Klangbeweger mit Stereogenen

Mit dem Mutator haben Softube einem äußerst raren Kult Filter der 1990er Jahre zu neuem Leben verholfen, das seinerzeit mit ausgefallenen Sounds das Who-is-Who aus Rock- und Pop zu begeistern wusste. Für Sie haben wir die virtuelle Reinkarnation ausgiebig unter die Lupe genommen und genau hingehört, wie es um ihr klangliches Karma bestellt ist.

Von Johannes Dicke

Erfolgsstory
Was für eine Karriere, gefolgt von einem tragischen Aus und am Ende steht doch ein großes Happy End – dank Softube. Solche Geschichten schreibt bekanntermaßen nur das Leben, in dem es beim Mutronics Mutator gleich im doppelten Sinne turbulent zuging, beziehungsweise wieder zugeht. Im wahrsten Sinne des Wortes bewegend ist nämlich nicht nur die Story hinter der smarten Filterbox, sondern auch ihr ausgefallenes Betriebskonzept. Bereits Jahre vor der Geburt des Gerätes war einem der beiden Mutator-Entwickler, dem Toningenieur Mark Lusardi, ein Licht aufgegangen. Mit der Erkenntnis, dass bewegtes Dual Mono-Filtering die Stereowahrnehmung erweitert, war ihm ein wichtiges Grundprinzip des Mutator-Konzeptes klargeworden. Wenn dies in Form von filterabhängigem Stereopanning mit Gating, LFOs und weiteren Features in einem Einzelgerät kombiniert würde, ergäben sich daraus ganz neuartige Kreativmöglichkeiten, so seine Vision. Um diesen Traum zu verwirklichen, gründet Lusardi mit seinen elektronikbegabten Kollegen Nigel Bradbury und James Dunbar die gemeinsame Firma Mutronics. Unter dem Namen Mutator entwickelt Bradbury zunächst einen ersten Prototypen, der anschließend von Dunbar zur Serienreife gebracht wird. Nach erfolgreichem Dauereinsatz in einem Londoner Studio kann um den Jahreswechsel nach 1996 schließlich in Serie gegangen werden und die Erfolgsgeschichte des Gerätes nimmt ihren Lauf. Nach Verkaufsstart kann sich das außergewöhnliche Gerätekonzept rasch feste Plätze in zahlreichen Produktionen von seinerzeit namhaften Künstlern machen und erfreut sich stetig wachsender Beliebtheit. Unter anderem Massive Attack, Nine Inch Nails, Moloko, Martin Gore von Depeche Mode, Edwyn Collins, Beck, The Chemical Brothers und sogar keine Geringeren, als Daft Punk nehmen das bewegende Stereo-Filter in ihre Geräteparks auf und schließen es schon bald fest ins Musikerherz. Doch die Freude endet jäh: Nach nicht einmal zehn Jahren muss die Mutator-Produktion 2007 aufgrund nicht mehr lieferbarer Bauteile, die entscheidend für den Sound der Schaltung verantwortlich sind, endgültig eingestellt werden. In der Folge bleiben die längst zu Kultobjekten avancierten Geräte vorerst lediglich auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich, zu horrenden Preisen. Glücklicherweise folgt jedoch sieben Jahre später ein Happy End, denn Softube bringen den Mutator in Software-Form im wahrsten Sinne des Wortes zurück auf die Bildfläche. Für weitaus günstigere 156,- Euro [UVP] bringt die schwedische Plug-In Version die begehrten Original-Sounds nun direkt in die heimischen DAWs. Welche Funktionen im Einzelnen mit an Bord sind und was sich damitso alles in Sachen Klangformung anstellen lässt, zeigen wir Ihnen im folgenden Test.

Kreativmonster

Dazu wollen wir zuallererst unser Augenmerk auf die Verschaltung der einzelnen Bearbeitungssektionen legen, in der das Sound-Geheimnis des Mutators verborgen liegt. Zwei Mono-Kanäle stehen auf den oberen beiden Höheneinheiten bereit, die mit Unterabteilungen in Form von Envelope Followern, einer LFO-Sektion und je eines VCF-Filters (VCF = Voltage Controlled Filter), sowie eines jeweils zusätzlich schaltbaren VCAs (VCA = Voltage Controlled Amplifier) aufwarten. Zusätzlich haben die Softube-Entwickler auf einer dritten Höheneinheit noch weitere, praktische Extra-Features untergebracht, wie eine Funktion zur DAW-Temposynchronisation der LFOs und Stereobreitenjustierung. Soll der Mutator von einem Signal durchlaufen werden, wird dieses auf zwei Ziele verteilt. Einerseits wird es direkt an die VCFs und VCAs weitergeleitet, andererseits versorgt es parallel dazu gleichzeitig auch die Envelope Follower. Diese steuern wiederum einzig und allein die Cut Off Frequenzen der VCFs, wohingegen die LFOs unabhängig davon ihre Modulationssignale wahlweise an VCFs, VCAs, oder beide gleichzeitig schicken. Wie stark die Filtermodulationen durch die jeweilige Steuerquelle ausfallen sollen, lässt sich im Falle der LFOs per Depth-Regler einstellen. Seitens der Envelope Follower ist dafür das Env Sweep Poti verantwortlich, von wo sich Signale verschiedener Herkunft weiterleiten lassen. Jeder der beiden Hüllkurvenverfolger ist zudem neben dem standardmäßigen Eingang auch durch eine externe Signalquelle ansteuerbar. Per Env Source Kippschalter kann zu diesem Zweck einer der DAW-internen Side-Chain Busse angezapft werden. Damit dieses verheißungsvolle Feature jedoch auch wirklich funktioniert, sollte die geladene Mutator-Instanz in jedem Fall im entsprechenden Plug-In Format vorliegen, welches die Side-Chain Beschickung innerhalb der DAW auch unterstützt. Da wir in unserem Teststudio mit Cubase 7.5 arbeiten, müssen wir in diesem Fall das VST3-Format wählen, um die volle Buss-Anbindung geniessen zu können.

Stereo Total

Doch damit nicht genug, denn auch über die Ausführung jedes Parameters in Dual-Mono hat unser Mutant noch so einiges zu bieten in Sachen Stereopanorama. Mithilfe des Link In / Out Schalters des rechten Kanals lassen sich beide Kanäle entweder getrennt, und dadurch mit unterschiedlich schnellen LFO-Modulationen befeuern, oder aber einzig durch Impulse des linken LFOs versorgen. Außerdem lässt sich im getrennten Betrieb mit dem zweiten, darüberliegenden Link-Kippschalter das linke LFO-Signal phaseninvertieren, was abermals für wundersame Stereobreite sorgt: Immer, wenn die Welle des rechten LFOs ihren Höhepunkt erreicht, befindet sich gleichzeitig die des linken LFOs stets im tiefsten Tal. Das erzeugt sowohl im Zusammenspiel mit der Tempo Sync Funktion, als auch bei ausgeschalteter Kanal Link Funktion deutliche Panoramabewegungen. Obendrein lassen sich mithilfe vier verschiedener LFO-Wellen die Filter und VCAs mit unterschiedlichem Ein- und Ausschwingverhalten anfahren. Last, but not least steht am Ende noch ein weiteres Extra-Schmankerl in Sachen Stereo bereit, das sich die Softube-Entwickler als praktische Ergänzung der Originalfeatures für die dritte Höheneinheit haben einfallen lassen. Neben der bereits erwähnten Tempo Sync Abteilung befindet sich dort zusätzlich noch ein cleverer Stereobreiten-Regler, mit dem die beiden Mono-Signale wahlweise Richtung Seiten- oder Mittensignal positioniert werden können.

Signature Sounds

Nachdem wir gesehen haben, was der Mutator alles an Kreativ-Features vereint, geht es im folgenden Praxistest sogleich ans Eingemachte. Dazu haben wir uns ein anschauliches Klangbeispiel herausgesucht, in dem unser Testkandidat eine Hauptrolle spielt. Es handelt sich um den Song „Cold Brains“ von Beck, dessen 1998er Album ganz nebenbei den kuriosen Namen „Mutations“ trägt. Bereits zu Beginn des Stückes sorgt ein tremoloartiger Filtereffekt für warme Atmosphäre und taucht die langezogenen, ganztaktigen Gitarrentöne in ein psychedelisches LFO-Klangbad. Derartige Klänge lassen sich mit der neuen Softube Version ebenfalls mühelos nachbauen. Dazu dient uns eine mit Native Instruments Guitar Rig 5 moderat verstärkte E-Gitarre als Klangquelle in Form von MusicLabs Les Paul Custom. Um diese mithilfe des Mutators in authentisch-cremige Schwingung zu versetzen, bedarf es erst einmal einiger Grundeinstellungen. Die Envelope Follower belassen wir zunächst in ihrer eigentlichen Funktion und nehmen das standardmäßige, interne Signal zu deren Ansteuerung. Damit jedem Ton unserer Gitarre bereits beim Anschlag ein geschmeidiger Filtersweep verpasst wird, wählen wir eine Attack-Zeit von 186 Millisekunden. Anschließend lässt der längstmögliche Release-Zeitraum von 2 Sekunden den allerletzten Ton einer jeden Phrase stets angenehm sanft ausfaden. Der Clou zum charakteristiscen, warmen Tremolo-Sound liegt schließlich in den richtigen Filter- und LFO-Einstellungen: Getreu der Beck´schen Originalvorlage stellen wir die LFOs per Tempo Sync auf 1/12tel Triolen ein. Als passende Wellenform entscheiden wir uns für die dritte im Bunde, nämlich jene mit zweifach ansteigender Sägezahnwelle. Eine mittlere Depth-Einstellung leitet schließlich die LFO-Impulse entsprechend smooth einzig an die VCFs weiter. Zudem sorgt die invertierte Link-Funktion am linken Mono-Kanal für ein aufregend breites Stereobild, da nun beide Kanäle in entgegengesetzter Richtung per Filtermodulationen geöffnet und geschlossen werden. In Sachen VCFs besorgen abschließend ein voll aufgedrehter Cut Off Regler, bei einer Resonanz von 6,6 und Env Sweep Werten von -6 den Rest. Den letzten Schliff erledigt abschließend ein Dry/Wet Mischungsverhältnis von 77 Prozent. Damit scheint neben dem cremig-warmen, zerhackten Effektsignal nun auch noch eine Prise Original-Sustain durch – fertig ist der Beck-Signature Sound.

Bewegende Vocal-Riser

Nachdem der Mutator bereits in Sachen authentischem Signature Sound bewiesen hat, wenden wir uns sogleich einem weiteren Anwendungsgebiet zu. Das ausgefallene Konzept bietet sich nämlich insbesondere auch für kreative Soundeffekte an, wie zum Beispiel sogenannte „Riser“, die zur Gattung der Reverse Hall-Effekte gehören. Sie gelten gerade in Dance- und Pop-Songs als elegantes Mittel, um die Vorstellung eines neuen Instrumentes einzuleiten. Unter anderem bei Gesangsaufnahmen lässt sich das Hereinfahren selbstgebauter Riser-Samples mithilfe von LFO-Modulationen besonders effektvoll gestalten, selbstverständlich in Stereo. Dazu erzeugen wir als ersten Schritt ein Reverse Hall Sample, indem wir den vordersten Vokal der gewünschten Gesangsphrase herausschneiden und ihn durch ein Hall Plug-In mit langer Nachhallzeit von 20 Sekunden schicken. Das Ganze wird als Audiofile exportiert und auf eine neue Audiospur gelegt. Vor die betreffende Gesangsphrase gesetzt, ergibt sich im Mix eine wunderbar angenehm anmutende Überleitung, die sich jedoch per Mutator zu einem weitaus aufregenderen „Hinhörer“ transformieren lässt. Dabei soll die LFO-Geschwindigkeit im Atmo-Verlauf allmählich von schnell bis langsam heruntergefahren werden, was den Zuhörer besonders effektvoll auf den Anfangston der so eingeleiteten Gesangspassage hinführt. Mithilfe der Spurautomation, über die wir den Rate-Parameter von rechtem und linkem LFO steuern, lassen sich solche Modulationsfahrten bereits mit wenigen Klicks und auf Wunsch in voller Stereobreite realisieren. Einzig die Envelope Sektion und die VCF-Abteilung müssen ganz zuletzt noch entsprechend eingestellt sein, so dass genügend Signalanteile durchkommen und die Filter parallel zu den VCAs möglichst hörbar arbeiten.

Kreatives Side-Chaining

Nicht nur automatisches Stereopanning und umfangreiche Filtermodulationen lassen sich mithilfe der Hüllkurvenfähigkeiten unseres Testkandidaten realisieren, sondern auch Ducking-artige Gating-Effekte. Langgezogene Töne eines Synth-Pad aus ReFX Nexus dienen dabei unserem Mutanten als Klangfutter, dessen Schaltung dieses Mal per Side-Chain Eingang von auf einer separaten Audiospur durch Bassdrum-Samples getriggert wird. Das Ziel: Immer, wenn eines unserer Samples erklingt, soll sich das Gate öffnen, so dass der Padsound stets nur für die Dauer jener Impulse erklingt. Dazu laden wir die VST3 Version des Plug-Ins als Insert-Effekt ins Rack der Nexus Spur und aktivieren die Funktion für die externe Side-Chain Beschickung. Nun routen wir einen der Send-Effekt Slots unserer Steuerspur auf den im Nexus-Kanal geladenen Mutator. Damit nun der Bassdrum-Sound lediglich das Gate triggert und nicht gleichzeitig hörbar ist, schalten wir den betreffenden Send-Weg kurzerhand auf Post Fader um und ziehen den Kanalfader herunter. Nachdem nun das Steuersignal ungehindert im Softube Plug-In ankommt, müssen dort als nächstes beide Envelope Follower auf Sidechain-Beschickung und auf Gate-Funktion geschaltet werden, anschließend wählen wir VCF und VCA gleichzeitig als Modulationsziele aus. Damit letztlich das gewünschte Klangergebnis entstehen kann, muss in der Envelope Follower Abteilung das Sens-Poti bis zur Hälfte aufgedreht sein. Die kürzeste Attack- und eine Release-Zeit von 144 Millisekunden lassen das Gate in unserem Fall perfekt der Kontur des Steuer-Samples folgen, um anschließend wieder komplett zuzumachen. Zu guter Letzt müssen die Drehpotis von Env Sweep und Cut Off Frequenz komplett offen sein, um reinstes Gating durch die Envelope Follower zu gewährleisten. Für die beiden Resonanz-Regler hingegen empfiehlt es sich, diese zunächst vollständig geschlossen zu halten und sie am Ende nur bei Bedarf zur Korrektur des Stereobildes zu verwenden. Das Ergebnis kann sich schließlich hören lassen: Durch entsprechendes Setzen der Samples lassen sich per cleverem Side-Chain Gating die langen Pad-Flächen des Nexus durch individuelle Rhythmuspattern veredeln. Das sorgt abermals für psychedelischen Stereospass und beschert uns wahrhaft bewegende Mutationen.

Fazit

Softube´s Mutator Plug-In entpuppt sich auf seinem Spezialgebiet als wahrer Tausensassa und ermöglicht vielfältige Filtersounds, gepaart mit aufregenden Stereofähigkeiten. Ganz gleich, ob subtile Signalfestigung, pumpende Sidechain-Effekte oder bewegte Stereoverbeiterung gefragt sind, bietet das einzigartige Konzept massige Kreativmöglichkeiten und cremig-warmen Filterklang. Gerade unter den üblichen Verdächtigen der Stereoverbreiterer macht das clevere Filter-Tool eine eine tolle Figur und bietet sich als herausragende Arsenalergänzung an. Last but not least stimmt mit 156,- Euro [UVP] auch das Preis-Leistungsverhältnis, das gegenüber hoher Gebrauchtpreise und angesichts der Plug-In Vorteile wahrhaft erstklassig ist. Summa summarum machen die praktischen Zusatz-Features und der authentische, hervorragende Sound diese Software zu einer würdigen Fortsetzung der beliebten Original-Hardware, sowie zu einem vielseitigen Kandidaten für jede Effekt-Sammlung.

Erschienen in Ausgabe 04/2015

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 156 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut