Bunte Blackbox mit KI-Innenleben

Das Unternehmen sonible ist modern, hochmodern. Nichts ist trendiger als smarte KI-Tools und ein solches haben wir hier mit dem pure:EQ als Vervollständigung des „pure“-Bundles in der Hand. Dank Machine-Learning soll Entzerrung zum Kinderspiel werden, der Mix auf Knopfdruck transparent und druckvoll klingen. Simple as that? Wir haben es ausgiebig getestet.

von Carlos Jünemann

Das Unternehmen sonible aus Graz hat bereits einige Jahre Erfahrung mit smarten Mixhelfern auf dem Buckel und ihre Flaggschiff-Werkzeuge der smart-Reihe darf man getrost als etabliert betrachten. Insbesondere im Bereich Live-Technik liegt ein immenses Potenzial für smarte Tools wie den „smart:EQ live“ oder dem Studio-Zwilling „smart:EQ 3“, deren Einsatz die Arbeit hinter dem Mischpult deutlich vereinfachen und beschleunigen kann. Die pure-Serie lässt sich als an der Oberfläche simplifizierte, bedienungsfreundliche kleine Schwester umschreiben, deren KI-Innenleben jedoch nicht weniger sorgfältig programmiert wurde. Sie richtet sich vor allem an jene, die den eigenen Blick nicht mit technischen Details verstellen mögen und sich lieber auf die kreative Arbeit konzentrieren. Jüngster Zuwachs im Bund(l)e ist der rund 50 Euro kostende pure:EQ, den wir im folgenden unter die Lupe nehmen.

Her mit dem Helferlein

Der EQ kommt in den heute gängigen Plug-in-Formaten AU, VST2, VST3 und AAX daher, während das Waves-Format WPAPI für das Waves-eigene MultiRack (native) bisher lediglich vom großen Bruder „smart:EQ live“ unterstützt wird. Hier findet also ganz klar eine Abgrenzung der Zielgruppen statt. Aber nicht nur der Live-Bereich kann Schnelligkeit gut gebrauchen, auch (Home-)Studios und Musiker sowie Content-Creator werden sich gerne die Arbeit von der KI erleichtern lassen, um den Fokus auf der kreativen Arbeit behalten zu können.

Um das zu erreichen gibt es beim pure:EQ ein sehr einfaches und intuitives GUI (Graphic User Interface) mit nur sechs Parametern:

  • Profile: per Drop-down-Liste finden sich dort 15 wählbare Profile von „Universal“ bis „Vocals low“.
  • Balance: Der raumgreifende Regler erlaubt das Einstellen der Intensität des „smart:filter“-Einsatzes.
  • Style: Per Klick stehen die Optionen „warm“, „neutral“ und „bright“ zur Verfügung.
  • Low Range: zum möglichen Ausschluss tiefer Frequenzen von der Bearbeitung.
  • High Range: zum möglichen Ausschluss hoher Frequenzen von der Bearbeitung.
  • Dynamic: prozentual einstellbarer dynamischer Einsatz des EQ.

Hinzu kommen natürlich noch die Learn-Funktion, um der KI vor ihrem Einsatz eine Hörprobe zu geben und der wichtigste Knopf an allen Plug-ins, der Bypass. Der Vergleich lohnt hier bekanntlich immer, wenngleich die Maschinenintelligenz einen klaren Vorteil ausspielen kann: Ihr „Gehör“ ermüdet nicht.

Lernen und Lernen lassen

Um optimale Ergebnisse zu erhalten, sollte die KI in dem Abschnitt der Session lernen, auf den es auch wirklich ankommt. Also wird die auto-terminierende Lernfunktion auch erst in diesem Teil per Mausklick auf den grünen Knopf gestartet. Als besonderes Highlight ermöglicht die „Dynamic“-Einstellung es dem Algorithmus, sich ständig auf verändernde Klangbilder anzupassen und so ein konsistenteres Ergebnis zu liefern, als klassische Equalizer es könnten. Bei Werten geringfügig größer als „0“ wird eine eher langsame und subtile spektrale Anpassung an das veränderliche Eingangsmaterial vorgenommen, während höhere Werte dazu führen, dass die Ergebnisse im Klang über den Zeitablauf drastisch ausfallen können Das ist besonders bei stark heterogenem Material wie zum Beispiel einer Gitarre zu hören, die zuerst ein deutlich verzerrtes Akkordbrett liefert, um dann auf derselben Spur ein nur angecrunchtes Solo zu spielen. Ähnlich verhält es sich bei einer Vokalspur, die von Growling zu Falsettgesang wechselt. Die Bearbeitung ist also bei „100“ am dynamischsten. Bei „0“ ist sie hingegen am starrsten über die Zeit und damit am ehesten mit einem konventionellen EQ vergleichbar. Hier lohnt es sich daher mitunter über einen längeren Zeitraum genau hinzuhören und eventuell per Automation in der DAW einzugreifen, um den Parameter anzupassen.

Der Style-Regler macht sich am stärksten bei komplexeren Signalen mit Fullrange-Charakter sowie Mischungen (Subgruppen, Master) bemerkbar, während der Unterschied bei Einzelinstrumenten eher subtil sein kann. In diesem Fall spielen die voreingestellten Instrumenten-Algorithmen (Profiles) eine deutlich entscheidendere Rolle. Sie können natürlich ihrem vom Hersteller zugedachten Bestimmungszweck zugeführt, aber auch als kreative Verbiegung der Frequenzkurve auch auf andere Signalarten eingesetzt werden. Dabei schalten die „Profiles“ wie auch die „Styles“ nahtlos, ohne erneutes Erlernen des Eingangsmaterials um und ermöglichen den direkten Vergleich. Nicht nur deshalb sei das GUI insgesamt besonders lobenswert hervorgehoben. Es lädt zum intuitiven Eingreifen ein und reagiert immer erwartbar und zuverlässig. Mein Kompliment an die Entwickler und Tester. Die beiden Range-Parameter dienen dazu, die wild rechnende Künstliche Intelligenz zu bändigen und ihre Aktivität zwischen 20 und 500 Hz oder respektive 1kHz und 20kHz zu unterbinden, um das Original stärker zu erhalten. Schade, dass sich beide Regler nicht über das gesamte Spektrum stufenlos verschieben lassen.

Die CPU-Last eines solch modernen Frequenz-Heinzelmännchens ist naturgemäß deutlich höher als beispielsweise bei einem klassischen „un-smarten“ Stock-EQ wie Cubase. Allerdings fiel sie beim Test auf einem M1-Rechner in Logic mit 120 geöffneten Plug-in-Instanzen auch nicht übermäßig aus.

Auf dem Wunschzettel des Profis bleibt indes ein Advanced-Mode offen, der ein manuell stärkeres Eingreifen ermöglichen könnte. Nachdem die KI die Grundarbeit erledigt hat, bieten Konkurrenzprodukte wie etwa das übrigens auch mit sonible-Algorithmen angetriebene Focusrite „Fast Bundle“ oder aber Izotopes Neutron eine solche Verfeinerungsmöglichkeit an. Dies mag allerdings der von sonible brillant realisierten Philosophie der Einfachheit und Niedrigschwelligkeit für den Einsteiger entgegenstehen. Für den Profi wäre mehr Eingriffsmöglichkeit dennoch sinnvoll und diese ließe sich beispielsweise auch über eine Aufwärtskompatibilität mit dem „smart:EQ 3“ erreichen, der dann den pure:EQ in der Profi-Session einfach im selben Plug-in-Slot (ohne Neulernen) ersetzen und erweitern könnte. So liesse sich von allen Vorteilen des großen Bruders profitieren, insbesondere auch von seiner Fähigkeit, mit anderen Einheiten in derselben Session zu kommunizieren und Maskierungsprozesse zu erkennen und zu berücksichtigen. Auch diese Fähigkeit ist unserem schnellen schlauen Helfer aus der pure-Serie (noch) nicht gegeben. Er bleibt vorerst Einzelkämpfer, wenngleich ein sehr talentierter.

Keine Rechnung ohne den Klang

Die klanglichen Resultate sind aber dennoch auch im Gesamtmix sehr beeindruckend und können viel Arbeit in Produktion und Mixdown erleichtern oder sogar überflüssig machen. Ein solider Rough-Mix lässt sich im Handumdrehen realisieren, umso mehr wenn die Produktionsgrundlage gut ist und noch weitere (smarte) Werkzeuge wie Kompressor und Reverb greifbar sind. Das pure-Bundle macht´s möglich. Als besonders stark erweist sich der pure:EQ im Test bei der Zähmung digitaler Härte und mangelnder Definition tiefer Frequenzen. Das erinnert an Soundtheorys „Gullfoss“ oder Izotope-Ozones „Stabilizer“ und „Spectral Shaper“ Prozessoren. Mit dieser feinen Auflösung für die Summenbearbeitung ist aber noch lange nicht Schluss. So finden sich in den mitgelieferten Profilen neben dem Modus „Universal“ auch spezifische Algorithmen für Drums, Gitarren, Keyboards, Sprache, Synths und Vocals. Insbesondere bei den Drums und hier nochmal speziell bei elektronischen Sounds und Samples überzeugt der EQ auf beeindruckende Weise und liefert auf Knopfdruck deutliche Veredlungen. Aber auch hier gilt wie schon immer in der Tontechnik: Je besser die Aufnahme/Produktion, um so überzeugender das Mix-Ergebnis. Auch die KI ist keine Kläranlage. Bei schwierigeren Signalen wie im aktuellen Test mit einer eher billigen Akustikgitarre waren auch mit dem passenden Profil im pure:EQ keine zufriedenstellenden Ergebnisse zu erzielen. In diesem Fall war klassische Handarbeit mit dem Standard-EQ gefragt. Auch Vokalaufnahmen stellten sich erwartungsgemäß als klanglich sehr individuell heraus und als generelle Empfehlung ist die Feinjustage mit dem Balance-Regler sinnvoll.

Generell lässt sich dem pure:EQ eine Tendenz zum „Weichmacher“ bescheinigen, mit dem der Anwender in Windeseile zu einem gefälligen Ergebnis gelangt. Er räumt klanglich schön auf und nivelliert Resonanzen recht gut, eignet sich aber nicht als kompletter Ersatz für eigene Arbeit, gerade dann, wenn es auf die eigene Note ankommt. Am besten eignet sich das Tool meiner Meinung nach bisher für dezente Summenveredlung, wo es schöne Ergebnisse zeitigt.

Fazit

Der kleine smarte „pure:EQ“ von sonible kostet regulär rund 50 Euro und er bietet ein phantastisch leicht zugängliches Interface und überzeugende klangliche Eigenschaften. Beim Produzieren von Musik- oder Sprachprogrammen liefert er einen großartigen Startpunkt für den guten Klang und verzichtet bewusst auf detaillierte technische Eingriffsmöglichkeiten. Die Empfehlung geht damit vor allem an Podcaster, Sprecher, aber auch an Musiker und Produzenten, die schnell gut klingende Ergebnisse erzielen wollen oder müssen und sich dabei nicht auf tontechnische Bearbeitungen konzentrieren können.