Das Stimmenwunder
Synchro Arts stellt die dritte Version seiner Software Revoice Pro vor, die primär für Stimmenbearbeitung, Verdopplung und Angleichung gedacht, nicht nur beim ADR wahre Wunder wirkt, sondern mehr als zuvor auch für den Musikproduzenten unverzichtbar ist, wenn es um tighte Vocals, satten Stimmklang und präzises Ausführen mehrstimmiger Sätze geht. Warum das so ist, steht im Test.
Von Georg Berger
Der britische Software-Hersteller Synchro Arts feiert bereits seit Langem Erfolge mit seinen beiden Produkten VocAlign und Revoice Pro, die sich primär im Postproduktions-Bereich, genauer gesagt beim ADR (Automated Dialogue Replacement), also beim Nachvertonen von Sprache zum Bewegtbild, zu einem quasi Industrie-Standard etabliert haben. Während VocAlign das Angleichen des Timings einer Aufnahme an eine andere realisiert, geht Revoice Pro noch ein ganzes Stück weiter, indem sowohl das Timing, als auch die Tonhöhe/Sprachmelodie und auch der Lautstärkeverlauf der Vorlage auf die zu bearbeitende Spur aufgeprägt wird.
Dieser Vorgang wird von Synchro Arts unter dem Begriff „Automatic Performance Transfer“, kurz APT zusammengefasst (siehe Kasten auf der nächsten Seite). Als weitere Features erlaubt Revoice Pro das Verdoppeln von Aufnahmen, wobei per Algorithmus gezielt Ungenauigkeiten hinzugefügt werden, was am Schluss zu einem lebendig klingenden Ergebnis führt. Last but not Least erlaubt Revoice Pro schließlich das Bearbeiten von Tonhöhen und Timing im Stile von Platzhirschen wie Celemony Melodyne oder Zplane elastique.
Und was für das ADR recht ist, soll in Konsequenz für die Musikproduktion nur billig sein. Mittlerweile ist Revoice Pro auch in immer mehr Musikstudios anzutreffen und wird von Tontechnikern und Produzenten wie etwa Francesco Cameli (Eric Clapton, Mariah Carey, Muse, Adele) oder Chris Garcia (Lana del Rey, Celine Dion, Katy Perry) gewinnbringend eingesetzt. Gerade heutzutage, wo das Sprichwort „Zeit ist Geld“ nach wie vor Gültigkeit besitzt, ist Revoice Pro ein idealer Helfer, wenn es darum geht, rasch und unkompliziert nicht nur ein stahlhart-präzises Timing von Hauptgesang und Stützstimmen zu realisieren, sondern auch etwa zu kurz oder lang geratene Einsätze oder Ausklangphasen zusätzlicher Gesangseinsätze an die Hauptspur anzupassen. Das Doppeln von Spuren geht zudem mit wenigen Mausklicks über die Bühne und erfordert kein nochmaliges Erscheinen des Musikers zur Aufnahme. Sicherlich, mit den gegebenen Möglichkeiten der DAWs in Sachen Time-Stretching und Pitch-Shifting lässt sich das ebenfalls erledigen. Allerdings – wir sprechen da aus eigener Erfahrung – erfordert dies ungleich mehr Zeit als im Test mit der neuen Version Revoice Pro 3, die mit einer Reihe neuer Features und vor allem überarbeiteter Algorithmen daherkommt, was laut Hersteller nicht nur eine bessere Performance, sondern auch zu nochmals verbessertem Klang führen soll. Kostenpunkt: Rund 600 Euro, was im Filmbereich durchaus günstig sein dürfte, im Musikbereich allerdings schon recht happig ist. Allerdings relativiert sich dies, schaut man auf die Preise etwa für Celemonys Melodyne Studio Bundle (circa 700 Euro) oder den Melodyne Editor 2, der mit rund 400 Euro zu Buche schlägt. Software mit besonderen Fähigkeiten besitzt nun mal ihren Preis.
Synchronisieren, Verdoppeln und Anpassen von Aufnahmen
Der Einsatz, die Bedienung und Anwendung von Revoice Pro 3 ist gleichsam vertraut wie gewöhnungsbedürftig: Das Programm ist ausschließlich Stand-alone einsetzbar, wobei sich eine Oberfläche, ähnlich eines Sequenzers mit Spuren und den üblichen Eingriffsmöglichkeiten zum Manipulieren dieser (Volume, Panpot, solo, mute) zeigt. Selbstverständlich sind auch mannigfaltige Möglichkeiten zum Zoomen in und aus den Spuren sowie das bildschirmfüllende Anzeigen einer einzelnen Spur möglich. Überdies können Abschnitte markiert und per Loop-Funktion wiederholt abgespielt werden. Eine Scrub-Funktion ist ebenfalls. An Bord. Die zu bearbeitenden Clips können wahlweise per Drag-and-drop ins Programm geladen werden oder mit Hilfe der sogenannten ProLink-Plug-ins, die es in Version 3 neben VST3, Audio Suite und AAX jetzt auch in einer AU-Version gibt und die Kommunikation zwischen DAW und Revoice herstellt. Die Kommunikation via Rewire, wie in der Vorversion, ist damit übrigens obsolet und wird in Version 3 auch nicht mehr unterstützt. Der Export der prozessierten Aufnahmen geschieht wiederum wahlweise per Drag-and-drop oder über einen entsprechenden Export-Dialog. Das Einsetzen der so bearbeiteten Clips an exakt die richtige Stelle erfolgt mit Hilfe eines entsprechenden DAW-Befehls, denn Revoice merkt sich und behält die dafür benötigten Timestamp-Informationen der importierten Clips, zumindest im Wav-Format. Wichtig: Bei der Arbeit mit Revoice Pro ist der Anwender nicht komplett von der DAW entkoppelt. Über ein Monitor-Plug-in wird die Verbindung realisiert und die prozessierten Spuren synchron zur DAW abgespielt, so dass Bearbeitungen direkt im Zusammenklang mit dem Arrangement überprüft werden können. Schlussendlich ist dieses Prozedere, einmal verstanden, kinderleicht und nicht wesentlich komplizierter als das Hantieren über die Rewire-Schnittstelle.
Im Test stellen wir Revoice Pro nach allen Regeln der Kunst auf die Probe und sind jedes Mal nicht nur restlos begeistert, sondern stellenweise sogar tief beeindruckt. Der Zeitvorteil beim Angleichen von zwei Gesangslinien ist enorm, das Verfahren zum Doppeln von Stimmen liefert auf atemberaubende Art lebendig klingende Ergebnisse, die weit über ein bloßes Kopieren von Spuren in der DAW plus leichtem Versatz der Kopie hinausgehen. Dank der mitgelieferten Presets erhalten wir ohne allzuviel Schrauberei in den meisten Fällen brauchbare Ergebnisse. Allerdings wollen wir nicht verschweigen, dass der Eingriff in die vielen Parameter der verschiedenen Prozess-Menüs einiges an Zeit erfordert, möchte man gerade bei problematischem Material souverän mit Revoice Pro 3 umgehen. Einmal jedoch verstanden und richtig eingesetzt, zeichnet sich Revoice Pro 3 mit einem glasklaren, soundlosen, um nicht zu sagen unauffälligen Grundklang aus. Das hängt natürlich auch vom Programmmaterial ab, das je nach Komplexität auch im Umgang mit Revoice Pro 3 Artefakte wie künstlich klingende Tonhöhen/Timbres, Glitches und fremdartige, eher an Chorus-Effekte erinnernde Ergebnisse erzeugt. Doch dafür bietet Revoice Pro in seiner dritten Version, nicht zuletzt dank der neuen Warp-Funktionen, die sich in keiner Weise vor denen der Big Player zu verstecken braucht, die richtigen Werkzeuge an, um diese Artefakte zu minimieren und zu eliminieren. Stimmt schließlich alles, dann klingt das Resultat so, als ob es schon von vorne herein so aufgenommen wurde. Das ist einfach nur Spitze.
Fazit
Synchro Arts präsentiert mit Revoice Pro 3 ein deutlich aufgemotztes Major-Update seiner ADR-Anwendung, die mit dem manuellen Warping von Timing und Tonhöhe bereits am Input-Signal sowie Automationsmöglichkeiten zum dynamischen Ausformen des anzupassenden oder zu verdoppelnden Signals als Highlights unter vielen weiteren Verbesserungen künftig für noch authentischere Ergebnisse sorgen. Celemony und Co. erhalten zumindest in Sachen monophoner Tonhöhen- und Timing-Korrektur ab sofort eine ganz starke Konkurrenz. Mit den gebotenen und jetzt erweiterten Möglichkeiten zum Anpassen und Verdoppeln von Audio-Spuren steht Revoice Pro immer noch ziemlich alleine da, wobei das Ganze fast schon wie Magie daherkommt. Wer abseits von Postproduction häufig mit mehrstimmigen Gesangs-Einsätzen zu tun hat, wird in jedem Fall von den Möglichkeiten von Revoice Pro 3 profitieren. Einzig das Doppeln von Stimmen, aber auch von Instrumental-Passagen, etwa staccato gespielten Heavy-Gitarren, spart eine Menge Zeit, Nerven und trotz erhöhtem Anschaffungspreis am Ende auch Geld. Wir sind jedenfalls restlos begeistert und können uns künftig kein Produzentenleben mehr ohne Revoice Pro vorstellen.
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Automatic Performance Transfer (APT)
Das von Synchro Arts ersonnene APT-Verfahren zum Anpassen des Timings, der Tonhöhe und Lautstärke einer Aufnahme auf eine andere nutzt als erstes Muster-Erkennungs-Verfahren, die bereits im VocAlign-Programm zum Einsatz kommen. Bei der Analyse wird der Guide-Track, also die Vorlage, mit dem Dub-Signal, dem anzupassenden Track, verglichen, wobei in einem zweiten Schritt die Performance, also Tonhöhe, Timing, Vibrato, Lautstärke, sowohl im Guide-, als auch im Dub-Track gemessen werden. Auf Basis dieser Analyse lassen sich in einem nächsten Schritt die relevanten Parameter je nach Gusto und Stärke auf das Dub-Signal anpassen. Sehr schön: Revoice Pro 3 liefert dafür Presets mit, die wahlweise nur das Timing, nur die Tonhöhe oder Timing und Tonhöhe in unterschiedlich starken Wirkungsgraden auf das Dub-Signal aufprägen. Zu erreichen sind sie über das APT-Process-Menü, das überdies eine Reihe weiterer Parameter zum Einstellen des Transformations-Prozesses offeriert. So lässt sich nach Wunsch das Timing, die Tonhöhe und Lautstärke per Button auf Bypass schalten. Für jeden Teil-Bereich stehen individuell Parameter zur Verfügung, etwa der Tolerance-Fader zum Einstellen der Transformationsstärke oder die Auswahl von Timing- und Tonhöhen-Algorithmen. Im Test kommen wir jedoch in den meisten Fällen bereits mit den Presets bestens zurecht, was nicht nur praxisgerecht ist, sondern auch für das Know-how der Entwickler spricht. Beim Schrauben an einzelnen Parametern kann nur allzu leicht etwas schief gehen. Um damit souverän umgehen zu können, muss schon einiges an Zeit investieren, um das Optimum herausholen zu können. Wer beim Sichten des Ausgangsmaterials übrigens Stellen entdeckt, die keiner weiteren Bearbeitung bedürfen, markiert in der Dub-Spur diese Bereiche mit dem „Protected Area“-Befehl, der diese Stellen wahlweise von der Tonhöhen- oder Timing-Bearbeitung oder beidem ausklammert. Experimentierfreudige Zeitgenossen mit Kreativ-Ambitionen sind natürlich eingeladen, nach Herzenslust an sämtlichen Parametern zu spielen und sich an den fremdartig, teils sogar lustig anzuhörenden Ergebnissen zu erfreuen.
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Mit Warp-Faktor 10 auf zu korrekten Tonhöhen und Einsätzen
Das Anpassen von Tonhöhen und Korrigieren von Einsätzen mit Hilfe des Warp-Prozesses war bereits auch schon in der Vorversion möglich, allerdings ausschließlich auf bereits gerenderten Clips. In Revoice Pro 3 haben die Entwickler dies jetzt gleich auf zweifache Weise auch für Eingangs-Spuren, respektive importierte Clips noch ohne ein Processing möglich gemacht. So können Guide-Spuren ab sofort direkt und ohne Zuhilfenahme externer Programme in Revoice Pro 3 angepasst werden. So steht im Prozess-Auswahl-Menü jetzt auch ein Warp-Eintrag zur Auswahl, der beim Ausführen eine neue Spur rendert, die ihrerseits als Vor- und Grundlage für die Bearbeitung dient. Ein dezidiertes Prozess-Menü erlaubt dabei schon entsprechende Eingriffe in die Tonhöhe vorzunehmen und wahlweise auf den gesamten Clip oder nur Teile davon anzuwenden.
Das Highlight markiert aber die Möglichkeit, Eingriffe manuell direkt auf dem importierten Clip vorzunehmen, was in Konsequenz den Einsatz von Melodyne und Co. ab sofort überflüssig macht. Dazu muss per Rechtsklick zunächst der Befehl „Make Warp Regions“ ausgeführt werden, woraufhin das Programm den Clip analysiert. Anschließend zeigen sich, ähnlich wie etwa im Audio-Editor von Cubase nach Ausführen der Vari-Audio-Funktion, eine Reihe von Linien, die den Tonhöhenverlauf inklusive Vibrato anzeigen. Ein Raster, ähnlich wie in Pianorollen-Editoren gibt gleichzeitig die Tonhöhe an. Weiße Linien repräsentieren die editierbaren Tonhöhen, orangefarbene Linienfragmente zeigen Tonhöhenübergänge an. Per Rechtsklick lassen sich bei Bedarf auf einen Schlag drei Warp-Punkte einfügen, die sich links, rechts und in der Mitte eines zuvor markierten Bereichs platzieren. Weitere Warp-Punkte sind einzeln beliebig hinzufügbar. Über die dreieckigen Anfasser platzieren wir die Punkte mit Hilfe der Alt-Taste an die richtigen Stellen. Anschließend können wir die Einsätze nach Gusto im Timing versetzen und einzelne Teile entsprechend stauchen und strecken. Editierbare Tonhöhen werden nach einem Klick durch ein halbtransparentes Viereck gekennzeichnet. Sehr schön: Über Anfasser an den Ecken des Vierecks können die so gekennzeichneten Linien ebenfalls gestreckt, gestaucht und das Vibrato über eine Linien-Funktion geglättet werden. Das Versetzen der Linie wahlweise frei oder im Halbton-Abstand ist ebenfalls möglich. Im Test braucht sich die Warp-Funktion hinsichtlich Klangqualität nicht vor den Platzhirschen Zplane und Celemony verstecken. Moderat eingesetzt klingen die Ergebnisse organisch und authentisch. Gehts über eine Terz hinaus, klingen die Ergebnisse allerdings schon sehr künstlich. Doch dieses Schicksal teilen auch die anderen Tonhöhen-Korrektur-Produkte. Beide zuvor erwähnten Unternehmen erhalten jedenfalls mit Revoice Pro 3 jetzt eine ganz starke Konkurrenz in Sachen Pitch-Korrektur. Einzig das Bearbeiten polyphonen Materials ist nach wie vor dem Melodyne Editor 2 vorbehalten.
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Das doppelte Lottchen und noch viel mehr
Anders als beim APT-Prozess, der einen Guide- und Dub-Track für die Bearbeitung erfordert, reicht für das Verdoppeln einer Aufnahme lediglich eine Spur. Wie bei allen Prozessen gilt dabei: Zuerst den zu bearbeitenden Track anwählen, anschließend die B-Taste drücken, um das Prozess-Auswahl-Menü aufzurufen und darin den gewünschten Prozess auswählen, Ein- und Ausgangsspur definieren und angeben, ob der gesamte Clip oder nur der eventuell zuvor markierte Bereich bearbeitet werden soll. Durch Druck auf den New-Process Button, wird anschließend ein neuer Clip gerendert und in die zuvor gewählte Ausgangsspur abgelegt. Einfacher gehts nimmer. Kniffliger wirds beim Aufruf des Doubler-Prozess-Menüs. Ebenso wie im APT-Vorgang werden dort eine Reihe von Parametern zur Feineinstellung bereitgestellt. So kann lediglich nur eine Mono-, aber bei Bedarf direkt auch eine Stereospur erzeugt werden. Sehr schön: Im Stereo-Modus ist es jetzt erstmals möglich, die Doppelspuren zeitlich vorzuziehen, indem negative Delay-Zeiten eingegeben werden. Abseits dessen finden sich eine Reihe weiterer Parameter zum Modulieren und Verzögern des Doppels. Das Menü stellt sogar Eingriffsmöglichkeiten in die Formanten und das Vibrato bereit, so dass sich weitere Variationen, teils sogar zufällig in bestimmten Bereichen, einstellen und das Ergebnis entsprechend lebendig und authentisch gestalten. Doch ebenso wie im APT-Prozess erfordert der souveräne Umgang mit diesen Parametern ein gewisses Maß an Einarbeitung, Expertise und Routine, möchte man authentische Ergebnisse erzielen. Gleiches gilt insbesondere auch für eine weitere Neuheit in Revoice Pro 3: Das Einzeichnen von Automationskurven in die prozessierten Spuren, um nachträglich für ein Plus an Lebendigkeit zu sorgen. Außer Eingriffen in die Tonhöhe sind dabei auch dynamische Änderungen im Timing möglich. Sollte also das prozessierte Ergebnis trotz sachgemäßer Einstellung im Prozess-Menü partout nicht gefallen, hat der Anwender mit diesem Feature ab sofort die Möglichkeit, weiter nachzulegen. Im Test reichen dazu bereits minimale Eingriffe, um subtile, aber dennoch spürbare Änderungen zu erzeugen.
Erschienen in Ausgabe 05/2015
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 592
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: gut – sehr gut
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