Leicht und lecker

Sie werden immer kleiner, immer leichter und vermehren sich wie die Karnickel: Auch Yamahas Pocketrak-Familie hat Nachwuchs bekommen und schickt mit dem W24 eine neues Spitzenmodell ins Rennen. Dabei sind aber bei Weitem nicht nur das geringe Gewicht von rund 90 Gramm und das schicke Design bemerkenswert.

Von Michael Nötges 

Der derzeitige Trend bei Handheldrekordern geht zu noch kleineren und leichteren Geräten. Derzeit drängen neben den beiden neuen Pocketraks von Yamaha (C24, W24) auch Tascam und Zoom mit dem DR-08 und dem H-1 auf den Markt. Die anvisierte Zielgruppe besteht aus Journalisten und Musikschaffenden, die jeder Zeit einen Rekorder zur Hand haben wollen, mit dem sie Songlayouts, Probe- und Konzertmitschnitte genauso anfertigen können, wie hochwertige Aufnahmen in sendetauglicher Qualität. Für diese Zwecke ermöglicht der Pocketrak W24 Aufnahmen im MP3- und Wav-Format mit einer Auflösung von maximal 96 Kilohertz bei 24 Bit Wortbreite. Der Handheldrecorder hat einen eingebauten Flash-Speicher mit einer Speicherkapazität von zwei Gigabyte. Das reicht zunächst für rund 55 Minuten im Wav- (96 kHz/24 Bit) oder ungefähr 34 Stunden im MP3-Format (128 kbps). Zusätzlich bietet das Leichtgewicht aber einen microSD(HC)-Karten-Slot für bis zu 16 Gigabyte zusätzlichen Speicherplatz. Außerdem verfügt der Pocketrak W24 über ein eingebautes Stereo-Mikrofon, einen integrierten Mono-Lautsprecher sowie Stimmgerät, Metronom und hilfreiche Features wie die Auto Level Control (ALC), Limiter, Voice Activated System (VAS), Equalizer, Devide-, Timer- und Fade-Funktion. Im Lieferumfang enthalten sind außerdem ein Schaumstoff-Windschutz, die kabellose Fernbedienung, ein Gewindeadapter zur Montage auf einem herkömmlichen Mikrofonständer, eine AA-Batterie sowie USB-Kabel, DVD-ROM mit Cubase AL und die Bedienungsanleitung. Preislich rangiert der Pocketrack W24 mit rund 320 Euro im Mittelfeld der bisher von Professional audio getesteten Handheldrecorder (siehe auch Bestenliste).

Der Pocketrak W24 ist vor allem zunächst leicht und äußerst handlich. Mit rund 90 Gramm wiegt er weniger als so manches Handy und im Größenvergleich steht er aktuellen Mobiltelefonen in nichts nach, so dass der Handheldrecorder problemlos in einer Hemdtasche verschwindet. Das spiegelnd-schwarze Design macht einen schicken Eindruck. Durch unliebsame Kratzer wird der Rekorder vielleicht mit der Zeit seinen Edellook einbüßen, aber alles in allem wirkt das Kunststoffgehäuse durchaus robust und praxistauglich. Zum Schutz der beiden Mikrofonkapseln befindet sich ein grauer Metallbügel am Kopf des Recorders, der mechanische Beschädigungen der empfindlichen Schallwandler verhindert. Die Anordnung kommt einer X/Y-Mikrofonierung nahe, jedoch liegen die beiden Membranen aus Platzgründen nicht über- sondern nebeneinander. Eine einzige AA-Batterie versorgt den sparsamen Pocketrak W24 mit Energie, die laut Hersteller aber für rund 38 Stunden Aufnahmezeit (44,1 kHz/16 Bit) reicht. Ein Akku im AA-Format ist die einzige Alternative. Die Möglichkeit des Betriebs per Netzteil gibt es nicht.Der Preis, den der Anwender für die Miniaturisierung zahlen muss, ist das Platzproblem. Allerdings muss man sagen, dass Yamahas-Ergonomen hier grundsätzlich einen guten Job gemacht haben, wenngleich Kompromisse wegen der Größe und des Gewichts unumgänglich sind. Das briefmarkengroße Display ist und bleibt klein, dennoch sind Menüpunkte und Anzeigen bis auf eine Armlänge gut lesbar. Die Bedienelemente auf der Oberseite beschränken sich auf drei doppelt belegte Transport-Buttons (Play/Speed, Stop/Esc und Record/Pause) und eine Navigationswippe mit Menü-Button. An dieser Stelle hätte Yamaha etwas weniger aufs Design und mehr an die Bedienbarkeit denken sollen: Mit spitzen Fingern kommt man zwar grundsätzlich gut klar, zumal die Buttons über einen sehr guten Druckpunkt verfügen. Etwas größere Bedienelemente wären allerdings wünschenswert. Umso erfreulicher, dass es die praktische Fernbedienung gibt. Die scheckkartengroße Remote vermeidet nämlich nicht nur Griffgeräusche beim Aufnahmestart, sondern steigert auch den Bedienkomfort: Die Buttons sind größer und ausreichend weit von einander entfernt angebracht, was die Bedienung deutlich entspannt. Außerdem lässt sich beispielsweise bei einem Konzertmitschnitt der Recorder auch in mehreren Metern Höhe – das Gewinde auf der Rückseite macht’s möglich – über dem Orchester auf einem Stativ montieren. Das Starten und Stoppen der Aufnahme ist dann aus dem Publikum oder von der Bühne aus problemlos möglich.

An den zentimeterbreiten Flanken gelingt es Yamaha nicht nur, auf engstem Raum die Anschlüsse, sprich den umschaltbaren Mic/Line-Eingang, Kopfhörerausgang sowie die klappengeschützte USB-Schnittstelle und den microSD-Card-Slot unterzubringen. Alle wichtigen Funktions- und Menü-Buttons finden auch noch Platz, um überflüssige Navigation in den Menüs zu vermeiden: Jeder Zeit griffbereit ist also der Delete-Button, um entweder einen einzelnen Track, gleich einen ganzen Ordner, erstellte Indizes (Marker) oder den Papierkorb zu löschen. Will heißen: Gelöschte Dateien sind auf dem Pocketrak W24 erst verloren, wenn sie aus dem Papierkorb entfernt wurden, wie man es vom Arbeiten mit einem Computer kennt. Im Scene-Menü können insgesamt sieben unterschiedliche Aufnahme-Scenes (Practice, Studio, Outdoor, Live, User 1-3) mit den zur Aufnahmeumgebung passenden Einstellungen konfiguriert und jeder Zeit im Handumdrehen wieder aufgerufen werden. Hinter dem List-Button verbirgt sich die Ordnerstruktur des Pocketrak. Diese weist fünf fixe Aufnahme-Ordner (Mic A bis D und Line) sowie einen Music-Ordner auf, um den Recorder auch als MP3-Player oder Archiv zu nutzen oder bis zu fünf unterschiedliche Playlisten zu erstellen. Mit dem Folder-Button kommt man in eine Ordner-Übersicht, um schnell den jeweiligen Aufnahmepfad festzulegen oder aber Dateien zu öffnen oder Playlisten auszuwählen. Scene-, List- und Folder-Button sind doppelt belegt. Im Play- oder Record-Modus öffnen sich keine Menüs, stattdessen fungieren die Buttons als reine Funktions-Taster: Das Phrase-Feature ermöglicht es dabei, während der Wiedergabe um eine ‚Phrase‘ (Länge von einer bis fünf Sekunden einstellbar) zurückzuspringen. Mit dem Index-Button lassen sich während der Aufnahme oder dem Abspielen Marker setzen, um Stellen später schneller auffinden zu können. Der A/B-Repeat-Button markiert Start- und Endposition eines Loops, um diesen dann wiederholt abzuhören. In diesem Zusammenhang ist sehr interessant, dass der Pocketrack über eine Timestretch-Funktion (Start/Speed-Button) verfügt, um einen Track oder Loop langsamer (bis zu 50 Prozent) oder schneller (bis zu 200 Prozent) abzuspielen, was zum Üben bestimmter Passagen oder um eine bestimmte Stelle im Song schnell zu finden, sehr hilfreich sein kann. Außerdem per verstellsicheren Schiebeschalter aktivierbar ist die obligatorische Hold-Funktion, um alle Bedienelemente zu blockieren. Aber auch das Verstellen der Eingangsempfindlichkeit (High, Low) und das Einschalten der ALC zur automatischen Pegelanpassung sind – den Recorder in der linken Hand – mit einer kurzen Daumenbewegung möglich.

Neben den üblichen Einstellmöglichkeiten zum Aufnahmeformat, dem Eingangssignal, Display-Kontrast oder der Power-Off-Zeit (siehe Steckbrief) bietet der Pocketrak W24 einige Besonderheiten und hilfreiche Zusatzfeatures: Das VAS hilft, einen pegelgesteuerten Aufnahmestart hinzulegen. Der Schwellenwert, ab dem der Recorder die Aufnahme automatisch startet, ist in fünf Stufen einstellbar, je nachdem ob es sich um eine laute oder leise Aufnahme-Umgebung handelt. Ebenso hilfreich ist der Self-Timer, der ähnlich wie ein Selbstauslöser bei einer Kamera funktioniert. Die Verzögerung ist zwischen fünf und 30 Sekunden einstellbar. Aber auch ein Aufnahme-Timer ist vorhanden. Mit ihm lässt sich ein bestimmter Zeitraum definieren, in dem der Pocketrak W24 vollautomatisch beispielsweise ein Konzert von 20:00 bis 22:00 Uhr aufnimmt. Zur Bearbeitung einzelner Takes gibt es die Möglichkeit, bis zu acht Sekunden lange Fades (In und Out) zu erstellen. Besonders Musiker und Musiklehrer werden sich außerdem über Stimmgerät und Metronom freuen, besonders, weil das Stimmgerät bemerkenswert exakt arbeitet und sehr übersichtlich und praxisnah zu einem sauberen Tuning führt.Im Messlabor von Professional audio weist der Pocketrak W24 zunächst sehr gute Geräusch- und Fremdspannungsabstände von 80,1 und 77,2 Dezibel auf. Der Noisefloor (siehe FFT-Spektrum) liegt außerdem unterhalb ausgezeichneter -90 Dezibel. Die Eingangsempfindlichkeit von -48,2 Dezibel geht insgesamt mehr als in Ordnung. Zu empfehlen sind aber dementsprechend externe Kondensatormikrofone mit eigener Stromversorgung und hoher Ausgangsspannung, wie beispielsweise das MCE 82 von Beyerdynamic (Test, Ausgabe 11/2007). Auffällig ist, dass die durchschnittlich sehr guten THD+N-Werte (0,4 Prozent) unterhalb 150 Hertz bis auf 1,4 Prozent (siehe Diagramm) bei 20 Hertz ansteigen, gleichzeitig aber der Frequenzgang genau in diesem Frequenzbereich abfällt.

Im Hör- und Praxistest freuen wir uns zunächst über die Möglichkeit, den Rekorder unkompliziert auf einem Mikrofonstativ installieren zu können und per Remote Aufnahmen ohne Griffgeräusche zu erhalten. Bei Gitarren- und Gesangsaufnahmen kommen wir mit der niedrigeren Eingangsempfindlichkeit (Low) gut zurecht und erhalten transparente und nebengeräuscharme Ergebnisse. Das interne Stereomikrofon löst dabei grundsätzlich fein auf und setzt Höhen und Präsenzbereich gut in Szene. Etwas schlapp kommen allerdings die unteren Mitten und Bässe, so dass sich das Klangbild auf den Mittenbereich fokussiert. Der Limiter macht bei Bedarf einen guten Job und hilft in Maßen, Übersteuerungen zu vermeiden und Pegelspitzen abzufangen. Sehr kräftig arbeitet allerdings der Hochpassfilter, dessen Einsatzfrequenz bei 1,5 Kilohertz liegt und der das Signal dadurch heftig beschneidet. Probleme mit Trittschall und Windgeräuschen sind dann zwar grundsätzlich gelöst, die Aufnahmen klingen jedoch stark eingeengt. Bei extremen Interview-Bedingungen, wie ein Gespräch an einer stark befahrenen Straße, kann das Filter zum besseren Verständnis sinnvoll sein, für Musikaufnahmen eignet es sich kaum. Um ein Interview oder eine Konferenz mitzuschneiden, empfehlen sich wegen der schwankenden und mitunter geringen Pegel der High-Modus und die ALC. Wir schneiden ein Gespräch mit und können beim späteren Abhören trotz unterschiedlicher Entfernungen der Personen zum Rekorder die Konversation immer gut verfolgen und alles verstehen. Bei leisen Schallquellen oder großer Entfernung gerät die Mikrofonverstärkung allerdings zunehmend in den Grenzbereich, was zu einem leisen Rauschen auf der Aufnahme führt. Für sendetaugliche O-Töne, hochwertige Mitschnitte oder Aufnahmen von leisen Schallquellen sollte daher immer ein externes Kondensatormikrofon mit eigener Stromversorgung und entsprechend hoher Ausgangsspannung verwendet sowie der High-Modus gemieden werden. Dann zeigt der Pocketrak W24, was ein Fliegengewicht der 300-Euro-Liga klanglich leisten kann.

Fazit

Yamaha bekommt beim Pocketrak W24 den Spagat zwischen Ergonomie und Größe mit wenigen unumgänglichen Kompromissen in den Griff. Für 320 Euro bekommen Musiker, Journalisten und ambitionierte Mobilisten eine ganze Reihe praktischer Features an die Hand und auch klanglich macht das schmucke Fliegengewicht eine gute Figur.

Erschienen in Ausgabe 06/2010

Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 320 €
Bewertung: gut
Preis/Leistung: gut