, etwa „Lead“ und wenig später listet der Browser sämtliche Instrumente und Presets mit diesem Prädikat auf. Über Drag-and-drop lassen sich einmal mehr Presets in Windeseile laden.

Doch es geht noch direkter: Im Test rufen wir im Browser die Orkester-Soundbank auf, navigieren zu den Streichern und öffnen den Unterordner mit den Ensemble-Presets. Nun ziehen wir dieses Preset wahlweise in die Spurenspalte des Sequenzers oder ins Rack und siehe da: Das gewünschte Preset plus dazugehörigem Klangerzeuger ist blitzschnell geladen und steht zum Einspielen im Sequenzer bereit. Das Gleiche ist selbstverständlich auch mit Effekt-Modulen und ihren Presets möglich. Audiospuren werden hingegen durch das Ziehen von Audio-Dateien in den Sequenzer erzeugt. Als weiteren Service übernimmt Reason den Namen des zurzeit geladenen Presets in der Spurliste des Sequenzers und auch im Mixer, was als weitere Orientierungshilfe sehr nützlich ist. Das Handling mit Samples und Rex-Loops geschieht auf die gleiche, denkbar einfache Weise. So lassen wir uns im Test sämtliche Snare-Drum-Sounds anzeigen, die sich übrigens im Browser rasch vorhören lassen und ziehen den gewünschten Sound ganz einfach auf ein Drumpad unserer Wahl etwa im Kong-Instrument oder einen Loop in den Slot des Dr. Octo Rex Players.

Im Test wird sehr rasch deutlich, wie sehr sich das Klicken auf Menü- und Bestätigungs-Buttons sowie das Auf- und Zuklappen von Pop-up-Menüs auf ein gerüttelt Mindestmaß reduziert. In Folge dessen bleibt der Blick stets auf den Haupt-Dialogen und unser kreativer Fluss wird tatsächlich weit weniger durch lästiges Aufrufen und Bestätigen von Menüs unterbrochen. Alles ist jetzt ungleich direkter erreichbar. In der Geschichte von Reason ist diese Lösung, auch wenn sie eher unscheinbar daherkommt, tatsächlich ein Meilenstein und ein großer Schritt nach vorne hinsichtlich Bedienkomfort und Workflow-Optimierung.

Das Ablegen alter Arbeitsgewohnheiten zu Gunsten eines allumfassenden Drag-and-drop geschieht dabei fließend und innerhalb recht kurzer Zeit. Wir möchten diese Möglichkeiten jedenfalls ab sofort nicht mehr missen. Großes Lob gebührt den Entwicklern zudem für die sachte, fast unmerkliche Art der Integration dieses neuen Bedienkonzepts.

Abseits dessen finden sich noch einige weitere Neuheiten, die vornehmlich im Sequenzer, genauer gesagt im Handling von MIDI-Daten anzutreffen sind. So muss beim Einfügen und Löschen von MIDI-Noten im Piano-Rollen-Editor ab sofort nicht mehr das entsprechende Werkzeug ausgewählt werden. Ein simpler Doppelklick fügt eine neue Note ein und umgekehrt ist sie auch sogleich gelöscht. Das Verkürzen oder Verlängern von MIDI-Events kann ab sofort von beiden Seiten, also nicht mehr nur auf der rechten, sondern auch auf der linken Seite, vorgenommen werden. Im Test realisieren wir damit auf die Schnelle Auftakte und Synkopen und nehmen diese Möglichkeit als zusätzliche Alternative zum herkömmlichen Verschieben der Noten-Events mit Freuden an. Letztlich ist es aber Geschmackssache, wie MIDI-Events am besten zu bearbeiten sind. Dennoch ist es schön, dass Propellerhead diese zusätzliche Möglichkeit implementiert hat. Einzig das Klebewerkzeug zum Verbinden einzelner MIDI-/Audio-Clips, das wir bereits in vorhergehenden Tests moniert haben, fehlt immer noch, weshalb wir nach wie vor den komplizierten Weg über Rechtsklick und Befehlsauswahl via Pop-up-Menü gehen müssen.

Fazit
Nicht wenige treue, langjährige Reason-Anwender dürften das jüngste Major-Update von Propellerheads Reason-DAW als das bei weitem schwächste in der Geschichte dieses Sequenzers ansehen. Sicherlich, schaut man auf die Zahl an Neuheiten, fallen diese selbst im Vergleich zu den Major-Updates von Mitbewerbern recht spärlich aus und hätten höchstens eine Versions-Erhöhung auf Reason 7.5 gerechtfertigt. Doch das ist uns dann viel zu einfach und auch vorschnell gedacht. Denn gerade Reason-Anwender sind in den letzten Major-Updates regelrecht verwöhnt worden und Meilensteine wie das Aufnehmen von Audio-Signalen, die Rack Extensions-Schnittstelle zum Einbinden von Drittanbieter-Software und externe MIDI-Anschlüsse kommen nicht alle Tage vor. Mit Reason 8 stellt Propellerhead daher eine ohnehin schon ausgereifte DAW vor, die jetzt in zwar eher banal erscheinenden, aber äußerst stark wirkenden Verbesserungen, die Arbeit mit Reason auf ein neues Workflow-Level hievt. Alleine das dürfte Rechtfertigung für ein Major-Update sein. Wer seine Kauf-/Update-Entscheidung nach wie vor an der Masse der Neuheiten, getreu dem Motto „Viel bringt viel“ festmacht und auf Verstärker-Emulationen verzichten kann, wird das Update auslassen. Gleiches dürfte auch für diejenigen gelten, denen der alte Workflow so weit in Fleisch und Blut übergegangen ist, dass eine Änderung des Arbeitsablaufs mehr Probleme als Lösungen bereitet. Alle anderen dürften Reason 8 aber mit offenen Armen empfangen und sich dank des neuen Arbeitskonzepts an einem merkbaren Schub hinsichtlich Inspiration, Arbeitstempo und Spielspaß erfreuen.

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Rockige Neuzugänge: Softube Amps
Mit den beiden Neuzugängen Amp und Bass-Amp erweitert Propellerhead sein Angebot an mitgelieferten Verstärker-Emulationen, die logischerweise Saitenartisten, aber auch Soundfrickler ansprechen. Für die Emulation gewann der Hersteller den schwedischen Software-Spezialisten Softube, der seine Expertise in Sachen Verstärker-Emulation mit seinen Plug-ins Vintage und Metal Amp Room sowie Bass Amp Room schon seit langem unter Beweis gestellt hat (Test in Heft 1/2009). Das hat übrigens auch der Hersteller Marshall erkannt, der zusammen mit Softube unlängst eine Partnerschaft bekanntgab, um künftig gemeinsam neue Produkte zu entwickeln. Beide Emulationen müssen nach Installation von Reason 8 über den online Shop als Rack Extension installiert und lizenziert werden. Wer das Update auslassen will, aber trotzdem die Softube-Amps nutzen möchte, zahlt übrigens für jede Extension 55 Euro, was letztlich in finanzieller Hinsicht ein Anreiz fürs Major-Update sein kann. Die Bedienung beider Amps erschließt sich bereits nach wenigen Augenblicken. Der Gitarren-Amp enthält je vier Verstärker- und Cabinet-Emulationen, die per Button anwählbar und frei untereinander kombinierbar sind. Der Bass-Amp wartet hingegen mit zwei Verstärkern und drei Cabinets auf. Beide Verstärker warten mit einem Ausgangs-Lautstärke-Regler sowie einem Drive-Parameter zum Übersteuern der Vorstufe auf. Der Gitarren-Amp verfügt zusätzlich über eine dreibandige Klangregelung, ein einstellbares Noise Gate sowie über eine Boost-Funktion, um bei Bedarf das nötige Schippchen Kraft drauflegen zu können. Sehr schön: Über den Poweramp-Regler lässt sich separat auch die Endstufen-Zerre feinjustieren, respektive hinzumischen. Der Bass-Amp verfügt indes ebenfalls über eine dreibandige Klangregelung, die jedoch mit ein paar Besonderheiten aufwartet. So verfügt das Mittenband über fünf per Drehschalter wählbare Festfrequenzen und per Button lässt sich im Bass- und Höhenband eine Ultra-Funktion aktivieren, die für ein zusätzliches Anheben dieser Frequenzbereiche sorgt.
Im Vergleich zu den beiden Äquivalenten von Line 6, die bereits seit Reason 6 an Bord sind, heben sich die Softube-Verstärker in Sachen Grundsound markant von ihnen ab. Frönen die Line 6 Emulationen eher einem mittigen, voluminösen Klangbild, sind die beiden Softube-Amps der Klarheit und Transparenz verpflichtet. Im Test klingen beide Amps stets luftiger, plastischer und filigraner als die Line 6 Pendants. Die fünf Gitarren-Amp-Emulationen warten dabei mit jeweils eigenen Charakteristika auf. Der „Twang“ genannte Clean-Sound besticht durch glasklare Höhen, der stark in Richtung Fender Twin Reverb geht. Die Crunch- und Rock-Emulationen erinnern uns sehr stark an den Vintage Amp Room, respektive an frühe Marshall-Amps. Im direkten Vergleich zum Vintage Amp Room klingen beide Emulationen allerdings nicht ganz so kraftvoll und dreckig. Für erdigen Rock und bleischweren Blues reicht es allemal und wem das immer noch nicht reicht, kann mit dem Scream Distortion-Modul nachhelfen oder aber die fünfte Emulation, den Lead-Sound anwählen, der eine starke Nähe zum Metal Amp Room mit seiner Engl-Nachbildung besitzt, wenngleich dieser wiederum eine Spur kräftiger, rotziger und dreckiger ausfällt. Durch Anwahl der verschiedenen Cabinet-Emulationen erhalten die Sounds zusätzliche klangliche Ausprägungen, die im Test eher wie Eingriffe eines Equalizers daherkommen. Die Bright- und Tight-Emulationen kommen glasklar daher und sorgen teils für schneidend scharfe i-Tüpfelchen im Höhenbereich. Fat- und Room- klingen hingegen voluminös und mächtig, wobei sich im Room-Setting eine hauchfeine slapback-artige Reflexion bemerkbar macht. Ähnlich verhält es sich auch mit den Sounds des Bass-Amp. Die Modern-Emulation empfiehlt sich für stahlharte, drahtige Rock-Bässe. Sehr schön: Durch Aufdrehen des Drive-Reglers stellt sich rasch eine saftige Verzerrung ein, die ästhetisch zu gefallen weiß und sich nicht nur für Nu Metal, Industrial oder andere Genres der härteren Gangart eignet. Weich und voluminös geht’s hingegen im Vintage-Setting zu, das mit dominanten Tiefmitten und Bässen daherkommt und sich optimal für Basslinien anbietet, die als harmonische Stütze und ausschließliches Bass-Fundament fungieren sollen, wie etwa im Blues oder Reggae. Im Vergleich zum Bass Amp Room präsentiert sich die Propellerhead-Extension klanglich vielseitiger, wobei unser persönliches Highlight der Modern-Amp in Kombination mit dem Bright-Cabinet ist. New Model Army lässt grüßen.

Erschienen in Ausgabe 12/2014

Preisklasse: Oberklasse
Preis:
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut