Dauerbrenner

Nach Murphys Gesetz für Radio-Reporter, geben Batterien immer dann den Geist auf, wenn es am ungelegensten kommt. Das heißt für den Journalisten im Ernstfall: Falls überhaupt möglich, hektischer Stromspeicherwechsel, um den geschichtsträchtigen O-Ton am Ende nicht doch noch zu verpassen. Mit cleverer Hybrid-Stromversorgung und Auto-Record-Funktionen tritt der DR-100 von Tascam solchem Unbill souverän entgegen. Aber auch sonst der der Recorder einiges zu bieten.

Von Michael Nötges 

Die Ansprüche der Mobilisten an ihre Rekorder sind sehr unterschiedlich: Was dem Radio-Reporter billig, ist dem Tontechniker am Set noch lange nicht recht. Dem einen reichen skizzenhafte Aufnahmen für seine Songideen, der andere sehnt sich nach High-End-Sound im Handyformat. Der japanische Hersteller Tascam und möchte offensichtlich in allen Mobilrekorder-Segmenten mitmischen und stellte mit dem DR-7 und dem Testkandidaten DR-100 auf der diesjährigen NAMM-Show gleich zwei neue Handheldrekorder vor. Die beiden Neulinge flankieren preislich den DR-1 (Test, Ausgabe 10/2008) aus eigenem Hause und fächern das Angebot der mobilen Mittelklasse-Rekorder nach oben und unten auf. Zeigte sich der DR-1 als vielseitiger Allrounder für rund 350 Euro, ist der abgespeckte DR-7 bereits für schlappe 250 und der im Profilager fischende DR-100 für knapp 500 Euro zu haben. Im Vergleich zu anderen Handheldrekordern á la Zoom H4n (Test, 5/2009), Marantz PMD 620 (Test, 8/2008), M-Audio Microtrack 24/96 II, Edirol R-09HR, Olympus LS-10 (Test, 2/2009) oder dem Sony PCM-D50 (Test, 6/2008) bewegt er sich damit preislich im oberen Mittelfeld. Dabei setzt der gut ausgestattete DR-100 mit integrierten Mikrofonen, XLR-Buchsen inklusive Phantomspeisung für externe Kondensatormikrofone, Auto-Record-Funktionen und Hybrid-Stromversorgung insgesamt auf Professionalität.  Entsprechend macht das schwarze, Postkartengroße Kunststoffgehäuse einen eher pragmatisch-robusten aber durchaus praxisgerechten Eindruck. Der DR-100 wiegt lediglich 290 Gramm, was für den langen Freifeldeinsatz ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist, auch wenn Tascam keinen Designerpreis mit diesem schlichten Outfit einheimsen wird.  Der Rekorder verfügt gleich über vier eingebaute Mikrofonkapseln: Zwei mit Nierencharakteristik und in starrer A/B-Anordnung am Kopf und zwei weitere mit Kugelcharakteristik oberhalb des Displays. Außerdem gibt es einen Line-Eingang  zum analogen Überspielen von Audiomaterial, einen Kopfhörer- und Line-Ausgang sowie eine weiter Klinken-Buchse zum Anschluss der Fernbedienung und eine USB-2.0-Schnittstelle zur Datenübertragung.   Der DR-100 arbeitet mit SD- oder SDHC-Speicherkarten mit Kapazitäten bis zu 32 Gigabyte zusammen. Eine Liste der auf Kompatibilität getesteten Speichermedien gibt’s unter www.tascam.de.

Im Lieferumfang enthalten, ist bereits eine 2-Gigabyte-SD-Karte, die für gut zwei Stunden Audiomaterial bei 24 Bit und 48 Kilohertz reicht. Außerdem ab Werk mit von der Partie sind USB-Kabel, proprietärer Lithium-Ionen-Akku, Kunststoff-Transporttasche, Windschutz und Infrarot-Fernbedienung samt Adapterschale für deren kabelgebundenen Anschluss. Das Netzteil PS-520 kostet allerdings 30 Euro extra. Eine Investition, die sich aber schon deswegen loht, weil der Li-Ionen-Akku dann in drei Stunden wieder aufgeladen ist. Die sechsstündige Ladezeit per USB-Verbindung zum Computer, zieht sich ansonsten ganz schön in die Länge.   Der DR-100 beherrscht sowohl MP3 als auch PCM-Wav (siehe Steckbrief), kann also in beiden Formaten aufnehmen und sie auch abspielen. Das ursprüngliche Manko, in puncto Samplingfrequenz nur bis 48 Kilohertz arbeiten zu können, ist durch das aktuelle Firmware-Update auf Version 1.10 schnell behoben.  Dann sind Aufnahmen mit bis zu 96 Kilohertz und 24 Bit Wortbreite möglich. Gerade in Verbindung mit hochwertigen Kondensatormikrofonen sind also alle Weichen für klanglich exzellente Aufnahmen gestellt.   Zur schnellen Kontrolle der Takes hat Tascam dem DR-100 einen Mono-Lautsprecher mit 0,4 Watt spendiert. Das macht ihn völlig autark, um auch ohne Kopfhörer bei Dokumentationen im tiefsten Hindukutsch die Aufnahme zu überprüfen. Nicht nur in entlegenen Winkeln der Welt, erweist sich die Möglichkeit neben dem proprietären Li-Ion-Akku auch Stromspeicher im AA-Format verwenden zu können, als äußerst hilfreich. Grund: nach spätestens fünf Stunden im Dauerbetrieb ist der Akku leer und nicht immer ist eine Steckdose für das Netzteil oder ein Computer zum Aufladen per USB-Schnittstelle in der Nähe. Jetzt kann problemlos auf AA-Batterien umgesattelt werden. Das clevere Stromversorgungkonzept des DR-100 geht allerdings noch einen Schritt weiter. Es kann nämlich bestimmt werden, ob der DR-100 Batterien respektive Ni-MH-Akkus oder den Li-Ion-Akku als Hauptstromversorgung verwenden soll. Der jeweils andere Stromspeicher dient dann als Reserve, auf die der Recorder zurückgreift, wenn sich die Hauptstromversorgung dem Ende neigt. Der Clou: Ist die Hauptstromversorgung auf Alkaline-Batterien eingestellt, kann man problemlos die Batterien bei laufender Aufnahme wechseln. Einziger Nachteil ist, dass sich die Griffgeräusche beim Öffnen der Batterieklappe nicht vermeiden lassen.   Die Handhabung des DR-100 ist einfach, intuitiv und grundsätzlich sehr komfortabel. Alle wichtigen Bedienelemente sind zum schnellen Einsatz unmittelbar griffbereit: Ein Schiebeschalter bestimmt die gewünschte Eingangsquelle (Line, Omni, Uni, XLR). Direkten Zugriff bietet der DR-100 außerdem auf weitere Schalter zur Aktivierung des Lautsprechers, der Hold-Funktion und des Limiters beziehungsweise der Auto Gain Control (siehe Foto Rückseite und Flanke). Außerdem natürlich auf die fingerspitzengroßen Transport- und Menü-Buttons (Home, Menu, PB  Control) sowie den I/O-Loop und Quick-Taster (siehe Foto Frontansicht). Der I/O-Loop-Taster ermöglicht das Hinzufügen eines Start- und Endpunkts zur Definition eines Bereichs, der wiederholt abgespielt werden soll. Der Quick-Taster öffnet ein kleines Pop-up-Menü im Display, um Files löschen oder mit einem Erkennungszeichen, einem sogenannten Tag (x oder o), versehen zu können. Die Tags kennzeichnen dann beispielsweise wichtige Takes oder O-Töne zur schnellen Wiedererkennung.  

Auf der Rückseite gibt es einen dreistufigen Schalter (Low, Mid, High) zur Anpassung der Eingangsempfindlichkeit (+2, -20 und -42 dBu). Den Rest erledigt der leichtgängige Zweieurostück-große Tandem-Drehregler an der rechten Flanke. Es ist zwar etwas kniffelig das Verhältnis von linkem und rechtem Kanal zu justieren, aber die Mühe lohnt sich, denn am Ende steht eine ausgewogene Stereoaufnahme. Um Übersteuerungen zu vermeiden helfen außerdem die grafische Pegel- sowie die numerische Spitzenpegel-Anzeige im Display und die zusätzliche Peak-LED.   Zur Navigation durch die übersichtlichen Menüs dient das komfortables Jogg-Wheel, die Enter/Mark- und Stopp-Taster, sowie die beiden Sprung-Buttons. Das Steuerungs-Rad unterstützt mit feiner Rasterungen und griffigen Noppen auf der Oberfläche das Anwählen der Untermenüs, sowie Ändern der Parameter und Einstellungen. Neben den allgemeinen Setup-, Record- und Abspiel-Einstellungen bietet der DR-100 auch einige interessante Zusatzfeatures. Beispielsweise sind Overdub-Aufnahmen zum Erstellen von Songskizzen möglich. Außerdem können während der Aufnahme Marker gesetzt werden (Enter/Mark-Taster), die später helfen, eine lange Aufnahme-Session mit der Divide-Funktion (siehe Display-Foto) in mehrere Audio-Dateien zu zerlegen.   Die Marker-Automation setzt Markierungspunkte, wenn der Pegel bei der Aufnahme unter einen einstellbaren Schwellenwert fällt. Aber das ist bei Weitem nicht alles, was der DR100 in puncto automatischer Aufnahmehilfe zu bieten hat: Im Auto-Rec-Menü können die Schwellenwerte für den automatischen Start (Start Level) und das Beenden (End Level) einer Aufnahme festgelegt werden. Zwei Modi bestimmen, was passiert, wenn der Pegel unter den End-Schwellwert sinkt: Entweder wird ein neuer Track angelegt (TRK INC) oder die Aufnahme lediglich unterbrochen (PAUSE), bis ein Signal wieder den Start-Schwellenwert übersteigt. Werden Auto- und Rec-Taste zum Aufnahmestart gleichzeitig gedrückt, befindet sich der DR-100 im Auto-Rec-Modus. Übersteigt jetzt ein Signal den Start-Schwellenwert wird automatisch aufgenommen. Sinkt es unter den End-Schwellenwert stoppt die Aufnahme. Der DR-100 bietet außerdem einen Pre-Record-Buffer, der sicherstellt, dass nach Wunsch bereits zwei Sekunden vor Aufnahmestart auf der SD-Karte gespeichert werden. Die Aufnahme lässt sich aber auch um 0,3 Sekunden verzögern (Record Delay), um das Geräusch beim Drücken der Rec-Taste nicht mit aufzunehmen. Um Trittschall und Griffgeräusche zu minimieren gibt’s außerdem ein Filter mit verstellbarer Einsatzfrequenz von 40, 80 und 120 Hertz. Vermeiden lassen sich diese Störgeräusche allerdings auch mit der Infrarot-Fernbedienung, die alle Aufnahme- und Abspielfunktionen ermöglicht. Die Reichweite beträgt bei optimalen Bedingungen – freie Sicht auf den Sensor – ungefähr sieben Meter, verkürzt sich allerdings bei schlechtem Winkel schnell auf rund zwei Meter. Wem das bei wichtigen O-Tönen zu heikel ist, kann die Remote auch in die Adapterschale schieben und sie dann per Kabel mit dem DR-100 verbinden.   Der DR-100 bietet die Möglichkeit, alle Tracks in Ordnern zu organisieren, Playlisten zu erstellen und unterschiedlichen Play-Modi (All Repeat, Single, 1 Repeat) und Play Areas (All Files, Folder, Playlist) auszuwählen. Außerdem lässt sich das Abspieltempo (PB Control-Menü) verändern (-50 bis +16 Prozent), nach Wunsch auch ohne die Tonhöhe zu beeinflussen. Das erweist sich beim Transkribieren schwer verständlicher Interviews als praktische Hilfe.  

Messtechnisch erfreulich ist zunächst die präzise eingehaltene Phantomspannung von 47,5 Volt, die uneingeschränkt allen an die XLR-Buchsen angeschlossenen Kondensatormikrofonen genügend Saft bietet, um optimal zu arbeiten. Allerdings sollten es eher lautere Mikrofone, will heißen Modelle mit einer Ausgangsspannung von 15 mV/Pa und höher sein, denn der DA-100 bietet mit einer Eingangsempfindlichkeit von -45,2 Dezibel, relativ wenig Verstärkungsreserven für Mikrofone mit geringer Ausgangsspannung. Hier kämen die Modelle MC 930 (26,8 mV/Pa) oder MC 950 (35,3 mV/Pa) von Beyerdynamic in Frage. Aber auch ein Rode NT5 mit 15,2 mV/Pa arbeitet gut mit DA-100 zusammen. Die THD+N-Werte liegen bei guten 0,1 Prozent. Fremd- und Geräuschspannungsabstand gehen mit 71,6 und 73,3 Dezibel in Ordnung. Der Frequenzgang für die XLR-Eingänge ist linear und fällt lediglich unter 100 Hertz um ein Dezibel bis 20 Hertz ab – das ist absolut zu vernachlässigen. Das FFT-Spektrum offenbart einen Noise-Floor bei -92 Dezibel, der keine nennenswerten Unregelmäßigkeiten wie beispielsweise harmonische oder unharmonische Verzerrungen aufweist. Die Übersprechdämpfung ist mit mehr als 75 Dezibel sehr gut.   Im Hör- und Praxistest von Professional audio fertigen wir diverse Gitarren-, Sprach- und Atmo-Aufnahmen mit den internen Mikrofonen sowie einem Stereopärchen Beyerdynamic MV930 (Test 5/2009)  und einem Shure SM58 (Test 9/2007) bei 24 Bit und 96 Kilohertz an. Etwas ernüchternd ist zunächst der Klang der eingebauten omnidirektionalen Mikrofone: Der Bassbereich bleibt völlig unterbelichtet. Die Auflösung geht zwar grundsätzlich in Ordnung, allerdings klingt die Gitarrenaufnahme eher blechern und mittig. Dazu kommt ein deutlich hörbares Rauschen, dass die eigentlich machbare Transparenz nur hinter einem Schleier erahnen lässt. Für Sprachaufnahmen bei Interviews oder Konferenzen – und dafür sind diese Mikrofone auch gedacht –  geht das in Ordnung. Ganz anders die Aufnahmen über die gerichteten Mikrofon:  Plötzlich ist das Rauchen gänzlich verschwunden und sowohl Atmo- als auch Sprachaufnahmen kommen glasklar und fein aufgelöst. Bei den Gitarrenaufnahmen wird zwar klar, dass untere Mitten und Bass immer noch etwas stiefmütterlich behandelt werden, bei den Sprach- und Atmo-Aufnahmen bekommen wir aber durchaus sendetaugliche Ergebnisse hin. Die internen Mikrofone sind ziemlich windempfindlich. Bereits ein laues Lüftchen ruft heftige Störgeräusche hervor. Mit Windschutz und eingeschaltetem Trittschallfilter kann dem aber erfolgreich entgegengewirken. Übrigens: Mitschnitte im Proberaum gelingen mit eingeschalteter Lautstärkenautomation problemlos und in guter Qualität. Als Gedächtnisstütze für die Musiker reicht dies allemal aus. Praktisch ist auch, dass direkt im MP3-Format aufgenommen und der Mitschnitt, nach reibungsloser Übertragung auf den Computer, direkt per Mail verschickt werden kann.   Die Sprachaufnahmen über das per XLR-Buchsen angeschlossene dynamische SM58 gelingen trotz der geringen Verstärkungsreserven einwandfrei und ohne nennenswerte Nebengeräusche. Es kann mit Fug und Recht von hochwertigen Aufnahmen gesprochen werden. Dieser Eindruck verstärkt sich durch die Stereoaufnahme einer Akustikgitarre mit den beiden Beyerdynamic-Mikrofonen. Die Aufnahmen klingen direkt und plastisch, die Auflösung ist überzeugend, das Klangbild insgesamt sehr ausgewogen und naturgetreu. Zur Sicherheit stellen wir den Limiter bei den Aufnahmen an, der etwas zu starke Transienten elegant und kaum hörbar abfängt. Mit guten Mikrofonen entpuppt sich der DA-100 zu einem sehr hochwertigen, professionellen Recorder

Fazit

Der DR-100 ist ein autarker, gut verarbeiter und robuster Mobilrekorder, der durch sein einfaches Bedienkonzept und die hilfreichen Auto-Featuers sowie die praktische Hybrid-Stromversorgung besonders Journalisten und Reporter anspricht. Klanglich wissen die internen Richtmikrofone trotz kleiner Bassschwäche zu überzeugen. Externe Schallwandler machen den Rekorder zur mobilen Profistation.

Erschienen in Ausgabe 07/2009

Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 499 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut