Markanter Meilenstein
Steinberg legt mit Cubase 7 das wohl bedeutsamste Major-Update seit langem vor. Außer zahlreichen neuen Features haben die Entwickler den Schritt gewagt und einen wichtigen Kernbereich der DAW von Grund auf neu konzipiert. Machen Sie sich auf einige faustdicke Überraschungen gefasst.
Von Georg Berger
Rund zwei Jahre ist es her, seitdem der Hamburger Hersteller Steinberg seinem Sequenzer Cubase das letzte Major-Update verpasst hat. Mit der Version 6.5 gabs Anfang 2012 lediglich ein Zwischen-Update. Doch das Warten fand überraschenderweise schon im Dezember 2012 ein Ende und Cubase 7 wurde erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Sehr erfreulich: Das Preis-Niveau bei Erstkauf der DAW liegt wie bei den vorherigen Versionen unverändert bei rund 600 Euro, was angesichts der vielen Neuheiten das Preis-Leistungs-Verhältnis entsprechend verbessert. Gleiches gilt auch für die verschiedenen unterschiedlichen Upgrades (siehe Steckbrief).
Erwartungsgemäß haben die Entwickler den DAW-Klassiker mit einer Reihe von Detail-Verbesserungen aufgepeppt und um neue, wiederum teils einzigartige Features ergänzt. Die größte Überraschung präsentiert der Hersteller jedoch mit der sogenannten MixConsole, einer komplett überarbeiteten Version des integrierten virtuellen Mixers, der schon seit den Tagen als Cubase noch das Kürzel „SX“ zierte so gut wie unangetastet blieb. Ein neues Layout, ein neues Bedienkonzept, ein zusätzliches Plus an Effekten in Form des sogenannten Channelstrips, eine neue Meter-Bridge, ein jetzt integrierter Control-Room-Mixer sowie die Möglichkeit, den Mischer als unabhängigen Dialog vom DAW-Fenster abzukoppeln, lässt Cubase 7 schließlich zu Mitbewerbern wie etwa Cakewalk Sonar X2 (Test in einer der nächsten Ausgaben) oder Propellerhead Reason 6 (Test in Heft 1/2012) aufschließen. Beide DAWs bieten ähnliches schon etwas länger und vermitteln dem Anwender das Gefühl, an einer riesigen Misch-Konsole zu arbeiten.
So jetzt auch in Cubase 7 und soviel sei schon verraten, dass der Umstieg vom alten zum neuen Mixer trotz einer gewissen Eingewöhnungsphase leicht und unkompliziert über die Bühne geht, wobei das Arbeiten mit der neuen MixConsole im Test fast schon Sucht-Potenzial birgt. Näheres dazu erfahren Sie im Kasten ab Seite 20. Dieser seit langem spektakulärste Wandel in der Genese von Cubase birgt jedoch die Gefahr, die weiteren nicht minder bemerkenswerten Neuheiten außer Acht zu lassen, respektive eher als Zierrat anzusehen, was sie jedoch in keiner Weise verdient haben.
Außer neuen Effekten (siehe Kasten auf Seite 18), einer gehörigen Aufstockung an Sounds und Presets für die Halion Sonic SE Workstation in Form des Hybrid Expansion Packs sowie neuen, vom Produzenten Allen Morgan programmierten Drumkits für den virtuellen Klopfgeist Groove Agent One, findet sich auch ein neuer Spurtyp in Form des Chord Tracks, der das Komponieren von Songs künftig noch bequemer gestaltet (siehe Kasten auf Seite 23). Auch der Vari Audio Tonhöhen-Korrektur-Algorithmus wurde verbessert und ist jetzt sogar in der Lage astreine Chorsätze in Windeseile zu erzeugen (siehe Kasten auf Seite 23). Solche Möglichkeiten sind uns bislang noch nicht untergekommen. In Konsequenz erweitert Steinberg damit die Kern-Funktionen von Cubase – Aufnehmen und Abmischen – einmal mehr und baut die beliebte DAW kontinuierlich weiter in Richtung eines flexiblen Kreativ-Werkzeugs mit allen Schikanen aus.
„Cubase goes Internet“ lautet ein weiteres Teil-Motto in der neuen Version, das sich nicht nur in Form des VST Connect SE Plug-ins bemerkbar macht und Aufnahmen via Web realisiert (siehe Kasten auf Seite 19). Überdies ist der bisherige Projekt-Assistent, der das Auswählen von Projekten und Templates ermöglicht, erweitert worden und kehrt jetzt als sogenannter Steinberg Hub zurück, der in einer neuen Spalte separate Links zu Steinberg-News, Video-Tutorials, zum User-Forum und noch mehr nützlichen Online-Quellen auflistet. Sicherlich, nicht jeder wird seinen Musik-Rechner am Netz haben, aber immerhin.
Auffällig ist nach dem Erstaufruf ein zwar leichter, aber dennoch merkbarer neuer Look, der im Vergleich zur Vorversion noch etwas dunkler ausfällt, was die farbigen Akzente (Spuren, Buttons, Regler) noch deutlicher hervorstechen lässt. Einige Bedienelemente und Schaltflächen kommen jetzt auch etwas stylisher daher, was an Steinbergs Einsteiger-DAW Sequel erinnert und insgesamt zu gefallen weiß. Abseits dieser ästhetischen Aspekte finden sich weitere, eher unscheinbar wirkende Neuheiten, die jedoch für die tägliche Arbeit erhebliche Ausmaße annehmen können. So zeigt sich beim Auswählen von Insert-Plug-ins jetzt ein Explorer-ähnlicher Dialog, der in einem Verzeichnisbaum sämtliche installierten Plug-ins nach Kategorien und Herstellern sortiert zeigt. Eine integrierte Suchfunktion erleichtert überdies das Fahnden nach dem gewünschten Effekt. Ausnahmslos jeder Effekt besitzt jetzt in der oberen Menüleiste eine AB-Funktion, so dass alternative Einstellungen rasch gespeichert und miteinander verglichen werden können, ein Feature, das bei vielen Plug-in-Drittanbietern schon längst zur Selbstverständlichkeit gehört und ab sofort auch in Cubase 7 das Leben leichter macht.
Hervorragende Arbeit haben die Entwickler auch am Kanal-Editor geleistet, der nicht nur in neuem Design erstrahlt und jetzt das Editieren der eingangs erwähnten Channelstrip-Effekte ermöglicht. Highlight in Sachen Bedienkomfort sind die zusätzlich einblendbaren Summen- und Gruppen-Fader an die das Signal des Kanals gekoppelt ist und bei Bedarf einen direkten Zugriff darauf ohne Aufruf des Mixers ermöglicht, was bei Feinarbeiten am Kanal von ungemeinem Vorteil ist. Noch besser: Per Button lässt sich hierarchisch durch die Kanal-Beziehungen navigieren, so dass sich bei Bedarf blitzschnell ohne lästiges Aufrufen und Suchen im Mixer der entsprechende Gruppenkanal und schließlich auch der Summenkanal zwecks Bearbeitung aufrufen lässt und umgekehrt. Damit arbeiten wir im Test ungleich flotter und mit weniger Maus-Clicks als zuvor.
Abseits dieser Verbesserungen im Workflow sind die Entwickler auch tief ins Innere der Audio-Engine von Cubase vorgedrungen. Mit der schaltbaren ASIO Guard-Funktion findet sich jetzt ein Feature, das künftig für mehr Stabilität und Performance beim Aufnehmen und Abmischen sorgen soll. Das strikte ASIO-Protokoll, das stets bemüht ist, sämtliche Audio-Berechnungen in Echtzeit durchzuführen, wird dabei quasi ausgetrickst. Kurz gesagt wird Rechenleistung, die nicht für die Audio-Echtzeitberechnung genutzt wird dafür eingesetzt, um vorausschauend die nächsten im Sample-Buffer folgenden Daten vorgreifend zu berechnen. Konsequenz: Durch diese Look-ahead-Funktionalität entstehen keine Drop-Outs. Zusätzlich werden Audio-Pfade jetzt sozusagen in zwei ASIO-Kategorien einsortiert. Weniger kritische Audio-Berechnungen, etwa das Abspielen bereits gespeicherter Aufnahmen kommen in den ASIO-Guard-Modus, wo sie dynamisch abgearbeitet werden. Kritische Signale, die in der Priorität weit oben stehen und Vorrang in der Echtzeitberechnung besitzen, in dem Fall Aufnahmespuren mit aktiviertem Direct Monitoring, werden aus dem ASIO-Guard-Modus herausgenommen und vorrangig berechnet. Wird das Direct Monitoring wieder deaktiviert, kehrt die Spur logischerweise wieder in den ASIO-Guard-Modus zurück. Völlig neu ist das übrigens nicht, denn DAWs wie etwa Avid Pro Tools bieten solch eine Technik schon seit langem. Steinberg verweist explizit darauf, dass vornehmlich Apple-Rechner und je nach Konfiguration auch Windows-Systeme davon profitieren. Da unser Redaktions-Rechner entsprechend stabil auch unter kleinsten Latenzen läuft, können wir an dieser Stelle leider keine Aussage über die Wirkmächtigkeit dieses Features abgeben und vertrauen auf die Aussagen des Herstellers. Als Folge dieser neuen Technik hat übrigens das VST-Meter eine Erweiterung erfahren: Die jetzt ungleich größer dimensionierte Anzeige splittet die Prozessorlast, ähnlich einem Level-Meter, separat in Peak- und RMS-Werte auf, wobei die Peak Werte die tatsächliche CPU-Auslastung in Echtzeit anzeigt. Sinn und Zweck: Plug-ins lassen sich damit rasch identifizieren, die trotz ordentlicher Durchschnittswerte das Peak-Meter in den roten Bereich treiben und den reibungslosen Ablauf gefährden. In diesem Fall sollte wahlweise der Sample Buffer erhöht oder die Spur mit dem Effekt gerendert oder zumindest eingefroren werden, um drohende Drop-Outs zu vermeiden.
Nicht minder bemerkenswert ist auch die Implementierung des Hermode Tuning-Algorithmus des gleichnamigen deutschen Herstellers mit dem Akkorde und Melodien, die von virtuellen Instrumenten gespielt werden, ab sofort in reiner Stimmung erklingen. Einstell- und aktivierbar über die Projekteinstellungen sorgt der Algorithmus dafür, dass Terzen, Quinten und Septimen dynamisch in der Tonhöhe angepasst werden, so dass Schwebungen aufgrund der temperierten Stimmung minimiert und sogar eliminiert werden. Im Test funktioniert das hervorragend, vor allem mit klassischen (Sample-)Instrumenten, die förmlich anfangen zu strahlen. Allzu breit klingende Synthesizer-Pads erfahren mit Hermode Tuning ebenfalls eine Verschlankung und klingen deutlich präziser. Völlig neu ist das zwar jetzt auch nicht, die Waldorf Synthesizer sowie Apple Logic haben Hermode Tuning bereits seit mehreren Jahren an Bord, doch in Cubase ist es ein Novum. Einzige Einschränkung: Das Feature funktioniert ausschließlich mit VST3.5 Plug-ins, also zurzeit nur mit Steinberg-Klangerzeugern. Aber das kann sich ja noch ändern. Last but not Least haben die Entwickler auch an Besitzer von DAW-Controllern gedacht und Cubase 7 erstmals einen dezidierten Remote Control Editor spendiert. Mit seiner Hilfe können, ähnlich wie bei den Quick Controls, Parameter bei Bedarf auf neue oder andere Bedienelemente geroutet werden. Ab Werk werden Modelle wie Avids Artist-Controller und auch die jüngst von Yamaha vorgestellte Nuage Controller-Serie unterstützt. Im Test zusammen mit dem Avid MC Mix stellen wir uns rasch unsere eigenen Parametersätze zusammen mit denen wir ungleich rascher ans Ziel gelangen, als durch die vom Controller vorgegebenen Layouts und erhalten wiederum einen zusätzlichen Schub in Sachen Komfort und Workflow.
Fazit
Auch wenn es reißerisch klingt, aber mit Cubase 7 läutet Steinberg eine neue Ära seines Sequenzer-Klassikers ein. Der jetzt MixConsole genannte virtuelle Mixer erhebt sich wie Phoenix aus der Asche und trumpft mit neuen Features und erheblich verbessertem Bedienkomfort auf. Mit VST Connect SE schlägt Steinberg einen neuen Pfad ein in Sachen Online-Recording und beweist mit der neuen Akkord-Spur in Kombination mit der hauseigenen Audio-Tonhöhen-Bearbeitung Vari Audio in Version 2 einmal mehr Pioniergeist. Zusammen mit vielen weiteren Verbesserungen, unter anderem ASIO-Guard und Hermode Tuning ist Cubase 7 schon jetzt ein ganz heißer Kandidat für unser 2013er Editors Choice.
Neue Effekte für die DAW
Gleich vier neue Studio-Effekte hat Steinberg seiner jüngsten Cubase-Version spendiert, die mit jeweils eigenem Klang und/oder markanten Features das Veredeln von Audiospuren noch farbenfroher gestaltet. So ist mit dem Voxengo Curve EQ (rechts oben) ein Entzerrer an Bord, der jenseits der üblichen Ausstattung Frequenzgangkurven anderer Signale/Mixe erkennen und abspeichern kann, um sie quasi als Fingerabdruck anschließend auf das zu bearbeitende Signal anzuwenden. Durch Einzeichnen einer Kurve lässt sich überdies ein individueller Frequenzgang, bei Bedarf linear- oder minimalphasig, jenseits von Filterbändern leicht erzeugen. Mit integrierter M/S-Funktionalität ist der Curve EQ sowohl für Mix als auch Mastering bestens geeignet. In der Dynamik-Abteilung finden sich gleich drei Neuheiten, darunter erstmals auch ein Brickwall-Limiter (links oben), der zwar rudimentär ausgestattet ist, sich aber anders als die Standard-Variante als Lautmacher empfiehlt. Mit dem Vintage und Tube Compressor gibt’s zwei charakterstarke Dynamik-Prozessoren, die Signale nachhaltig im Klang färben. Per Drive-Regler können in der Tube-Variante (rechts unten) harmonische Verzerrungen hinzugefügt werden, wohingegen der Vintage Compressor (links unten) nicht nur im GUI eindeutig in Richtung Urei 1176 geht. Allerdings ist er im Klang- und Regelverhalten etwas zahmer und nicht ganz so plastisch wie das Pendant des Yamaha Vintage Channelstrip (Test in Heft 1/2012). Einzig den berüchtigten All-Button-Modus vermissen wir.
VST Connect SE: Der größte Aufnahmeraum der Welt
Die Idee, in Echtzeit via Internet Aufnahmen zu machen ist nicht neu. In unserer Reportage über netzbasierte Musikproduktion in Heft 4/2010 stellten wir seinerzeit verschiedene Lösungen vor. Steinberg ist mit dem in Cubase 7 enthaltenen VST Connect SE Plug-in jetzt ebenfalls auf diesen Zug aufgesprungen. Vorteil: Anders als bei den bisherigen Lösungen muss lediglich auf Produzenten-Seite ein Sequenzer vorhanden sein. Der aufzunehmende Musiker installiert lediglich die kostenfrei erhältliche Stand-alone-Software VST Connect Performer, um damit seine Aufnahmen an den Produzenten zu schicken. Das Programm selbst offeriert dabei eine Reihe von Möglichkeiten, um dem Künstler das Playback- und Aufnahme-Signal den eigenen Wünschen anzupassen. So steht ein Equalizer, ein Kompressor sowie ein virtueller Hall zur Verfügung, begleitet von Fadern zum Einstellen des Aufnahme-, Talkback-, Playback- und Metronom-Signals. Besonderheit: Der Produzent kann sämtliche Einstellungen am Performer-Programm fernsteuern. Eine Chat- und Video-Funktion sorgt zudem für einen unmittelbaren Kommunikations-Austausch à la Skype. Die Internet-Verbindung erfolgt dabei im Hintergrund über einen eigenen Steinberg-Server. Im Test gilt es jedoch, zunächst einige Hürden zu überwinden, um erfolgreich eine Verbindung zu etablieren. Auf Produzentenseite muss zunächst eine Reihe von Spuren erzeugt werden, in die das VST Connect Plug-in und ein VST Connect Mix Plug-in insertiert werden muss. Dieses Setup ist recht komplex, weshalb wir in jedem Fall das von Steinberg eigens dafür programmierte Projekt-Preset empfehlen, in das ein Rohmix als Playback importiert wird. Doch damit das funktioniert, ist, ausweislich unseres Tests, zunächst ein sogenanntes „UDP forwarding“ notwendig. Wer dem online gaming frönt, kennt diese Prozedur schon. Alle anderen müssen in die Einstellungen des DSL-Modems gehen und diese Daten-Weiterleitung einrichten. Im Test gerät das Einstellen des Forwarding rasch zu einer nervenaufreibenden Prozedur, weshalb wir uns gleich zu Anfang ein ungleich nutzerfreundlicheres Handling wünschen. Doch einmal erledigt, ist die Verbindung recht schnell etabliert. Allerdings sollte auf Künstler-Seite ebenfalls ein moderner Rechner am Netz hängen. Ältere Rechner mit Ein-Kern-CPU streichen alsbald die Segel wegen Prozessor-Überlastung. Im Test – unser News-Redakteur Thomas Materna stand freundlicherweise dafür zur Verfügung – wird die Video-Übertragung per handelsüblicher Webcam und die Audio-Kommunikation über die angeschlossenen Audio-Interfaces und somit über ASIO realisiert. Ein angeschlossenes (Talkback-)Mikrofon teilt sich dabei den Internet-Audiokanal mit dem eigentlichen Aufnahmekanal, in dem Fall dem Instrumenten-Eingang. Über Einstellungs-Menüs kann bei Bedarf die Audio- und Video-Rate auf beiden Seiten eingestellt werden. Im Test kommen wir jedoch mit den Voreinstellungen bestens zurecht, wobei auf einer Seite lediglich eine DSL 6000 Leitung zur Verfügung steht. Das Aufnahme-Prozedere geschieht letztlich wie gehabt. Auffällig ist jedoch, dass Cubase 7 eine kleine Atempause einlegt bis das Playback auf beiden Seiten zu hören ist. Verantwortlich dafür zeichnet eine neu entwickelte, Remote Latency Compensation (RLC) genannte Technik, die im Hintergrund dafür sorgt, dass sowohl Playback- als auch Aufnahmesignal kontinuierlich und synchron übertragen werden. Anfangs hakt es mit der Synchronität aufgrund hörbarer Latenzen jedoch gewaltig. Doch durch das Heraufsetzen des RLC-Wertes von eins auf drei schaffen wir rasch Abhilfe und sind begeistert vom reibungslosen, taktgenauen Ablauf der Aufnahme. Steinberg besetzt mit diesem Feature jedenfalls eine Nische im DAW-Segment und macht den einschlägigen Online-Lösungen ab sofort gehörig Konkurrenz.
Schaltzentrale de Luxe: Die neue VST MixConsole
Mit dem komplett redesignten, jetzt MixConsole genannten, virtuellen Mixer brechen in Cubase 7 neue komfortable Zeiten für das Abmischen von Projekten an. Erste Auffälligkeit: Der Mischer wird als separates, von Cubase unabhängiges, Fenster aufgerufen und lässt sich dynamisch skalieren, ein Feature das uns erstmals im Test von Halion 4 (Test in Heft 9/2011) begegnet ist und in Cubase 7 seine Fortsetzung findet. Damit bettelt dieser Dialog förmlich um Aufruf in einem separaten Monitor. Steinberg sollte sich überlegen, dieses Feature auch weiteren Dialogen und Editoren zu verpassen, etwa dem Sample- oder Key-Editor. Es würde jedenfalls für zusätzlichen Platz im Projekt-Fenster sorgen. Doch das ist ja erst der Anfang. Das Layout des Mixers ist komplett überarbeitet worden, aber schon nach kurzer Zeit verinnerlicht. Die Oberfläche ist in drei vertikale Bereiche aufgeteilt: Der Kanalauswahl, der Faderbank und der wechselweise aufrufbaren, neuen Summen-Meter-Bridge oder dem Control Room-Mixer. Zusätzlich kann über die gesamte Breite des Mixer-Dialogs eine Kanalübersicht eingeblendet werden – eine komprimierte Darstellung sämtlicher Meter-Anzeigen des Projekts. Innerhalb der Faderbank können als eigenständige Sektionen das sogenannte Kanal-Rack, eine Meter-Bridge, ein Notizenfeld, das bislang nur im Inspector zu finden war, Track-Icons mit Darstellungen von Instrumenten sowie die Equalizer-Kurven eingeblendet werden. Auf diese Weise lässt sich der Mixer schon einmal ungleich flexibler den eigenen Bedürfnissen anpassen als zuvor. Sehr schön: Die einzelnen Mixer-Bereiche können bei Bedarf anteilig mit der Maus vergrößert und verkleinert werden. Wer also rasch einmal die Meter-Bridge und Fader-Sektion ins Zentrum rücken will, verkleinert das Kanal-Rack und hat dies blitzschnell erledigt. Über den Kanalarten-Button lässt sich bestimmen, welche Kanäle im Mixer angezeigt werden sollen, etwa nur die Audio-, MIDI- und Gruppenkanäle. Über vier sogenannte View-Sets können dabei sämtliche Mixer-Einstellungen abgespeichert und blitzschnell wieder aufgerufen werden. Das hat es zuvor noch nicht gegeben, ebenso wie die per Reiter zweigeteilte Kanalauswahl. Im Sichtbarkeits-Dialog lässt sich jeder Kanal per Click in der Faderbank ein- und ausblenden. Ganz neu ist auch ein integrierter textbasierter Such-Dialog, um in umfangreichen Projekten rasch nach dem gewünschten Kanal zu fahnden und in den Fokus zu rücken. Das Zonen-Menü erlaubt hingegen das Versetzen jedes Kanals wahlweise auf die linke oder rechte Seite. Sinn und Zweck: Auf diese Weise lassen sich Kanäle ungleich übersichtlicher gruppieren. Gleichzeitig werden die so verteilten Kanäle in der Faderbank arretiert und sind permanent sichtbar. So versetzen wir im Test die Gruppenkanäle nach links und die Effekt-Kanäle nach rechts, die wir so stets im direkten Zugriff haben, während wir durch die übrigen Kanäle wie gehabt horizontal scrollen. A pro pos Gruppieren: Wie zuvor bereits schon möglich, können Kanäle jetzt auch zwecks gemeinsamen Editierens verlinkt werden. Allerdings geschieht dies jetzt ungleich bequemer und vielfältiger via Buttons auf der oberen Menüleiste. Mehrere Link-Gruppen sind realisierbar, wobei per Dialog wählbar ist, welche Parameter in der Gruppe verlinkt werden sollen. So lässt sich etwa bestimmen, dass in der Link-Gruppe zwar die Lautstärke, nicht aber die Panpots und Sends gemeinsam editiert werden sollen. Zusätzlich können Parameter wahlweise relativ oder absolut verändert werden. Über den Quick-Link-Button ist es schließlich möglich, temporär mehrere Kanäle zwecks gemeinsamen Editierens rasch zu verbinden. Im Vergleich zur Detailtiefe dieser Features mutet der alte Mixer-Dialog dazu vorsintflutlich an.
Ganz neu ist auf der rechten Seite des Fensters die wechselweise Anzeige einer Summen-Meter-Bridge oder des Control Room Mixers, der endlich aus seinem Schattendasein befreit wird und nicht mehr als separater Dialog aufgerufen werden muss. Damit hat der Anwender jetzt alles im Blick und ungleich direkter im Zugriff. Die Meter-Anzeige hält wiederum zwei alternative Ansichten bereit. So lässt sich wahlweise der Summenpegel wie gehabt mit Peak- und RMS-Werten oder seine Lautheit nach der neuen R128-Norm anzeigen, wobei die Summenanzeige verschiedene Skalierungen vorhält inklusive EBU-, DIN- und britischer Norm sowie auch K-Metering. Die Lautheitsanzeige offeriert dabei die Darstellung sämtlicher relevanten Werte (unter anderem Zeit, True Peak, Range) und liefert Werte wahlweise in den Maßeinheiten LU oder LUfs. Damit zeigt sich Cubase 7 in Sachen Metering auf der Höhe der Zeit. Der Control Room Mixer hat logischerweise ein optisches Update erhalten, um sämtliche Bedienelemente in der dafür vorgesehenen Spalte anzeigen zu können. Dabei sind die Cue- (zuvor „Studio“ genannt) und Monitor-Sektionen wechselseitig per Reiter mit dem Einstellungs-Menü etwa zum Insertieren von Effekten aufrufbar. Ansonsten hat sich in der Bedienung und Ausstattung des Control Rooms nichts geändert. Richtig interessant wird es jedoch im sogenannten Kanal-Rack, das gleich mehrere Teil-Menüs enthält, die sich wahlweise alternativ oder additiv aufklappen lassen. Cubase-Routiniers werden dort alte Bekannte wie das Routing, die Equalizer, Sends, Inserts und erstmals jetzt auch die Quick Controls wiederfinden, die bislang nur im Kanal-Inspector zugänglich waren. Über den Racks-Button kann dabei ausgewählt werden, welche Teil-Menüs im Rack angezeigt werden sollen, was für zusätzliche Übersicht sorgt. Denn nicht jeder wird etwa die Quick Controls, die Cue-Sends oder die Routing-Anzeige benötigen. Unumstrittenes Highlight im Kanal-Rack ist jedoch das neu hinzugefügte Channelstrip Unter-Menü: Jeder Kanal verfügt darin ab sofort über sechs einzeln aktivierbare Studio-Effekte zur Signalbearbeitung, als da wären der Equalizer, ein Kompressor, ein Noise Gate, ein Limiter, ein Envelope Shaper zum Eingriff in Transienten sowie ein Tape Saturator zum Hinzumischen harmonischer Verzerrungen – wahlweise in Form einer Röhren- oder Tonbandcharakteristik. Letztgenannter Effekt ist ausschließlich dort anzutreffen. Sehr schön: In der Kompressor- und Limiter-Sektion stehen gleich mehrere Prozessoren zur Auswahl, so neben dem Standard auch die neuen Vintage und Tube Kompressoren sowie der Brickwall Limiter, abseits vom Maximizer und dem Standard-Limiter. Der Clou: Die Reihenfolge der Channelstrip-Effekte ist nicht festgelegt und kann nach Gusto beliebig per Drag-and-drop verändert werden. Dies spiegelt sich sowohl im Mixer als auch im Kanal-Editor wieder, der jetzt im zentralen Display wahlweise die Equalizer-Kurven oder die Parameter der übrigen Channelstrip-Effekte zeigt, wobei die Equalizer-Parameter, wahlweise als Fader oder Drehregler, im ständigen Zugriff stehen. Damit gibt Steinberg dem Anwender ungleich mehr ab Werk integrierte Möglichkeiten zur Klangformung an die Hand und erspart ihm das Verschwenden wertvoller Insert-Slots. Schön wäre natürlich, wenn sich auch Drittanbieter-Plug-ins in die Channelstrip-Slots laden ließen, was noch flexibler ausfallen würde und weiteren Platz in den Insert-Slots freigibt, ganz zu schweigen von einer besseren Übersicht. Da ist in jedem Fall noch Luft für künftige Updates vorhanden. Dem Equalizer wird dabei eine Sonderrolle zuteil. Innerhalb des Channelstrips findet sich lediglich eine Fläche (EQ-Position) als Platzhalter, um die Position innerhalb der Signalkette anzuzeigen. Das Editieren der Entzerrer findet in einem eigenen Unter-Menü außerhalb des Channelstrips statt, wobei Steinberg dies auf bekannte Weise realisiert. Im EQ-Menü sind die Band-Parameter in Form von Fadern editierbar. Zusätzlich wird ein kleines graphisches EQ-Display angezeigt, das sich – ganz neu – wahlweise auch als separate Anzeige im Mixer aus dem EQ-Menü auskoppeln lässt. Wer mag, kann Entzerrungen dabei entweder mit Hilfe der Fader vornehmen oder klickt einfach auf das Display, woraufhin sich eine vergrößerte Darstellung desselben über den Mixer legt zwecks graphischen Editierens. Ein weiteres Novum, das im Kanal-Editor dem Equalizer zugeschlagen wurde, im Mixer als eigenständige Sektion erscheint, stellt das Pre-Menü dar. Es enthält einen in der Centerfrequenz einstellbaren Hoch- und Tiefpassfilter. Zusätzlich lässt sich dort das Gain des Eingangssignals regulieren und per Button in der Phase drehen. Diese Sektion steht am Anfang der Signalkette, gefolgt von den Inserts und schließlich den Channelstrip-Effekten. Schön wäre gewesen, die Inserts und Channelstrip-Sektion im Signalfluss vertauschen zu können, was noch mehr Flexibilität bedeutet hätte. Auch in diesem Fall ist noch Platz für Updates vorhanden. Sehr praxisgerecht fallen hingegen eine Reihe von Buttons aus, mit denen sich auf globaler Ebene separat sämtliche Equalizer, Sends, Insert- und Channelstrip-Effekte auf Bypass schalten lassen. Wer Performance-Probleme beim Produzieren bekommen sollte, schafft damit rasch Abhilfe oder kann sich ein gehörsmäßiges Bild über die Auswirkungen der Effektbearbeitungen machen. Insgesamt stellt sich die neue MixConsole im Test wie eine riesengroße Wundertüte dar, in der es viel Neues zu entdecken gilt und das ausnahmslos von uns begrüßt wird. Alle Möglichkeiten erläutern zu wollen würde jedoch zu weit führen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass wir die neue MixConsole bereits nach kurzer Zeit in unser Herz geschlossen haben und nicht mehr missen wollen. Das Mischen geht mit ihr deutlich flotter und angenehmer als zuvor über die Bühne. Abschließend gebührt Steinberg noch ein Sonderlob: Die MixConsole ist ab sofort auch barrierefrei und lässt sich mit Hilfe von Screen-Reader-Software auch über die Tastatur bedienen, so dass auch sehbehinderte Anwender künftig in den vollen Genuß der neuen MixConsole kommen können. Damit schließt Steinberg zu Mitbewerbern wie Magix und Avid auf, die das Gleiche seit kurzem ebenfalls bieten.
Harmoniesüchtig: Die neue Akkord-Spur und Vari Audio 2
Zuwachs verzeichnet Cubase 7 auch in seinem Spuren-Arsenal. Die neue, global wirkende Akkord-Spur erlaubt ein bequemes, rasches und völlig simples Erzeugen von Akkordfolgen. Mehr noch entpuppt sich die neue Spuren-Art im Test als reichhaltig ausgestattetes Kompositionstool, das künftig nicht nur Anfängern in Sachen Harmonielehre und Song-Entwicklung ein treuer Begleiter sein dürfte. Das Handling geschieht dabei denkbar einfach. Nach dem Erzeugen der Akkordspur lassen sich darin mit dem Zeichenstift – bei Bedarf mit oder ohne aktives Taktraster – viereckige Akkord-Symbole einfügen. Durch Doppelklick auf das Icon öffnet sich der Akkord-Editor in dem sich über vier Spalten nach allen Regeln der Kunst ein Akkord definieren lässt. Durch Doppelklick auf das nächste unbelegte Symbol kann dann der nächste Akkord erzeugt werden. Wer sich dabei nicht sicher ist, welcher Akkord dem zuvor erzeugten am besten folgen soll, wählt anstelle des Editors den Chord-Assistenten, der im Hintergrund die Tonbeziehungen analysiert hat und eine Auswahl an harmonisch passenden Akkorden auflistet. Besonderheit: Über den Komplexitäts-Slider kann dabei bestimmt werden wie nah oder fern der auszuwählende Akkord in tonaler Beziehung zum vorhergehenden steht, wobei die Ergebnisse mit zunehmender Komplexität immer mehr abnehmen. Sehr schön: Der Chord-Assistant ist so klug, dass er, wenn zwischen zwei Akkorden ein neuer eingefügt wird, automatisch die Akkord-Struktur der Rahmen-Akkorde analysiert. Im Test gerät der Umgang damit zu einer idiotensicheren Angelegenheit. Doch es geht noch weiter. Im Inspector der Akkordspur kann definiert werden, nach welchen Voicings die Akkorde gebastelt werden sollen. Außer Standard stehen dabei Klavier und Gitarre zur Auswahl. Überdies kann außer Grundparametern (Drei-, Vier-, Fünfklang, Tonbereich, Grundton-Einsatz) definiert werden, ob das Voicing einer bestimmten Tonskala folgen soll. Voicings und Skalen können wahlweise automatisch oder manuell eingefügt werden. Im manuellen Skalen-Modus zeigt sich analog zu den Akkordsymbolen eine schmale Zusatzspur mit Balken, die durch Doppelklick eine Klaviatur mit der aktuell geltenden Skala erscheinen lässt. Per Ausklapp-Menü lässt sich schließlich eine andere Skala wählen. Außer den üblichen Kirchenton-, Pop- und Blues-Modi sind auch exotische Vertreter wie etwa arabische oder balinesische Skalen mit an Bord. Die Akkordspur selbst gibt jedoch keinen Piep von sich. Um die Akkordfolge hören zu können, muss ein Instrument geladen werden, das in der Akkordspur als Empfänger definiert wird. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Akkordsymbole per Drag-and-drop auf MIDI-/Instrumenten-Spuren zu ziehen, woraufhin analog zur Dauer des Akkordes ein MIDI-Clip erzeugt wird. Die Akkordspur hat dabei noch weitaus mehr zu bieten, doch die wichtigsten Features sollen reichen, um die Mächtigkeit dieses neuen Tools zu zeigen. Gestandene Komponisten werden mit Sicherheit beleidigt die Nase über dieses vermeintliche Anfänger-Spielzeug rümpfen. Doch unterschätzen sollte man es nicht, denn im Vergleich zum Einspielen auf dem Keyboard, kommen wir mit der Akkordspur bedeutend schneller ans Ziel. Der Clou: Die Akkordspur ist nicht ausschließlich auf MIDI-Spuren/Daten abonniert. In Verbindung mit dem verbesserten Tonhöhen-Algorithmus Vari Audio 2 können jetzt auch Vokal-Aufnahmen davon profitieren und wie durch Zauberhand entstehen ohne viel Mühe mehrstimmige Chorsätze. Um dies realisieren zu können, muss zuerst der gewünschte Audio-Clip markiert werden. Anschließend wird im Audio-Menü der neue Harmonisierungs-Befehl ausgeführt, woraufhin sich ein Fenster öffnet, in dem die Zahl der zu erzeugenden Stimmen sowie der Grad des Vibratos bestimmt wird. Anschließend öffnet sich der Sample-Editor in der Vari Audio-Ansicht, der, auch das ist neu, jetzt sämtliche erzeugten Spuren auf einen Schlag zeigt, die allesamt editierbar sind. Zur besseren Unterscheidung ist jede Einzelspur farblich kodiert. Ohne Zutun der Akkordspur liefert die Harmonisierungsfunktion lediglich parallel geführte Ergebnisse im Terz-, Quint- und Oktavabstand, was leicht sehr statisch klingt. Wird jetzt in der Akkordspur als Empfänger die Vari Audio-Spur gewählt, errechnet der Algorithmus anhand der Akkord-Voicings für jede neue Spur – je nach Zahl aufgeteilt in Sopran, Alt, Tenor und Bass – eine individuelle Stimmführung. Diese Ergebnisse klingen im Test schon deutlich musikalischer. Allerdings wollen wir nicht verschweigen, dass die Ergebnisse hinsichtlich der Audioqualität sehr dürftig sind. Doch das ist nicht Vari Audio anzulasten. Transponierungen über eine Terz oder Quinte hinaus klingen trotz akribischer Einstellung des Algorithmus für uns dennoch künstlich. Trotzdem hat diese Funktion durchaus seine Berechtigung. Wer in einer Vorproduktion steckt, erhält mit diesem Feature ein mächtiges wie einfach bedienbares Werkzeug, um sich ein grobes Bild über den Einsatz mehrstimmiger Vokal-Passagen zu machen. Überdies liefert die Funktion ein klingendes Beispiel, das als Vorlage zum anschließenden Einsingen des Vokalisten dient.
Erschienen in Ausgabe 02/2013
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 599 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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