Fünflinge
Zoom setzt noch eine drauf. Mit den nunmehr fünf Mikrofonkapseln des H2n sind sowohl M/S-, und X/Y- als auch Vierkanal-Surround-Aufnahmen möglich. Das ist aber bei Weitem noch nicht alles, was der kleine Tausendsassa zu bieten hat.
Von Michael Nötges
Bereits mit dem vierkapsligen Handheld-rekorder H2 hat der japanische Hersteller Zoom die Tür in Richtung unterschiedlicher Stereo-Mikrofonierungen und Surround-Aufnahmen einen Spalt geöffnet. Jetzt schiebt er mit dem neuen H2n den Fuß komplett hinein: Eine nach vorne ausgerichtete Kapsel (Nieren-Charakteristik) mit dahinterliegender Doppelmembran (Acht) lässt Aufnahmen im M/S-Verfahren zu. Nach hinten ausgerichtet, bietet das Memran-Konglomerat des mobilen Rekorders zwei weitere Nieren-Kapseln, die in X/Y-Anordnung, wie es sich gehört, übereinander auf einer Achse positioniert sind. Der Achsenwinkel beträgt dabei 90 Grad. Als wäre das aber noch nicht genug für einen Handheldrekorder, der alles in allem nicht größer als ein frühzeitlicher Faustkeil ist, liefert der Hersteller noch einen Surround-Modus obendrauf. Die beiden Stereo-Mikrofonierungen einen sich und werden zu einem akustischen 360-Grad-Abbild auf zwei (stereo) oder vier (M/S und X/Y) Kanälen zusammenfasst. Dass der neue Aufnahmezwerg ganz nebenher noch als USB-Audio-Interface verwendet werden kann, Aufnahmen mit bis zu 96 Kilohertz bei maximal 24 Bit Wortbreite erlaubt, laut Hersteller 20 Stunden mit einem Satz AA-Batterien auskommt und zahlreiche Zusatzfunktionen bietet, fällt dabei fast schon unter den Tisch.
Bezahlbar bleibt der Fäustling mit einer UVP von 236 Euro aber auch noch, was ihn für Journalisten, Musiker und ambitionierte Mobilisten mitnichten weniger attraktiv macht. In der hinteren Mittelfeldgruppe bis 300 Euro strampelt der Zoom H2n übrigens mit Konkurrenten wie beispielsweise dem Korg Sound on Sound (Test in Ausgabe 4/2010), dem LS-5 von Olympus (Test in Ausgabe 3/2011), Rolands R-05, dem Tascam DR-05 oder dem Fliegengewicht von Yamaha Pocketrack W24 (Test in Ausgabe 6/2010). Was bisher allerdings keiner der direkten Nebenbuhler zu bieten hat, ist die Möglichkeit der M/S-Mikrofonierung. Zunächst sieht der Zoom H2n aber wie ein typischer Handheldrekorder aus, wobei seine rund elf Zentimeter hohe Statur eher etwas untersetzt und nicht so rank und schlank wirkt, wie die eines ein Olympus LS-5 oder des Yamaha Pocketrack W24. Das will aber nichts heißen, schließlich hat der schwarze Rekorder auch insgesamt fünf Kapseln unter der Drahtgitterhaube. Das glänzende Kunststoffgehäuse des rund 130 Gramm leichten Taschenzwergs macht einen widerstandsfähigen Eindruck und sieht zudem auch noch recht schick aus. Das Einpegelrad ist durch einen Kunststoffbügel weitestgehend vor versehendlichem Verstellen geschützt. Es sieht auf den ersten Blick aber edler aus, als es ist. Schnell ist klar: Auch hier wurde kein Metall, sondern grausilberner Kunststoff verwendet. Positiv zu vermerken ist die Tatsache, dass im Gegensatz zur Ausgangsregelung (siehe Foto, Seite 53) ein präzise justierbares Poti verbaut ist. Ansonsten machen Taster, Buchsen und Fach-Klappen (Batterie und Speicherkarte) einen sehr soliden Eindruck. Bei der Bedienung fallen zwei Dinge auf: Zum einen ist die Navigationswippe ziemlich fummelig und besonders der Bestätigungs-Mechanismus – Hineindrücken des Bedienelements – hakt und klemmt, sodass wenig Freude beim Steuern durch die Menüs aufkommt. Beim Justieren der unterschiedlichen Mikrofonierungs-Modi geht es zunächst ähnlich unkomfortabel zu, denn die flache Scheibe am Kopf des Rekorders (siehe Foto, Seite 53), schützt zwar sicher vor versehendlichem Verstellen, lässt sich aber tatsächlich auch dann kaum packen, wenn es gewollt ist. Nach ein paar Versuchen und kurzer Überlegung ist das Problem aber gelöst: Presst man den Daumen der rechten Hand auf den fingerspitzengroßen, geriffelten Auswahlmechanismus und dreht den Rekorder mit der linken Hand, geht es prima. Erfreulich sind die beiden roten LEDs, die je nach Betriebsmodus (M/S, X/Y, 2CH, 4CH) die Einsprechrichtung signalisieren. Außerdem blinken sie, wenn der Eingang übersteuert ist. Eine weitere Rotleuchte direkt über dem gut lesbaren, grafischen LCD (siehe Tabelle) erglimmt, wenn der Rekorder aufnimmt, sodass man aus einiger Entfernung sieht, wann Ruhe geboten ist. Apropos Entfernung: Es gibt eine Remote-Buchse, die den kabelgebundenen Anschluss einer optionalen Fernbedienung ermöglicht, um Aufnahmen aus sicherer Entfernung und ohne nervigen Körperschall zu starten und zu stoppen. Der Hersteller bietet in diesem Zusammenhang das Zubehörpaket APH-2n an, welches für 46 Euro on top neben der Remote, einen Windschutz, USB-Netzteil und -Kabel, ein gepolstertes Aufbewahrungs-Etui sowie ein Tripod-Stativ und Mikrofon-Clipadapter beinhaltet. Zur Montage der beiden letzteren Zubehör-Optionen gibt es ein Gewinde am Boden des H2n. Um den Rekorder auf einem Mikrofonstativ zu installieren, bedarf es allerdings eines zusätzlichen Adapters von 1/4- auf 3/8-Zoll. Der H2n hat einen analogen 3,5-mm-Klinken-Eingang (Line/Mic), um externe Quellen einzuspeisen. Da es keine Phantomspannung gibt, ist der User auf dynamische Mikrofone, solche mit eigener Stromversorgung oder aber Plug-in-Power-gespeiste Varianten begrenzt.
Auch Kopfhörer- und Line-Ausgang teilen sich eine kleine Klinkenbuchse. Weiter Anschlussmöglichkeiten außer der USB-Schnittstelle bietet der H2n nicht. Zoom setzt auch beim neuen Spross auf wechselbare Stromspeicher (Batterien/Akkus) im AA-Format und erreicht, wie bereits erwähnt, durch ein Strom sparendes Gesamtkonzept eine Betriebsdauer (Aufnahme bei 16/Bit 44,1 Kilohertz) von 20 Stunden. Dank einer Datensicherungs-Funktion ist es aber auch kein großes Problem, wenn einmal bei laufender Aufnahme die Batterien leer sind. Zumindest das bis dahin Aufgenommene wird beim nächsten Systemstart wieder hergestellt. Mit einem optionalen Netzteil, welches an die USB-Buchse angeschlossen wird, ist auch der stationäre Betrieb möglich. Im Lieferumfang enthalten ist neben der Bedienungsanleitung, einer Installations-CD für Steinbergs Wave-Lab LE und zwei Batterien, eine zwei Gigabyte fassende SD-Karte. Wird im 4-Kanal-Surround-Modus aufgenommen, sind allerdings nur Aufnahmen von rund 1,5 Stunden bei 16 Bit und 44,1 Kilohertz drin. Für ein Konzert mit Zugabe reicht das nicht unbedingt und deshalb ist es gut zu wissen, dass auch SDHC-Karten mit bis zu 32-Gigabyte Speicherplatz einsetzbar sind. Der H2n verwendet das Wav-, und MP3-Format (siehe Tabelle), wobei auch das, besonders beim Rundfunk relevante, Broadcast Wave Format (BWF) unterstützt wird. Der H2n besitzt eine Reihe von Zusatzfunktionen, die besonders bei Aufnahmen hilfreich sein können. Bei den Input-Settings findet sich neben dem Hochpassfilter mit einer Einsatzfrequenz von 80 Hertz eine Dynamik-Sektion. Es gibt je drei Presets für den integrierten Kompressor (General, Vocal, Drum) und den Limiter (General, Concert, Studio), deren fixe Parameterkonfiguration, unterschiedlichen Aufnahmebedingungen entsprechend, angepasst ist. Eigene Kompressor- oder Limiter-Einstellungen können nicht vorgenommen werden. Das Monitoring kann entweder komplett an oder ausgeschaltet werden und erfolgt über den internen Mono-Lautsprecher (400 Milliwatt) auf der Gehäuserückseite oder per Kopfhörer beziehungsweise angeschlossenen Lautsprechern. Die Entwickler haben dem H2n aber noch einen weiteren Modus spendiert, der das Abhören nur im sogenannten Home-Menü (Startseite) und bei der Aufnahme ermöglicht. Sobald Einstellungen in Untermenüs vorgenommen werden, ist der Monitor-Weg unterbrochen. Das verhindert die mitunter nervtötenden und lauten Körperschall-Geräusche beim Ändern von Parametern. Wie die meisten Rekorder verfügt der H2n auch über eine Auto-Gain-Einstellung, einen Pre-Rec-Buffer von 2 Sekunden und eine Auto-Rec-Funktion, die den Rekorder abhängig von einem bestimmten Schwellenwert (0 bis -48 Dezibel) startet und stoppt. Gitarristen und Bassisten wird es freuen, dass der H2n ein Stimmgerät mit unterschiedlichen Modi (Gitarre, Bass, chromatisch, alternierende Stimmungen) bereithält. Weniger freuen wird es sie allerdings, dass das Tool nicht wirklich überzeugen kann.
Die Anzeige springt beim Stimmen von Zeit zu Zeit unkontrolliert hin und her und der Vorgang gelingt nur mit viel Geduld. Das integrierte Metronom hingegen macht einen sehr guten Eindruck. Man kann einstellen, ob der Click nur bei der Aufnahme, nur beim Abspielen oder bei beidem aktiv ist. Es gibt die Möglichkeit bis zu acht Vorzähler ertönen zu lassen. Außerdem hält der H2n fünf unterschiedliche Sounds genauso parat wie unterschiedliche Taktarten. Tempo und Lautstärke des Clicks können den individuellen Bedürfnissen entsprechend eingestellt werden. Zum Üben und Ausprobieren bietet der H2n die sogenannte Key-Control, welche das Transponieren eines Tracks um sechs Halbtöne nach oben oder unten zulässt. Der Algorithmus klingt zwar mitunter sehr gewöhnungsbedürftig, zum schnellen Ausprobieren, welche Tonart für den Gesang am besten ist, kann es aber sehr hilfreich sein. Die A/B-Repeat-Funktion hilft, festgelegte Passagen als Loop wiederzugeben, um beispielsweise unterschiedliche Backings zu üben oder ein Solo auszuprobieren. Der H2n hält einige Bearbeitungs-Tools bereit, die es beispielsweise ermöglichen, einen Track zu zerschneiden und ihn, wenn es sich um eine Wave-File handelt, auch zu normalisieren. Außerdem hat der H2n einen internen Format-Konverter, der es ermöglicht, Wave-Dateien in MP3s oder Vierkanal-Aufnahmen in Stereo-Files umzuwandeln. Bei Aufnahmen im M/S- und Vierkanal-Modus ist außerdem ein nachträgliches Editing möglich. Ansonsten stehen einem bei der Aufnahme von Mono-Takes (Seitensignal: off) bis hin zu einer weit aufgespannten Stereobasis (150°) zahlreiche Zwischenpositionen zur Verfügung. Im Surround-Betrieb sieht die Post-Production etwas anders aus: Der Vierkanal-Modus legt entweder eine (2CH) oder zwei (4CH) Stereo-Spuren (M/S und X/Y) in separaten Dateien ab. Diese können dann im sogenannten Surround-Mixer im Nachhinein gemischt werden. Einstellbar sind jeweils die Lautstärken der einzelnen Stereo-Takes, sowie deren Panorama-Balance. Messtechnisch macht der H2n eine ganz gute Figur, kann aber insgesamt im Messlabor von Professional audio nicht restlos überzeugen. Die Eingangsverstärkung könnte für Aufnahmen mit externen Schallwandlern etwas besser sein, liegt aber bei akzeptablen –44,7 Dezibel. Geräusch- und Fremdspannungsabstand gehen mit 74,7 und 72,3 Dezibel völlig in Ordnung.
Konkurrenten wir der Sound on Sound von Korg (76,2/75,5 Dezibel) oder der LS-5 von Olympus (78,6/75,7 Dezibel) sind da nur wenig besser. Die THD+N-Werte des H2n sind mit 0,18 Prozent sehr ordentlich und der Noisefloor (siehe FFT-Spektrum) liegt weit unterhalb -80 Dezibel, wobei k3 und k5 deutlich herausragen, was aber zunächst wenig über die tatsächliche Klangqualität der Aufnahmen über die internen Mikrofone aussagt. Da lohnt es sich doch im Hör- und Praxistest Akustikgitarre, Gesang und Atmos in den unterschiedlichen Mikrofonierungs-Modi anzufertigen. Dafür lade ich den ASIO-Treiber von der Hersteller-Homepage, um den H2n direkt als Interface an ein Notebook anzuschließen. Die Installation erfolgt problemlos und der H2n erscheint als Ein- und Ausgangs-Device in der Sequenzer-Software. Der Treiber läuft im Test sehr stabil und völlig problemlos. Für die Aufnehme eines Songs (Gitarre/Vocals) wähle ich zunächst das M/S-Verfahren und probiere einige unterschiedliche Einstellungen für die Stereobasisbreite aus. Der Klang der internen Mikrofone ist ausgeglichen und insgesamt überzeugend. Vielleicht im Bassbereich etwas begrenzt aber dennoch sehr direkt und kraftvoll. Etwas transparenter und präziser könnte die akustische Abbildung sein, obwohl das Impulsverhalten und die Detailauflösung insgesamt eine gute Figur machen. Im X/Y-Modus – der Rekorder muss von der Rückseite besprochen werden – schwindet der Raumanteil und die wiederholte Aufnahme kommt noch direkter und ausgeglichener. Eine Vergleichsaufnahme mit zwei Kondensatormikrofonen (Audio Technika AT 4040 und Oktava MK-012-01) in X/Y-Aufstellung zeigt: Der H2n hat einen satten Gesamtklang, der im Frequenzspektrum aber insgesamt eingeengt wirkt. Low- und High-End werden etwas stiefmütterlich behandelt. Außerdem fehlt es ein wenig an Präzision und Plastizität. Da aber alleine der Preis des AT 4040 (rund 470 Euro), den des kompletten Rekorders weit übersteigt, ist das klangliche Ergebnis des H2n für den Aufnahmezwerg sehr überzeugend. Der Surround-Betrieb ist perfekt für den Mitschnitt von Gesprächen, da alle Einsprechrichtungen abgedeckt sind. Bei einem Meeting oder Interview mit mehreren Personen ist das eine optimale Lösung. Aber auch bei der Aufnahme eines Songs in einem gut klingenenden Raum erweist sich der Surround-Modus als ziemlich gute Idee. Ich wähle den 4CH-Modus, um zwei Stereospuren (M/S und X/Y) zur späteren Bearbeitung aufzuzeichnen. Im Nachhinein ergänze ich dann nach Belieben den Raumanteil, indem ich die Lautstärke der X/Y-Spur im 4-CH-Mixer verändere. Die zusätzliche M/S-Spur macht dabei einen sehr direkten Klang möglich. Weil mir das Mäusekino auf Dauer aber doch zu anstrengend ist, schiebe ich die beiden Tracks per Drag-and-Drop auf das Notebook und bearbeite beide in der Sequenzer-Software weiter. Auch bei aufgenommen Atmos ist das sehr hilfreich, weil im Nachhinein eine Fokussierung auf ein zentrales Geräusch möglich ist und die Balance – mehr oder weniger Raum und Stereobasisbreite – problemlos anpassbar ist.
Fazit
Wenn die Hürde der gewöhnungsbedürftigen Bedienung genommen ist, zeigt sich der H2n als vielseitig einsetzbarer Handheldrekorder, der nicht zuletzt durch die unterschiedlichen Mikrofonierungs-Modi und Dank seiner Audio-Interface-Tauglichkeit sowie zahlreicher hilfreicher Aufnahme- und Bearbeitungs-Funktionen zu überzeugen weiß.
Erschienen in Ausgabe 11/2011
Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 236 €
Bewertung: gut
Preis/Leistung: gut – sehr gut
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