Waves Brauer Motion: Lass den Klang fliegen!

Das neue Plug-in Brauer Motion von Waves in Zusammenarbeit mit Mix Engineer Michael Brauer ermöglicht spektakuläre räumliche Effekte – im Handumdrehen.

Von Freda Ressel

 

Michael Brauer, mehrfacher Grammy-Gewinner, unter anderem für seine Zusammenarbeit mit Coldplay und mit John Mayer, ist neben dem für ihn typischen Einsatz multipler Kompression bekannt für seine eher ungewöhnlichen Ansätze beim Panning. Er selbst sagt, dass die Art und Weise, wie Jimi Hendrix‘ Soli einst von Produzenten-Legende Eddie Kramer durch den Raum geschickt wurden, seine Mixingtechnik massiv beeinflusst hat. Daraus entstand auch die Idee, komplexe Klänge im dreidimensionalen Raum umher wandern zu lassen. Zunächst behalf sich Michael Brauer mit dem Dytronics FS-1 Cyclosonic Panner, doch dessen Möglichkeiten reichten dann für die vielen Ideen, die er für die räumliche Bearbeitung von Spuren hatte, irgendwann nicht mehr aus. Als dann der Kontakt mit den Entwicklern von Waves entstand, war schnell klar: Man müsste ein dreidimensionales Panningtool entwickeln. Nach drei Jahren Entwicklungszeit erscheint nun das nach seinem Erfinder Brauer Motion getaufte Plug-in. Wesentliche Besonderheit: Es ist nicht mehr nur möglich, eine einzelne Spur wie üblich im Stereopanorama zu bewegen – vielmehr stehen durch einen Kniff pro Spur gleich zwei unterschiedliche Bearbeitungen parallel zur Wahl. Damit erhöht sich die Komplexität der Positionierungen enorm und es lassen sich interessante räumliche Effekte in Sekundenschnelle angelegen. Platte Mixe bekommen so durch wenige einfache Handgriffe eine regelrechte Frischzellenkur verpasst und insbesondere für elektronische Musik stehen neue, dramatische Effekte zur Verfügung. Das Plug-in kommt zum Preis von 99 Dollar (UVP) und kann wie üblich als zweiwöchige, uneingeschränkte Demoversion ausgiebig vor dem Kauf getestet werden.

Installation

Brauer Motion ist geeignet für PC (ab Windows 7) und Mac (ab OSX 10.10.5) und unterstützt Samplingraten bis 96 kHz. Über die Schnittstellen VST2, VST3, AU, AAX (64Bit) lässt sich das Plug-in in alle gängigen DAWs integrieren.

Die Lizensierung und Installation erfolgt wie üblich über das Waves-eigene Programm Waves Central. Von hier aus können nicht nur Lizenzen aktiviert und Programme heruntergeladen werden. Auch das Weitergeben von Lizenzen wird hier gemanagt, so dass entweder über die Cloud oder einen USB-Stick von einem anderen Computer auf das jeweilige Programm zugegriffen werden kann.

Wo soll es langgehen?

Das GUI von Brauer Motion ist nicht nur graphisch ansprechend gestaltet, sondern auch sehr übersichtlich und intuitiv.

Innerhalb einer kugelförmigen Grafik werden die beiden Pannerkurven angezeigt – Panner 1 in grün, Panner 2 in rot – sowie das „cleane“ Inputsignal, genannt „Direct“ als gelber Strich, der vom Boden der Kugel je nach Mixeinstellung bis zum Mittelpunkt reicht. Eine Mixing-Sektion unterhalb des Orbs bietet die Möglichkeit, die Intensität der einzelnen Spuren im Mix zu regeln.

Die Panner bestehen, je nachdem ob das Plug-in auf eine Mono- oder Stereospur angewendet wird, entweder aus zwei Kopien einer Monospur (Waves spricht hier von Mono-to-Stereo) oder den beiden Kanälen einer Stereospur. Diese können miteinander verlinkt werden, so dass die jeweiligen Tempoeinstellungen aneinander angepasst sind.

Vier verschiedene Kurventypen stehen hier für jeden Panner zur Verfügung. Classic ist eine regelmäßig zwischen zwei Punkten der Längsachse hin- und herwandernde Bewegung. Bei Circle handelt es sich um eine kreisförmige Bewegung, bei der der Punkt, der dem Nutzer optisch am nächsten ist, akustisch genau vor diesem liegen soll. Circle Phase macht im Prinzip die gleiche Bewegung, wobei das Signal an den Seiten der Kugel phaseninvertiert wird, so dass der Anschein einer etwas stärkeren kreisförmigen Bewegung entsteht – der Klang soll quasi hinter dem Kopf des Hörers hinwegfliegen.

Zuletzt gibt es die X Lights, eine Art akustisches Blinken, das an die Lichter amerikanischer Bahnübergänge angelehnt ist. Der Klang springt hier zwischen zwei Punkten auf der Längsachse hin- und her.

Für die drei fließenden Bewegungen stehen unterschiedliche Modulatoren zur Wahl: Sinus, Dreieck, Sägezahn und Rechteck. Zudem kann die Richtung der Bewegung geändert werden, und auch die Breite und Tiefe der Bewegung ist frei änderbar. Grundsätzlich gibt es pro gewählter Kurve drei Punkte, die verschieden positioniert werden können, nämlich den Startpunkt sowie die Positionsmarker A und B. Diese markieren die äußersten Punkte der jeweiligen Bewegung, während der Startpunkt die Position ist, an der die Bewegung von neuem startet. Es ist so auch möglich, die Kreise etwa nur als Halbkreise anzulegen.

Beiden Pannern können unterschiedliche Kurven zugeordnet werden, was dank der vielen zusätzlichen Bearbeitungsmöglichkeiten eine schier endlose Vielzahl an räumlichen Effekten ermöglicht.

Wer bestimmt das Tempo?

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, die Geschwindigkeit der Bewegung anzupassen. Die wohl einfachste Variante ist die Synchronisierung mit der DAW unter Sync. Hier lässt sich auswählen, wie viele Takte bis zur Vollendung einer Bewegung vergehen. Bis zu 32 Takte sind hier möglich. Zudem lässt sich die Geschwindigkeit der Schläge festlegen. Hier sind neben der Normaleinstellung ½, ¼, 1/8, 1/16, 1/32 und 1/64 auswählbar. Die ausgewählten Notenwerte können zudem mit verlängert oder als Triole angewählt werden, so dass zusätzliche rhythmische Variationen möglich sind.

Im Modus Free wird die Zeit, die die Bewegung dauert, in Millisekunden frei gewählt. Praktisch: Beim Wechsel zwischen Sync und Free werden die Werte automatisch in die jeweils andere Einheit umgerechnet. Interessant ist die Einstellung Input, bei der die Amplitude des Eingangssignals die Bewegung steuert. Die Empfindlichkeit, mit der das Programm auf Amplitudenwechsel reagiert, ist dabei einstellbar. Soll sich das Signal einmal gar nicht bewegen, ist Manual die richtige Funktion.

Trigger-Optionen

Die Bewegung ist auch durch Trigger in Form von Threshold-Werten auslösbar. Hier stehen fünf verschiedene Modi zur Wahl: Simple startet die Bewegung nach der ersten Threshold-Überschreitung und lässt sie weiterlaufen, One Shot beendet die Bewegung endgültig, sobald die Werte am Startpunkt wieder unterhalb des eingestellten Thresholds sind. Re-Trigger wiederholt diesen Vorgang stetig, S-Trig Reverse dreht die Richtung der Bewegung, sobald der Threshold unterschritten wird, und bei A to B springt das ursprünglich statisch auf dem Positionsmarker A stehende Signal bei Threshold-Überschreitung zu B, um wieder zurückzuspringen, sobald die Werte wieder unterhalb des gewählten Thresholds liegen.

Kompressor und Motion Filter

Die Dynamikbearbeitungssektion bietet unterschiedliche Möglichkeiten der Klangveränderung. Zunächst ist der Punkt in der Signalquelle wählbar, welcher bearbeitet werden soll, nämlich das Signal des jeweiligen Panners, das cleane Inputsignal oder das gesamte Outputsignal.

Unter Drive lässt sich die Übersteuerung des Signals einstellen, die gewünscht ist. Dabei wird die Ausgangslautstärke entsprechend angepasst, so dass der Übersteuerungseffekt ohne angestiegene Lautstärke hörbar wird.

Ratio legt das Verhältnis zwischen Originalsignal und Kompression fest.

Dazu gibt es noch jeweils ein Hochpass- und Tiefpassfilter, die auf das komprimierte Signal angewendet werden können.

Der Bereich Motion Filter bietet Einstellungsmöglichkeiten für ein High Shelf Filter, das die Intensität des räumlichen Effektes vor allem bei den kreisenden Bewegungen steuert. Zudem können hier unter Gain Far und Gain Close die Lautstärken am nächsten und fernsten Punkt der Kreisbewegung angepasst werden – sollte durch den Kompressor im hinteren Bereich das Signal zu leise sein, wird es so leicht wieder etwas in den Vordergrund gebracht.

Waves Brauer Motion

In der Kugelgrafik lassen sich die Bewegungen, die die einzelnen Spuren im Panningfeld absolvieren, leicht nachvollziehen. Hier schwingt Panner 1 von links nach rechts, während Panner 2 einen weiten Kreis dreht. Das Direct-Signal ist als gelbe Säule im Mittelpunkt dargestellt.

Praxis & Klang

Um sofort in medias res gehen zu können, hat es der Hersteller dem Nutzer besonders einfach gemacht und ganze 80 Presets verschiedenster Art angelegt, mit denen die grundlegenden Unterschiede der einzelnen Settings schnell nachvollziehbar sind. Dabei sind die ersten, nach Brauer benannten Presets ein guter Startpunkt. Sowohl mit Studiomonitoren als auch mit Kopfhörern sind die klanglichen Unterschiede, die man mit der räumlichen Bearbeitung produziert, nicht nur eindeutig zu lokalisieren, sondern sie klingen auch fantastisch.

Für den Test bearbeiteten wir eine flächige Synthesizerspur sowie mehrere Gesangsspuren (Backinggesang) und einen Schlagzeugloop.

Für den Synthesizer scheinen die ausufernden, extremen Bewegungen wie geschaffen zu sein. Schon die erste Defaulteinstellung mit einem Panner in Circle- und einem in Classic-Position gibt der Fläche eine ungeahnte Weite und Tiefe.

Indem man einen der Panner stummschaltet, den anderen im großen Radius umherkreisen lässt und gleichzeitig der Gesamt-Mix auf etwa 30 Prozent stellt, so dass das Originalsignal 70 Prozent des Mixes ausmacht, erreichen wir einen schönen satellitenartigen Effekt um das cleane Signal.

Spielend vergrößern wir den Radius des Kreises, lassen den Klang im Halbkreis umherschwingen und passen die Bewegung durch Synchronisierung mit dem Tempo in der DAW an, um durch Rotationen im 1/32-Tempo dem Gesamtmix eine zusätzliche, nahezu perkussive Rhythmuskomponente zu geben.

Auch die X Lights-Einstellung sorgt hier für einen entsprechend rhythmisch zackigen Effekt.

Für Backinggesang wählen wir zunächst eine etwas sanftere Varianten. Zwei Halbkreise relativ weit außen in der Stereobreite, die sich exakt gespiegelt zueinander bewegen, liefern die Illusion von zwei Stimmen ohne eigentlichen Choruseffekt. Isoliert klingt das relativ auffällig, im fertigen Mix wiederum ist es dezent eingebettet, kann aber für das „je ne sais quoi“ sorgen, das dem Song noch gefehlt hatte. Ergo: Die Backingvocals sind nun viel deutlicher wahrzunehmen, ohne dass sie im Mix angehoben werden müssen.

Mehrstimmige Chöre lassen sich gar völlig wild im Raum umherwerfen, wenn jede Spur unterschiedliche Bewegungen verfolgt. Die zentral im Mix sitzende Leadgesangsspur profitiert dabei auch von der Bewegung, scheint sie dadurch doch noch gefestigter wie ein Fels in der Brandung im Mittelpunkt zu stehen. Die Möglichkeiten sind schier unendlich und es macht unheimlich viel Freude, mit Brauer Motion zu experimentieren.

Einen Mono-Schlagzeugloop können wir räumlich nicht nur auflockern, sondern ihm eine tatsächliche Stereoillusion entlocken – mit X Lights etwa schicken wir beim regelmäßigen Beat die Beckenschläge nach rechts und links, während gleichzeitig auf dem anderen Panner eine langsam kreisende Bewegung mit geringer Tiefe und Breite dem Rest des Loops dezent mehr Tiefgang liefert. Um die Lautstärkeveränderung zwischen dem vorderen und hinteren Bereich des Kreises etwas abzuschwächen, erhöhen wir im hinteren Bereich das Gain leicht.

Auch die extremen rhythmischen Effekte, die wir zuvor am Synthesizer ausgetestet haben, lassen sich auf das Schlagzeug anwenden – gerade für die elektronische Musik ist dieses Art der Schlagzeugbearbeitung sehr interessant.

Fazit

Gleichgültig, ob im Mix sparsam eingesetzt zur leichten Emphasis eines Details oder mit starkem Panning dank imposanter Kreisbewegung im weiten Radius um den Hörer herum – Brauer Motion bietet eine Fülle an Möglichkeiten, den Klang im Raum herumschwirren zu lassen. Der Suchtfaktor des Plug-ins ist definitiv hoch, da gerade, wenn es um feinere Nuancen geht, eine erstaunlich große Wirkung im Mix erreicht wird.

Erschienen in Professional audio 09/2017