Kreativschub
Nach rund einem Jahr geht die Lowcost-DAW Tracktion bereits in die nächste Major-Update-Runde und will die Kreativität und Inspiration des Anwenders mit neuen Features und verbessertem Workflow befeuern. Welche das sind und was sich damit anstellen lässt, haben wir für Sie herausgefunden.
Von Georg Berger
Die Tracktion Software Company, kurz TSC, will es offenbar jetzt wissen, denn schon nach rund einem Jahr wartet der Hersteller mit dem nächsten Major-Update seiner selbst bezeichneten Musiker-DAW Tracktion auf. Mehr noch hat das Unternehmen das Update auf Version 7 vollmundig als das größte in seiner Firmengeschichte bezeichnet. Das lässt leicht die Vermutung aufkommen, dass sich dies auch auf den Verkaufspreis auswirkt. Doch Pustekuchen: Bei Erstkauf verlangt der Hersteller trotz seiner vielen Arbeit in die neue Version nach wie vor unverschämt günstige 60 US-Dollar. Das Upgrade von jedweder Vorversion ist ebenfalls für unveränderte 30 Dollar erhältlich. Außer der Version Tracktion 7+, die mit den separat erhältlichen VST-/AU-Plug-ins Mastermix und dem Micro-Synth-Bundle für rund 150 Dollar erhältlich ist, gibt es jetzt auch eine Version Tracktion 7 Ultimate, die zusätzlich den vor einiger Zeit veröffentlichten Biotek-Synthesizer enthält, den es ebenfalls separat für rund 150 Dollar zu kaufen gibt. Kosten für die Ultimate-Version: 200 Dollar.
Abseits von diesen Zusatz-Optionen ist auch Tracktion 7 in Sachen Werks-Effekte und Instrumente nach wie vor sehr rudimentär ausgestattet. Näheres dazu steht im Test der Vorversion in Heft 11/2015. Dafür strotzt das neue Tracktion mit einer Vielzahl an pfiffigen neuen Features rund um das Bearbeiten von Spuren, Clips und Mixer-Kanälen mit denen sich das Kreativ-Potenzial der DAW merkbar erhöht. Zusammen mit einem neuen Look inklusive verbesserter Bedienmöglichkeiten, will sich Tracktion 7 als kreatives Kompositions-Tool nicht nur für gestandene Tracktion-Routiniers, sondern auch für Einsteiger und Umsteiger empfehlen, denen das Produzieren auf den Mitbewerber-Produkten zu kompliziert ausfällt.
Mit neuem Look zu besserem Workflow
Nach der Installation des nach wie vor sehr schlanken Datenpakets und der Online-Autorisierung blicken wir beim Erststart auf ein neues GUI mit dunkelblauem Hintergrund, auf dem sich die farbig leuchtenden Spuren/Clips deutlich absetzen und somit den Fokus stets auf die Arbeit im Arrangement-Fenster lenken. Im Vergleich zur eher bonbonfarbenen Vorversion, wirkt das neue, von TSC „Blue Steel“ getaufte, User-Interface schicker, um nicht zu sagen professioneller. Schade ist aber, dass TSC im Zuge des neuen GUI die Möglichkeit gekappt hat, in den Programm-Einstellungen weitere GUI-Farben-Layouts auszuwählen. In der Vorversion haben wir die Option, sich wirklich jedes Oberflächen-Detail nach eigenem Gusto einfärben zu können, durchaus geschätzt. Ob diese Entscheidung weise war, hängt letztlich vom Anwender-Feedback ab. Wir werden unsere Hello Kitty- und Desaster-Area-Versionen von Tracktion jedenfalls vermissen.
Abseits dessen haben die TSC-Entwickler jedoch noch weitere neue Features ins GUI implementiert. So kann die wuchtige Fußleiste mit seinem zentralen Editor-Dialog, dem Funktionstastenfeld und der Master-Sektion eingeklappt werden. Stattdessen erscheint, ähnlich wie in anderen DAWs, eine schmale Transportleiste mit weiteren Symbolen unter anderem zum Aufruf des Editors und Tastenfelds. Das spart Platz auf der Oberfläche und verbessert, je nach momentaner Tätigkeit, den Workflow. Sehr schön: Klickt man auf ein Mixer-Element – Fader, EQ, Plug-in – und anschließend auf das Werkzeug-Icon in der minimierten Transportleiste, erscheint der dazu korrespondierende Dialog als Pop-up-Fenster direkt oberhalb des Werkzeug-Icons. Das ist klug gedacht.
Einzigartig: Multi-Browser-Sync
Das Highlight in Sachen neues GUI ist aber der Browser. Er lässt sich, wie in der Vorversion, nicht nur auf- und zuklappen. Erstmals kann er auch wahlweise in den Kopf, oberhalb des Arranger-Dialogs oder nach rechts außen, direkt neben den Mixer positioniert werden. Der Clou: Ab sofort ist es möglich beliebig viele Browser innerhalb der Spalte beziehungsweise Leiste zu öffnen, die selbstverständlich unterschiedliche Inhalte zeigen können. So lassen sich etwa der Projekte-Ordner, ein Ordner mit Loop-Dateien, ein weiterer Ordner mit Plug-ins und so weiter simultan anzeigen. Im Vergleich zu den Mitbewerbern ist diese Möglichkeit schon einzigartig, denn zumeist gibt es dort nur einen Browser dessen Inhalt per Reiter ausgetauscht werden muss. In Tracktion 7 ist jetzt alles Nötige im direkten Zugriff und auf einen Schlag verfügbar. Doch das ist noch nicht alles, denn den Vogel schießt der neu entworfene Browser ab, wenn es um das Arrangieren und Auswählen von Audio-Loops geht. Im Test erzeugen wir vier Browser, navigieren in jedem Einzelnen aufs Geradewohl zu verschiedenen Ordnern mit Loops. Wir wählen uns in jedem Browser eine Loop-Datei aus und können nun am Fuß des Dialogs auf „Play“ klicken und schon können wir den gewählten Loop vorhören. Genial: Dabei synchronisieren sich die Loops in allen vier Ordnern automatisch untereinander und auf das in Tracktion voreingestellte Tempo. Et Voilà: So können wir noch ohne Zutun des Arranger-Fensters bereits damit beginnen, Arrangements zusammenzustellen, respektive überprüfen, welche Loops für unsere Zwecke miteinander harmonieren. Das ist einzigartig und erinnert uns entfernt an das Konzept von Ableton Live. Nachdem wir eine ästhetisch ansprechende Kombi gefunden haben, können wir, wen wunderts, alle vier Loops auf einen Schlag per Drag-and-drop vom Browser aus ins Arranger-Fenster ziehen und importieren. Das ist wirklich pfiffig gelöst, fördert die Kreativität und verdient in jedem Fall ein Sonderlob. Danceflooristen dürfte dieses Feature am meisten ansprechen.
Kreatives Sounddesign via Clip Layer Effects
Nicht unerwähnt lassen wollen wir auch das letzte augenfällige Novum in Tracktion 7: Der visuelle VST-Selector. Durch Rechtsklick auf das Plug-in-Icon am Kopf des Mixers legt sich ein halbtransparenter Dialog über die Oberfläche, der sämtliche installierten Plug-ins in Form von Thumbnails zeigt. Ein Suchen-Feld erlaubt das gezielte Anfahren eines Plug-ins ohne den Scrollbalken bemühen zu müssen und ein Größen-Fader erlaubt das dynamische Skalieren der Thumbnail-Größe. Damit dies funktioniert, muss zuvor im Plug-in-Dialog des Einstellungen-Fensters zunächst das Scannen und Erzeugen der Thumbnails angestoßen werden. Je nachdem, wie viele Plug-ins sich auf der Festplatte tummeln, kann dies schon ein Weilchen dauern. Dabei wird übrigens nicht jedes Plug-in erfasst, respektive erkannt, allen voran die Werks-Effekte oder beispielsweise die Duende-Effekte von SSL. Stattdessen zeigt sich lediglich ein dunkles Tracktion-Symbol plus Namensbezeichnung des Effekts unterhalb davon. Zwar ist diese Option als solche schon nett anzusehen und bislang ist uns solch eine Aufbereitung des Plug-in-Arsenals noch nicht untergekommen. Insgesamt empfinden wir dies aber als nette Spielerei ohne großartigen Nutzwert, den sich die Entwickler auch getrost hätten sparen können. Aber das ist wie immer auch alles eine Frage des Geschmacks.
Das bisher Vorgestellte kratzt bislang jedoch nur an der Oberfläche der Neuheiten. Die Tracktion-Entwickler haben natürlich noch weitaus mehr aus dem Hut gezaubert. Zu nennen wäre als erstes das Clip Linking und Grouping, ein oftmals geäußerter Wunsch vieler Tracktion-Anwender, der jetzt endlich realisiert wurde. Via Clip-Linking können aus einem Clip mehrere Kopien erzeugt werden und das anschließende Editieren im Ursprungs-Clip wirkt sich simultan auf jede Link-Kopie aus. Sicherlich, in anderen DAWs ist das nicht Neues. Gleiches besitzt etwa Steinberg Cubase schon seit Urzeiten in Form des sogenannten „Ghost-Clips“. Doch in Tracktion 7 ist das ein Novum und sorgt ab sofort für effizienteres Arbeiten. Gleiches gilt auch für das Clip-Grouping: Mehrere Clips innerhalb einer Spur lassen sich jetzt in einen Clip-Container zusammenfassen, der anschließend wie ein herkömmlicher einzelner Clip bearbeitet werden kann. So ist es jetzt bequem möglich, etwa viele kleine Clip-Schnipsel bequem en bloc zu kopieren, zu verschieben, in der Lautstärke zu bearbeiten, und so weiter. Ständiges und lästiges Auswählen dieser Clips entfällt dadurch ab sofort.
Endlich verfügbar: Clip Linking und Grouping
Seltsam bekannt kommt uns auch das nächste neue Feature in Tracktion 7 vor: Die Automation Patterns. Patterns heißt in diesem Fall, das vorgefertigte Verläufe in Form von Sinus-, Dreieck-, Sägezahn- oder Rechteckwellen ohne lästiges manuelles Basteln wieselflink erzeugt und eingesetzt werden können. Das Handling ist dabei denkbar einfach. Wir erzeugen mit Markern einen Bereich, ziehen das Automations-Icon auf den zu automatisierenden Parameter im Mixer-Dialog, etwa den Volume-Fader oder das Filter-Cutoff eines Synths oder eines EQ und können anschließend im dazu korrespondierenden Automations-Dialog bestimmen, mit welcher Wellenform die Automations-Hüllkurve im zuvor markierten Bereich versehen werden soll. Überdies ist bestimmbar, wie viele Durchläufe respektive Amplituden erscheinen sollen, bei Bedarf sogar synchron im Taktraster. Sehr schön: Über Fader können wir anschließend weiteren Einfluss auf die zuvor erzeugte Automationskurve nehmen, sei es im Hub, in der Phase, wir können die Kurve auch vertikal versetzen und auch stauchen. Last but not Least ist es auch möglich, einzelne Punkte der Automationskurve nach Belieben manuell zu versetzen oder zu löschen. Wie gesagt, auch das ist in anderen DAWs bereits schon längst Alltag, bereichert Tracktion 7 aber künftig um eine weitere kreative Ausdrucksmöglichkeit, die vor allem rasch und kinderleicht über die Bühne geht. Dabei gefallen uns insbesondere die nachträglichen Eingriffsmöglichkeiten mit Hilfe der Fader, denn das gehört in dieser Disziplin noch längst nicht zu den Selbstverständlichkeiten.
Doch das soll jetzt nicht heißen, TSC kommt mit dem Update auf Tracktion 7 ausschließlich nur mit ollen Kamellen daher. Ganz im Gegenteil. Mit den sogenannten Clip Layer Effects präsentiert der Hersteller ein Feature, das sogar zum Patent angemeldet wurde und bislang einzigartig ist. Ähnlich wie beim Comping erscheinen Unterspuren des gleichen Clips, wobei in der Unterspur durch Einzeichnen einer Hüllkurve ein zuvor gewählter Effekt ausgeführt wird. In der Icon-Leiste des Clips klicken wir dazu auf den FX-Button, woraufhin sich eine Auswahlliste mit Effekten inklusive Plug-in-Wahl zeigt. Wir wählen als erstes den Pitch-Shift-Effekt und verbiegen durch Einzeichnen einer Kurve die Tonhöhe des Clips nachhaltig. Doch damit fängt der Spaß erst richtig an. Über den Plus-Button an der rechten Grenze des Clips können wir einen weiteren Effekt – theoretisch unendlich viele – auswählen, der in einer zweiten Unterspur direkt unterhalb der Pitch-Shift-Spur erscheint. Dafür probieren wir jetzt den Step-Volume-Effekt aus. Er erlaubt das stumm schalten von Clip-Teilen in Form eines bestimmbaren Taktrasters, wobei wir angeben können, nach wieviel Schritten ein Fragment erklingen soll. Das funktioniert ähnlich wie in einem Step-Sequenzer und erlaubt das rhythmische Zerhacken des Clips. Per Klick können wir auch stumm geschaltete Steps manuell wieder aktivieren, so dass vertrackte Muster und Synkopen im Nu erstellt sind. Im Test macht das Hantieren mit den Clip-Layer-Effekten jedenfalls einen Heidenspaß und weckt den experimentellen Klangforscher in uns. Bemerkenswert: Die Reihenfolge der Effekt-Unterspuren kann bei Bedarf auch geändert werden, was letztlich einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Ergebnis ausübt. Sind alle Arbeiten erledigt, lassen sich die Unterspuren wieder einklappen und wir können mit der Arbeit am Arrangement weiter fortfahren. Sehr schön: Sämtliche Eingriffe mit den Layer-Effekten sind non-destruktiv. So ist es also ein Leichtes, einen zu heftigen Layer-Effekt einfach wieder zu löschen. Insgesamt erinnert auch das an die Möglichkeiten etwa des Audio-Editors in Steinberg Cubase. Doch die Layer-Option und das Einzeichnen von Kurvenverläufen sind einzigartig. Wir sind gespannt, ob und wer dieses Feature in der einen oder anderen Variante künftig für seine DAW entlehnt und variiert.
Quirlige Lebendigkeit via Automation Pattern und LFO-Modifier
Das nächste kreative Highlight findet sich in Form der sogenannten LFO-Modifier. Dazu findet sich am Kopf des Mixers ein neues LFO-Icon, das per Drag-and-drop auf ein beliebiges Mixer-Element gezogen werden kann. Anschließend lässt sich das Mixer-Element mit Hilfe des LFO nach allen Regeln der Kunst modulieren und variieren. Ein dazu korrespondierender Editor-Dialog offeriert die üblichen Eingriffsmöglichkeiten zum Ausgestalten des LFO-Verhaltens. Wer mag kann dabei beliebig viele LFOs auf eine Spur einsetzen oder aber einen LFO zum Modulieren mehrerer Mixer-/Plug-in-Parameter nutzen. Im Test helfen wir statischen Klangereignissen auf Spur-Ebene damit zu nachhaltigem Leben. Nächster Vorteil: Wir können gezielt Parameter aus verschiedenen Plug-ins synchron modulieren, was die Gestaltungsmöglichkeiten ebenfalls erweitert.
Einen Komfort-Zuwachs gibt’s schließlich auch in Sachen Plug-in-Handling zu vermelden. Effekte, die über einen Sidechain-Eingang verfügen, besitzen jetzt eine Ausklappliste in der sämtliche Spuren-Kanäle aufgelistet sind. Einfach den gewünschten Kanal wählen, der das Plug-in über den Sidechain triggern soll und fertig. So macht das richtig Spaß und sollte auch Schule bei manch anderer DAW machen. Last but not Least kann jetzt auch in jedem Plug-in ein Routing-Dialog geöffnet werden, in dem sich bei Bedarf das Kanal-Routing in und aus dem Effekt ändern lässt, etwa von mono auf stereo oder umgekehrt, was Tracktion 7 nochmals in Sachen Flexibilität besser dastehen lässt.
Fazit
Tracktion 7 wartet mit einer Reihe neuer Features auf, die dem Anwender bei seiner Arbeit einen ordentlichen Kreativitäts-Schub verpasst. Einige der Features sind, verglichen mit den Mitbewerbern, zwar nichts Neues. Doch trotz eigenständigem Konzept holt Tracktion 7 damit zur Konkurrenz in Sachen Workflow und Gestaltungsmöglichkeiten auf. Schließlich preschen die Tracktion-Entwickler mit einzigartigen Features wie dem Multi-Browser mit seinen Synchronisierungs-Möglichkeiten sowie den Clip Layer Effects als Vorreiter nach vorne und adeln Tracktion 7 mit Möglichkeiten, die bislang seines Gleichen suchen. Wir sind schon gespannt, was sich im nächsten Major-Update an genialen Einfällen findet.
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