Alter Schwede

Softwareentwickler liefern sich seit Jahren einen spannenden Wettstreit um die besten Emulationen analogen Outboards. Jetzt geht der schwedische Hersteller Softube noch einen Schritt weiter und verleiht seinem digitalen Klon eine ganze Handvoll praktischer Zusatzfeatures. 

Von Michael Nötges

Der schwedische Software-Hersteller Softube konzentriert sich seit der Firmengründung 2003 auf die Entwicklung von Emulations-Plug-ins. Dabei hat sich das Entwicklerteam bei einem Forschungsprojekt am Institute of Technology in Linköping zusammengefunden und sich seither dem detailgetreuen physical modelling verschrieben. Neben Gitarrenverstärker-Simulationen wie dem Vintage- und Metal Amp Room (Test Ausgabe 1/2009), Feedback-Emulationen, sowie Röhren-Delay oder Federhall, steht seit neustem der FET Compressor auf der Produktliste. Die Maßgabe beim jüngsten Streich der Schweden war die Entwicklung eines wirklich analog klingenden Kompressors mit schnellen Attack-Zeiten und originalgetreuem Klirrverhalten. Mit der Eins-zu-eins-Kopie hat sich Softube aber nicht zufrieden gegeben, sondern durch erweiterte Ratio-Einstellungen, die Möglichkeit der parallelen Kompression, einen internen und externen Sidechain sowie eine zusätzliche Lookahead-Funktion das Plug-in praxisgerecht erweitert. Dabei ist der FET Compressor als native Version (VST-, AU- und RTAS-kompatible) für 250 und als TDM-Version für 380 Euro erhältlich Auch wenn die Entwickler die originale Vorlage nicht beim Namen nennen, deutet doch zwischen den Produktinfo-Zeilen des deutschen Vertriebs Audiowerk alles auf den „wohl bekanntesten FET-Kompressor“, den 1176LN von Urei, respektive Universal Audio (Ausgabe 4/2007) hin.

Dabei haben sich die Entwickler beim Design des GUI keinesfalls an die Vorlage gehalten. Vielmehr wirkt die photorealistische Bedienoberfläche wie das exakte Abbild einer Aluminium-Frontplatte von einem hochwertigen HiFi-Gerät. Was den FET-Compressor nicht uninteressanter macht, denn das detailverliebte Design fördert Ergonomie und Bedienkomfort des Plug-ins. Alle virtuellen Regler sind unmittelbar zugänglich und das Gefühl tatsächlich vor einem analogen Gerät zu sitzen, frappierend echt. Es juckt einen förmlich in den Fingern, beherzt nach dem Eingangsregler zu greifen.

Der FET-Compressor ist bewusst so konzipiert, dass mit nur fünf Bedienelementen (Input, Ratio, Attack, Release und Output) die gewünschte Kompression im Handumdrehen eingestellt ist. Einen Threshold-Regler gibt es nicht. Dessen Funktion übernimmt der Inputregler: Bei ansteigender Eingangsverstärkung sinkt automatisch der Threshold, so dass die Gainreduktion zunimmt. Gleichzeitig erhöht sich aber immer auch gleich der Anteil harmonischer und unharmonischer Verzerrungen. Der Ratio-Regler bietet Verhältnisse von 1:1 bis über 20:1 an. Lässt sich der Regler grundsätzlich fließend verstellen, ermöglicht das Klicken auf  die Beschriftungen (4:1; 8:1; 12:1; 20:1) das direkte Aufrufen der Presets. Steht der Regler auf Rechtsanschlag, befindet sich der FET Compressor im „All-Modus“. Beim analogen Vorbild entspricht das dem sogenannte „All-Button-Modus“, bei dem alle vier Ratio-Taster gleichzeitig – eigentlich eine Fehlbedienung –  gedrückt sind und ein verzerrter und heftig pumpender Sound entsteht.  Die Attack-Zeit liegt zwischen sehr schnellen 20 Mikrosekunden und 0,8 Millisekunden, die Rückstellzeit reicht von 50 Millisekunden bis 1,1 Sekunden. Der Output-Regler ist lediglich für die Aufholverstärkung zuständig.

Der FET-Compressor hat drei Pegelanzeigen: Ein VU-Meter informiert über den anliegenden Eingangspegel das andere über die jeweilige Gainreduction. Liegt ein Stereosignal an – eine rote Statusanzeige leuchtet – informiert die Eingangs-Anzeige über den maximalen Pegel beider Kanäle. Da der FET Compressor auch im Stereobetrieb nur mit einem Detektor arbeitet, gilt die Gainreduction-Anzeige für beide Kanäle. Im „All-Modus“ erscheinen mitunter positive Gainreduction-Werte. Das entspricht tatsächlich der Wirkungsweise dieses Modus, wird allerdings bei der originalen Hardware nicht angezeigt. In Ergänzung zu den beiden VU-Metern bietet der FET Compressor eine dreifarbige LED-Anzeige zur präzisen Kontrolle des Ausgangspegels. Es empfiehlt sich, unterhalb der roten Null-Dezibel-Marke zu bleiben, um digitales Clipping zu vermeiden.   

Neben den intuitiv zu bedienenden Hauptreglern hat Softube mit den sogenannten Detektor-Reglern die Funktionalität des Plug-ins im Gegensatz zum Original deutlich erweitert. Mit ihnen wird bestimmt, auf welche Art und Weise der Kompressor arbeitet. So gibt es einen externen Sidechain, der – wenn es der Host-Sequenzer zulässt – den FET Compressor auf das anliegende Signal triggert. Außerdem hält ein interner Sidechain sowohl ein Hoch- (100 Hertz bis zehn Kilohertz) als auch Tiefpass-Filter (20 Hertz bis zwei Kilohertz) bereit, um selektives Komprimieren zu ermöglichen. Die sogenannte Lookahead-Funktion ermöglicht extrem schnelle Attack-Zeiten. Dafür wird der Signalfluss bis zu einer Millisekunde – den genauen Wert bestimmt der Regler – verzögert. Der FET Compressor reagiert jetzt auf das unverzögerte Signal, wirkt aber auf das verzögerte. Dadurch ist es möglich, das Signal bereits vor dem Einsatz der Transienten zu komprimieren. Der FET Compressor schaut sozusagen in die Zukunft, weiß was kommen wird und ist daher in der Lage, blitzschnell und an der richtigen Stelle zuzugreifen. Dieser Modus dient beispielsweise zur knallharten Limitierung und vermeidet Störgeräusche bei sehr kurzen Attack- und Release-Zeiten. Aber das ist immer noch nicht alles, was der FET Compressor an Extras zu bieten hat. Freunde der sogenannten New Yorker-Kompression, bei der dem originalen ein heftig komprimiertes Signal beigemischt wird, um mehr Biss und Druck in den Mix zu bekommen, dürfen sich ¬freuen. Denn der Parallel-Inject-Regler ermöglicht durch stufenloses Überblenden genau das.

m Hör- und Praxistest von Professional audio bearbeiten wir unterschiedliche Einzel-Signale, ganze Mixe und Schlagzeugsubgruppen mit dem FET Compressor. Bereits nach dem ersten Öffnen des Plug-ins, das sich problemlos installieren lässt und über eine iLok-Key-Lizenz frei geschaltet wird, begeistert die komfortable und intuitiv zu bedienend Oberfläche. Zunächst beschränken wir uns auf den Grundsound des Plug-ins, indem wir die Ratio auf 1:1 stehen lassen und nur die Eingangstufe aufdrehen. Mit zunehmenden harmonischen und unharmonischen Verzerrungen bekommen Gesangs- und Akustikgitarren-Signale zunächst mehr Farbe und erscheinen konturierter und plastischer. Macht sich der organische Grundsound bei geringer Eingangsverstärkung kaum bemerkbar, steigert sich das Obertonkonzert mit zunehmender Eingangsverstärkung bis hin zu heftigen Verzerrungen.  Beim Experimentieren mit der Ratio, Attack- und Release-Zeiten entpuppt sich der FET Compressor als vielseitige Soundmaschine. Dabei ist er blitzschnell, wenn er will, und lässt keine Transiente entwischen, um beispielsweise Snare-Schläge rigoros abzufangen. Bei hoher Ratio und schneller Attack- und Release-Zeit tauchen mitunter Störgeräusche auf, die wir mit der Lookahead-Funktion und ein wenig Feinjustage der Ein- und Ausschwingzeit in den Griff bekommen – der FET Compressor reagiert knallhart. Er kann aber auch gemächlich und behutsam, was uns gerade bei Vocal- oder Gitarren-Spuren sehr gut gefällt. Der FET Compressor hält sich edel im Hintergrund und wirft einen musikalischen Spot auf die Stimme oder das Instrument und setzt damit das Signal angenehm und wirkungsvoll in Szene.  Natürlich lassen wir es uns nicht nehmen, extreme Positionen auszuprobieren. Wir drehen den Ratio-Regler auf Rechtsanschlag (All-Button-Modus) und reißen die Eingangsverstärkung ganz auf, während der FET Compressor im Bus eines Schlagzeug-Sub-Mixes eingeschleift ist. Der heftig pumpende Industrial-Sound könnte auch von einer aktuellen Sample-Library stammen. Jetzt verändern wir das Verhältnis zwischen unkomprimiertem und komprimiertem Signal mit Hilfe des Parallel-Inject-Reglers. Die Effekt-Komprimierung tritt schließlich hinter dem Ausgangssound zurücktritt bis sie kaum mehr zu hören ist. Der A/B-Vergleich aber zeigt: Die Drums klingen deutlich angefettet, bekommen eine eigene Räumlichkeit und beginnen rotzig zu pulsieren.  Zum Schluss bemühen wir noch den internen Sidechain, beziehungsweise die dort integrierten Hoch- und Tiefpassfilter. Mit dem Tiefpass gelingt es, die schlappe Bass-Drum stark zu komprimieren, ohne Snare, Hi-Hat und Overheads zu beeinflussen. Jetzt öffnen wir eine weitere Instanz des FET Compressors und schleifen ihn in die Bass-Spur ein. Auch hier aktivieren wir den Tiefpass und verwenden das zuvor bearbeitete Bass-Drum-Signal als Trigger für den Bass. Die Rhythmusgruppe erscheint – genau das war das Ziel – sofort tighter und auf den Punkt.

Fazit

Der FET Compressor von Softube ist kein schnöder Software-Klon des legendären 1176LN, sondern ein schickes, praxisgerechtes, sehr gut klingendes und vielseitiges Kompressor-Plug-in, das unterm Strich keine Wünsche offen lässt. Der Preis von 250 Euro ist in Anbetracht des Gegenwerts absolut gerechtfertigt.

Erschienen in Ausgabe 04/2009

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: ab 250 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut – überragend