Kompaktmischer zwischen den Welten

BiG SiX, der neuste Kompaktmischpult-Streich von SSL ist da und will mit seinem Hybridkonzept die Homerecording- und Projekt-Studios erobern. Das Zeug dazu hat es.

Text und Fotos von Harald Wittig

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In jüngerer Zeit hat sich Solid State Logic, fast besser bekannt unter dem Kürzel SSL, sehr um die Homerecorder und Betreiber kleiner Projektstudios verdient gemacht. Wir denken an die sehr kostengünstigen USB-Audiointerfaces SSL 2 und SSL 2+, den Plug-in Controller SSL UC1, aber auch an das analoge Kleinpult SiX. Dieses putzige Pültchen lieferte für vergleichsweise wenig Geld den begehrten SSL-Sound und hat vor allem bei den grundsätzlich voll digitalisierten Tonschaffenden zahlreiche Liebhaber gefunden. Dennoch wurde schon bald der Wunsch der SSL-Fans nach einem Kleinpult laut, das in der analogen und der digitalen Klangwelt zu Hause ist. Andere Hersteller können’s doch auch – und wer, wenn nicht SSL mit jahrzehntelanger Pro-Audio-Expertise, könnte ein solches Mischpult entwerfen und bauen? Die Rufe verhallten nicht ungehört, erreichten den Entwickler-Stab in Oxford et voilà: Das BiG SiX hat die Bühne betreten und präsentiert sich den Augen und Ohren der weltumspannenden Pro-Audio-Gemeinde. Auch der unseren und wir sind Feuer und Flamme, das mit rund 3200 Euro nicht eben billige Kompaktpult ausführlich zu begutachten. Was wir sogleich auch tun wollen.

Weiter gedacht

Das BiG SiX versteht sich als das große Geschwister des Kompaktpults SiX, das dem Grunde nach dessen Analog-Konzept um ein 16-kanaliges USB-Audiointerface erweitert. Es bedarf also keines zwischen den Audio-Welten mittelnden Zusatzgeräts wie eines Interfaces oder – noch besser – eines AD-Wandlers, um den analogen SSL-Klang in den Rechner zu bringen. Auf dass der Tonschaffende und das BiG SiX in der bevorzugten DAW-Anwendung eine kesse Produktionssohle aufs Parkett legen. Doch am Anfang steht das Analoge, weswegen wir uns zunächst den Aufbau des BiG SiX ansehen wollen.

Die Oberfläche des SSL BiG SiX ist klar strukturiert: Links die vier Mono-Channelstrips zum Anschluss von Mikrofonen und Instrumenten, mittig die vier Stereo-Kanäle, die ausschließlich Line-Signale verarbeiten, ganz rechts die Monitoring-Abteilung.

Die Oberfläche des SSL BiG SiX ist klar strukturiert: Links die vier Mono-Channelstrips zum Anschluss von Mikrofonen und Instrumenten, mittig die vier Stereo-Kanäle, die ausschließlich Line-Signale verarbeiten, ganz rechts die Monitoring-Abteilung.

Das Mischpult verfügt über vier Mono- und vier Stereo-Kanäle, weswegen SSL folgerichtig von zwölf Kanälen spricht. Diese eint, dass sie nach dem herstellereigenen „SuperAnalogue“-Schaltungskonzept aufgebaut sind. Die Engländer setzten es erstmals in den sündhaft teuren Großkonsolen der 9000er-Serie um, im BiG SiX, wie schon im kleinen SiX, findet es sich wieder. Dabei handelt es sich übrigens nicht um eine spezielle Schaltung, die mittels extrem teurer Custom-Bauteile umgesetzt wird. SSL spricht von einer Design-Philosophie, also einem Grundkonzept, das im Ergebnis für höchste Signaltreue sorgen soll, indem Rauschen und Verzerrungen allenfalls messtechnisch nachweisbar sind. Hinzu kommt eine ungewöhnlich große Bandbreite, die – dafür steht „SuperAnalogue“ – im Falle des BiG SiX über 100 Kilohertz reicht. Die SSL-Entwickler sind fest davon überzeugt, dass allein ein so breitbandiger Aufbau eine optimale Transienten-Wiedergabe gewährleistet. Damit sind die Engländer in bester Gesellschaft und tatsächlich sind beispielsweise Mikrofon-Vorverstärker der High-End-Klasse ähnlich konzipiert. Typisch für „SuperAnalogue“ ist auch der Verzicht auf Koppel-Kondensatoren, denn diese sollen bei impulshaften Schallereignissen, also Transienten, für Verzerrungen sorgen. Eben diese haben aber in den SSL-Pulten, die nach dem SuperAnalogue-Konzept aufgebaut sind, rein gar nichts zu suchen. Doch, dieses Schaltungskonzept verlangt nach einigem Aufwand, weswegen nicht nur wir bei zwölf derartig aufgebauten Kanälen mit einem durchaus höheren Preis für das Pult gerechnet haben. Sie ahnen es schon: Das BiG SiX wird in China gebaut. „Made in England“ ist wohl kaum zu einigermaßen moderaten Endverbraucher-Preisen umsetzbar. Deswegen wollen wir es bei dem Hinweis belassen und uns wieder dem Pult zuwenden.

In der Tradition der großen SSL-Pulte

Lassen wir den Blick über die Pultoberfläche schweifen, erkennen wir linksseitig die vier Mono-Kanalzüge. Die sind gleich aufgebaut und verfügen über einen XLR- und Klinkeneingang, sinnvollerweise auf der Oberseite angeordnet. An der XLR-Buchse werden selbstverständlich Mikrofon-Kabel angeschlossen, für den Betrieb von Kondensatormikrofonen ist für jeden der vier Kanäle die Phantomspeisung separat zuschaltbar. Mithin ist die Kombination mit Tauchspulen- und passiven Bändchenmikrofonen problemlos möglich. Die Klinkenbuchse empfängt Line-Signale, lässt sich aber auch als Hi-Z Eingang fürs direkte Einstöpseln von passiven E-Gitarren und E-Bässen schalten. Ist der Hi-Z Schalter aktiviert, wechselt die Eingangsimpedanz von zehn Kiloohm auf ein Megaohm, sodass klangverschlechternde Unteranpassungen ausgeschlossen sind. Die Eingangsverstärkung reicht für den Mikrofoneingang bis maximal 72 dB, sodass auch flüsterleise Bändchen ohne Not anschließbar sind.

Die vier Mono-Kanäle sind umfangreich ausgestattet:Neben zwei Cue Sends mit eigenen Panorama-Reglern verfügen die Kanalzüge über einen Drei-Band-Equalizer und einen Kanal-Kompressor. Die Effekte können jederzeit zugeschaltet werden. „SuperAnalogue“ weist auf das Schaltungskonzept des Pults hin, wonach erstmals die Groß-Konsolen der 9000er-Serie aufgebaut waren.

Die vier Mono-Kanäle sind umfangreich ausgestattet:Neben zwei Cue Sends mit eigenen Panorama-Reglern verfügen die Kanalzüge über einen Drei-Band-Equalizer und einen Kanal-Kompressor. Die Effekte können jederzeit zugeschaltet werden. „SuperAnalogue“ weist auf das Schaltungskonzept des Pults hin, wonach erstmals die Groß-Konsolen der 9000er-Serie aufgebaut waren.

Ein zuschaltbares Hochpass-Filter, das bei 75 Hertz einsetzt, und ein Phasenumkehrschalter runden die Ausstattung des Mikrofonvorverstärkers ab. Apropos: Der Phasenumkehrschalter fehlt noch beim SiX, was oft bemängelt wird. SSL hörte das Wehklagen seiner Kunden und hat das BiG SiX jetzt mit einem solchen ausgestattet. Am Rande sei bemerkt, dass diese Funktion beim SiX keineswegs vergessen wurde. Es ist bei dem Pültchen schlichtweg kein Platz für den Einbau vorhanden. Das deutlich größere BiG SiX hat davon nicht jede, aber doch ausreichende Menge. Dass es dennoch einigermaßen kompakt geblieben ist und auch in sehr beengten Produktionsumgebungen sein Plätzchen finden wird, sei rein vorsorglich erwähnt.

Als nächstes gleich zwei Cue Sends mit eigenen Panorama-Reglern, sodass in puncto Monitoring einiges Potenzial in den Kanalzügen schlummert. Doch damit nicht genug, es gibt noch mehr zu entdecken:
Der wahre Purist verzichtet bei Aufnahmen gänzlich auf Effekte und gibt sie fein dosiert bei der Bearbeitung hinzu. Andere Produzenten entscheiden sich schon vor der Aufnahme für klangformende Eingriffe und begrüßen deswegen Mischpulte, die Werkzeuge zur Klanggestaltung in ihren Kanalzügen anbieten. Im Falle des BiG SiX gibt es einen Kanal-Kompressor sowie einen Equalizer, beide Effekte orientieren sich an denen der legendären Serie E-Konsolen von SSL. Sie sind allerdings sehr viel schlichter aufgebaut. Der Kompressor verfügt lediglich über einen Schwellwert-Regler mit einem Regelbereich von +10 bis -20 dBU nebst Gain-Reduction-Anzeige in Form von drei LEDs in den Ampelfarben grün, gelb und rot. Die Attack-Zeiten sind programmabhängig und liegen laut Handbuch bei 8 bis 30 Millisekunden, die Release-Zeit bei etwa 300 Millisekunden. Die Kompressionsrate ist auf 2:1 fixiert. Das entspricht alles dem Kanal-Kompressor des SiX, allerdings wurde der Knee-Wert modifiziert. Es handelt sich nun eher um eine Soft-Knee-Charakteristik, die Kompression setzt also weicher ein.

Der Kanal-Kompressor in den Mono-Kanalzügen ist ein Ein-Regler-Kompressor. Es lässt sich lediglich der Schwellwert einstellen.

Der Kanal-Kompressor in den Mono-Kanalzügen ist ein Ein-Regler-Kompressor. Es lässt sich lediglich der Schwellwert einstellen.

Der Equalizer ist gegenüber dem eher sehr schlicht aufgebauten des SiX nun zum Drei-Band-Equalizer erweitert worden. Es gibt zunächst einen Höhen- sowie einen Tiefenregler, beide lassen sich voneinander unabhängig auf Shelving-/Kuhschwanz- oder Bell-/Glockencharakteristik umschalten. Im Shelving-Modus liegen die Einsatzfrequenzen bei 3,5 kHz beziehungsweise 60 Hz. Ist die Glockencharakteristik gewählt, liegen die Spitzenfrequenzen bei 5 kHz und 200 Hz, der Einstellbereich beträgt immerhin +/- 15 dB. Neu ist der Mittenregler der fest auf 700 Hz eingestellt ist. Diese Frequenz lässt sich ebenfalls um maximal 15 dB absenken oder anheben.

Der Effektsektion folgt ein Einschleifpunkt, als solcher symmetrisch aufgebaut. Der dient selbstverständlich dem Einschleifen externer Effektgeräte, ist aber auch nutzbar, um das Signal direkt herauszuführen. Typisch für SSL: Insert Send ist stets aktiv, der Insert Return gelangt nur in den Signalweg, wenn das Schalterchen gedrückt ist.

Selbstverständlich gibt es einen Pan-Regler, der große, weich laufende 100-Millimeter-Fader ist zuständig für den Pegel auf den Main-Bus, die Pegel-Anzeige in Form einer LED-Kette mit acht Segmenten informiert zuverlässig über die Signalstärke. Ein Mute/Bus B- und ein Pre-Fader-Schalter sind unterhalb der Anzeige angeordnet.

Da das BiG SiX über ein integriertes USB-Audiointerface verfügt, finden wir noch einen USB-Return-Schalter, „From USB“ benannt, sowie einen USB-Send-Schalter – der heißt „USB OUT POST FADER“ – in jedem Kanalzug.

Die Stereo-Kanäle sind einfacher ausgestattet als die Mono-Kanalzüge. Der Equalizer ist leicht abgespeckt, der Kompressor fehlt ganz, da der G Bus Summenkompressor in der Mastering-Sektion weitaus mehr von Nutzen ist.

Die Stereo-Kanäle sind einfacher ausgestattet als die Mono-Kanalzüge. Der Equalizer ist leicht abgespeckt, der Kompressor fehlt ganz, da der G Bus Summenkompressor in der Mastering-Sektion weitaus mehr von Nutzen ist.

Beschränkung aufs Wesentliche

Gutes Stichwort, um den Blick weiter nach rechts, hin zu den Stereokanälen zu rücken. Die sind etwas weniger üppig ausgestattet und verarbeiten ausschließlich Line-Signale. Über einen Trim-Regler ist der Signalpegel im Bereich von -10 bis +20 dB anpassbar, zusätzlich gibt es auch einen Mono-Schalter. Einmal mehr erfreut sich unser Auge an zwei Cue Sends, die logischerweise ohne Panorama-Regler auskommen. Auch ein den Mono-Kanälen vergleichbarer Drei-Band-Equalizer fehlt nicht. Allerdings lässt der keinen Wechsel der Filtercharakteristik zu – Shelving-Charakteristik hat zu genügen. Kompressor und Einschleifpunkt sind weggefallen, der Fader und die übrigen Schalter entsprechen in Anordnung und Funktion denen der Mono-Kanäle.

Mit Eingängen der acht Kanalzüge ist anschlussseitig allerdings noch nicht Schluss. Ganz rechts finden sich noch zwei externe Stereo-Eingänge, die zwar keinerlei Regeloptionen bieten, dafür zum Anschluss externer Geräte wie Keyboards oder auch Vorverstärkern dienen können. Genau, wem die vier Mikrofon-Vorverstärker aus guten Gründen zu wenige sind, der kann das Pult auf diese Weise erweitern.

Ein XLR-Eingang zum Anschluss eines Talkback-Mikrofons ist direkt neben den „External Inputs“ angeordnet. Dank zuschaltbarer Phantomspeisung sind auch Kondensatormikrofone nutzbar, der „Listen Mic Compressor“, unauffällig LMC genannt, fehlt auch nicht. Allerdings hat SSL diesmal die Anleitung für den Phil-Collins-Drumsound, für den der LMC dereinst zweckentfremdet worden war, weggelassen. Wer das berühmte Set-Up für seine Schlagzeug-Aufnahmen ausprobieren möchte, findet die Beschreibung im SiX-Handbuch, das von der Produktseite auf der SSL-Homepage herunterladbar ist.

Die Mastering-Sektion ist recht umfangreich ausgestattet, aber einmal mehr sehr klar gegliedert. Ein besonderes Leckerli ist der „G Series Bus Compressor“, der bei reduzierter Regler-Ausstattung konstruktiv und konzeptionell dem originalen Bus-Kompressor der G Serie-Pulte der 1980er-Jahre entspricht.

Die Mastering-Sektion ist recht umfangreich ausgestattet, aber einmal mehr sehr klar gegliedert. Ein besonderes Leckerli ist der „G Series Bus Compressor“, der bei reduzierter Regler-Ausstattung konstruktiv und konzeptionell dem originalen Bus-Kompressor der G Serie-Pulte der 1980er-Jahre entspricht.

Inklusive Wunderleim

Es wird Zeit, dass wir uns der Master-Sektion zuwenden – und direkt über eine weitere Kompressor-Legende stolpern: Den berühmten Bus-Kompressor, der in den Pulten der G-Serie in den 1980er-Jahren erstmals zu finden war und sich von da an als Allzweckwaffe in etlichen Produktionen erwiesen hat. SSL ist sehr stolz auf die eigenen Entwicklungen, was wir den Engländern ganz und gar nicht verdenken wollen und im Falle dieses Summen-Kompressors ist sein Legendenstatus unzweifelhaft. Immerhin gibt es inzwischen so viele (Software-) Nachbauten – auch von SSL selbst –, was für eine besonders hohe Nachfrage spricht. Wie dem auch sei, dieser Kompressor ist bekannt als der Wunderleim, der viele Einzelteile zu einer einheitlichen Produktion zusammenfügt. Erwarten Sie allerdings im Falle des Derivats fürs BiG SiX keinen umfangreich einstellbaren Kompressor. Es gibt einen Treshold-Regler, das feinfühlig reagierende Gain-Reduction-Meter – diesmal in Form von fünf LEDs – zeigt die Pegelreduktion an, der Make-up-Gain-Regler dient zum Ausgleich des Pegelverlusts. Ansonsten ist das Kompressionsverhältnis fest auf 4:1 eingestellt, anders als noch bei der sehr spartanischen SiX-Version ist ein Auto-Release-Schalter hinzugekommen, der laut SSL exakt die Auto-Release-Charakteristik des ursprünglichen Serie G-Kompressors aktiviert.

Die Cue-Sektionen des Pultes sind einzeln pegel- und mit den „External“-Kanälen mischbar, die beiden ganz links oben zu findenden Kopfhörerbuchsen lassen sich getrennt den Cues zuweisen. Die Kopfhörer-Verstärker selbst sind recht kräftig und arbeiten mit allen gängigen Kopfhörern, also auch eher leisen, sehr gut zusammen.

Im Hause SSL sind die relevanten Filmklassiker wie „This is Spinal Tap“ bekannt: Der Regler für den Main Out geht bis „11“. Denn damit ist der Ausgang „eins lauter“.

Im Hause SSL sind die relevanten Filmklassiker wie „This is Spinal Tap“ bekannt: Der Regler für den Main Out geht bis „11“. Denn damit ist der Ausgang „eins lauter“.

Die Monitor-Source-Abteilung bietet mit „Main“, „Bus B“, „Ext 1“ und „Ext 2“ vergleichsweise viele Optionen. Den Ausgangspegel regelt der große blaue Laut-Leise-Knopf, den SSL kultig skalierte: Die Skala reicht nämlich bis „11“ und zumindest die Fans des Kultfilms „This is Spinal Tap“ wissen was Sache ist: „Es ist eins lauter, ist es nicht?“. Nützlich ist die stufenlose Dimmbarkeit des Ausgangspegels und der Mono-Schalter. Ganz rechts dann der einmal mehr samtig laufende Master-Fader, der Bus-Drehregler und als Sahnehäubchen die mit zwölf Segmenten fein auflösende und sehr zuverlässige LED-Anzeige. Damit wären wir mit der Pultoberfläche soweit durch.

Dann mal schnell zur Rückseite gewechselt und das Anschlussfeld begutachtet. Anstelle der DB25-Buchsen des SiX, hat sich SSL dazu entschlossen, nur Klinkenbuchsen einzubauen. Warum auch nicht, Platz genug ist da und entsprechende Kabel sollten sich im Haushalt eines jeden Tonschaffenden finden. Das Anschlussfeld ist nach hinten versetzt und nicht ganz leicht zugänglich. Nun ja, allzu oft dürfte nicht neu verkabelt werden, wenn das BiG SiX erst mal seinen angestammten Platz im (Home-)Studio eingenommen hat.

Das rückwärtige Anschlussfeld bietet Ein- und Ausgänge satt, sämtlich – abgesehen von der Anschlussbuchse fürs Netzteil und der USB-C-Buchse – dienen Klinkenbuchsen der Verbindung zu Monitoren oder sonstigen externen Geräten.

Das rückwärtige Anschlussfeld bietet Ein- und Ausgänge satt, sämtlich – abgesehen von der Anschlussbuchse fürs Netzteil und der USB-C-Buchse – dienen Klinkenbuchsen der Verbindung zu Monitoren oder sonstigen externen Geräten.

Wenn allerdings Outboard an die Main-Bus-Inserts anschlossen werden soll, sind Verrückungen und Verrenkungen nicht auszuschließen. Da wir aber alle auch beweglich bleiben wollen und sowieso sehr froh sind, dass sämtliche Stecker bruchsicher geschützt sind, meckern wir nicht. Ein bisschen aber über die Anschlussbuchse für das externe Netzteil und die USB-C-Buchse. Die Kabelverbindung wirkt etwas hakelig, was nicht so ganz dem Anspruch und der Preisklasse entspricht.

Doch insgesamt ist das Pult sehr gut verarbeitet. So richtig highendig wirkt es allerdings auch nicht. Da hatten wir schon Feineres unter den Testerfingern. Zugegeben, in der Kategorie „Mischpult“ auch zu deutlich höheren Preisen.

Direkt in den Rechner

Endlich. Das USB-Interface im BiG SiX findet seine wohlverdiente Berücksichtigung. Wandlerseits haben wir es, so verspricht es der Hersteller, mit den gleichen Convertern zu tun, die auch in den SSL Live-Konsolen werkeln. Mehr ist den Dokumentationen nicht zu entlocken und wir haben der Versuchung erfolgreich widerstanden, das Mischpult aufzumachen und auf Bauteilejagd zu gehen. Die Maximal-Auflösung beträgt 24Bit/96kHz, was sehr in Ordnung geht. Denn die meisten Wandler arbeiten so am linearsten und noch höhere Abtastraten sind auch aus Sicht des Pragmatikers ohnehin ein Thema für sich, das an dieser Stelle nicht vertieft sein soll. Wenn es wirklich sein muss, dann würden auch wir einen AD-Wandler der Spitzenklasse wie den Mytek 8×192 ADDA mit dem BiG SiX kombinieren. Aber gemach. Was die Wandler des Pults drauf haben, klären wir im Praxistest.

Als USB-Audiointerface hat das BiG SiX 16 Kanäle zu bieten, die sich für die eigentliche Aufnahme und das analoge Summieren bestens nutzen lassen. Auch wenn das ansonsten vorbildliche Handbuch den Einsatz im rechnerbasierten Studio nur sehr oberflächlich beschreibt, ist das Pult gleichwohl sehr instruktiv beschriftet. Soll die Mischung nicht im Rechner, sondern im Pult selbst stattfinden, sind lediglich die Schalter „From USB“ zu aktivieren. Ist die Ein- und Ausgangsbelegung in der Lieblings-Anwendung vorgenommen – und beispielsweise der „Stereo Out“ als Standard-Ausgang von Logic Pro in diesem Falle als nutzlos erkannt – lässt es sich nach Herzenslust und wunderbar analog arbeiten. Das ist einfach ein anderes Arbeiten, das auch edle Hardware-Controller nur ansatzweise vermitteln können.

Schließen wir diesen Abschnitt mit dem wichtigen Hinweis, dass das BiG SiX auf dem Mac treiberlos, weil „Core Audio compliant“ funktioniert. Für Windows bietet SSL einen dedizierten ASIO-Treiber an. Da wir es mit einem besonderen Mehrkanaler zu tun haben, ist die Grundeinrichtung etwas umständlicher als bei anderen Audiointerfaces. Das SSL-Handbuch erklärt die grundlegende Einrichtung sehr komprimiert, aber nachvollziehbar. Ein wenig Einarbeitungszeit muss dennoch sein, aber das hat manchmal auch einen Hauch von Zen, sodass Körper und Geist aufs Aufnehmen und Mischen eingestimmt sind.

„SuperAnalogue“ steht für ein Schaltungskonzept, das auf geringstes Rauschen, minimalste Verzerrungen sowie hohe Breitbandigkeit ausgelegt ist. Die Preamps des BiG SiX sind mithin als klangliche Saubermänner konzipiert.

„SuperAnalogue“ steht für ein Schaltungskonzept, das auf geringstes Rauschen, minimalste Verzerrungen sowie hohe Breitbandigkeit ausgelegt ist. Die Preamps des BiG SiX sind mithin als klangliche Saubermänner konzipiert.

Musik ist Trumpf

Für den Praxistest haben wir zwei Stücke für Konzertgitarre – ein Overdub-Duo und ein Solostück – sowie eine etwas umfangreichere Komposition für diverse akustische Gitarren, Ukulele und E-Gitarre unter Logic Pro aufgenommen. Die Mischung und Bearbeitung der Aufnahmen ist anschließend über das BiG SiX erfolgt. Software-Effekte, abgesehen von Hall, der vom grandiosen Plug-in FlexVerb aus der SSL Native Plug-in Suite stammt, sind außen vor geblieben.

Zunächst ein großes Lob für die sehr gut klingenden, der Signaltreue verpflichteten Preamps des Pultes. Die färben nicht, erweisen sich auch bei hoher Eingangsverstärkung als pieksauber und lassen viele Vorverstärker anderer Kleinpulte oder Audiointerfaces bis zur Oberklasse alt aussehen. Im Unterschied zu meinem Referenz-Preamp Lake People Mic-Amp F355 packen die „SuperAnalogue“-Preamps lediglich etwas kraftvoller zu, bleiben nicht komplett unauffällig im Hintergrund – was wohlgemerkt nicht mit Färbung zu verwechseln ist. Der Hi-Z Eingang hat definitiv SSL-Qualität – eine Fender Strat perlt so wunderbar, das weckt den Mark Knopfler in jedem Gitarristen. Zu Recht wird der Instrumenteneingang der großen SSL-Konsolen kultisch verehrt. Im Kleinformat – nicht klanglich wohlgemerkt – findet dieser Edelklang dank des BiG SiX ins Projektstudio. Klasse!

Die Kompressoren agieren musikalisch, ohne aufdringlich zu sein und sind damit gut für Gesang, aber auch Rhythmus-Gitarren oder Bassspuren geeignet. Der EQ ist klasse und im Rahmen seiner Möglichkeiten ein effektiver Klangformer. Sehr fein übrigens der Mittenregler, denn mit seiner Hilfe lässt sich Material schön andicken.

Tja, was ist zum G Bus Kompressor zu sagen? Nicht viel. Außer vielleicht: Er zerdrückt das Material nicht, sondern gleicht aus und verbindet dort, wo scheinbar Ungleiches nie zusammenzufinden scheint. Er ist mithin kein aggressiver Vertreter seiner Zunft, aber in vielen Fällen tatsächlich der Superleim für einen sonst noch nicht hinreichend kompakten Mix. Dass er weitaus subtiler und wohltönender arbeitet als so mancher Software-Klon ist noch erwähnenswert. Wer wirklich wissen will, wie SSL klingt, sollte ohnehin eher den Software-Nachbau der Engländer selbst heranziehen. Denn SSL kann zwar Rock ’n‘ Roll, ist aber klanglich weitaus vielseitiger aufgestellt – wie alle Edelklang-Schmieden, groß und klein.

Fazit

Das SSL BiG SiX ist das hochwillkommene Kompaktpult mit integriertem USB-Audiointerface, auf das so viele so lange gewartet haben. Es ist praxisgerecht ausgestattet und flexibel, passt zu jeder DAW und klingt vor allem spitze. So viel SSL im Kompaktformat gab’s noch nie.

Professional audio 04/2022