Taschen-Titan
Im Titanpanzer trotzt der PCM-D1 von Sony dem harten Outdoor-Recording-Alltag. Professional audio Magazin knackt die harte Schale und nimmt den Mobilisten genau unter die Lupe.
Von Michael Nötges
Mobile Recorder gibt es in vielen verschiedenen Ausführungen und Preisklassen. Professional audio Magazin hat in den letzten anderthalb Jahren bereits neun völlig verschiedene Modelle zwischen 366 und 2.993 Euro getestet und deren Praxistauglichkeit detailliert unter die Lupe genommen. Irgendwo zwischen dem kleinen Zoom H4 (Test 3/2007) und dem üppigen 722 von Sound Devices (Test 10/2006) siedelt sich der jetzt auch in Deutschland erhältliche mobile Recorder PCM-D1 von Sony an. Auf die Anfrage beim deutschen Vertrieb HL Audio erklärte uns vor einem guten halben Jahr Sven Conquest: „Ihr könnt den PCM-D1 leider noch nicht zum Test haben, da er die CE-Norm für Europa noch nicht erfüllt.“ Jetzt ist der für Außenreportagen sowie Live-Mitschnitte und Stereo-Aufnahmen konzipierte Japaner soweit, sich auch in Deutschland der Konkurrenz zu stellen. Der PCM-D1 ist ein digitaler Rekorder, der sich ausschließlich der Puls-Code-Modulation (PCM) bedient, um bei Aufnahmen unkomprimierte WAV-Dateien zu erzeugen. Andere Formate sind ihm, im Gegensatz zu den mobilen Rekordern Nagra Ares II (Test 9/2007), AEQ PAW-120 (Test 10/2007), Zoom H4 (3/2007), M-Audio Microtrack 24/96 (Test 11/2006) oder Edirol R-9 (10/2006) völlig fremd. Hier hält er es hochwertig und verlustfrei wie der 722 von Sound Devices und überlässt das Konvertieren dem gemeinem Volk: Der PCM-D1 arbeitet mit 16 oder 24 Bit Wortbreite und stellt Samplingfrequenzen von 22,05 bis 96 Kilohertz zur Wahl. Aufgezeichnet wird entweder auf den internen vier Gigabyte großen Flashspeicher – bei höchster Auflösung beträgt die maximale Aufnahmezeit zirka zwei Stunden – oder auf einen wechselbaren Memory Stick Pro. Der Rekorder verfügt über
zwei integrierte Elektret-Kondensatormikrofone für Stereo-Aufnahmen, dessen Kapselanordnung stark an den Landsmann H4 von Zoom erinnert. Die USB-2.0-Schnittstelle ermöglicht die Datenübertragung an MAC oder PC und neben analogen Ein- und Ausgängen für Mikrofon- und Line-Pegel bietet der PCM-D1 auch einen optischen Digitalausgang. Zum üppigen Lieferumfang gehören neben dem Netzteil und vier Ni-MH-Akkus für die Stromversorgung auch eine Handgelenkschlaufe, Tragetasche, Windschutz, USB-Kabel und ein externes Akku-Ladegerät – Das kann allerdings bei einer UVP von 2.368 Euro auch erwartetet werden. Spätestens jetzt ist klar, dass der japanische Vollprofi nicht zu den günstigen MP3-Rekordern gehört, sondern in exklusiveren Gefilden unterwegs ist. Interessant bleibt aber, welchen Gegenwert man für sein Geld bekommt. Zunächst jede Menge hochwertiges Material, da das Gehäuse aus gepresstem Titan gefertigt ist. Dadurch wiegt der silbergraue PCM-D1 bei der Größe eines Ziegelsteins nur 520 Gramm. Außerdem scheint er durch Umwelteinflüsse unverwundbar und insgesamt äußerst robust und widerstandsfähig zu sein. Ein Fliegengewicht, wie der Nagra Ares II (150 Gramm) oder der Microtrack 24/96 (139 Gramm) von M-Audio ist der Taschen-Titan von Sony freilich nicht, aber im Gegensatz zum 722 von Audio Devices oder dem Taskam HD-P2 (Test 9/2007), die deutlich mehr als ein Kilo auf die Waage bringen, ist er in Sachen Gewicht nur eine halbe Portion. Die Handgelenkschlaufe verhindert den Verlust des edlen Rekorders im hektischen Reportergedränge, kann das Problem, ihn wegen seiner fest eingebauten Mikrofone am ausgestreckten Arm längere Zeit halten zu müssen aber nicht lösen. Es empfiehlt sich daher ein leichtes externes Mikrofon, wie beispielsweise das 200 Gramm wiegende Beyerdynamic MCE 82 (Test 11/2007) zu verwenden und den Rekorder in der mitgelieferten Tragetasche zu verstauen. Diese lässt sich dann problemlos am Gürtel befestigen. Für Mitschnitte und Stereo-Aufnahmen kann der Rekorder mittels eines am Bauch des Gerätes integrierten Gewindes auf ein Stativ geschraubt werden. Bei Kamerastativen passt das wunderbar. Mikrofonständer sind da allerdings nicht sehr anpassungsfähig – das notwendige Reduziergewinde muss dafür zunächst extra besorgt werden. Das Kopfteil des PCM-D1 ist zusammen mit den Stereomikrofon-Kapseln kippbar, um so die Schallquelle besser anpeilen zu können. Gerade, wenn der Rekorder bei Interviews auf einer Tischplatte oder einem Regal liegt, ist das eine praktische Angelegenheit. Es gibt drei Positionen: gerade nach vorne und jeweils zirka 35 Grad nach oben oder unten abgewinkelt. Die Kapseln der beiden Elektret-Kondensator-Mikrofone liegen vor Stößen geschützt hinter einem doppelten Überrollbügel aus Edelstahl, der in Form und Material laut Hersteller möglichst günstige akustische Eigenschaften aufweist, also den Klang kaum beeinflusst und störende Reflektionen minimiert. Wie schon beim H4 von Zoom regt die Anordnung der Mikrofonkapseln mit Nierencharakteristik zur Diskussion an: Als X/Y-Anordnung angepriesen, erfüllt sie die Anforderungen nicht ganz, da die Kapseln nicht übereinander, sondern aus Platzgründen nebeneinander angebracht sind. Das kann zu Phasenunterschieden und damit spätestens beim Zusammenmischen beider Kanäle zu einem Mono-Signal zu Kammfiltereffekten und Auslöschungen führen. Außerdem ist grundsätzlich die exakte Abbildung der Stereobasis in Gefahr, auch wenn die Laufzeitunterschiede durch die eng beieinander stehenden Kapseln sehr gering ausfallen. Um schulbuchmäßige X/Y-Aufnahmen anzufertigen, gibt es nur eine Lösung: Ein externes Mikrofon. Dieses muss aber entweder dynamisch sein, oder über eine eigene Stromversorgung verfügen – klassische Kondensatormikrofone funktionieren mangels Phantomspannung nicht. Außerdem bietet der PCM-D1 lediglich eine 3,5-mm-Klinkenbuchse als Mikrofoneingang, was keinesfalls die sicherste Steckverbindung ist und die Auswahl der möglichen Mikrofone einschränkt; es sei denn, ein passender Adapter ist greifbar. Zusätzliche Steckverbindungen sind allerdings immer fehleranfällig und gerade im mobilen Einsatz nicht zu empfehlen. Der Kopfhörerausgang, sowie Line-Ein- (dieser muss über einen Auswahl-Schiebe-Schalter aktiviert werden) und Line-Ausgang, bedienen sich des gleichen Buchsen-Typs. Aber einen Unterschied gibt es doch: Die Line-Ausgangsbuchse (3,5-mm-Klinke) ist gleichzeitig auch ein optischer Digitalausgang, der S/PDIF-Signale überträgt. Bekannt als Consumer-Schnittstelle, vor allem für tragbare MiniDisc- und DAT-Rekorder, hat der Hersteller auch hier vor allem platzsparend gedacht. Die herkömmlichen Toslink-Kabel sind hier nicht kompatibel, sondern es bedarf eines speziellen Lichtleiterkabels mit Klinkenstecker, das gehört nicht zum Lieferumfang. Unmittelbar überzeugend sind dagegen die Pegelsteller. Die an den Flanken angebrachten und durch integrierte Bügel im Rahmen geschützten Aluminiumrädchen, ermöglichen durch ihre geriffelten Kanten und gut lesbaren Beschriftungen (Eingangspegel-Regler) äußerst präzises Einpegeln. Dabei sind die Potentiometer angenehm schwergängig und gleichzeitig abgeschottet genug, um versehendliches Verstellen sicher zu verhindern. Während der Ausgangspegel mit einem Rad für beide Kanäle bestimmt wird, justiert ein Doppel-Drehregler die Eingangsempfindlichkeit. Pegelunterschiede zwischen linkem und rechtem Kanal, die bei der Stereo-Mikrofonierung auftreten können, lassen sich somit komfortabel ausgleichen: Ein Rad festhalten und das andere bis zum Gleichstand der Aussteuerungsanzeigen drehen. Die luxuriöse Pegelüberwachung ist entweder über die beiden analogen VU-Meter oder die digitale Anzeige des Displays im Sonderbriefmarkenformat möglich. Der Light-Button hinterleuchtet die Kontrolleinheiten und stellt damit die Lesbarkeit auch unter widrigen Lichtverhältnissen sicher. Die digitale Ansicht hilft aufgrund ihrer exakten Anzeige und ihrer Schnelligkeit bei unberechenbaren, dynamischen Signalen, die Kontrolle zu behalten. Die VU-Meter hingegen stellen die Lautstärke so dar, wie das menschliche Ohr sie in etwa wahrnimmt. Erglimmen die roten LEDs, die in den analogen Anzeigen integriert sind, bleibt noch ein Dezibel Luft bis zur Übersteuerung, die dann durch das Symbol ‚Over’ im Display angezeigt wird. Die digitale Anzeige ist sehr exakt und reicht von -60 bis Null Dezibel. Sony geht hier aber auf Nummer sicher und zeigt den jeweiligen Pegel zusätzlich noch alphanumerisch an – so lässt’s sich arbeiten. Die Bedienung ist einfach und intuitiv begreifbar – etwas für Praktiker. Es wurde auf unnötigen Schnickschnack verzichtet, man hat sich auf das Wesentliche konzentriert: Transport-Buttons (Start, Stopp, Pause, Vor- und Rücklauf), Display-Button, der die Zeitanzeige zwischen Playback-, verbleibender Aufnahmezeit und dem Datum wechselt, Divide-Button, der Tracks unwiderruflich zerteilt, einen PAD- (-20 Dezibel) und Hold-Schiebeschalter und last not least den Menü-Taster. Dieser navigiert in die maximal zwei Ebenen tiefe Menü-Struktur. Hier dient die Play- als Enter- und die Stopp- als Cancel-Taste. Die Vor- und Rückspul-Buttons haben die Auswahlfunktion zweier Pfeiltasten. Unkompliziert lässt sich so der richtige Record-Mode (Samplingfrequenz und Bit-Rate) einstellen, der integrierte Limiter oder Hochpassfilter bei 200 Hertz aktivieren, Tracks löschen, der Speicher formatieren oder die interne Uhr stellen. Ein Menüpunkt schaltet vom internen Speicher auf den wechselbaren Memory Stick Pro um, der sicher hinter einer Klappe im Gehäuse verborgen bleibt. Eine Besonderheit ist der SBM -Mode, der sich nur bei einer eingestellten Wortbreite von 16 Bit aktivieren lässt. Er soll die Dynamik erhöhen, indem Rauschen eliminiert wird. Dies geschieht, so der Hersteller, durch internes Dithern von 20 auf 16 Bit. Die Mehrinformation von vier Bit werde nicht etwas verworfen, sondern in die 16-Bit-Information verrechnet. Das war’s schon mit den Features. Bevor wir jetzt den PCM-D1 im Hör- und Praxistest von Professional audio Magazin genauer unter die Lupe nehmen, werfen wir den obligatorischen Blick auf die Ergebnisse aus dem Messlabor. Der einzige Schönheitsfehler ist der Kopfhörerausgang, der ab einer bestimmten Lautstärke Oberwellen hinzufügt. Die FFT-Analyse zeigt ab Stellung fünf am Pegel-Rad deutlich erhöhte Klirr-Werte, die schnell über die -50-Dezibel-Grenze steigen können. Ansonsten sind die Messwerte tadellos: Der steile Hochpassfilter (18 Dezibel pro Oktave) begrenzt den Frequenzgang, der lediglich eine Absenkung von drei Dezibel zwischen 100 und 20 Hertz aufweist sehr exakt. Geräuschspannungs- und Fremdspannungsabstand betragen sehr gute 86,5 und 83,2 Dezibel, damit kommt er fast an die Werte des Sound Devices 722 heran. Die Eingangsempfindlichkeit liegt bei professionellen -65 Dezibel, so dass auch Aufnahmen mit schwachen dynamischen Mikrofonen kein Problem sind – der PCM-D1 verfügt über genügend Verstärkungsreserven. Das Übersprechen bleibt deutlich unter -60 Dezibel und der Limiter macht seinem Namen zumindest auf dem Papier (siehe Kurve) alle Ehre. Doch nun zur Praxis. Auch wenn Professional audio Magazin keine O-Töne für den Rundfunk benötigt und Interviews schriftlich verarbeitet werden, zeigte sich der PCM-D1 im Gespräch mit dem Produzenten ‚Commissioner’ Gordon Williams (siehe Seite 52) als praktisches und vor allem exzellentes Aufnahmegerät. „Was ist das denn?“, fragt Williams begeistert, als er den PCM-D1 sieht. Nach kurzer Pause fügt er zweifelnd hinzu: „Reicht die Empfindlichkeit der Mikrofone bei der Entfernung wirklich aus?“ Der Rekorder liegt mit bereits nach oben abgewinkeltem Stereomikrofon, das auf den Gesprächspartner gerichtet ist, zirka 1,5 Meter von ihm entfernt. Die Vollausteuerung ist kein Problem und während genickt und damit seine Frage bejaht wird, läuft der Rekorder mit eingeschaltetem Hochpassfilter auch schon. Das Ergebnis ist ausgezeichnet. Die Stimme kommt absolut klar und auch auf die Entfernung bleiben Details nicht im Verborgenen. Im Gegenteil, der sich einspielende Percussionist im Nebenraum ist zwar deutlich leiser, aber immer noch gestochen scharf auszumachen. Dabei befindet er sich im Stereopanorama gut ortbar am rechten Rand. Der räumliche Eindruck wird sehr gut wiedergegeben und die Sprache setzt sich auch bei steigendem Geräuschpegel – kurzeitig wird ein Track abgespielt – gut durch. Der Trittschallfilter stellt seine Klasse unter Beweis, als ein sanfter Fußtritt den Tisch erschüttert. Der Rekorder bleibt von diesem Versehen fast unbeeindruckt, wie uns beim späteren Abhören eindrucksvoll klar wird. Das Handling geht intuitiv und die Aufnahme liegt am Ende in sendetauglicher Qualität vor – absoluter Luxus für Interviews. Vor der nächsten Aufnahme-Session möchten wir die Tracks benennen. Dafür ist es unerlässlich, die WAV-Files über die USB-Schnittstelle auf den Computer zu überspielen. Dies gelingt glücklicherweise per Plug and play ohne Probleme und die Dateien sind schnell und einfach umbenannt. Was aber, wenn mal kein Computer in der Nähe ist? Dann ist ein Umbenennen nicht machbar – das erscheint uns nicht zeitgemäß zumal bei mobilen Rekordern heute Standard. Gespannt montieren wir den PCM-D1 auf ein Kamerastativ und bereiten anschließend das Elektret-Stereo-Kondensatormikrofon MCE 82 von Beyerdynamic für die Vergleichsaufnahmen vor. Die Schallquelle ist eine klassische Gitarre, die wir bei höchster Auflösung (24 Bit und 96 Kilohertz) zum einen mit dem integrierten Stereomikrofon des PCM-D1 und dann mit dem externen MCE 82 aufnehmen. Impulsverhalten und Auflösung des mobilen Rekorders sind überzeugend; Dynamik absolut kein Problem. Auf den zwölften Bund gerichtet erscheint ein frisches akustisches Abbild, das die Griffgeräusche der linken, den Anschlag der rechten Hand und im Gesamten den Klang des Instruments naturgetreu wiedergibt. Einziges Manko: Den eingebauten Mikrofonen fehlt es im direkten Vergleich mit dem externen MCE 82 ein wenig an unteren Mitten, so dass das Klangbild schlank und insgesamt etwas kühl erscheint. Die Höhen sind präsenter, verbessern dadurch zwar die Durchsetzungskraft, ohne dabei scharf oder unangenehm zu klingen, intensivieren aber gleichzeitig, im Gegensatz zum sehr ausgewogen klingenden MCE 82, einen etwas sterilen Eindruck. Um den Limiter auf die Probe zu stellen, bauen wir einen perkussiv gespielten Part in die Arpeggio-Übung ein, der eigentlich unweigerlich zur Übersteuerung führen muss. Ergebnis: Erst bei heftigem Einsatz ist die Kompression zu hören, aber übersteuert bekommen wir den PCM-D1 nicht. Der Limiter ist ein zuverlässiger Schutz, bei unberechenbaren Pegel und dynamischen Instrumenten – hier hat Sony die Hausaufgaben gemacht.
Fazit
Der PCM-D1 von Sony ist ohne Zweifel ein Profi für mobile Stereo-Aufnahmen. Er weiß klanglich durchaus zu überzeugen, ist mit seinem Titan-Gehäuse, der exzellenten Verarbeitung und sehr guten Messwerten vielen Konkurrenten eine Nasenspitze voraus. Dabei zeichnet er sich durch sein Straight-Forward-Konzept – die Konzentration auf das Nötigste – aus und verzichtet dabei ganz bewusst auf überflüssigen Ballast und viele Features. Verarbeitung und Material machen ihn zu einem wertvollen Erbstück, für das allerdings äußerst stattliche 2.300 Euro fällig werden.
Erschienen in Ausgabe 12/2007
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 2368 €
Bewertung: gut
Preis/Leistung: befriedigend
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