Dritter Aufguss mit Pfiff
Übermäßiger Genuss des grünen Likörs namens Absinth, so warnt das Lexikon, kann zu schweren Gesundheitsschäden führen. Die sind beim Gebrauch der dritten Ausgabe des gleichnamigen Software-Synthesizers aus Berlin zwar nicht zu befürchten, aber die Sinne kann auch der verwirren.
Von Georg Berger
Absynth 3 enthält einige Neuerungen sowohl hinsichtlich der Klanggenerierung und -verarbeitung als auch der Bedienung. Die Berliner Software-Schmiede hat dabei das innovative Konzept und den eigenständigen Sound dieses sehr markanten Klangerzeugers in einigen wesentlichen Punkten verbessert und erweitert. Das kleine Klangmonster gewinnt somit weiter an Profil.
Für 290 Euro erhält der glückliche Besitzer eine Installations-CD und ein deutschsprachiges Handbuch. Mit gerade einmal 64 Seiten ist es freilich nicht gerade üppig ausgestattet. Es enthält lediglich eine knappe Zusammenfassung der Einstellmöglichkeiten im Absynth 3. Komplette Einsteiger, aber auch gestandene Routiniers werden mit dieser spärlichen Informationsquelle auf Dauer nicht glücklich und greifen deshalb besser zur Tutorial-DVD, die Licht ins Dunkel des Parameterdickichts bringt. Erst dort wird diesem zweifellos mächtigen Klangerzeuger die nötige Referenz erwiesen. Wer dafür zusätzlich noch 49 Euro investiert, bekommt einen fundierten und vor allem didaktisch gut aufbereiteten Lehrgang – einziges Manko: Die DVD ist nur in Englisch erhältlich.
Schon die Eckdaten des Synthesizers deuten an, dass unter der unscheinbaren Bedienoberfläche der berühmte Wolf im Schafspelz schlummert: 1.000 Werksklänge hat der grüne Kobold an Bord. Neun unterschiedliche Klangquellen und 14 Filtertypen dienen als Ausgangsbasis zur Erstellung von Eigenkreationen. Und als ob das nicht schon genug wäre, lockt die Berliner Softwareschmiede noch mit flexibler Modularität des Synthesizers und einem einzigartigen Konzept der Hüllkurven, die zur Steuerung des Klangverlaufs einer Klangquelle dienen. Surroundsound-Fähigkeiten und eine Effektsektion setzen dem Ganzen das berühmte Sahnehäubchen auf.
Um eine Vorstellung von der Mächtigkeit dieses Ausnahme-Synthesizers zu vermitteln, konzentrieren wir uns exemplarisch auf seine wichtigsten Features. Sollte es danach immer noch Zweifler geben, dann gibt es ja noch die Tutorial-DVD.
Nach der Installation öffnet sich beim Start lediglich ein Hauptfenster. Wichtigster Bestandteil in diesem ist eine Reihe von Buttons, die das Navigieren auf die einzelnen Unterfenster – Patch, Wave, Effects, Envelopes, LFO, Surround und MIDI – ermöglichen. Die Benutzerführung ändert sich nicht. Es bleibt bei einem einzigen Fenster, dessen Inhalt sich nach Druck auf die entsprechenden Menübuttons ändert.
Die vorbildlich gestaltete und aufgeräumte Bedienoberfläche des Absynth 3 erinnert hier an einen gut gemachten Internet-Auftritt. Es entsteht kein unübersehbarer Wust an separaten Fenstern, und alles ist zentral durch die Menüleiste, die als Hauptmerkmal unverändert oben im Fenster verharrt, direkt anwählbar. Weitere Bestandteile des Hauptfensters sind eine Liste der momentan im Arbeitsspeicher geladenen Klänge und der Darstellung einer Klaviatur am unteren Rand.
Die Visitenkarte des Instrumentes – die Werksklänge — vermittelt schon einmal eine ungeheure Bandbreite unterschiedlichster Sounds. Standardsounds analoger Prägung wie Streicher, Bläser, Bässe und Lead-Sounds sind dort vorhanden, die auch die Erwartung nach analoger Wärme bestens erfüllen. Eher kalte, digitale Klänge produziert der Absynth 3 sogar noch besser. Kein Wunder, ist er doch ein präzise und rein digital arbeitendes Instrument. Klänge metallischer Prägung, Sounds mit scharfen Höhen und reine Geräusche, nicht zuletzt durch digitale Syntheseformen und importierbare Samples generiert, liefern die weitaus größere Menge an Klangpotenzial. Diese bösartige Dreckigkeit und Kälte der digitalen Klänge ist eine schier unerschöpfliche Fundgrube für spektakuläre Neukreationen. Am charakteristischsten zeigt er sich bei Flächenklängen. Sie hören sich an, als ob hier mehrere Synthesizer unterschiedlichster Art gleichzeitig erklingen. Dazu kommt noch eine Lebendigkeit die ansonsten nur mit Hilfe mehrerer unterschiedlicher Klangerzeuger herstellbar ist.
Um dieser Lebendigkeit ein wenig auf den Grund gehen zu können, schauen wir uns das Hauptfenster mal etwas genauer an. Hier finden sich bei jedem angewählten Klang-Preset über der Klaviatur unterschiedlich viele Balken, die mit der Maus veränderbar sind. Sie lassen sich auch mit den entsprechenden Controllern – zumeist Modulations- oder Pitchbend-Rad – eines angeschlossenen Keyboards bewegen und erlauben dynamische Eingriffe in den Klangverlauf. Und in der Tat: Weitere Vorstellungen davon, wie solch ein Klang eventuell aufgebaut ist und was dort alles passiert eröffnen sich.
Doch der Absynth ist nicht nur bloß ein Lieferant vorgefertigter Werksklänge. Im Gegenteil. Das Programmieren von Klängen ist seine eigentliche Domäne. Mit den ab Werk gelieferten Klängen liegt die Latte für eigene Kreationen schon ziemlich hoch. (In der Tutorial-DVD weist Produktspezialist Brian Smith, der als Moderator den Lehrgang begleitet, darauf hin, dass diese Klänge von namhaften Musikern und Sound-Designern programmiert wurden.) Das Potenzial ist also da, doch es gilt auch hier, dass erst Übung den Meister macht. Schnell hat man dann raus, dass auch hier die Toyota-Werbung gilt: Nichts ist unmöglich. Das vorbildlich konzipierte Ein-Fenster-Konzept zeigt übersichtlich alle einstellbaren Parameter sortiert nach thematisch-relevanten Gruppen.
Ausgangspunkt für die Erstellung eines eigenen Klanges ist das Patch-Fenster (Abbildung 02). Es zeigt in vorbildlicher Weise die zentrale Architektur der Klangerzeugung. Genauso vorbildlich wie der Aufbau des Fensters gerät auch die Erläuterung in der Tutorial-DVD. Modul für Modul wird vorgestellt und kommentiert. Zwölf kleine Kästen finden sich hier vor, angeordnet in vier Reihen und drei Spalten. Diese Aufteilung erinnert an das Baukastenprinzip alter analoger Modularsysteme. Sie sind mit weißen Linien untereinander verbunden, die einen Signalfluss beschreiben und in Analogie zum oberen Vergleich Patch-Kabel repräsentieren. Mit einem Mausklick werden die einzelnen Module aktiviert und in die Signalverbindungen integriert. Es gibt drei so genannte Kanäle, die durch drei Spalten und die oberen drei Zeilen repräsentiert werden. Jeder dieser Kanäle beinhaltet die Module Oszillator, Filter und Modulation. Die drei separaten Kanäle münden mit ihren Signalverbindungen gemeinsam in die unterste Reihe des Fensters ein. In dieser abschließenden Mastersektion werden für alle drei Klang-Kanäle in drei weiteren Modulen abschließende Eingriffe vorgenommen. Das so genannte Waveshaper-Modul, eine Art Filter, das mit einer Verstärkersimulation vergleichbar ist, ist die erste Station. Ein weiteres globales Filter schließt sich an, welches das Signal abschließend in einen Effektprozessor leitet. Die drei Klang-Kanäle erhalten hier ihren Feinschliff und lassen sich abschließend global im Klang noch einmal beeinflussen. Änderungen der Lautstärke oder eines Filterverlaufs für alle drei Kanäle geraten so zum Kinderspiel.
Über Popup-Menüs und Eingabefelder zur Aufnahme von Werten, nimmt der Nutzer Einstellungen in den Modulen vor. Es ist äußerst lobenswert, dass sich Native Instruments angesichts der Fülle von Bedienelementen nicht dazu hat verleiten lassen, virtuelle Nachbildungen von Knöpfen und Schaltern, die aus dem Hardware-Bereich bekannt sind, in die Bedienoberfläche zu integrieren. Denn außer der mitunter doch recht sperrigen Bedienbarkeit hätte die Übersichtlichkeit gelitten. Der Bedien-Aspekt liegt auf dem Begriff Software – und genau so wird der Absynth 3 schließlich auch bedient.
Die Auswahlmöglichkeiten im Patch-Fenster sind enorm. In den Oszillatormodulen stehen unterschiedlichste Syntheseformen und innerhalb dieser wiederum unterschiedlichste Wellenformen als Ausgangsmaterial zur Verfügung. Alleine das Anwählen der einzelnen Synthesearten und Wellenformen gerät hier zu einer interessanten Entdeckungsreise. Die Tutorial-DVD zeigt hier auch nur ganz kurz, welche Möglichkeiten vorhanden sind. Selber Ausprobieren ist hier angesagt. Die Anzahl der Wellenformen ist schon sehr umfangreich. Das Spektrum reicht von Dreiecks-, Sinus-, Sägezahn- und Pulswellen in unterschiedlichen Variationen, bis hin zu gesampleten Wellenformen, etwa von Blechbläsern oder Chören. Diese Wellenformen liefern die Grundlage für die Verarbeitung in unterschiedlichen Syntheseformen. Frequenz- und Ringmodulation als zwei Vertreter von insgesamt vier Syntheseformen seien hier genannt. Drei weitere Syntheseformen sind für die Aufnahme und Verarbeitung von Samples vorgesehen.
Ganz neu im Absynth 3 ist die Möglichkeit, im Modus Audio in Klangquellen von außen über die Soundkarte in den Signalweg des Absynth 3 einzuspeisen.
Dem Thema Sampling wird auf der Tutorial-DVD ein umfangreiches Kapitel gewidmet, da sie als Klangquelle die variantenreichsten Möglichkeiten bieten. Drumloops oder Stimmensamples, Geräuschfetzen oder andere eher Synthesizer-untypische Klänge erweitern das Klangspektrum des Instruments noch einmal. Sicherlich können hier, wie bei einem Sampler, die Sounds einfach nur abgespielt werden. Aber das unterfordert dieses grüne Kraftpaket bei weitem. Im Zentrum des Interesses steht hier die Anlieferung von Basismaterial, welches primär durch weitere Module weiterverarbeitet wird. Von daher beschränken sich die Eingriffsmöglichkeiten in die Samples auf das Nötigste. Erst durch die Verarbeitung in anderen Modulen werden Samples so richtig durch den Fleischwolf gedreht. Hier steht als vordergründigste Eingriffsmöglichkeit die Syntheseform Granular, die als Ausgangsbasis ein Sample benötigt. Nur wird dieses jetzt nicht einfach nur abgespielt, sondern in kleinste Bestandteile, den so genannten Grains oder Körnchen, unterteilt. Je nach Einstellung des hörbaren Ausschnitts klingt das so bearbeitete Sample entsprechend zerhackt. Diese Form der Klangerzeugung erlaubt es, quasi mikroskopisch kleine Ausschnitte aus einem Sample zu isolieren und als Ausgangsbasis für neue Klänge zu verwenden. Je nach verwendetem Raster ist das zu Grunde gelegte Sample in seiner Originalform nicht mehr zu erkennen.
Damit ist aber noch lange nicht Schluss. Ein Klick auf den Wave-Button im Absynth gestattet es sogar, eigene synthetische Wellenformen mit der Maus zu malen und als weitere Klangquelle zu nutzen. Der grüne Kobold wird so zu einem wahren Chamäleon. Und an dieser Stelle ist die Tutorial-DVD genau der richtige Ratgeber, um einen sachgemäßen Umgang mit dem Wave-Fenster zu erlernen. An durchgeführten Beispielen erfährt der Absynth-Nutzer tief greifend und detailliert, was alles gemacht werden kann – und vor allem wie. So ganz nebenbei erfährt er auch grundlegendes zu synthetischer Klangerzeugung.
Das Filter-Modul mit seinen 14 Filtertypen ist ähnlich umfangreich ausgestattet. Die Änderung von Filtereckfrequenz und Filterresonanz ziehen entsprechend vehemente Änderungen im Klang der ausgewählten Wellenform im Oszillatormodul nach sich. In der Modulationssektion kann schließlich der Klang in seiner Tonhöhe manipuliert werden. Bei entsprechend behutsamem Einsatz bekommt der Klang über dieses Modul eine angenehme harmonische Schwebung, und der Klang hört sich dichter und fetter an.
Diese Einstellungen können nicht nur einmal gemacht werden. Es gibt ja drei Klangkanäle. Alleine durch die Kombination unterschiedlichster Wellen- und Syntheseformen und Filtertypen in diesen drei Kanälen entsteht nur in diesem einen Fenster eine unüberschaubare Zahl unterschiedlichster Klänge und Klangkombinationen. Die Palette reicht hier von einem äußerst fetten und durchsetzungsfähigen Klang bis hin zu drei unterschiedlichen Synthesizern zur gleichen Zeit.
Die am Ende der Signalkette stehenden drei Module geraten da schon zu einer Art schmückendem Beiwerk. Darin erhält der Klang den abschließenden Feinschliff. Am intensivsten geschieht dies im Effektmodul. Ein Klick auf den Edit-Button führt auf die Effekt-Seite. Sie enthält fünf unterschiedliche Zeitverzögerungsalgorithmen, die außer Echo-Effekten bei entsprechender Programmierung nicht nur Chorus und Flanger, sondern auch hallartige Effekte erzeugen. Die Parameter alleine in dieser eher beigeordneten Klangkomponente sind äußerst komplex. Selbst erfahrene Routiniers können und müssen hier noch dazulernen. Denn diese augenscheinlich banalen Echo-Effekte üben mitunter drastischen Einfluss auf den resultierenden Klang aus. So kann dieses Modul rhythmische Echos im Takt zu einem vorgewählten Tempo erzeugen. Stereo-Pannings lassen sich damit steuern, was dem Klang mehr Lebendigkeit gibt.
Schon an dieser Stelle wird deutlich, wie vielgestaltig und flexibel der Absynth 3 Klänge erzeugt. Dabei befindet sich der Programmierer immer noch an der Oberfläche des Instruments.
Die über das Patch-Fenster gemachten Einstellungen klingen schon sehr überzeugend. Aber die Lebendigkeit des Klanges lässt noch zu wünschen übrig. Um diese zu erlangen bedarf es der Hüllkurven und der LFOs (Low Frequency Oscillator, deutsch: Niederfrequenz-Oszillator), beides unverzichtbarere Bestandteile jedes Synthesizers. Im Handbuch sind diese beiden Komponenten eher lieblos abgehandelt. Auch hier ist die DVD die richtige Quelle für Wissbegierige, um die komplexe Bedienung dieser beiden Komponenten an Beispielen zu erlernen. Dieses Kapitel macht Lust, selbst alle Möglichkeiten zu ergründen.
Bemerkenswert ist die Funktionserweiterung dieser beiden Klang-Kontroll-Komponenten. Bislang dienen Hüllkurven dazu in einem zeitlich begrenzten Rahmen eher statisch Einfluss auf den Klang zu nehmen. Im Gegensatz dazu besteht die Eigenschaft von LFOs darin, zeitlich unbegrenzt auf einen Klang einzuwirken. Diese bislang üblichen Charakteristika bricht Absynth 3 auf und beide Komponenten erhalten Möglichkeiten, die in den Funktionsbereich der jeweils anderen Komponente hineinragen. Moderator Brian Smith erläutert im Verlauf des Hüllkurven-Kapitels, wofür Hüllkurven und LFOs zuständig sind. Ausgehend davon zeigt er dann, wie sehr sich das Konzept der Hüllkurven dem der LFOs annähert und umgekehrt.
Nicht umsonst haben deshalb die Entwickler von Absynth 3 gut daran getan, diese beiden Bereiche in gesonderte Fenster des Synthesizers zu verlagern. Bei den Hüllkurven hat dies in erster Linie mit einer vehementen Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten zu tun (Abbildung 4). Maximal 68 so genannte Breakpoints, also Ankerpunkte, gestatten es, den Verlauf der Hüllkurve mittels Positionierung zu beeinflussen. Die zeitliche Ausdehnung dieser Verläufe geht bis in den Minutenbereich. Mit diesen Möglichkeiten lässt sich eine Dramaturgie des Klanges herstellen, die an eine Mischpult-Automatisierung erinnert.
So können hier außer der althergebrachten Funktionsweise auch repetitive Hüllkurven und sogar auch rhythmische Hüllkurven entstehen. Durch die Anzahl der Breakpoints ist es möglich drastische Kurven zu erstellen, die vehementeste Eingriffe in Tonhöhe, Lautstärke, Filterverläufe und Stereo-/Surround-Positionen von Klängen nach sich ziehen. Und genau das ist der Punkt, an dem die Hüllkurve zu einem LFO wird. Klänge können in ihrer Lautstärke so rasend schnell und vor allem permanent zerhackt und in der Tonhöhe moduliert werden, wie dies sonst nur ein LFO kann.
Dieses Fenster ist im gesamten Aufbau des Synthesizers das komplexeste, da außer der eigentümlichen Bedienung dort sämtliche Hüllkurven, deren Anzahl schnell anwachsen kann, dargestellt werden. Native Instruments hat diesem Fenster dankenswerterweise einige Bedienhilfen mitgegeben, die den Programmierer unterstützen. So lassen sich Hüllkurven nach Gruppen sortiert ein- und ausblenden. Die Darstellung der Kurvenverläufe ist in der Größe skalierbar und bei Bedarf ist ein Temporaster einblendbar, um Verläufe rhythmisch exakt einrichten zu können.
Das LFO-Fenster gerät im Vergleich dazu wieder übersichtlicher. Bedauerlich ist, dass die Erklärung zur Positionierung und Rolle dieser LFOs innerhalb des Synthesizers im Tutorial etwas ungenau gerät. Die Assoziation liegt nahe, dass dieses Fenster die Möglichkeit zur Feineinstellung der im Patch-Fenster vorhandenen Modulationssektion bietet. Ähnlich der drei Kanäle dort gibt es im LFO-Fenster drei Spalten, die jeweils einen LFO beschreiben und vermuten lassen, dass somit jeder LFO nur für einen Kanal reserviert ist.
Das stimmt aber nicht. Durch kleine nummerierte Taster in jedem LFO, die den jeweiligen Klang-Kanal repräsentieren, sind hier vielfältig kombinierbare Adressierungen dieser drei LFOs auf alle drei Klangkanäle möglich. So kann ein LFO durch Auswahl per Tasterdruck etwa nicht nur die Tonhöhe aller drei Klangkanäle beeinflussen. Es ist (beispielsweise) auch möglich, dass alle drei LFOs auf die Filterfrequenz eines einzigen Klang-Kanals einwirken.
Diesen LFOs gemeinsam ist, dass sie global und losgelöst von den LFOs des Patchfensters arbeiten und so globale Eingriffe in den resultierenden Gesamtklang gestatten. Außer der Lautstärke werden in diesem Fenster die Tonhöhe, die Filterfrequenz und auch das Panorama-Verhalten der Effektsektion gesteuert. Erweitert werden diese drei LFOs noch durch die Möglichkeit, eigene im Wave-Fenster erstellte Wellenformen als Schwingungsgeber einzusetzen, und diese jenseits normaler Erwartungshaltungen einzusetzen. So kann sich ein einziger Schwingungsverlauf bei Bedarf über eine Dauer von 16 Minuten erstrecken und den Gesamtklang in seiner Lautstärke steuern. Und dies rückt die LFOs in den Funktionsbereich der Hüllkurven.
Eher beiläufig wird der Musiker die Surround-Fähigkeiten des Absynth 3 zur Kenntnis nehmen. Filmmusik-Komponisten – im Bonusteil der DVD kommt Jeff Rona ein Komponist dieser Zunft zu Wort – wird dieses Feature jedoch erfreuen. Nicht nur, dass der Klang in einem Surround-Feld positioniert werden kann, sondern er kann sich mit Hilfe von Hüllkurven- und LFO-Steuerung sogar auch noch bewegen.
Noch interessanter ist die Möglichkeit, diverse Parameter des Instrumentes mit MIDI-Controllern zu steuern. Das separate MIDI-Fenster gerät im Vergleich zur Fülle der Einstellmöglichkeiten jedoch recht spartanisch. Es lassen sich lediglich die gängigsten MIDI-Controller programmieren, obwohl der Absynth 3 noch weitaus mehr Möglichkeiten bietet. So lassen sich separate MIDI-Controller auf die Hüllkurven und die LFOs programmieren. Allerdings muss sich der Sound-Designer bei einer planvollen Programmierung von MIDI-Controllern durch mehrere Fenster klicken. Hier wäre eine Erweiterung der Unterfenster auf die Hüllkurven und LFOs hinsichtlich der Übersichtlichkeit aller programmierbaren MIDI-Controller in diesem Menüpunkt komfortabler.
Die vorbildlich gestaltete Bedienoberfläche und das gewöhnungsbedürftige Bedienkonzept der Hüllkurven profilieren den Absynth 3 ganz eindeutig als einen flexiblen und eigenständigen Synthesizer. Das nicht eindeutig kategorisierbare Klangpotenzial bestätigt dieses Profil. Es verblüfft, dass diese Wunder-Software bezüglich ihrer Dokumentation so stiefmütterlich behandelt wird. Die Veröffentlichung der Tutorial-DVD war überfällig.
Moderator Brian Smith versteht es, den Absynth 3 mit allen seinen Facetten sachgemäß und kompakt vorzustellen. Untermauert durch konkrete Anwendungsbeispiele erhält der Absynth-Nutzer einen tiefen Einblick in das ungeheure Potenzial dieses Instrumentes. Wer sich die DVD eingehend angeschaut hat, der kann von sich behaupten, dieses grüne Klangwunder kompetent bedienen zu können. Eine Einschränkung zur DVD ist zu vermerken. Das Fenster lässt sich nicht minimieren und gestattet es nicht, die DVD zeitgleich mit dem Absynth laufen zu lassen, um simultan das Vorgeführte nachvollziehen zu können.
Fazit
Der Absynth 3 ist in erster Linie eine Software zum Programmieren. Sie ist das ideale Tool für Soundtüftler, die jenseits des althergebrachten auf der Suche nach neuartigen und interessanten Klängen sind. Musiker die in erster Linie die üblichen Standard-Klänge einsetzen, werden mit dieser Software nicht glücklich. Wer sich zur ersten Gruppe zählt, dem sei zusätzlich zum Kauf des virtuellen Instruments die Tutorial-DVD wärmstens empfohlen. 49 Euro für ein Lehrvideo sind vielleicht ein wenig happig. Aber die Investition lohnt sich angesichts des Inhalts. Es macht Spaß den Ausführungen von Moderator Brian Smith zu folgen und das Ganze macht sehr schnell Appetit darauf, das eben Gesehene direkt selbst umzusetzen. Native Instruments sollte alsbald wie möglich ein Bundle, bestehend aus Tutorial-DVD und Software anbieten.
Der Absynth 3 kann sich getrost schon jetzt in die Riege legendärer Synthesizer einreihen. Ein unverzichtbares Muss für jeden ambitionierten Sound-Designer.
Erschienen in Ausgabe 05/2006
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 289 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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