Studiotauglich
Wer auf der Suche nach einem studiotauglichen Digital-Piano ist, wird bei Kawai fündig, denn das neue MP5 hat alles Notwendige an Bord.
Von Harald Wittig
In der Regel testet Professional audio Magazin bekanntlich Recording-Equipment. Mitunter sind die Grenzen aber auch in diesem vermeintlich präzise abgesteckten Testfeld fließend. Immerhin haben wir häufig virtuelle Instrumente wie emulierte Analog-Synthies, klassische E-Pianos oder auch modellierte Konzertflügel im Test. Beispielhaft sei nur der Test des Sampletrons von IK Multimedia auf Seite 38 dieser Ausgabe genannt. Aber vor allem Gebieter über die 88 Tasten fragen hin und wieder in der Redaktion an, ob wir nicht auch mal außer der Reihe ein studiotaugliches, erschwingliches Digital-Klavier testen könnten. Sicher, wir können und haben uns deswegen das neue Mittelklasse-Digitalpiano von Kawai, einem der führenden japanischen Klavier-Hersteller, ausgesucht und seine Studiotauglichkeit geprüft.
Mit dem MP5, so der kryptische Name des Japaners aus indonesischer Fertigung, erhalte der preisbewusste Musiker nach dem Willen Kawais einen erschwinglichen Allrounder für Komposition, Bühne und Aufnahme. Mit einem Verkaufspreis von rund 1.400 Euro rangiert das Instrument in der preislichen Mittelklasse, die bereits von bekannten Herstellern wie Yamaha oder Roland – um nur zwei zu nennen – kompetent besetzt ist. Um konkurrenzfähig zu sein, hat Kawai das MP5 mit neuen Klängen, erweiterter MIDI-Funktionalität und vor allem mit einer neu entwickelten Tastatur ausgestattet. Laut Hersteller stecke im neuen Modell jede Menge erstklassige Technik, die auch im demnächst erscheinenden Topmodell, dem MP8II für optimale Bespielbarkeit und besten Klang sorgen soll.
Die Verarbeitung des Instruments ist durchweg sehr gut. Mattschwarz mit Seitenteilen aus Palisander-Imitat gewandet, macht das MP5 einen durchaus wertigen Eindruck. Alle wesentlichen Bedienelemente finden sich auf der angewinkelten Bedienoberfläche über der Tastatur. Die Anordnung der Regler, Tipptaster und Spielhilfen orientiert sich an den Präferenzen des Spielers: Beispielsweise finden sich die Schieberegler für Gesamtlautstärke und die vier sogenannten Zonen, über die interne oder externe Klänge verwaltet werden, direkt neben dem Pitchbend- und Modulationsrad, können also mit der linken Hand auch während des Spielens bedient werden. Die Anwahl der insgesamt 256 On-Bord-Klänge geschieht entweder über die beiden Value-Tasten neben dem etwas klein geratenen LCD-Display oder über die hinterleuchteten Tipp-Taster. Mittels dieser Taster können natürlich auch eigene Presets programmiert und blitzschnell abgerufen werden. Praktisch für den Live-Betrieb und auch mal im Studio nützlich.
Neben den üblichen MIDI-Buchsen (In/Out/Thru) hat das Digitalpiano auch einen USB-Anschluss: Hierüber kann das Instrument MIDI-Daten an den Rechner beziehungsweise ein Sequenzer-Programm senden. Dabei verwendet Kawai generische Treiber, somit heißt die Devise: Plug and play – im besten Sinne.
Das interne Soundboard des MP5 hat zwei Audio-Ausgänge auf der Rückseite: Wahlweise gibt das Instrument seine Klänge in L/R-Stereo oder auch zweimal mono aus. Ein regelbarer Kopfhörerausgang ist praktisch fürs lautlose Üben, eingebaute Lautsprecher hat das Instrument allerdings nicht. Dafür wiegt es auch gerade mal 22 Kilogramm, ein in jeder Hinsicht tragbares Gewicht.
Dieses resultiert wie bei allen Digital-Klavieren aus der gewichteten Tastatur. Diese sei gegenüber dem Vorläufermodell MP4 deutlich verbessert und vermittle nun echtes Klavier-Spielgefühl. Insoweit wird der finale Praxistest zeigen, ob Kawai nicht zu viel verspricht. Ein wichtiges Authentizitäts-Kriterium für ein Digital-Piano ist die Qualität der Klavier- und Flügelklänge. Das MP5 kann bis zu 192 Klänge gleichzeitig wiedergeben, was die Entwickler genutzt haben, die Klavier-Soundbank gründlich zu überarbeiten und unter anderem mit Saitenresonanz-Samples und verschiedenen Dämpfereffekten anzureichern. Darüber hinaus hat das MP5 bei seinen insgesamt 256 Sounds auch Klavier-fremde Klänge wie Streicher, Bläser und Drumsets an Bord.
Alle Klänge können miteinander kombiniert werden, wobei nach der Kawai-Nomenklatur Klangkombinationen aus maximal vier Zonen Setups genannt werden. Davon gibt es ab Werk schon satte 96, die neben den üblichen Streicher-Klavier-Kombinationen auch exotische Kreationen wie zum Beispiel afrikanisch oder indisch Angehauchtes umfassen. Alle Werksvoreinstellungen beziehungsweise Setups kann der Spieler nach eigenem Gusto bearbeiten und abspeichern. Das Aufrufen der persönlichen Presets gelingt über die Funktionstasten äußerst komfortabel und blitzschnell.
Leiten wir über zur Praxis und der Beantwortung der drängenden Fragen: Wie spielt sich das MP5? Wie klingen seine Sounds? Für den Test haben wir mit Ralf Thomas, Kopf und Tastenmann der rheinischen Band JUPP! einen kompetenten Mittester um Unterstützung gebeten – die Saitendominaz der Testredaktion von Professional audio Magazin hätte sonst womöglich eine objektive und praxisgerechte Würdigung des MP5 nicht gewährleistet.
Widmen wir uns zunächst der Bespielbarkeit des Instruments und lassen dazu Ralf Thomas zu Wort kommen: „Das MP5 lässt sich sehr akkurat und dynamisch spielen. Die Tastatur fühlt sich unter den Fingern gut an, wenngleich sie für meinen Geschmack ein wenig zu sehr nachfedert. Im Großen und Ganzen gibt es aber nichts zu meckern, wenn der vergleichsweise günstige Preis in Rechnung gestellt wird.“ Weniger begeistert sind wir allerdings von manchen Klängen des Kawai. Während die Flügel und Klavier-Sounds nach Auffassung von Thomas „durchaus in Ordnung gehen und in jedem Fall Mittelklasse-Niveau“ haben, haftet allen anderen Klängen eine gewisse General-MIDI-typische Künstlichkeit an. Das ist vor allem bei den doch sehr synthetisch und flach klingenden Streichern der Fall und setzt sich bis zu den Holzbläsern fort, die weit von den akustischen Originalen, die sie nachahmen möchten, entfernt sind. Für die Bühne, Proben oder Demoskizzen im Studio gehen die Eigenklänge des MP5 sicherlich in Ordnung. Wer klanglich überzeugende Aufnahmen anstrebt, sollte entweder in ein externes Hardware-Soundmodul oder aber zu virtuellen Instrumenten auf Software-Basis greifen.
Dank der hervorragenden USB-Schnittstelle ist es nämlich überhaupt kein Problem, das MP5 als Einspielkeyboard im Verbund mit einem hervorragenden virtuellen Instrument oder Software-Sampler à la Native Instruments Kore 3 einzusetzen. Hier zeigt sich dann auch der Pianist beeindruckt: „Mit wirklich guten Samples macht es spürbar mehr Spaß, auf dem MP5 zu spielen. Hier lässt sich auch die gute Bespielbarkeit des Digital-Pianos ausreizen und genießen.“
Fazit
Kawais MP5 ist ein solides Digital-Klavier der Mittelklasse, das dank der guten Tastatur und der praktischen USB-MIDI-Schnittstelle als Einspiel-Keyboard im Verbund mit hochwertigen virtuellen Klangerzeugern durchaus studiotauglich ist.
Erschienen in Ausgabe 07/2008
Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 1399 €
Bewertung: gut – sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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