Klein in der Hand – Großer Glanz im Klang

Sony feiert erfolgreichen Familienzuwachs bei den Kondensator-Mikrofonen. Die Beziehung zum legendären Vocal-Mikro C-800G und auch zum kleinen Bruder C-100 wird an Hand der Namensgebung, Form und Farbe direkt deutlich. Somit sind die Erwartungen natürlich hoch. Und diese gehen unausweichlich in eine Richtung: Bekomme ich als Budget-bewusster Produzent, (Home-)Studiobetreiber oder Content-Creator Sonys Weltklasse-Klang für rund 600 Euro? Im Test hören wir genau hin und beleuchten das kompakte Werkzeug von allen Seiten.

von Carlos Jünemann

Sonys Klassiker C-800G ist wohl jedem ein Begriff, der sich einmal intensiv mit Vocal-Recording auf Profi-Niveau auseinandergesetzt hat. Weltbekannte Künstler wie Eminem, Kanye West, Snoop Dogg oder Mariah Carey haben ihre Stimmen mit der detailreichen, seidigen Präzision und bestechenden Klarheit dieses Schallwandlers in elektrische Signale ver- beziehungsweise gewandelt. Ebenso hat der kleine Bruder, das etwa achtfach preisgünstigere C-100, längst seinen verdienten Platz im Markt gefunden.

Die jüngste Entwicklung aus dem Hause Sony, das C-80 ist nun angetreten, die Angebotslücke in einem äußerst erschwinglichen Preissegment – Kostenpunkt:  rund 590 Euro – zu schließen und macht sich dabei viele Vorzüge der Verwandtschaft zu Eigen.

Das kleine Schwarze und andere Äußerlichkeiten…

Sony übergibt das neue Juwel mit überschaubarem, aber wohl durchdachtem Zubehör an den geneigten Kunden. Neben einer knappen aber mehrsprachigen, in umständlicher Landkartenfaltung verfertigten Bedienungsanleitung enthält das Paket das Mikrofon selbst in einer äußerst stabilen, wasserabweisenden und schockabsorbierenden Softbox. Weil aber aller guten Dinge drei sind, gibt es obendrein noch eine zunächst etwas fragwürdig anmutende Kunststoff-Spinne. Nach genauerer Betrachtung entpuppt sich diese jedoch als solide und clever gefertigte Halterung, in der sich das C-80 schnell und sicher aufstellen, respektive -hängen lässt. Die Budget-optimierte Halterung wurde aus vergleichsweise biegsamerem Material als zum Beispiel die Spinne des mittlerweile klassischen AKG C414 XLS hergestellt. Sie neigt deshalb deutlich weniger zu Bruch durch zu hohen (Finger-)Druck, etwa beim Anziehen der Feststellschraube.

Doch zurück zum Schallwandler: Die Verarbeitung des mattschwarzen Vollmetallgehäuses ist genauso hochwertig wie das Design geradlinig: Schlicht mit einem Hang zum Understatement. Ebenso in schwarz kommt der grobmaschige Korb, der die goldbedampften Membranen nur bei genauerem Hinsehen durchscheinen lässt.

Die schnörkellose weiße Beschriftung der Schalter für 10dB Vordämpfung, Low-Cut und Angabe der Richtcharakteristik wirkt weniger edel als pragmatisch. Offenbar soll, neben der Ähnlichkeit zu den größeren Geschwistern, der Charakter als Arbeitswerkzeug im Recording-Alltag betont werden.

Außer der Verantwortung hat der Toningenieur dabei nicht schwer zu tragen. Denn die nur 215 Gramm leichte „schwarze Röhre“ ist äußerlich in der Tat ein Zwerg, der in jede Reise-, ja sogar Hosentasche passt. Damit empfiehlt sich das C-80 als ständiger Begleiter im Studio, Hotelzimmer oder in nahezu jeder mobilen Situation.

Mit einer Höhe von rund 16 und einem Durchmesser von vier Zentimetern bietet sie gerade genug Platz für die Grossdoppelmembrankapsel, den XLR-Anschluss und die Vorverstärkerelektronik inklusive der schon erwähnten Schalter zur Signalanpassung. Diese sind leichtgängig und lassen sich wegen ihres geringen Überstands zur Gehäuseoberfläche am besten mit dem Fingernagel schalten. Da es sich um elektro-mechanische Schalter handelt, sollten sie natürlich möglichst vor dem Einsatz und nicht im laufenden Betrieb unter Phantom-Power betätigt werden. Ein lautes Schaltgeräusch, je nach Verstärkungspegel verbunden mit Signal-Clipping, wäre die unausweichliche Folge. Im schlimmsten Fall könnten die Studioboxen beschädigt, im geringsten Fall die Nerven des Produzenten gereizt werden.

 

Aufgehängt – der Einsatz in der Praxis

Es lässt sich sicherlich darüber diskutieren, ob ein Mikrofon lieber gestellt oder gehängt werden sollte. Als eher traditionell geprägter Tonmeister bevorzuge ich die gehängte Position,  die es ermöglicht, weniger scharfe S-Laute einzufangen. Die Sibilanten verlassen den Mund ja vor allem nach vorne/unten, weniger jedoch nach oben und werden somit nicht so stark im Klangbild wirksam.

Im Test fällt das C-80 von Anfang an durch eine starke Präsenz in den oberen Mitten auf, was den Klang sehr stark nach vorne holt und somit den Zeitgeschmack zielgenau trifft. Oftmals muss sich die Stimme in diesem Kontext ja auch gegen harte Transienten elektronischer Instrumente und Samples durchsetzen. In meinen Ohren klingt es mitunter etwas zuviel des Guten und die Hängung hilft auch hier ein wenig bei der klanglichen Balance. Selbstverständlich ist dies auch immer vom Abstand des Sängers oder der Sängerin zum Mikrofon und dem jeweiligen Winkel abhängig.

Im Test hält der Vokalist einen Abstand von circa 15 Zentimetern bei direkter On-Axis-Avisierung der Membran mit den Lippen. Diese Distanz markiert übrigens beim C-80 ziemlich genau die Grenze der deutlichen Tiefenanhebung durch den Nahbesprechungseffekt. Ein wenig davon, wohl dosiert, tut dem in den Tiefmitten bis oberen Bass eher schlanken Sony-Nachwuchs recht gut. Der Gesamtklang wird dadurch leicht „angewärmt“ und erhält somit etwas mehr Ruhe. Mit den größeren Geschwistern C-100 und C-800G kann das kleine Schwarze bei aller Verwandtschaft jedoch nicht vollends mithalten. Es klingt eher offen als warm, dabei jedoch nicht aggressiv oder unangenehm.

Der eingebaute Vorverstärker ist äußerst rauscharm und leistungsstark. Er liefert mit fast 32 mV/Pa ein noch stärkeres Nutzsignal als das klassische Neumann U87 Ai (28 mV/Pa). Ein eindeutiger Pluspunkt, besonders bei leisen Quellen oder Ambience-Aufnahmen.

Übrigens verhält sich das C-80 zu Sonys teureren Modellen ähnlich wie die direkte Konkurrenz, Neumanns TLM102, zu deren Klassiker U87 Ai: Das jeweils preisgünstigere, kleinere Modell klingt im Vergleich weniger tiefenreich, einfach abgespeckter. Stellt man nun das C-80 dem TLM102 direkt gegenüber, so bekommt man bei Neumann den typischen leichten HiFi-Touch mit etwas weicheren Mitten und seidigen Höhen, die nicht ganz so stark vorne stehen wie beim Sony. Sonys Stammbaum klingt seinerseits direkter und bringt bereits eine Spur mehr der in R&B, EDM und Hip-Hop bevorzugten „Luminanz“ und „Air“, ohne den EQ bemühen zu müssen. Aufgrund der Betonung schon ab knapp 2 kHz ist jedoch bei allzu „quäkigen“ Stimmen Vorsicht geboten. In diesem Fall geht der Griff vielleicht doch eher zu einem anderen Schallwandler.

Low Cut – One Direction

Gäbe es nicht so viele ungewollte, nicht-tonale Luftbewegungen hat es beinahe den Anschein, als könne man auf das Hochpassfilter beim C-80 vollends verzichten. Der Tiefenbereich wird, wie bereits angemerkt, nicht übermäßig abgebildet. Insbesondere dann nicht, wenn die Nahbesprechung verlassen wird. Dieser Umstand qualifiziert die Kompaktwaffe nahezu unausweichlich für Tenor-, Alt- und Sopranlagen – oder eben für ausgedünnte Stimmen jeglicher Couleur, die so über einem voluminösen Bassfundament im Track ihren Platz nahtlos einnehmen können.

Der eingebaute Low-Cut ist übrigens in den technischen Daten nicht näher in Bezug auf Grenzfrequenz und Flankensteilheit spezifiziert. Nach Messung mit Pink-Noise-Signal handelt es sich jedoch offenbar um einen Hochpass 1. Ordnung (6 dB/Oktave) mit einer Grenzfrequenz von 100 Hertz.

Nicht schaltbar ist im Gegensatz zum C-100 und C-800G die Richtcharakteristik. Ebenso wie beim Konkurrenten TLM102 verfügt das C-80 über Nierencharakteristik. Das schränkt die Einsetzbarkeit leicht ein, lässt aber dennoch einige Möglichkeiten für Stimmen und Instrumente offen. Dazu später noch mehr.

 

Ausklang – präsent und klar ab der ersten Note

Wie schon beschrieben und von vielen sicherlich erwartet, klingt Sonys Nachwuchs eher Mitten- und Höhenbetont. Auch Prädikate wie „offen“ und „airy“ (viel Hauch) lassen sich leicht vergeben und die klare Ähnlichkeit mit  dem Urahn C-800G und dem mittleren Bruder C-100 lässt sich kaum verleugnen. Transienten werden entsprechend schnell und deutlich abgebildet. Ein echtes Sony eben. Bei vielen identischen Bauteilen inklusive der Doppelmembrankapsel des C-100 und der Gehäusekonstruktion des C-800G aus zwei kombinierten Metallen ist das auch kaum ein Wunder. Die sehr edle klangliche Note der Röhre des 18 Mal so teuren C-800G wird in den Höhen erwartungsgemäß nicht ganz erreicht. Dafür gibt es im Vergleich etwas mehr Mittenhärte zwischen 1,7 und 2,8 kHz.

Die für eine Niere nicht zwingend notwendige Doppelmembran-Konstruktion soll laut Hersteller den Nahbesprechungseffekt minimieren.

Wie wir gesehen haben, kommt das C-80 dennoch nicht ganz ohne aus, was Vokalisten für gewollt intim klingende Passagen sicherlich zu schätzen wissen.

Im S-Laut-Formantenbereich (6,5 – 8,5 KHz) klingt das C-80 vernehmlich schärfer als das beinahe drei Mal so teure C-100 in vergleichbarer Niereneinstellung. Jenes bietet für den merklichen Preisaufschlag übrigens zusätzlich noch eine Kugel- und Achter-Charakteristik. Ein weiterer Unterschied ist der ausgeprägtere Tiefmittenbereich zwischen 200 und 400 Hz. Im Vergleich verhält sich das Nesthäkchen C-80 hier eine Idee weniger „dickbauchig“.

Zum Abschluss sei noch ein kleiner Überblick über die Einsatzmöglichkeiten des C-80 erlaubt:

  1. Gesang

Die meisten bisher getroffenen klanglichen Aussagen bezogen sich bereits auf dieses Thema. Ergänzend soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass bei weiblichen, vermutlich auch bei manchen männlichen Stimmen eine Tendenz zu überpräsenten S-Lauten besteht. Noch ein Grund das Mikrofon zu hängen (siehe oben) und den De-Esser schon einmal warmlaufen zu lassen.

  1. Sprache

Als Mikrofon für Sprecherinnen wirkt das C-80 tendenziell zu „körperlos“. Unabhängig vom Low-Cut-Filter ist es in den Tiefmitten/Tiefen eine Spur zu schlank. Die Nahbesprechung oder ein Equalizer können hier helfen. Männliche Sprecherstimmen wirken durch ihren Bassanteil ausgewogener. In allen Fällen erscheint die Stimme bei hoher Sprachverständlichkeit gleichsam präsent und nah am Hörer.

  1. Akustikgitarre

Hier ist der Eindruck in der Standard-Position am zwölften Bund vornehmlich dünn, eher perkussiv und fragil. Im Einsatz als einziges Mikrofon für eine Solo-Konzert-Gitarre ist das C-80 daher sicher nicht die erste Wahl. Wird die Gitarre vor allem aber perkussiv oder „silbrig glänzend“ in der Mischung verlangt, sieht das Bild schon wieder ganz anders aus. Auch als zusätzliches Mikro an Hals oder Steg für eine Singer-/Songwriter-Gitarre macht das C-80 eine gute Figur.

  1. Drums

Drum-Room: Bei diesem Einsatz schlägt sich der Testkandidat sehr ordentlich. Die Tiefmitten sind bereits vorentzerrt (abgesenkt), genauso wie die oberen Mitten und Höhen (angehoben). Es erinnert vage an eine Freifeldentzerrung bei Kugelmikrofonen, wodurch die Luftreibungsverluste auf Entfernung kompensiert werden. Dadurch wirkt die Quelle wiederum akustisch näher. Die unverfälscht-voluminöse Bass- und Tiefmittenabbildung kann man vom C-80 hingegen nicht erwarten. Aus diesem Grund werden Jazz- oder Klassikproduzenten hier sicherlich kaum zugreifen.

Für die Overheadposition gilt Vergleichbares. Wer aber im Frequenzspektrum viel Platz für die Close-Mikes schaffen möchte, findet einen passenden Sparringspartner mit glitzernden Höhen für die Becken. Für Trommeln im Nahbereich ist das C-80 indes keine Empfehlung. Es mangelt dafür an genügend „Körper“ und knackiger Mittenpräsenz bis circa 2 kHz. Eine rühmliche Ausnahme stellt jedoch die Position „Snare Bottom“ dar. Hier brilliert das kleine Sony und zaubert einen wunderbar silbrigen Teppich.