Möge die 8 mit Dir sein
Das lang ersehnte Major-Update von Digidesigns Sequenzer-Flaggschiff Pro Tools auf die Version 8 bietet für gestandene Profis und Pro-Tools-Routiniers eine überbordende Fülle neuer Features und eine Vielzahl an attraktiven Extras. Sequenzer-Einsteiger und wechselwillige DAW-Anwender sollten sich die neue Version ebenfalls unbedingt vormerken. Professional audio Magazin sagt Ihnen, warum.
Von Georg Berger
Digidesign hat sich verdammt viel Zeit mit einem Major-Update seiner Sequenzer-Software Pro Tools auf die Version 8 gelassen. Seit der Erstveröffentlichung von Pro Tools 7 sind schon vier Jahre ins Land gegangen, eine Zeit, in der die Software zwar stetig weiter verbessert wurde und es bis zur Version 7.4 Anfang vorigen Jahres brachte. Doch offensichtlich boten die in dieser Zeit hinzugefügten Features und Verbesserungen noch nicht die Rechtfertigung für einen Wechsel der Versionsnummer vor dem Dezimalpunkt. Aber das ist mit der überraschenden Ankündigung der achten Reinkarnation des Digidesign-Sequenzers Ende vorigen Jahres endlich hinfällig geworden. Für ein Major-Update wartet Pro Tools 8 standesgemäß mit einer schier überbordenden Fülle an Neuheiten auf. Augenfälligstes Novum ist eine optisch renovierte und aufgepeppte Bedienoberfläche, die deutlich stylisher daherkommt, als die in die Jahre gekommene, recht nüchtern und lieblos wirkende, Windows-95-GUI der Vorversionen. Zweite Auffälligkeit: Pro Tools 8 besitzt jetzt erstmals je einen MIDI- und Noten-Editor, die als unabhängige Dialoge jenseits des Edit-Fensters ihren Dienst verrichten. Dritte Auffälligkeit ist ein wahrhaft riesiges Arsenal an beigelegten Software-Leckerlis, von Digidesign Creative Collection Toolkit genannt, bestehend aus sechs virtuellen Instrumenten eigener Herstellung und einer Erweiterung des Effekte-Arsenals auf über 60 Plug-ins. Darin finden sich erstmals eine Reihe neuer Effekte aus Digidesigns eigener Soundschmiede AIR-Group und einige früher kostenpflichtige Plug-ins gibt’s obendrein kostenlos dazu, etwa die Trillium Lane Plug-ins Metro, inTune und Master Meter, der Sansamp-Verzerrer von Bomb Factory oder die D-Fi-Plug-ins von Digidesign. Nicht unerwähnt bleiben darf auch die Free Version der exzellent klingenden Gitarren-Amp-Simulation Eleven, die mit je zwei Verstärkern und Cabinets aufwartet (Test in Heft 10/2008).
Die Zeiten schlanker Installations-Dateien sind mit Inthronisierung der neuen Version bei Digidesign allerdings vorbei. Pro Tools 8 besitzt ein Datenvolumen von knapp vier Gigabyte. Der Grund dafür ist der mitgelieferte Sample-Content für die Flügel-Emulation Mini Grand, der Free Version des virtuellen Samplers Structure (Test in Heft 10/2007) sowie der überarbeiteten Version des multi¬timbralen Expand-Instruments. Light-Versionen von Celemonys Tonhöhen-Korrektur Plug-in Melodyne, Fxpansions Drumsampler BFD, die DJ-Software Torq von M-Audio sowie eine acht Gigabyte starke Loop-Library des amerikanischen Sample Spezialisten Big Fish Audio runden den Lieferumfang mit Drittanbieter-Produkten ab und erhöhen den Speicherbedarf auf der Festplatte nochmals. Mit dieser Ausstattung baut Digidesign das kreative Potenzial von Pro Tools noch stärker als zuvor aus. Der Digidesign-Sequenzer will sich mehr denn je dadurch als leicht bedienbares Komposi¬tionswerkzeug mit hohem Spaßfaktor empfehlen. Gerade der ambitionierte Homerecordler und der Recording-Einsteiger dürften in erster Linie vom neuen Pro Tools profitieren. Für den Test haben wir die LE-Version genauer unter die Lupe genommen. Das hier Vorgestellte gilt jedoch gleichermaßen auch für die HD- und M-Powered-Varianten. Wer sein Pro Tools System, etwa eine Mbox 2 Pro (Test in Heft 1/2007) nach dem dritten Oktober 2008 erworben hat, erhält das Update gratis. Alle anderen zahlen für die HD-Version knapp 240 Euro, für die LE- und M-Powered-Varianten werden jeweils um die 140 Euro aufgerufen. Im Vergleich zu den vorherigen kostenpflichtigen Updates bekommt man die neue Version angesichts des Lieferumfangs zu einem wahren Schnäppchenpreis. Das Preis-Leistungsverhältnis ist gerade für Instrumenten- und Sound-Junkies schlichtweg überragend. Doch auch unter der Motorhaube hat sich einiges in Pro Tools 8 getan. So haben die LE- und M-Powered-Versionen endlich eine Aufstockung an maximal verfügbaren Audio-Spuren erfahren. Anwender können ab sofort in ihren Sessions mit maximal 48 Audio-Spuren, ganz gleich ob mono oder stereo, arbeiten, was für die meisten Musikproduktionen ausreichen dürfte. Wer noch mehr Spuren benötigt, kann sich durch Zukauf sogenannter Toolkits sein Pro Tools modular erweitern. Nach Installation eines dieser Software-Bundles stehen dem Anwender dann bis zu 64 Spuren zur Verfügung. Aber das ist erst der Beginn des Neuheiten-Reigens in Pro Tools 8. Pro Kanal/Spur stehen jetzt zehn Insert-Slots zur Verfügung. Regions können ein Datenvolumen bis maximal 3,4 Gigabyte besitzen und ebenfalls neu ist die Möglichkeit, Wav-, Aiff- und Sound-Designer-Dateien bunt gemischt und ohne jeglichen Konvertierungsprozess in eine Session zu importieren. Logischerweise müssen die Dateien dafür dieselbe Sampling- und Bitrate besitzen. Die in Version 7.4 eingeführte Elastic Audio Funktion ist noch einmal überarbeitet worden und wartet zusätzlich zum Timestretching mit Tonhöhenkorrektur-Möglichkeiten auf und die Editier-Modi Shuffle, Spot und Slip können in Kombination mit dem Grid-Modus verwendet werden (siehe Pro Tools LE Workshop in den Heften 6 bis 8/2007). Wer Pro Tools über Hardware-Controller wie etwa das Digi 003 (Test in Heft 6/2007) bedient, wird sich über die neu integrierte Plug-in-Mapping Funktionalität freuen. Softwareseitig lassen sich Plug-in-Parameter individuell auf die Bedienelemente des angeschlossenen Controllers routen und als entsprechendes Map-File speichern und aufrufen. So hat man die wichtigsten Parameter seiner Favoriten-Plug-ins stets auf einen Schlag griffbereit und spart sich das lästige Steppen durch Unter-Menüs. Nicht ganz so spektakulär, aber dennoch erwähnenswert, sind Features wie ein automatischer Programm-Check auf Software-Updates, und sehr nützlich ist auch eine Sperr-Funktion, mit der Regions vor versehentlicher Bearbeitung und Verschiebung im Edit-Fenster geschützt werden sowie die Option, eine Session mit deaktivierten Plug-ins zu laden. Sinn und Zweck: Wer zu Vergleichszwecken ein umfangreiches Projekt nur mal eben laden möchte, kann dies ab sofort in Windeseile erledigen. Das Übertragen und Abspielen von Sessions auf leistungsschwächeren Computern ist dadurch ebenfalls gewährleistet.
Die Pro-Tools-Entwickler haben in ihre Neuschöpfung noch weitaus mehr Features und Verbesserungen integriert, die aber alle aufzuzählen zu weit führen würde. Stattdessen konzentrieren wir uns auf die wichtigsten und interessantesten Features, die wir kurz vorstellen wollen. Für den Test installieren wir Pro Tools 8 auf unserem Redaktions-Zweit-Rechner und erleben beim anschließenden Erststart eine herbe Enttäuschung. Zwar fährt Pro Tools ganz normal hoch, doch ausnahmslos jede Maus-Aktion wird anschließend mit Fehlermeldungen und -Dialogen quittiert. Grund dafür ist das in diesen Rechner verbaute P5K-Mainboard von ASUS. Bereits seit der Version 7 weist Digidesign auf seiner Homepage ausdrücklich darauf hin, dass Pro Tools dieses Board nicht unterstützt, was schade ist. Wer also bis dato mit diesem Mainboard-Modell arbeitet und bisher keinerlei Pro Tools Abstürze auf seinem Rechner hatte, kann sich das 8er-Update schenken oder muss sich spätestens jetzt einen neuen Rechner anschaffen. Auf unserem Haupt-Studiorechner ist die Welt hingegen wieder völlig in Ordnung. Pro Tools 8, soviel sei schon verraten, entpuppt sich im Test als merkbar bedienfreundlicher und komfortabler, was selbst altgediente Pro Tools Routiniers begrüßen dürften. Sehr schön: Als erstes werden wir von einem, bei Bedarf deaktivierbaren Quick-Start-Dialog begrüßt, der außer der Möglichkeit eine leere Session zu erzeugen, jetzt erstmals die Option bietet, verschiedene Templates mit individuellen Spuren- und Mixer-Konfigurationen zu laden. Ein Auswahl-Menü bietet über 30 Templates, sortiert nach verschiedenen Anwendungsbereichen (Musik, Post Production, Record + Mix) und musikalischen Genres an (Gitarre, Electronica, HipHop, Pop). Eigene Spuren-Vorlagen lassen sich selbstverständlich auch erzeugen, abspeichern und im Auswahl-Menü aufrufen, was im Test in Windeseile über die Bühne geht. Das Erzeugen neuer Spuren über die Haupt-Menüleiste mit anschließendem Routing-Prozedere der Sends und Ein- und Ausgänge reduziert sich dadurch merkbar. Die insgesamt dunklere Farbgestaltung der Bedienoberfläche lassen die farbigen Buttons und Bedienelemente deutlich kontrastreicher hervortreten. Sie warten überdies mit abgerundeten Ecken auf und hinterlassen einen modernen Eindruck. Das neue Äußere strapaziert die Augen weniger als die Vorversionen und man fokussiert sich bei der Arbeit deutlich besser auf die relevanten Arbeitsschritte. Mit der Möglichkeit, nicht nur die Regions, sondern auch die Trackspalten und kompletten Channelstrips im Mixer-Fenster mit unterschiedlichen Farben zu versehen, erhöht sich die Übersichtlichkeit noch einmal. In den Vorversionen musste immer ein Shortcut angewendet werden, um die Channelstrips komplett einfärben zu können. In Version 8 geschieht das jetzt ohne Umschweife nach Anwahl einer Farbe aus der Farbpalette. Vorteil: Über die neu hinzugefügten Kontrast- und Helligkeits-Fader lassen sich die Kanalzüge von pastellfarben-halbtransparent bis knallig-bunt einfärben, was sehr gut ausschaut. Wer einzelne Instrumentengruppen auf diese Art farblich codiert, hat alles im Überblick. Mit Designer-Schnick-Schnack hat das nur wenig zu tun, wie wir finden. Gleiches gilt für die jetzt fest integrierte, bei Bedarf wegklappbare, Universe-Ansicht unterhalb der Toolbar, die wir alsbald dort nicht mehr missen wollen. Liefert sie uns doch bei langen Sessions eine rasche Möglichkeit zur Navigation und einen schnellen Überblick, wo genau wir uns gerade im Stück befinden.
Die Pro Tools Entwickler haben noch viel mehr Arbeit in die Verbesserung der Bedienung und des Workflow gesteckt. Wer mag, kann die Bedienelemente der Toolbar jetzt nach seinen eigenen Wünschen neu sortieren. Wem die Position der Werkzeug-Buttons etwa schon immer ein Dorn im Auge war, kann durch simples Drag-and-Drop bei gleichzeitig gehaltener STRG-Taste Abhilfe schaffen und sich seine Werkzeugleiste nach den eigenen Wünschen zurecht designen. Sehr nützlich finden wir auch die hinzugefügten Zoom-Buttons in den horizontalen und vertikalen Scroll-Leisten. Im Test sind uns beim Editieren von Regions die Zoom-Buttons eine willkommene Option, um bei präzisen Schnitten rasch eine Ausschnittsvergrößerung ohne Wechsel des Werkzeugs vorzunehmen. Es reicht, auf den Button zu klicken, die Maustaste zu halten und durch anschließendes Ziehen mit der Maus ändert sich dynamisch die Spurengröße. Auch in Sachen Wellenformdarstellung in den Regions hat sich eine Menge getan, die nunmehr vielfältig einstellbar ist. So sorgt der Outline-Modus für eine insgesamt kräftigere Darstellung der Wellen und im Rectified-Modus wird die Höhe der Region zur dann detaillierteren Darstellung der oberen Halb-Amplitude genutzt. Sehr nützlich ist auch die Anzeige der Wellenformen wahlweise im Peak- oder RMS-Modus, in Pro Tools 8 „Power“ genannt. Die nach unserer Meinung komfortabelste Innovation in Pro Tools 8 findet sich in den bei Rechtsklick erscheinenden Kontext-Menüs: Ganz gleich in welchem Dialog und an welcher Stelle der Oberfläche wir den Tastendruck ausführen, Pro Tools 8 offeriert darin jetzt endlich sämtliche Editier-Werkzeuge (Trim-, Selector-, Grabber-, Scrub-, Zoom-, Smart-Tool) inklusive aller Werkzeug-Varianten. Der Werkzeugwechsel über die Funktionstasten oder durch Druck auf die Buttons in der Toolbar gehört zumindest für Maus-Fetischisten damit der Vergangenheit an. Alte Pro Tools Hasen werden vielleicht überrascht sein, wenn es an die Automation von Spuren-Parametern geht. Denn Digidesign hat sich vom alten Prinzip, Automationsdaten im Wechsel mit der Wellenformdarstellung in den Regions anzuzeigen, verabschiedet. Stattdessen lassen sich jetzt, ausgehend von der verfügbaren Zahl an Parametern, beliebig viele separate Automationsspuren unterhalb der Audiospur ausklappen, in die man mit dem Pencil-Werkzeug entsprechende Verläufe einzeichnen und editieren kann. Pro Tools 8 stellt für Audio-Spuren in der Defaultstellung die Parameter Lautstärke, Mute und Panorama bereit. Parameter von insertierten Effekten sind selbstverständlich dort auch nach allen Regeln der Kunst automatisierbar, nachdem sie zuvor für die Automation sozusagen scharf geschaltet beziehungsweise sichtbar gemacht wurden. MIDI- und Instrumentenspuren warten mit den üblichen Parametern wie Velocity, Lautstärke, Panorama, Modulations- und Pitchbend-Rad auf. Über einen eigenen Dialog lassen sich weitere MIDI-Controller der Liste verfügbarer Automations-Parameter hinzufügen. Vorteil: Bei opulenten Automationsfahrten auf mehreren Ebenen und verschiedenen Parametern hat der Anwender stets den Überblick über sämtliche Vorgänge, indem er die gewünschte Zahl an Automationsspuren aufruft und per Auswahl-Menü in der Automationsspur den gewünschten Parameter auswählt. Etwas versteckt im View-Eintrag der Menüleiste findet sich noch eine weitere Option zum Ändern der Darstellung des Edit-Fensters: Durch Anwahl des MIDI-Editor Eintrags in der Unterkategorie „Other Displays“ teilt sich das Hauptfenster in zwei Teile, wobei die untere Hälfte den schon erwähnten MIDI-Editor mitsamt allen Funktionen fest ins Edit-Fenster einbindet. Die Höhe beider Teilfenster ist natürlich dynamisch skalierbar. Auch hier hat sich Digidesign vom Prinzip des direkten Editierens in den MIDI-Spuren verabschiedet und bietet eine separate Bearbeitungsmöglichkeit. Doch später dazu mehr.
Nicht unerwähnt bleiben darf auch die verbesserte Playlist-Funktionalität, die in Verbindung mit dem Loop-Record-Modus erstmals bequeme Möglichkeiten zum Zusammenbasteln einer Spur aus mehreren Takes bietet, neudeutsch „Track Compositing“ oder kurz „Comping“ genannt. Dazu muss im Preferences-Menü die neu hinzugefügte Option „Automatically create new Playlists when Loop Recording“ aktiviert sein. Hat man im Loop-Modus mehrere Durchgänge hintereinander aufgenommen und möchte seine Arbeit anschließend begutachten, muss die Spurenansicht in der Trackspalte von „Waveform“ auf „Playlist“ umgestellt werden. Daraufhin klappt sich, ähnlich wie bei den Automationsspuren, analog zur Anzahl der Aufnahmedurchgänge eine entsprechend große Zahl an Unterspuren auf, wobei sich der zuletzt aufgenommene Take in der Hauptspur findet. Playlist ist in diesem Zusammenhang jedoch gleichbedeutend mit Aufnahme oder Take, was anfangs ziemlich irreführend und unlogisch klingt. Über Solo-Buttons in den Unterspuren lassen sich die einzelnen Takes, respektive Playlists, gegen den der Hauptaufnahmespur austauschen und zwecks Begutachtung anhören. Die übrigen Spuren im Arrangement bleiben davon unberührt, so dass man die Takes zusammen mit dem Arrangement anhören kann. Wahlweise per Drag-and-drop oder durch Rechtsklick mit anschließender Auswahl des relevanten Befehls lässt sich der gewünschte Take nach Begutachtung in die Hauptspur transferieren. Doch es geht noch weiter: Nervöse Musiker, die an verschiedenen Stellen der Takes patzen, können sich aus den Unterspuren eine neue Hauptspur zusammenbasteln. Im Test erzeugen wir dazu eine neue Spur beziehungsweise eine neue Main-Playlist, was gleichbedeutend mit der Hauptspur ist. Anschließend wählen wir mit dem Selector-Werkzeug die gewünschten Stellen in den verschiedenen Unterspuren aus und kopieren sie in die neue Main-Playlist. Pro Tools 8 ist dabei so klug und fügt die Schnipsel an exakt derselben Position in der Main-Playlist ein, an der sie in der Unterspur stehen. Gewissenhafte Musiker und Produzenten werden darauf zwar verzichten, doch die Playlist-Funktion bietet für experimentierfreudige Musiker zusätzliches Kompositions-Potenzial. Dadurch, dass sämtliche Editiervorgänge non-destruktiv erfolgen, lassen sich Teile von Phrasen und Soli wie beim Spielen mit Bauklötzen mannigfach miteinander kombinieren.
Das vielleicht spektakulärste Highlight in Pro Tools 8 ist mit Sicherheit der neu integrierte MIDI-Editor, hat Digidesign doch als primär audiobasierte Software-Anwendung diesen Bereich bislang eher stiefmütterlich behandelt. Jetzt zieht das Unternehmen in Sachen Bedienkomfort im Vergleich zur Konkurrenz endlich nach. Im Preferences-Menü lässt sich einstellen, ob sich bei Doppelklick auf eine MIDI- oder Instrumentenspur wahlweise der MIDI- oder Noten-Editor öffnen soll. In der Grundeinstellung geschieht ersteres. Anschließend zeigt sich, ähnlich wie beim doppelten Lottchen, eine Kopie des Edit-Fensters mitsamt Track- und Group-Listen, einer eigenen Toolbar und editierbaren Zeitleiste. Einziger aber vehementer Unterschied: Anstelle der Trackspalte und Regions findet sich die aus vielen anderen Mitbewerber-Produkten bekannte Pianorollen-Ansicht, inklusive Anzeige von Controller- und Velocity-Daten in einem höhenskalierbaren Teilfenster am unteren Ende des Editors. Angezeigt werden alle Spurenarten, die in der Lage sind, MIDI-Daten zu empfangen und zu senden, also MIDI-, Instrumenten- und Aux-Spuren. Besonderheit: Über die Trackliste können sämtliche in der Session enthaltenen MIDI-Spuren in den Editor eingeblendet werden. Um die Übersichtlichkeit zu erhalten, offeriert Pro Tools 8 die Möglichkeit, jede MIDI-Spur in einer anderen Farbe anzuzeigen oder aber die Anschlagsdynamik in unterschiedlich starker Farbintensität wiederzugeben – dann allerdings gemeinsam für alle eingeblendeten Spuren und auch nur in der Farbe Rot. Schön wäre es, wenn sich beide Modi miteinander kombinieren ließen. Zum Editieren der MIDI-Daten steht die gleiche Palette an Werkzeugen wie im Edit-Fenster zur Verfügung, die nach der üblichen Art und Weise eingesetzt werden. Ein Neuerlernen von Funktionen und Werkzeugen ist also nicht nötig. Besonders komfortabel: Mit gedrückter STRG-Taste und dem Grabber-Werkzeug klicken wir auf eine MIDI-Note, bewegen die Maus und ändern blitzschnell die Anschlagsdynamik der Note. Das Kontext-Menü bietet zusätzlich auch Befehle zum Zerschneiden und Zusammenkleben von MIDI-Noten. Ein Stift-Symbol in der Trackspalte zeigt an, welche MIDI-Spur gerade zur Bearbeitung frei geschaltet ist, das automatisch mit Anwahl einer anderen MIDI-Spur dort mitwandert. Selbstverständlich lassen sich auch sämtliche eingeblendeten MIDI-Spuren auf einen Schlag gemeinsam bearbeiten. Einfach mit dem Selector- oder Grabber-Werkzeug ein Auswahl-Rechteck aufziehen und anschließend die Noten nach allen Regeln der Kunst verbiegen. Das gilt in gleichem Maß auch fürs Editieren der Controller-Daten unterhalb der Pianorollen-Sektion. Ebenso wie im Edit-Fenster lassen sich dort mehrere Controller-Spuren gleichzeitig anzeigen und ebenfalls separat oder gemeinsam bearbeiten. Besonderheit: Bei Anzeige mehrerer MIDI-Spuren werden ihre Automations-Spuren nach Controller-Gruppen zusammengefasst und der Reihe nach wie in der Trackspalte untereinander aufgelistet, so dass man wiederum auf einen Schlag sieht, wie etwa die Automation der Lautstärke in allen MIDI-Spuren verläuft. Dank der eigenen Toolbar mit seinem Link-Button für Zeit- und Edit-Auswahl, lassen sich Ausschnitte unabhängig von der Position des Abspiel-Cursors im Hauptfenster bearbeiten. Doch bei einem MIDI-Editor bleibt es nicht. Wer mag, kann beliebig viele MIDI-Editoren aufrufen und dort verschiedene Spuren-Kombinationen und Ausschnitte bearbeiten, was von Digidesign klug gelöst ist. Denn nur allzu leicht kann man je nach Anzahl der eingeblendeten Spuren trotz farblicher Markierung den Überblick verlieren. Auf diese Weise ist es ein Leichtes, einen Editor nur fürs Schlagzeug, die Streicher oder die Bläser-Sätze aufzurufen. Über den kleinen unscheinbaren Button oberhalb der vertikalen Scroll-Leiste in übrigens jedem Editor-Dialog lässt sich bei Bedarf der Keyboard Command Focus-Befehl auf das entsprechende Fenster anwenden, das anschließend Tastatur-Befehle zum Editieren entgegennimmt. Der kleine rote Target-Button oben rechts signalisiert zusätzlich, dass der Dialog in direkter Verbindung zum Edit-Fenster steht. Verschiebt man dort etwa eine MIDI-Spur, aktualisiert sich dies automatisch im MIDI-Editor, der gerade „getargetet“ ist. Damit ist selbst bei einer wahren Editoren-Orgie immer noch alles überschaubar und die Gefahr vor versehentlicher Fehl-Editierung deutlich verringert. Digidesign hat wirklich gut daran getan, die Bearbeitung von MIDI-Daten in einen eigenen, komfortabel zu bedienenden Editor auszulagern. Gerade bei Sessions mit umfangreichen MIDI-Arrangements ist er ein wahrer Segen und dank der simultanen Anzeige und Bearbeitungsmöglichkeit mehrerer MIDI-Spuren, dürfte er alsbald viele Anhänger finden. Darunter fallen auch diejenigen Musiker und Tontechniker, die sich ihre Elaborate auch in Form von Notentext anzeigen lassen wollen. Über den Notensymbol-Button liefert der MIDI-Editor die gewünschte Darstellung, wobei sich eine Partitur zeigt, in der jeder MIDI-Spur ein eigenes Notensystem zugewiesen ist. Der Clou: Mit den üblichen Editier-Werkzeugen können die Noten auch im Text komfortabel bearbeitet werden. Analog zur Pianorollen-Ansicht kann man mit dem horizontalen Scrollbalken durch den Notentext fahren, der sozusagen als endlose Papierrolle von rechts nach links verläuft.
Das Ausdrucken und Aufbereiten des Notentextes für den Druck ist jedoch dem Noten-Editor vorbehalten, den wir jetzt kurz vorstellen wollen. Der Editor ist ähnlich wie sein MIDI-Pendant aufgebaut und besitzt ebenfalls eine Trackspalte zur Auswahl der relevanten Spuren sowie eine eigene Toolbar. Im Unterschied zur Notenansicht im MIDI-Editor zeigt sich der Notentext jetzt formatiert auf mehrere Druckseiten verteilt. Über den eigenen Setup- und Display-Settings-Dialog ist die Notendarstellung zufriedenstellend einstellbar. Der Setup-Dialog gestattet unter anderem die Eingabe eines Songtitels und Komponistennamens, der Settings-Dialog nimmt Einfluss auf den Notentext, indem sich für die einzelnen Stimmen, so vorhanden und nötig, verschiedene Notenschlüssel und selbstverständlich auch alle Vorzeichen rund um den Quintenzirkel einstellen lassen. Es existiert auch eine Funktion, bei der sich MIDI-Noten, die in den nächsten Takt überlappen, in Form gebundener Noten darstellen lassen. Wer mag, kann die Spuren auch in der üblichen Klavier-Notation mit zwei Systemen anzeigen lassen. Ein Editieren der Noten mit Hilfe der üblichen Werkzeuge ist auch im Noten-Editor möglich, wobei Änderungen im Text direkt in die MIDI-Spuren übernommen werden und man beim Editieren eine direkte akustische Kontrolle erhält. Sehr schön: In der neu hinzugefügten Chord-Leiste innerhalb der Zeitleiste, lassen sich taktgenau Akkordwechsel sowohl im Edit-, als auch im MIDI- und Noten-Editor einfügen, die schließlich als Akkordsymbol inklusive Tabulatur im Notentext angezeigt werden. Ein eigener Dialog erlaubt die detaillierte Einstellung des Akkord-Voicings. Allerdings erschöpft sich damit auch schon der Umfang an Einstellmöglichkeiten im Noten-Editor. Die Eingabe von Liedtexten, Vortrags- und Dynamikbezeichnungen und anderer Sonderzeichen ist nicht vorgesehen. Dies wird in jedem Falle deutlich besser von reinen Notensatz-Programmen erledigt. Pro Tools 8 erlaubt hier ausschließlich den Export des Notentextes im proprietären Datenformat der Notensatz-Software Sibelius, auf dessen Engine der Pro Tools-Editor basiert, was nicht weiter wundert. Denn bekanntlich hat Digidesign Sibelius vor einiger Zeit aufgekauft. Für ein rasches Ausdrucken einer Instrumentenstimme oder einer Akkordfolge reicht der Noten-Editor aber allemal, gerade wenn in hektischen Produktionssituationen rasch an einer Komposition gearbeitet werden soll.
Digidesign hat sich jedoch nicht nur auf Verbesserungen hinsichtlich Bedienkomfort und Editiermöglichkeiten konzentriert. Durch die deutliche Aufstockung an mitgelieferten Effekt-Plug-ins sorgen diese zusätzlich für ein Plus an kreativen Möglichkeiten beim Abmischen von Sessions. Die interessantesten Plug-in-Neuheiten wollen wir an dieser Stelle kurz vorstellen. Viele Freunde wird mit Sicherheit die Verstärker-Emulation Eleven Free finden. Zwar wartet sie nur mit je zwei Verstärkern und Cabinets auf und es lässt sich keine Pappenzerre einstellen oder verschiedene Mikrofontypen auswählen. Doch dafür bietet die Emulation einen erstklassigen Sound bei dem keine Wünsche offen bleiben. Besonderheit: Die Emulationen sind nicht von der Vollversion entlehnt, sondern eigens für die Free-Version entworfen worden, wobei der Sound einmal in Richtung Mesa Boogie geht und das andere Mal eher dem Marshall-Sound der 1950er Jahre frönt. Im Test weiß Eleven Free voll und ganz zu überzeugen und bietet sowohl moderne als auch Vintage-Zerr-Sounds, die sowohl für Rhythmus- als auch Solo-Gitarre bestens geeignet sind. Besitzer der Vollversion sollten sich die Free-Version als zusätzliche Option unbedingt mit installieren. Mit den ehemals kostenpflichtigen Trillium Lane Plug-ins erhält der Anwender nützliche kleine Helfer rund um die Aufnahme. Mit Metro steht ein opulent einstellbares Metronom am Start, das Stimmgerät inTune empfiehlt sich primär für die Saitenfraktion und bei Einsatz des Master-Meter-Plug-in hat man stets die Übersicht über den anliegenden Ausgangspegel. Die Meter-Bridge besitzt überdies einen Browser-Dialog, der detailliert eventuell auftretende Clippings auflistet. Mit dem ebenfalls vormals kostenpflichtigen Peak-Limiter-Plug-in Maxim steht einem Mastering in Pro Tools 8 ab sofort nichts mehr im Weg. Freunde der Trash-Ästhetik werden die drei D-Fi-Plug-ins in ihr Herz schließen, die mit Bitreduktion, Ring- und Frequenzmodulation sowie Filtern für nachhaltige Sound-Dekonstruktion sorgen. Nicht unerwähnt bleiben darf auch das verbesserte D-Verb Hall-Plug-in, das in den Algorithmen „Hall“ und „Church“ mit einem integrierten Chorus-Effekt aufwartet und im Test für einen wohlig-weichen Nachhall sorgt. Die insgesamt 20 neuen Air-Effekte aus Digidesigns Soundschmiede setzen voll und ganz auf kreatives Sound-Design. Das Arsenal setzt sich aus drei Reverb-, zwei Delay-, sechs Modulations-, einem Stereobasis- sowie acht Filter- und Verzerrer-Effekten zusammen. Allen Air-Plug-ins gemeinsam ist ein angenehm weicher Grundsound mit einer Betonung des unteren Mittenspektrums. Bis auf den Spring-Reverb-Effekt, der im Test nur einen muffigen Hall-Spiralen-Sound wiedergibt, wissen sich die Air-Effekte als gut klingende Kreativ-Werkzeuge zu behaupten.
Instrumenten-Offensive in Pro Tools 8
Pro Tools 8 enthält im Lieferumfang eine Reihe neuer virtueller Instrumente, die in Digidesigns firmeneigener Soundschmiede AIR-Group (Advanced Integration Research) entwickelt wurden und die wir im Folgenden kurz vorstellen wollen.
Boom
Den Anfang macht der patternbasierte Drumcomputer Boom, der sich mit seiner Oberfläche an Legenden wie Rolands TR 808 anlehnt. Er enthält zehn Drumkits und über 120 Groove-Presets zwischen 68 bis 180 BPM, die sich primär an alle Spielarten des Dancefloor wenden. Standardsounds à la Roland TR 808 und 909 finden sich sowie stark bearbeitete Akustik-Sounds, wie sie im HipHop oder Drum and Bass anzutreffen sind. Ein Drumkit mit rein synthetischen Sounds gibt’s obendrein. Pro Drumkit stehen zehn Instrumente zur Verfügung, die sich in den Channelstrips des Instruments ausreichend manipulieren lassen. Jedes Pattern besteht aus 16 Schritten, die wahlweise über die Buttons unterhalb der Kanalzüge oder durch Klick in die Punkt-Matrix oben rechts erstellt werden können. Jedes Groove-Preset kann bis zu 16 verschiedene Pattern enthalten, die im Pattern-Select-Modus über die Programmier-Buttons aufgerufen werden. Jeder Sound lässt sich dabei mit drei Velocity-Stufen antriggern. Funktionen zum Halbieren und Verdoppeln des Tempos, zum Umschalten auf triolische Muster sowie zum Hinzufügen eines rhythmischen Versatzes, in Boom „Swing“ genannt, runden die Ausstattung ab. Der leicht zu bedienende Drumcomputer wartet mit einem gut sortierten Arsenal an Groove-Presets auf, die eine informative Rundfahrt durch fast alle Spielarten des Dancefloor bieten. Besonders zu gefallen weiß das Urban 1 Kit mit seinem wuchtigen Gesamtsound sowie das Electronic Kit, das einen erfrischenden Kontrast zu den Standard-Dancefloor-Sounds bietet.
DB 33
Jazzer, Rocker und Blueser werden sich über die Orgel-Simulation DB 33 freuen, die mit einer Hammond B-3- und fest integrierter Leslie-Simulation aufwartet. Es stehen fünf Orgel-Grundsounds zur Auswahl, die den Klang verschmutzter, gebrauchter oder neuer Tonräder simulieren. Der Klang lässt sich anschließend über die Vibrato-Sektion mit einem Chorus-Sound versehen und mit Hilfe der Fußlagenregler in einem Bereich zwischen 16 bis ein Fuß feinjustieren. Eine aktivierbare Percussion fehlt genauso wenig wie das dynamisch einblendbare Klickgeräusch beim Anschlagen der Tasten. In der Leslie-Simulation lässt sich selbstverständlich die Vorstufe nach allen Regeln der Kunst absichtlich übersteuern, ein Regler balanciert den Sound zwischen Hoch- und Tieftöner aus und die zwei aktivierbaren Leslie-Geschwindigkeiten können präzise eingestellt werden. Besonderheit: Die Leslie-Simulation verarbeitet auch externe Signale, so dass der Anwender den charakteristischen Boxen-Sound auch als herkömmlichen Insert-Effekt nutzen kann. Der Sound von DB 33 geht unverkennbar in Richtung Hammond, wenngleich er im Bass nicht ganz die Durchsetzungsfähigkeit besitzt und eher dumpf und matschig klingt. Die fünf Grundsounds bieten unterschiedlich fein aufgelöste Klänge, die im Dirty-Modell mit einem leicht kratzig-rauschenden Unterton garniert sind und für echten Vintage-Sound sorgt. Die beiden synthetischen Modelle lassen Erinnerungen an Orgel-Derivate der 1960er und 1970er Jahre aufleben. Ein Highlight ist das integrierte Leslie, das von subtilen Schwebungen bis hin zu brutal verzerrten Tremolo-/Vibrato-Orgien eine breite Soundpalette offeriert.
Mini Grand
Sieben verschiedene Sounds, verteilt auf ein Gigabyte Sample-Content, ein Hallprozessor mit sechs Presets, ein aktivierbarer CPU-schonender Eco-Mode sowie eine einstellbare 64-stimmige Polyphonie sind die Eckdaten der Flügel-Simulation Mini Grand. Jeder Sound besitzt acht Velocity-Layer, die bei voll aufgedrehtem Dynamic Response Regler ein nuanciertes dynamisches Spiel ermöglichen. Für eine authentische Wiedergabe einer Schubert-Sonate langt das zwar nicht, doch als Begleitinstrument mit vereinzelten Solo-Passagen, weiß sich Mini Grand durchaus zu behaupten. Der Vorrat an Flügel-Sounds bietet flexible Einsatzmöglichkeiten für jeden Musikstil. Die Soundpalette reicht von zarten mittenbetonten Klängen, die sich optimal für Balladen empfehlen, bis hin zu spitz klingenden vordergründigen Flügel-Sounds mit einem ordentlichen Pfund an Höhen und Bässen, die sich hervorragend für Rock, Pop und Dancefloor eignen. Das Real-Preset bildet dabei die neutrale ausgewogene Mitte der Soundauswahl.
Vacuum
Der monophone Synthesizer bietet zwei Oszillatoren mit dynamisch überblendbaren Wellenformen (Dreieck, Sägezahn, Pulswelle, Rauschen), je einem resonanzfähigen Hoch- und Tiefpassfilter mit wählbarer Flankensteilheit, zwei herkömmlichen ADSR-Hüllkurven, einem Sinus-LFO und einer simplen Modulations-Matrix mit je zwei Modulationszielen und -adressen. Ein einfacher Arpeggiator, ein Ringmodulator und die Möglichkeit, den zweiten Oszillator in Low-Stellung als zweiten LFO zu nutzen, runden die Sound-Design-Möglichkeiten von Vacuum ab. Highlight in Vacuum: Die Oszillatoren, beide Filter, der Oszillator-Mixer und die Ausgangsstufe besitzen Röhrensektionen, die sich mit Ausnahme der Oszillatoren absichtlich in die Sättigung, bis hin zu leichten Verzerrungen, fahren lassen und für zusätzliche Klanganreicherung sorgen, was unserer Kenntnis nach bislang einzigartig ist. Im Test sorgt dieses Feature für ein nachhaltiges Andicken des Sounds. Eher dünn klingende Filter-Sweeps drängen anschließend mächtig in den Vordergrund und schwachbrüstige Sounds erhalten mehr Durchsetzungskraft vornehmlich im Bass- und unteren Mittenbereich. Zwei weitere Regler, „Dust“ und „Drift“, sorgen für ein subtiles Hinzufügen von Störgeräuschen und eine Verstimmung der Oszillatoren, so wie man es von altgedienten Analog-Synthesizer-Boliden her kennt. Die rund 200 Presets liefern erwartungsgemäß eine reichhaltige Palette an Bass-, Lead-, Percussion- und Effektsounds, die von zart und subtil bis brachial reichen. In Verbindung mit dem Boom-Instrument bildet Vacuum ein optimales Gespann zum Anfertigen vielfältiger Basis-Arrangements für alle Spielarten des Dancefloor. Trotz überschaubarer Klanggestaltungsmöglichkeiten weiß sich Vacuum im Test auch als vielgestaltiger Lieferant für Effektsounds zu empfehlen.
Structure Free
Die kostenlose Version von Digidesigns Sampler Structure (Test in Heft 10/2007) wartet mit knapp 900 Megabyte Sample-Content auf. Der maximal 64-stimmige Sample Player verfügt ebenso wie sein großer Bruder über acht sogenannte Smart Knobs, mit denen sich je nach geladenem Patch verschiedene Parameter rasch ändern lassen. Außer Möglichkeiten zum Einstellen des Pitchbend und der Polyphonie, bietet Structure Free ein programmierbares Filter sowie einstellbare Filter- und Verstärker-Hüllkurven. Das Sound-Repertoire setzt sich aus den herkömmlichen Brot-und-Butter-Sounds zusammen, wie man sie auch in Synthesizer- und Sampler-Workstations antrifft. Das Repertoire ist von durchschnittlicher bis guter Qualität und weiß sich als zuverlässiger Begleiter beim Entwickeln von Ideen zu behaupten. Structure Free ist darüber hinaus in der Lage, weitere Libraries im Kontakt-, EXS24- und proprietären Structure-Format zu laden und abzuspielen.
Expand!2
Die zweite Version von Digidesigns Synthesizer-Workstation wartet mit einer neu designten Oberfläche und einem deutlich erweiterten Sound-Content auf. Das vierfach multitimbrale Instrument enthält über 2000 Sounds, die mittels virtuell-analoger oder Wavetable Synthese sowie Frequenzmodulation oder herkömmlichem Multisampling erzeugt werden. Pro Part lassen sich zwei Effekte hinzumischen und über sechs Smart Knobs ist jeder geladene Part/Sound individuell editierbar. Eingriffsmöglichkeiten in die Abpsielparameter (Tonhöhe, Pitchbend, Polyphonie), ein aktivierbarer Arpeggiator und eine Modulations-Sektion runden die Ausstattung von Expand!2 ab. Das Sound-Arsenal stellt sich logischerweise farbenprächtiger dar als das von Structure Free. Gerade bei den Synthesizer-Sounds findet sich die eine oder andere Perle, um Arrangements mit merkbaren Akzenten aufzuwerten.
Fazit
Eines ist wahr: Die in diesem Test vorgestellten Neuheiten zählen schon seit langer Zeit zu den Feature-Selbstverständlichkeiten bei den Mitbewerbern und der eine oder andere Kenner wird die Neuheiten in Pro Tools 8 vielleicht mit einem despektierlichen Kommentar würdigen. Für Digidesign ist das Major-Update dennoch ein Riesenschritt nach vorne. Den Pro Tools Entwicklern ist mit der 8er Version ein ganz großer Wurf gelungen. Digidesign ist von seinem individuellen audio-basierten Sequenzer-Konzept abgerückt und zieht in Sachen Bedienkomfort, MIDI-Daten- und Notenbearbeitung mit der Konkurrenz gleich. Der Ein- und Umstieg in die Pro Tools-Welt ist dadurch deutlich einfacher geworden. Für wenige hundert Euro erhält der Kaufinteressent ab sofort ein noch besseres Rundum-Sorglos-Paket aus Hard- und Software, was optimal aufeinander abgestimmt ist. Die meisten Mitbewerber haben so etwas nicht zu bieten, sind deshalb deutlich teurer und dürfen sich ab sofort warm anziehen.
Erschienen in Ausgabe 03/2009
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 143 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: überragend
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