Spanienkorrespondent
Der spanische Hersteller AEQ weiß, was Journalisten brauchen. Jetzt bringt er mit dem L300 einen schmucken Handheld-Recorder auf den Markt, der sich in erster Linie als O-Ton-Jäger und Interview-Spezialist empfiehlt.
Von Michael Nötges
Hierzulande gehört das Unternehmen AEQ mit Hauptsitz in Madrid nicht unbedingt zu den Marken, die einem als erstes durch den Kopf schießen, wenn es um Pro-Audio oder mobile Aufnahme-Devices geht. Dabei bewies bereits der Handheld-Recorder PAW-120 (Test in Heft 10/2010), dass die Spanier durchaus wissen, was sich für professionelle Mobilisten gehört. Kein Wunder, denn was viele nicht wissen ist, dass die Experten bereits seit über 30 Jahren Audio- und Kommunikationssysteme für den Broadcast- und TV-Bereich entwickeln. Nun bringt AEQ mit dem L300 (UVP: 333 Euro) den kleinen Bruder des PAW-120 (UVP: 702 Euro; Test in Heft 10/2007) auf den Markt und erschließt sich damit das Preissegment bis 400 Euro. Im Anschaffungspreis inbegriffen sind ein Schaumstoffwindschutz, USB-Kabel, Tischständer aus durchsichtigem Kunststoff, Handgelenkschlaufe und die Bedienungsanleitung auf CD. Ansonsten hat der Neuling ein integriertes Stereomikrofon und einen 30-Milliwatt-Lautsprecher zu bieten. Aufnahmen sind im Wav- und mp3-Format mit bis zu 24 Bit und 96 Kilohertz respektive 320 kbps und 48 Kilohertz möglich. Aufgezeichnet wird auf SD(HC)-Karten mit bis zu 32 Gigabyte Speicherkapazität, wobei der Hersteller auf die obligatorische Dreingabe eines Wechselspeichers verzichtet. Dieser muss also zusätzlich erworben werden. Neben einem Hochpassfilter verfügt der Recorder zusätzlich über Funktionen wie Auto Gain Control, Voice Operated Recording (VOR) und weitere hilfreiche Features wie beispielsweise Loop-A/B oder Auto Level. AEQ beschränkt sich beim L300 jedoch auf das Wesentliche und verzichtet auf unzählige Spezialfeatures zugunsten einer übersichtlichen und intuitiven Handhabung. Auf diesem Weg gelingt auch der Spagat zwischen hohem Qualitätsniveau und günstigem Anschaffungspreis. „Da Handheld-Recorder nur eine ziemlich geringe Marge bieten“, erklärt David Cassidy, Salesmanager beim deutschen Vertrieb d.c. Electronic, „verkaufen wir den L300 auch nur im Direktvertrieb.“ Dann ergänzt Cassidy zum Qualitätsniveau noch: „Der L300 wird übrigens vom gleichen chinesischen Hersteller gefertigt wie der Nagra SD. Er ist also baugleich, kostet aber deutlich weniger.“ Konkret kostet der L300 rund 530 Euro weniger, denn der Nagra SD hat eine unverbindliche Preisempfehlung von 862 Euro. Auf den zweiten Blick sind die Geräte jedoch nicht baugleich, denn der Nagra SD setzt auf wechselbare Steckmikrofone, wie beim Ares-M II (Test in Heft 9/2007) und hat ein hochwertiges Lederetui, Mono-Mikrofonkabel und eine 2-GB-Speicherkarte im Lieferumfang. All das bietet der L300 nicht. Außerdem verzichtet der Spanier auf drei weitere Direct-Access-Schalter am Gehäuse.
Beim Nagra SD lassen sich das Hochpassfilter, der File-Typ und die Phantomspannung von drei Volt zusätzlich direkt bedienen. Die Behauptung, der L300 sei baugleich zum deutlich höherpreisigen Nagra SD, scheint also nicht zu stimmen. Jetzt wollen wir es aber genau wissen und fragen bei Peter Groll vom deutschen Nagra-Vertrieb Analog Audio nach, der folgendes Statement abgibt: „Der L300 wird zwar im gleichen chinesischen Werk produziert wie der Nagra SD, aber sowohl die Software, als auch das Audio-Modul sind nicht identisch, sodass der L300 mit der Qualität des Nagra SD nicht ganz mithalten kann.“ Lassen wir das einmal so stehen und halten fest, dass abgesehen vom teureren Nagra SD unmittelbare Konkurrenten des L300 der Marantz PMD 620 (Test in Heft 8/2008; UVP: 399 Euro), der Olympus LS-11 (UVP: 349 Euro) oder der Sony PCM-M10 (Test in Heft 1/2010; UVP: 355 Euro) sind. Der handtellergroße Testkandidat kann zunächst mit seinem silbergrau gebürsteten Aluminiumgehäuse punkten, das nicht nur edel aussieht, sondern den Recorder auch zu einem widerstandsfähigen Reisebegleiter aufpoliert. Das Leichtmetall macht dabei seinem Namen alle Ehre, denn der Recorder wiegt gerade einmal 96 Gramm. Die Transport-Buttons und Funktionstaster sind aus Metall und auch die auf der Rückseite im Gehäuse versenkten Schiebeschalter zum Ausführen wichtiger Direct-Access-Funktionen (Hold, Quality, AGC und Mic-Gain), machen einen zuverlässigen und praxisgerechten Eindruck. Einzig die etwas fummeligen Volume-Taster und der silberne Mikrofonkapsel-Schutz aus Kunststoff mindern die Begeisterung ein wenig. Dafür weiß das gestochen scharfe OLED-Display wieder restlos zu überzeugen und bietet optimale Lesbarkeit trotz der lediglich sondermarkengroßen Anzeige. Selbst intensive Sonneneinstrahlung und spitze Betrachtungswinkel, die bei Geräten mit herkömmlichen LCDs problematisch sind bringen das Display des L300 keinesfalls aus der Fassung. Insgesamt verdient die Verarbeitung des L300 somit ein sehr gut. Abseits vom Display gibt es zusätzlich eine Peak-LED, die erglimmt, sobald Übersteuerung droht. Außerdem verfügt der Record-Button inmitten des Navigationskreuzes über eine ringförmige Status-LED. Diese rote Korona blinkt gemächlich, sobald der Recorder im Bereitschaftsmodus ist. Im Aufnahmebetrieb beginnt sie dann, geschäftig zu flackern. Alles in allem lässt sich der L300 leicht und intuitiv bedienen, wobei im Test allerdings eine Besonderheit auffällt: Eine laufende Aufnahme lässt sich nicht wie gewöhnlich durch Druck auf den Stop-Button sofort unterbrechen. Wenn der Taster jedoch länger gehalten wird, erscheint ein Zeitbalken im Display, der rund zwei Sekunden runterzählt. Erst dann ist die Aufnahme unterbrochen. Die kurze Verzögerung reicht dabei aus, um sicherzugehen, dass es sich um ein gewolltes Stoppen handelt. Diese gleichsam pfiffige wie ungewöhnliche Lösung vermeidet somit wirksam das versehentliche Abbrechen einer Aufnahme. Das Batteriefach für zwei AA-Stromspeicher ist etwas schwierig zu öffnen, weil es nicht sehr griffig ist und der Schiebemechanismus recht fest in seiner Arretierung sitzt. Mit einer Kombination aus Geschick und Kraft gelingt es aber doch, die Batterien zu wechseln.
Der Hersteller verspricht je nach Aufnahmemodus und Batterietyp eine Laufzeit von rund zehn Stunden. Das ist in vielen Situationen sicher genug, aber Stromsparspezialisten wie beispielsweise den Pocketrack W24 von Yamaha mit einer prognostizierten Laufzeit von rund 38 Stunden (WAV: 16 /44,1) lässt es nur müde lächeln. Einen Netzteilanschluss gibt es nicht, wohl aber die Möglichkeit, den L300 per USB-Bus-Power zu betreiben, wenn der Recorder an einen Computer (Mac/PC) angedockt ist. Akkus, die aus Gründen der Umweltfreundlichkeit herkömmlichen Batterien vorzuziehen sind, lassen sich auf diesem Weg allerdings leider nicht aufladen. Ein separates Ladegerät ist daher unumgänglich. Ansonsten dient die USB-2.0-Schnittstelle erwartungsgemäß zum Transferieren von Daten. Die Klappe des SD-Karten-Slots ist glücklicherweise etwas fingernagelschonender als das Batteriefach und lässt sich problemlos öffnen, um den Wechselspeicher auszutauschen. Der integrierte Lautsprecher ist zwar kein Watt-Wunder, bietet aber eine akzeptable Abhörlautstärke, die das Kontrollieren der Aufnahmen zulässt, ohne den L300 wie ein Handy ans Ohr halten zu müssen. Anschlüsse gibt es ansonsten nur drei Stück: An der linken Flanke liegen der Mikrofon- und Line-Eingang, auf der rechten ist der Kopfhörerausgang zu finden. Wie bei den ganz kleinen Taschenrecordern üblich, liegen die Anschlüsse als 3,5-mm-Klinkenbuchsen vor. Die Phantomspannung von drei Volt ist nicht für herkömmliche Kondensatormikrofone (48 Volt) geeignet. Als externe Schallwandler kommen also nur dynamische Mikrofone, solche mit eigener Stromversorgung wie beispielsweise das AT825 von Audio-Technica oder das MCE 82 von Beyerdynamic (Test in Heft 11/2007) infrage sowie Schallwandler, die mit einer Speisung von drei Volt zurechtkommen. In Sachen Einstellungen offeriert der L300 zwei Hauptmenüs: Record- und System Settings. In den Systemeinstellungen finden sich im Wesentlichen die obligatorischen Funktionen wie das Formatieren der SD-Karte oder das Ausschalten des Lautsprechers beziehungsweise der Tastentöne. Um Strom zu sparen und damit die Betriebsdauer zu verlängern, kann zum einen die Auto-Power-Off-Funktion aktiviert werden. Zum anderen lässt sich auch die Zeitspanne festlegen, bis sich das Display ausschaltet. Noch sparsamer geht es, wenn überdies die Record-Beleuchtung deaktiviert wird, zumal das Blinken in manchen Situationen eher störend sein kann. Die Einstellmöglichkeiten im Record-Menü sind ebenfalls sehr überschaubar ausgefallen. Zunächst lassen sich zwei Templates (High, Low) anlegen, wobei jeweils das Datenformat (Wav, MP3) mit Samplingfrequenz und Wortbreite (siehe Tabelle) definierbar ist. Außerdem gibt es einen Mono-Modus und den Stereo-Betrieb. Andere Aufnahme-Modi gibt es nicht. Einmal festgelegt, können die beiden Templates je nach Aufnahmesituation per Schiebeschalter an der Gehäuserückseite aufgerufen werden, was in der Praxis sehr komfortabel ist. Zur weiteren Unterstützung bietet der L300 einen Pre-Record-Buffer, der eine oder wahlweise drei Sekunden vor Aufnahmestart zwischenspeichert. Der VOR-Modus startet die Aufnahme in Abhängigkeit zum Überschreiten eines Aufnahmepegels. Dieser ist in drei Stufen (-10, -20 und -30 dBFS) festzulegen. Wird der Threshold überschritten, startet der Recorder die Aufnahme automatisch.
In diesem Zusammenhang lässt sich noch festlegen, ob bei jeder Unterbrechung ein neues File angelegt wird oder die Aufnahme lediglich pausiert. Im VOR-Time-Menü lässt sich überdies die Zeitspanne (siehe Tabelle)
bestimmen, bis der L300 nach Unterschreiten des Threshold die Aufnahme unterbricht. Vor einer Aufnahme muss zunächst die Eingangsquelle (Internal Mic, External Mic, Line In) festgelegt werden. Für jede Quelle stehen zwei Gain-Ranges (High, Low) zur Auswahl, die wiederum per Direct-Access-Schalter an der Rückseite des Recorders auszuwählen sind. Bei den eingebauten und angeschlossenen Mikrofonen gilt: Im Low-Modus bietet der L300 Verstärkungsreserven zwischen 19 und 50 Dezibel, im High-Modus liegt der Bereich zwischen 34 und 65 Dezibel. Der Line-Eingang hat immer eine Spanne von null bis 31 Dezibel. Die Verstärkung kann für jede Eingangsquelle genauso voreingestellt werden wie die Bedämpfung des Ausgangssignals (mute bis Null Dezibel). Selbstverständlich lassen sich die Presets im Nachhinein mithilfe der Level- und Volume-Taster bei Bedarf anpassen. Ansonsten bietet das Record-Menü nur noch die Möglichkeit die Phantomspeisung und das Hochpassfilter (Einsatzfrequenz: 100 Hertz) einzuschalten. Übrigens: Die Auto Gain Control (AGC) ist wie die Hold-Funktion (Tastensperre) nur per Schiebschalter an der Gehäuserückseite aktivierbar und hat keinen eigenen Menüeintrag. Messtechnisch zeigt sich der L300 auf hohem Niveau. Zunächst überzeugt die niedrige Eingangsempfindlichkeit von -65,5 Dezibel, die auch bei leisen Schallquellen und ausgangsschwachen externen Mikrofonen mehr als genügend Verstärkungsreserven bietet. Aber auch Geräusch- und Fremdspannungsabstand sind mit 88,0 und 83,7 Dezibel über jeden Zweifel erhaben und liegen auf Augenhöhe mit deutlich teureren Geräten wie dem Nagra Ares-M II (88,5 und 84 Dezibel) oder dem Tascam HD-P2 (87,5 und 85,3 Dezibel; Test in Heft 9/2007). Beide kosten derzeit um die 1.000 Euro. Die THD+N-Werte haben einen Maximalwert von immer noch sehr ordentlichen 0,06 Prozent, liegen aber über weite Bereiche des Frequenzspektrums mit 0,02 Prozent deutlich darunter. Das FFT-Spektrum zeigt einen sehr niedrigen Noisefloor bei -100 Dezibel. Die erste Freude wird allerdings durch Peaks (k2, k3 und Einstreuungen im Bassbereich) bis hinauf zu -82 Dezibel etwas gemindert. Allerdings ist bei diesen Messungen nie klar, welchen Einfluss der Line-Ausgang hat. Der Frequenzgang sackt im Bassbereich um rund vier Dezibel bei 20 Hertz ab. Im Praxistest überzeugt der L300 bereits beim Einschalten, denn das gestochen scharfe OLED-Display ist binnen zwei Sekunden parat und der Recorder sofort einsatzbereit. Die Sprachaufnahmen über das interne Mikrofon kommen sehr transparent und direkt.
Die Auflösung geht in Ordnung, könnte aber besser sein. Das fällt besonders im direkten Vergleich mit einer Aufnahme über ein Audio-Interface (M-Audio FW410) mit Kondensatormikrofon (Audio-Technica AT4040) auf. Da kann das interne Mikrofon nicht wirklich mithalten. Es klingt insgesamt etwas dünn, nicht so fein aufgelöst und sowohl in den Höhen und Bässen etwas begrenzt. Allerdings müssen wir fair bleiben, denn das AT-4040 kostet alleine bereits wesentlich mehr als der ganze Recorder. Für O-Töne oder Konferenzmitschnitte eignet sich das interne Mikrofon mit den beiden Kugel-Kapseln aber sehr gut, da auch Raumanteile, die Umgebungs-Atmo und Gesprächspartner aus unterschiedlichen Richtungen akkurat eingefangen werden. Allerdings vermisse ich die Möglichkeit, mit dem internen Mikrofon gerichtete Aufnahmen anzufertigen, um bei Bedarf weniger ablenkende Nebengeräusche aufzunehmen. Dafür bleibt nur der Anschluss eines externen Mikrofons mit den bereits erwähnten Einschränkungen aufgrund der schwachen Phantomspeisung von drei Volt. Bei den Atmo- und Sprachaufnahmen macht die AGC im Test einen hervorragenden Job und Zusatzfeatures wie das Setzen von Markern (Mark-Button) oder das
Zerschneiden eines Files (Split-Button) während der Aufnahme, sind bei einem fingierten Testinterview sehr hilfreich, um die Aufnahme zu strukturieren. Nicht zu unterschätzen ist auch der A/B-Loop-Modus, der beim Transkribieren schwer verständlicher Passagen hilfreiche Dienste leistet. Die Sprachverständlichkeit ist im Übrigen ausgezeichnet und die Möglichkeit direkt im mp3-Format (128 kbps/44,1 kHz) aufzunehmen, bietet bereits bei kleineren Speicherkarten (2 GB) Platz für rund 35 Stunden. Bei naher Mikrofonierung der Akustikgitarre schlägt sich das interne Mikrofon sehr wacker und liefert ein ansprechendes, wenn auch für meinen Geschmack in den oberen Mitten zu vordergründiges und den unteren Mitten zu unterbelichtetes Klangbild. Die Anschlaggeräusche kommen etwas unpräzise und es fehlt ein wenig an Offenheit und Strahlkraft. Am besten klingt die Aufnahme, wenn der L300 in rund einem Meter Abstand zur Gitarre aufgestellt ist, woraufhin sich das Klangbild glättet und insgesamt ausgewogener wirkt. Schlussendlich bemühe ich ein Shure SM58 und schließe es mittels Adapter (XLR auf 3,5-mm-Klinke) an den Mikrofoneingang an, um zu überprüfen, ob sich die Klangqualität mit externen Schallwandlern noch verbessern lässt. Die Antwort ist: Ja, es geht noch besser. Gerade bei den Sprachaufnahmen macht sich natürlich die Nierencharakteristik positiv bemerkbar und beim Aufnehmen der Gitarre zeigt sich der Gesamtklang mit mehr Transparenz und besticht vor allem durch ein insgesamt ausgewogeneres Klangbild. Schade, dass ich kein hochwertiges Stereomikrofon zur Hand habe, denn ich bin sicher, die Gitarrenaufnahmen wären mit seiner Hilfe in ganz neuem Glanz erschienen.
Fazit
Der L300 ist ein hochwertiger Handheld-Recorder, der sich vor allem für Journalisten auf der O-Ton-Jagd oder in Interviewsituationen empfiehlt. Auf das Wesentliche begrenzt, weiß er mit seinen exzellenten Messwerten, gestochen scharfem OLED-Display und einem praxisnahen Bedienkonzept zu überzeugen. Nicht zuletzt ist er in Kombination mit einem hochwertigen Stereomikrofon auch eine professionelle Lösung für mobiles Recording.
Erschienen in Ausgabe 09/2012
Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 333 €
Bewertung: gut – sehr gut
Preis/Leistung: gut – sehr gut
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