Auf Sparkurs

Mit einer UVP von 179 Euro gehört der Swissonic MDR-4 ohne Zweifel zu den günstigsten Handheldrecordern auf dem Markt – doch taugt er auch was? Professional audio will genau wissen, was ein Preiszwerg der Economy-Klasse tatsächlich alles drauf und drin hat. 

Von Michael Nötges 

Der Markt der mobilen Recorder ist hart umkämpft und es gibt die kleinen Taschenzwerge mittlerweile für die verschiedensten Einsatzzwecke und in sehr unterschiedlichen Preisklassen. Eine ganze Reihe der auf dem Markt erhältlichen Mobilisten hat Professional audio bereits getestet (siehe Bestenliste unter www.professional-audio-magazin.de). Dabei wurde die obere Preis- und Qualitätsgrenze mit Profi-Geräten wie dem Sound Devices 722 (Test, Ausgabe 10/2006) für rund 3.000 Euro oder dem Nagra Ares-M II (Test, Ausgabe 9/2007) für rund 1.200 Euro bereits hinreichend erkundet. Zeit sich auch einmal an den pekuniären Gegenpol zu begeben, um die ganze Bandbreite mobiler Aufnahmemöglichkeiten abzubilden: Daher steht diesmal – Sparfüchse wird es freuen –  der kostengünstige Mobilrekorder Swissonic MDR-4 mit einer UVP von 179 Euro auf der Test-Agenda. Die Homepage der Firma Swissonic sucht man im Internet vergeblich. Grund: Es handelt sich um ein eigenes Label des Musikhandels Thomann unter dessen Namen kostengünstiges Audio-Equipment angeboten wird. Im Falle des mobilen Recorders MDR-4 handelt es sich um ein OEM-Produkt eines chinesischen Herstellers, dessen Lizensierung Thomann non-exklusiv erworben hat. Demzufolge gibt es das gleiche Produkt auch unter anderem Namen: beispielsweise als DR-2 von Conrad Electronics oder als Palmtrack von Alesis. Sowohl Bernd Siegismund zuständig für Einkauf und Produktmanagement bei Thomann als auch Christian Stahl, European Marketing Manager bei Alesis, sind sich dieser Tatsache bewusst. „Wir waren nicht die ersten, sonst hätten wir auf Exklusivität zumindest für den deutschsprachigen Raum Wert gelegt“, erklärt Siegismund und ergänzt dann: „So konnten wir nur noch auf den Zug aufspringen. Verwundert hat es uns dann allerdings schon, dass Alesis diesen Recorder auch noch ins Programm aufgenommen hat.“ Dann schließt Siegismund ab: „Aber selbst wenn man die Exklusivrechte von den Chinesen bekommt, kann es passieren, dass das gleiche Gerät mit leicht verändertem Gehäuse erneut angeboten wird.“ Christian Stahl macht auch keinen Hehl aus dem Dreifachen Lottchen: „Es handelt sich meines Wissens um identische Geräte, die vom gleichen Hersteller stammen und unter verschiedenen Labels verkauft werden.“ Aber auch zu unterschiedlichen Preisen. Den MDR-4 gibt’s bei Thomann für 95 Euro (UVP: 179 Euro). Im gleichen Onlineshop finden wir den Palmtrack von Alesis für 139 Euro (UVP: 169 Euro) und der DR-2 ist bei Conrad Electronics für 99 Euro zu haben.

Der Swissonic MDR-4 ist ein digitaler Recorder, der mit maximal 24 Bit und 48 Kilohertz im PCM-Format aufnimmt und dessen Einsatzzweck das Mitschneiden von Interviews, Konferenzen und Bandproben, aber auch das Festhalten von musikalischen Ideen ist. Neben dem PCM- beherrscht der MDR-4 auch das MP3-Format und ermöglicht speicherplatzsparende Aufnahmen mit bis zu 320 kbps. Aufgezeichnet wird auf eine ein Gigabyte große SD-Karte, die im Lieferumfang enthalten ist. Eine Speicherkapazität größer zwei Gigabyte wird allerdings nicht unterstützt. Bei 128 kbps reicht der Platz aber immerhin für rund 36 Stunden (2-GB-Karte). Bei höchster Aufnahmequalität (48 Kilohertz und 24 Bit) können insgesamt allerdings nicht mehr als zwei Stunden Audiomaterial archiviert werden. Ist die Karte voll, muss sie ausgewechselt oder zunächst die Dateien per USB-Schnittstelle auf einen Computer (Mac/PC) übertragen werden, damit es weitergehen kann.  Praktisch ist übrigens, dass er MDR-4 lediglich zwei der überall erhältlichen AA-Batterien benötigt, um einsatzbereit zu sein. Das mitgelieferte Netzteil dient als stationäre Alternative. Das mausgraue Kunststoffgehäuse und der Schutzkorb für die Mikrofonkapseln sind funktional, wirken allerdings optisch etwas nüchtern. Daran ändert auch der Metallic-Look nur bedingt etwas. Überzeugen kann das zwar nur daumennagelkleine aber doch jeder Zeit gut lesbare OLED-Display, das weder Probleme mit schrägen Betrachtungswinkeln oder dunklen Umgebungen, noch mit direkter Sonneneinstrahlung kennt. Die wichtigsten Einstellungen können per Gain-Wippe (Ausgangs-Volume, Input-Level), per Schiebeschalter an den Flanken (Power, Mikrofonempfindlichkeit: High, Low) und mit weiteren Buttons auf der Geräteoberfläche vorgenommen werden. Neben einer Navigationswippe, die auch die üblichen Transportfunktionen beinhaltet, bietet der MDR-4 einen rot hinterleuchteten Rec-Button, der praktischer Weise im Bereitschaftsmodus blinkt und während der Aufnahme durchgängig leuchtet. Eine rote Übersteuerungs-LED hilft zusammen mit der Aussteuerungsanzeige im Display unliebsame Verzerrungen bei zu hohen Pegeln zu vermeiden.

Sehr exakte Einstellungen sind allerdings mit dem Zwergendisplay kaum möglich. Zusätzlich Kann mit Hilfe des Back/Cancel-Buttons auch die Hold-Funktion aktiviert werden, indem dieser für zirka zwei Sekunden gedrückt wird. Um einen bestimmten Bereich eines Track im Loop abzuspielen muss mit dem A/B-Button nur der Start- und Endpunkt markiert werden. Mit dem Effekt-Button lässt sich durch die fünf integrierten Effekte (Hall, Room, Chorus, Pitch-Shift, Delay) skippen oder der Effektweg ausschalten (Off-Position). Mit dem Monitor-Button aktiviert man einerseits die Monitoring-Funktion, um eine anstehende Aufnahme per Kopfhörer zu kontrollieren. Hält man ihn länger gedrückt, wird der interne Lautsprecher ausgeschaltet. Neben dem OLED-Display bietet der MDR-4 als weitere Besonderheit gleich vier eingebaute Kondensatormikrofone.  Diese sollen sowohl Stereo- als auch sogenannte 360°-Aufnahmen ermöglichen. Die beiden vorderen stehen eng, in einer Art X/Y-Anordnung, zusammen, die beiden nach hinten gerichteten Kapseln, zirka 2,5 Zentimeter auseinander (A/B-Anordnung). Der Winkel zwischen den beiden Kapseln beträgt jeweils 90 Grad. Ist ein externes Stereo Mikrofon an den passenden 3,5-mm-Klinken-Eingang angeschlossen, ist dieses automatisch aktiv und lässt sich, wenn der 4-Mikrofon-Modus aktiviert ist mit den rückwärtigen, internen Kapseln kombinieren. Phantomspannung oder Plug-in Power für die externen Mikrofone stehen nicht zur Verfügung, so dass ausschließlich dynamische Schallwandler mit dem MDR-4 funktionieren oder Kondensatormikrofone, die über eine eigene Stromversorgung verfügen.

Der Line-Eingang dient zum Überspielen von Audio-Signalen auf analogem Weg, die Kopfhörerbuchse (ebenso 3,5-mm-Klinke) zum Abhören der Dateien auf dem MDR-4 und zum Monitoring während der Aufnahme. Es gibt auch einen eingebauten Lautsprecher, der eigentlich eher ein ‚Leisesprecher‘ ist und sich auf der Rückseite des Rekorders befindet: Zur Kontrolle einer Aufnahme reicht er zwar grundsätzlich aus. Der Rekorder muss aber, sobald es nicht mucksmäuschenstill ist – jetzt erlangt der Begriff Handy-Recorder eine ganz neue Bedeutung – ans Ohr gehalten werden.   Die fünf Hauptmenüs (Record Setup, Play Setup, Effect, File und Utility) haben jeweils nur eine zusätzliche Ebene. Dementsprechend übersichtlich sind die Einstellungsmöglichkeiten. Mancher Einsteiger wird sicher darüber freuen, dass er den Rekorder intuitiv und mit wenig Zeitaufwand zum Studieren des ohnehin nur sehr rudimentären Manuals bedienen kann. Neben der Auswahl der Aufnahmeformate, bietet das Record-Setup-Menü die Möglichkeit, zwischen dem 4- und 2-Mik-Modus zu wählen sowie die Auto Gain Control (AGC) oder den zweistufigen Vocal-Enhancer mit unterschiedlichen Filtereinstellungen zu aktivieren. Im Play-Setup-Menü bietet der MDR-4 neben Lautstärkeeinstellung und Play-Mode (Once, Loop All, Loop) mit ‚3D‘ und ‚Bass Comp‘ zwei Spezial-Effekte, die tatsächlich im Rahmen der Möglichkeiten Räumlichkeit und Basswiedergabe der Aufnahmen verbessern. Außerdem bietet der Menüpunkt Track-Select die Möglichkeit, nur den rechten oder linken Kanal wiederzugeben und in den Vocal Cut-Modus zu schalten, der bei der Wiedergabe die Stimme oder besser gesagt das Mittensignal durch Phasenumkehrung aus dem Stereo-Track löscht – das funktioniert erstaunlich gut. Im Effect-Menü können die fünf Algorithmen, die insgesamt ganz ordentlich klingen, angepasst werden. Allerdings stehen immer nur zwei Parameter zur Verfügung: Time und Level bei den Effekten ‚Hall‘ und ‚Room‘, Rate und Level beim ‚Chorus‘, Pitch und Mix beim ‚Pitch-Shifter‘ sowie Time und Feedback beim ‚Delay‘. Das hilft zumindest ein wenig Einfluss auf die hinzugefügten Effekte zu haben und sie dem jeweiligen Signal entsprechend anzupassen. 

 

Im File-Manager tauchen die Tracks auf, die sich auf der SD-Karte befinden. Eine Ordnerstruktur lässt sich dann individuell mit Hilfe eines Computers erzeugen. Im Rekorder selbst können die Tracks geöffnet, gelöscht und mit etwas Geduld auch umbenannt werden. Das Utility-Menü bietet neben allgemeinen Informationen zur Speicherkarte und deren Formatierung, die Möglichkeit der Einstellung des Display-Kontrasts und der Auto-Shut-Down-Funktion. Außerdem steht ein Stimmgerät für Instrumentalisten zur Verfügung.  Auch der Discount-Recorder muss natürlich ins Messlabor von Professional audio. Zunächst zeigen sich Geräusch- und Fremdspannungsabstand mit 67,4 und 63,7 auf durchaus akzeptablem Niveau auch wenn Recorder wie der Zoom H4n (Test, Ausgabe 5/2009) rund 10 Dezibel bessere Werte liefern. Aber da wollen wir einmal Milde walten lassen, schließlich kostet auch ein Zoom H4n noch mehr als das Doppelte. Die Eingangsempfindlichkeit bietet mit -41,6 Dezibel keine üppigen Verstärkungsreserven für externe Mikrofone. Deshalb sind möglichst ‚laute‘ Kandidaten zu empfehlen. Die THD+N-Werte gehen mit 0,3 Prozent in Ordnung, allerdings zeigen sich die Messungen der Frequenzgänge als abenteuerliche Berglandschaften. Während die Messungen des Mikrofoneingangs eine erhebliche Einschränkung auf den Bereich zwischen 100 Hertz und 10 Kilohertz aufweist – Bässe und Höhen werden eher stiefmütterlich behandelt – zeigen die Messungen der internen Mikrofone sehr bizarre Werte: Sie sind schwach in den Höhen, unregelmäßig und zu hohen Frequenzen hin stetig abfallend im Mittenbereich (oberhalb 300 Hertz) und stark ansteigend im Bassbereich unterhalb 70 Hertz.

Für den Praxistest fertigen wir Gesangs- und Gitarrenaufnahmen an und verwenden den MDR-4 beim Mitschnitt des Interviews mit Günter Pauler von Stockfisch Records (Interview in diesem Heft). Als Journalisten-Recorder kann sich der MDR-4 ganz klar beweisen. Die eingestellte AGC sorgt automatisch für optimalen Pegel. Durch die vier Mikrofonkapseln und deren omnidirektionale Ausrichtung gehen auch Fragen und Einwürfe aus dem Off nicht verloren. Klanglich – das zeigen auch weitere Sprachaufnahmen – haben die internen Mikrofone ihren eigenen Kopf: Die Aufnahmen klingen sehr mittig und vom Frequenzgang her ziemlich eingeengt. Der Bass-Boost ist bei Sprach und auch Gesangsaufnahmen nicht wahrzunehmen, dafür aber die klangliche Deckelung in den Höhen. Die Auflösung der Mikrofone ist gar nicht mal so schlecht, so dass auch Nuancen der Stimme abgebildet werden. Allerdings kann ein leises Grundrauschen auf den Aufnahmen nicht geleugnet werden. Bei Interview-, Probe- oder Konzertmitschnitten für den Eigengebrauch ist das aber auch keine Tragödie. Der anspruchsvolle Mobilist und O-Ton-Jäger dürfte sich mit diesem Ergebnis allerdings nicht zufrieden geben. Das mitgelieferte Netzteil, sollte bei Aufnahmen besser nicht verwendet werden, da ansonsten ein deutlich hörbares Netzbrummen die Aufnahmen heimsucht. Der Klang ist etwas topfig aber insgesamt sehr durchsetzungsstark, da der Präsenzbereich gut, die Enden des Frequenzspektrums nur marginal berücksichtigt werden. Auch hier gilt die Devise: Zum Festhalten von Songideen eignet sich der sehr einfach zu bedienende MDR-4 schon, professionelle Ergebnisse zur Weiterverarbeitung oder sendetaugliche O-Töne liefert er nicht.  

Fazit 

Der MDR-4 ist etwas für Sparfüchse, denen ein kostengünstiger Recorder genügt, um Gespräche, Proben- oder Konzert-Mitschnitte für den Hausgebrauch aufzuzeichnen. Klangliche Höchstleistungen sind dabei nicht zu erwarten, aber in den meisten Fällen auch gar nicht unbedingt notwendig.

Erschienen in Ausgabe 03/2010

Preisklasse: Economyklasse
Preis: 179 €
Bewertung: befriedigend – gut
Preis/Leistung: gut