Die Profi-Spaß-Maschine
Nach über zwei Jahren präsentiert der Hamburger Software-Hersteller Steinberg mit Cubase 5 ein weiteres Major-Update seines Sequenzer-Bestsellers. Standesgemäß ist die neue Version mit einer Fülle neuer Features und Verbesserungen gespickt. Was sie taugen und ob sich das Update lohnt, klärt der detaillierte Praxistest.
Von Georg Berger
Es ist gerade mal ein halbes Jahr her, da präsentierte Steinberg im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der hauseigenen Hardware-Geräte MR 816 CSX und CC121 (Test in Heft 11/2008) die Version Cubase 4.5. Ganz klammheimlich muss der Hamburger Software-Hersteller zu dem Zeitpunkt aber schon an Cubase 5 gewerkelt haben. Denn anders ist der Umstand nicht zu erklären, dass Steinberg mit Cubase 5 ein halbes Jahr später mächtig Gas gibt. Das letzte Major-Update Cubase 4 erblickte schon vor über zwei Jahren das Licht der Welt. Ein kurzer Blick auf die neuen Features zeigt die Fünfer-Ausgabe in vielen Bereichen renoviert, verbessert und erweitert. Dem Anlass entsprechend findet sich eine überbordende Fülle an Neuheiten, die unmöglich alle in diesem Artikel vorgestellt werden können. Die wichtigsten und bemerkenswertesten Highlights präsentieren wir jedoch auf den nachfolgenden Seiten.
Insgesamt entsteht zunächst der Eindruck, dass Cubase 5 keine großartigen Neuheiten zur Vorversion bietet und dass lediglich an einigen Stellen ein paar Schönheitskorrekturen vorgenommen wurden. Tatsächlich hat sich im Großen und Ganzen nicht wirklich viel Neues getan – zumindest hinsichtlich des Bedienkonzepts. Aber das muss kein Nachteil sein, sondern aus unserer Sicht sogar ein Vorteil, denn der Nutzer kann ohne Umschweife und langwierige Einarbeitungszeit nahtlos mit der neuen Version weiterarbeiten. Doch bei näherem Betrachten entdeckt man, dass mit Bedacht viele kleine Verbesserungen vorgenommen wurden, in ihrer Gesamtheit machen sie aus Cubase 5 ein wahrhaftes Major-Update – und was für eins. Auffällig: Die Steinberg-Entwickler haben sich nicht nur auf einige wenige Aspekte konzentriert, die in erster Linie vermeintliche Schwachstellen beseitigen. Vielmehr bietet die Fünfer-Version einen breit angelegten Rundumschlag an Verbesserungen, der zwar nicht jeden Anwender gleichermaßen ansprechen wird, aber für jeden Anwender mit Sicherheit das Eine oder Andere äußerst interessante Feature parat hält.
Sehr schön: Im Vergleich zur Vorversion ist der Neukauf von Cubase 5 mit knapp 600 Euro jetzt deutlich günstiger und damit attraktiver ausgefallen. Überdies legt Steinberg dem Paket zusätzlich einige Sound-Leckerlis bei: Die VST Collection Volume 1 Library und das neue Halion ONE Expression Set erweitern den Halion ONE Sampler um neue Sounds und es findet sich eine 90-Tage Demoversion des Halion Symphonic Orchestra Sample-Instruments. Steinberg steigt also von seinem vermeintlich hohen Roß ab und zeigt den Mitbewerbern in diesem Preissegment ab sofort, wo der Hammer hängt. Die in Teilen abgespeckte Version Cubase Studio 5 Version gibt’s darüber hinaus schon für knapp 400 Euro. Überdies wird Besitzern selbst uralter Cubase-Versionen das Upgrade durch günstige Preise zwischen zumeist 130 bis 250 Euro schmackhaft gemacht.
Oberflächlich betrachtet, fallen als erstes die im Lieferumfang neu hinzugefügten Instrumente und Effekte auf. Instrumental schielt Cubase 5 mit dem Drumsampler Groove Agent ONE, dem Pattern-Sequenzer Beat Designer sowie dem Loop-Instrument Loop Mash jetzt deutlich in Richtung Dancefloor und Groove-Produktion. Das Beste daran: Die Bedienung aller drei virtuellen Instrumente ist zielgerichtet auf einen Live-Einsatz ausgerichtet und verwandelt Cubase 5 somit in ein DJ-Studio mit hohem Spiel- und Spaß-Faktor. Dies wird zusätzlich untermauert durch die Möglichkeit, Instrumente über die Computer-Tastatur zu spielen, was durch Aufruf eines virtuellen Keyboards geschieht, das in die Transportleiste eingebettet ist. Mit dem Loop Mash-Instrument beweist Steinberg zudem erneut seine schöpferisch-kreativen Fähigkeiten und legt ein bis dato einzigartiges und innovatives Konzept zur akustischen Verschmelzung von Audio-Loops vor, das mit Sicherheit alsbald viele ambitionierte Klangschrauber nicht mehr missen wollen. Denn Loop Mash befreit Audio-Loops von ihrer linearen Starrheit und bietet neue Wege im Handling von Audio-Dateien.
Cubase-Freunde mit absolutem Gehör und dem Anspruch nach perfekt intonierten Gesangs- und Instrumentallinien werden mit Sicherheit die Tonhöhenkorrektur-Werkzeuge PitchCorrect und VariAudio einhellig begrüßen. Die Urväter beider Effekte, Antares Auto-Tune und Celemony Melodyne, brauchen zwar keine Konkurrenz zu fürchten, denn sie sind in Sachen Ausstattung und Einsatzmöglichkeiten immer noch besser aufgestellt. Doch für behutsame Eingriffe besitzen beide Neulinge ausreichend Kraft, um minimale Korrekturen natürlich klingend und unhörbar aufzubessern, zumal sie gerade durch ihre überschaubaren Bedienmöglichkeiten fast narrensicher zu handhaben sind. Wer mit Musikern arbeitet, die beim Aufnehmen nur an wenigen Stellen und dann nur minimal patzen, wird mit PitchCorrect und VariAudio auf lange Sicht zufriedenstellend arbeiten können. Derbe Schnitzer lassen sich nach wie vor nur von den Spezialisten ausbügeln.
Mit REVerence holt Cubase 5 im Vergleich zu den Mitbewerbern auch in Sachen Raumsimulation auf und fügt dem riesigen Lieferumfang an Effekt-Plug-ins einen echtzeitfähigen Faltungshall hinzu. Der Clou: Impulsantworten lassen sich sogar nahtlos ineinander überblenden, was neue Wege in der dramaturgischen Gestaltung von Musik offeriert und mit vergleichbaren Produkten nur umständlich zu realisieren ist. Cubase 5 erhält somit Profi-Studio-Weihen. Die Zeiten, in denen als einzige Alternative der offline arbeitende Acoustic Stamp-Prozessor zur Verfügung stand, sind ab sofort passé.
Doch auch im Inneren des Sequenzers selbst haben die Steinberg-Entwickler noch einmal nachgebessert und warten mit teils innovativen neuen Features auf. Die mit Sicherheit spektakulärste Neuheit dürfte die VST Expression Funktion sein. Sie bettet eine Key-Switch Verwaltung in den Piano-Roll- und Noten-Editor ein und bietet das perfekte Pendant für sämtliche Sample-Libraries, die das authentische Klang- und Spielverhalten akustischer Instrumente mit Hilfe von Artikulations-Samples über diese Art der Spielsteuerung realisieren. Notisten werden überdies genüsslich mit der Zunge schnalzen, denn VST Expression erlaubt es erstmals, Spielanweisungs- und Artikulations-Symbole in den Notentext einzufügen, die im Hintergrund mit den dazu korrespondierenden Artikulationssamples verknüpft sind und diese beim Abspielen der Noten automatisch ansteuern und somit das nachträgliche Einfügen von MIDI-Noten in den Piano-Roll-Editor überflüssig macht.
Auch in Sachen Automation hat sich einiges getan. So findet sich in Cubase 5 jetzt ebenfalls ein Automationsfeld zum zentralen Einstellen und Verwalten von Automationsspuren, wie es erstmals in Nuendo 4 eingeführt wurde (siehe Test in Heft 12/2007). Allerdings bietet das Cubase-Automationsfeld nicht den gleichen opulenten Funktionsumfang wie die Nuendo-Vorlage, was aber dennoch ausreichend ist. So lassen sich jetzt zentral die verschiedenen Automations-Modi einstellen und bestimmte wählbare Parameter vom Schreiben und Lesen von Automationsdaten ausklammern oder per Knopfdruck auf einen Schlag gemeinsam anzeigen.Genial: Die Steinberg-Entwickler haben das Handling von Automationsdaten deutlich verbessert und bieten die Möglichkeit MIDI-Controller- und Host-Automations-Daten miteinander zu verschmelzen. Damit ist endlich die babylonische Sprachverwirrung beseitigt, die bislang entstanden ist, wenn MIDI-Controller- und Host-Automations-Daten gemeinsam auf einen Parameter zugreifen wollten. Beide Automationsspuren-Arten werden überdies jetzt sehr übersichtlich im Projekt-Fenster und Piano-Roll-Editor gemeinsam angezeigt. Kollidieren nun beide Spurenarten in einem Parameter miteinander, löst Cubase 5 den Konflikt durch Interpolieren beider Spuren.
Überdies findet sich in den Automationsspuren des Projekt-Fensters eine Ausklapp-Liste, aus der sich fünf Modi zum Verrechnen beider Spuren auswählen lassen. Die Ergebnisse fallen im Test mitunter überraschend aus, was eine entsprechende Nachbearbeitung oder das Löschen einer der Spuren erforderlich macht. Manchmal erhalten wir sogar teils neuartige Steuerungsverläufe, die sehr inspirierend wirken.
In Sachen Aufnahme und Arrangement-Bearbeitung haben sich die Steinberg-Entwickler ebenfalls einige neue Dinge einfallen lassen, die den Workflow in Cubase 5 deutlich vereinfachen und angenehmer gestalten. So bietet sich jetzt die Möglichkeit, per Tastatur-Kommando sämtliche Spuren gemeinsam für die Aufnahme zu aktivieren, was etwa beim Aufnehmen eines Live-Konzertes lästige Klickarbeit spart. Überdies bietet die Record-Lock-Funktion einen Schutz vor versehentlichem Deaktivieren der Aufnahme im laufenden Betrieb. Viele Anwender dürften auch den neuen Fadenkreuz-Modus des Mauszeigers begrüßen, der zusätzliche Hilfe beim Positionieren der Werkzeuge bietet und eine zwar anfänglich gewöhnungsbedürftige, aber sinnvolle Bereicherung darstellt.
Anspruchsvolle Musiker und Komponisten werden sich in jedem Falle über die neuen Tempo- und Taktart-Spurentypen freuen, mit der sich direkt im Projektfenster entsprechende Änderungen blitzschnell realisieren lassen, den lästigen Aufruf des Tempo-Editors auf ein Mindestmaß reduzieren und den Workflow nicht empfindlich stören.
Zusätzliche Optionen finden sich auch rund um das Speichern und Exportieren von Projekten. So lassen sich im Batch-Export-Dialog erstmals mehrere Einzelspuren eines Projektes in einem Prozess als separate Dateien exportieren. Wer also oftmals zwecks Weiterbearbeitung in einem anderen Rechner oder auf anderen DAWs einzelne Spuren exportieren muss, erhält eine willkommene Alternative zum OMF-Format und erledigt dies fortan mit wenigen Mausklicks.Neu ist auch die Möglichkeit, ein bestehendes Projekt in einen neuen Ordner zu speichern und importierte Video-Dateien gleichzeitig mit zu speichern. Schade ist allerdings, dass sich Cubase 5 Projektdaten nicht in Nuendo 4 laden lassen, was die Datenaustausch-Möglichkeiten erheblich einschränkt, zumal ein Update von Nuendo auf sich warten lässt.
Last but not least verfügt Cubase 5 jetzt über einen vollständig nativen 64-Bit-Support für Windows Vista 64. Die integrierte sogenannte Bit-Map-Technik garantiert dabei die Verwendbarkeit von 32-Bit-Plug-ins auf 64-Bit-Systemen. Gleichzeitig wird auch eine Unterstützung des WASAPI-Audiotreibers angeboten, der von Microsoft für Vista 64 entwickelt wurde. Mac-User müssen sich allerdings noch in Geduld üben. Steinberg portiert zurzeit das Cubase-Framework von der bisherigen Carbon- auf die sogenannte Cocoa-Technik.
Groove Agent ONE
Einfach aber mächtig Mit Groove Agent ONE findet sich endlich wieder ein virtuelles Drum-Sampling-Instrument im Lieferumfang von Cubase. Er beerbt den bis zur Version SX3 enthaltenen Vorgänger LM-7. Das überschaubar ausgestattete und einfach zu bedienende Instrument wartet mit einer Reihe sehr nützlicher und flexibler Features auf, mit denen sich auf lange Sicht sehr gut arbeiten lässt. Dazu zählen insgesamt 128 spielbare Pads respektive ansteuerbare MIDI-Noten, die in acht Gruppen per Button aufrufbar sind und für Kompositionszwecke mehr als ausreichend sind. Die Nähe der Bedienoberfläche zur MPC-Serie von Akai findet Bestätigung in der Möglichkeit, das PGM-Datenformat der Akai-Geräte laden zu können, so dass sich Pad-Mappings der MPC-Geräte auf die virtuelle Ebene transferieren und der Steinberg-Klopfgeist über die Akai-Hardware ansteuern lässt. Wer mag, kann selbstverständlich auch eigene Mappings vornehmen.
Mit 43 Werks-Presets bietet Groove Agent ONE eine breite Palette an brauchbaren akustischen und elektronischen Drumkits. Der Sound ist nach unserem Geschmack jedoch teilweise ein wenig zu stark komprimiert und erinnert teils an GM-Soundqualität. Abhilfe schafft die sehr bequeme Möglichkeit, eigene Sounds per simplem Drag-and-drop wahlweise aus der Media Bay, dem Projekt-Fenster oder dem Sample-Editor auf die anschlagsdynamischen Pads zu routen. Groove Agent ONE bietet dabei sogar die Möglichkeit, acht Samples auf ein Pad zu routen, die per Anschlagsdynamik ansteuerbar sind. In Slices aufgeteilte Loops können ebenfalls importiert werden und es besteht die Möglichkeit, anschließend ein MIDI-File vom Instrument per Drag-and-drop aufs Projekt-Fenster zu ziehen, das die einzelnen Slices entsprechend ansteuert. Einfache Eingriffsmöglichkeiten in die Sounds (Lautstärke, Panorama, Abspielrichtung, Tonhöhe) inklusive eines eher zahm klingenden resonanzfähigen Filters und einer AR-Hüllkurve runden die Features des Neulings ab.
Beat Designer: Pattern-Sequenzer mit Pfiff
Eine Premiere feiert in Cubase der Pattern-Sequenzer Beat Designer, der das Repertoire an MIDI-Plug-ins erweitert und vor allem Dancefloor-Enthusiasten ansprechen dürfte – nicht zuletzt auch durch die mitgelieferten 23 Dancefloor-orientierten Presets, die zielgerichtet für Groove Agent ONE programmiert sind. Das Plug-in bietet weit reichende Möglichkeiten zum Programmieren von Grooves. Theoretisch unendlich viele Patternspuren sind möglich, auf die sich maximal 128 MIDI-Noten individuell routen lassen. Jede Spur verfügt über Solo- und Mute-Buttons sowie über die Möglichkeit, zwei wahlweise aufrufbare rhythmische Versatze – Swing genannt – zu aktivieren, die global einstellbar sind. Jede einprogrammierte Note ist in der Anschlagsdynamik editierbar und drei verschiedene Flams sind anwendbar und wiederum global einstellbar. Jedes Preset besteht aus vier Subbänken zu je 12 Pattern, wobei sich jedes Pattern mit aktiviertem Jump-Modus per Keyboard aufrufen lässt. Sehr schön: Mit deaktiviertem Jump-Modus können Pattern und Subbänke per Drag-and-drop als MIDI-Clips ins Projektfenster importiert werden. Im Jump-Modus enthalten die MIDI-Sequenzen logischerweise nur die Notenbefehle zum Starten der Pattern. Beat Designer macht Spaß und dürfte auch anspruchsvollen Musikern viel Freude machen.
Loop Mash: Kunstvolles Verbinden von Audio-Schleifen
Innovative kreative Möglichkeiten bieten sich mit dem virtuellen Loop Mash Instrument. Auf Basis eines in Zusammenarbeit mit Yamaha entwickelten Algorithmus, vermag das Plug-in maximal acht individuell importierbare Audio-Loops akustisch miteinander zu verschmelzen und völlig neuartige Ergebnisse daraus zu synthetisieren. Ein Loop fungiert als Master, der das rhythmische Grundgerüst des resultierenden Loops liefert. Soundschnipsel der übrigen importierten Loops ersetzen schließlich den Sound des Master-Loops. Beim Importieren der Loops werden diese zunächst in Achtel-Slices aufgeteilt und die Slices wiederum hinsichtlich rhythmischer Struktur und Klanggehalt analysiert. Die in Form von Kästchen dargestellten Slices mit ähnlichem Inhalt besitzen in den Loop-Spuren anschließend die größten Helligkeitswerte und sortieren das Audiomaterial so auf visuelle Art. Beim Abspielen der Loops werden nun die Slices der Masterspur durch die Slices der übrigen importierten Loops mit ähnlichem Soundinhalt – also gleicher Farbhelligkeit – ersetzt. Mit Hilfe der horizontalen Fader kann man den Anteil an einzublendenden Slices austarieren. So erklingt am Ende zwar derselbe Rhythmus, aber mit völlig neuen Soundinhalten gefüllt. Auf die zwölf Schaltflächen in der Performance-Sektion kann man jeweils ein Loop-Set programmieren und dort blitzschnell aufrufen, was aus Loop Mash ein „livehaftiges“ Kreativwerkzeug mit schier unendlichen Klangmöglichkeiten macht. Über den Edit-Button lassen sich noch weitaus mehr Eingriffe in die Loops und ihr Abspielverhalten vornehmen, was zu erläutern hier aber den Rahmen sprengen würde.
Loop Mash ist zwar einfach zu bedienen, aber sehr komplex zu verstehen, weshalb das Plug-in ein hohes Maß an Einarbeitungszeit fordert. Zum Einstieg empfiehlt sich das Laden der Werks-Presets, um ein Gefühl für die Arbeitsweise dieses eigenwilligen aber revolutionären Instruments zu erhalten. Wer ohne Umschweife direkt ans Werk geht, wird sehr schnell enttäuscht sein und Ergebnisse erhalten, die mehr an eine springende Schallplatte oder ein völlig falsch eingestelltes Noise Gate erinnern. Doch sollte man sich nicht entmutigen lassen, Übung macht den Meister. Experimentierfreudige Musiker mit Geduld werden in jedem Falle belohnt. So importieren wir im Test drei Loops mit eher banalen Standard-Rock-Arrangements und lassen uns anschließend von einem polyrhythmischen Klanggemisch verzaubern, das an die komplexen Songstrukturen von King Crimson erinnert und aus dem Ganzen mehr als die Summe seiner Einzelteile macht.
PitchCorrect: Tonhöhen-Korrektur on-the-fly
Das PitchCorrect Plug-in bietet, ähnlich wie der Auto-Tune-Effekt von Antares, eine Echtzeit-Tonhöhenkorrektur für monophone Instrumente oder Gesang. Zum Einsatz kommt jedoch die von Yamaha entwickelte Pitch-Fix-Technik. Oberhalb der Klaviatur zeigt ein blauer Streifen die Originaltonhöhe an, ein orangener Streifen wiederum die von PitchCorrect vorgenommenen Änderungen. Die drei Sektionen Correction, Scale und Formant erlauben ein Feintunen des Effekts. Mit den Correction-Parametern definieren wir das Reaktionsverhalten des Algorithmus und eine zusätzliche Transponierung, unabhängig von der eigentlichen Korrekturarbeit, ist möglich. Zu hohe Werte im Speed-Parameter, der die Korrektur-Geschwindigkeit regelt, liefern übrigens nur allzu schnell den abgeschmackten Cher-Effekt. Die Formant-Sektion bietet Optionen zum Erhalt (Preservation) und Abändern (Shift) des Stimmtimbres. Bei deaktiviertem Preservation-Button stellt sich je nach Einstellung der bekannte Micky Maus Effekt ein. In der Scale-Sektion lässt sich einstellen, auf welche Tonhöhe das Eingangssignal hin korrigiert werden soll. Drei Modi erlauben die Korrektur wahlweise auf den nächstliegenden Halbton oder den Ton einer wählbaren Dur-/Moll-Tonart. Der External-MIDI-Modus erlaubt ein direktes Korrigieren on-the-Fly durch Eingabe von Noten am Keyboard. Das geht sogar so weit, dass sich ähnlich wie bei einem Vocoder komplett neue Melodien auf die Gesangsstimme aufprägen lassen.
Im Test weiß PitchCorrect mit exzellentem Klang und sehr gut klingenden Ergebnissen zu begeistern. Zusätzlich durchgeführte Transponierungen klingen in einem Bereich von plus/minus vier Halbtönen immer noch natürlich und authentisch.
REVerence: Exzellent klingendes Faltungshall-Plug-in
Der Faltungshall REVerence wartet mit einem gut sortierten Repertoire von 49 Stereo- und 45 Surround-Impulsantworten auf, das eine breite Palette an mittleren und großen Räumen abdeckt. Eindeutig unterbesetzt sind jedoch Ambience-Klänge mit sehr kurzen Impulsantworten. Abhilfe schafft jedoch eine Import-Möglichkeit von Dateien im WAV- und AIFF-Format. Eingriffsmöglichkeiten in die üblichen Hall-Parameter zeigen es gut gerüstet für jede Anwendungssituation. Überdies lässt sich der Anteil von Erstreflexion und Nachhall austarieren. Im Surround-Einsatz kann man sogar die Rear-Kanäle separat mit demselben Parametersatz feintunen. Ein einfacher Dreiband-Equalizer rundet die Ausstattung ab. Genial: REVerence erlaubt es, zwischen maximal 36 Presets dynamisch überzublenden, was in einer Programm-Matrix geschieht, in die sich die gewünschte Zahl an Presets innerhalb ¬einer Plug-in-Instanz einfügen und per Automation aufrufen lassen. Allerdings geschieht das Überblenden in Abhängigkeit zur Ladezeit der Impulsantworten. Der Klang der Werks-Impulsantworten ist sehr gut, wenngleich er für unseren Geschmack teilweise etwas zu höhenreich ist.
Ausstattungsseitig und von der Klangqualität siedelt er sich oberhalb des Reflection LE-Halls von Studio Devices (Test in Heft 3/2008), jedoch unterhalb des Platzhirschen Altiverb von Audio Ease (Test in Heft 5/2007) an und spielt in derselben Liga wie der Origami-Hall von Yellow Tools (siehe Test in Heft 6/2006), wenngleich dieser wärmer klingt. Anlass zur Kritik gibt allerdings das träge Reaktionsverhalten beim Automatisieren der Plug-in Parameter. Da ist noch Spielraum für künftige Updates vorhanden.
VST Expression: Neuer Bedienkomfort im Umgang mit Artikulationen
Die neu integrierte VST Expression Funktion erleichtert ab sofort das Komponieren und Arbeiten mit Sample-Libraries, die mit verschiedenen Spieltechniken und Artikulationen eines Instruments ausgestattet sind. Einfach ausgedrückt, bietet VST Expression ein komfortables Verwalten und Einsetzen von Key-Switches auf Sequenzer-Ebene, die tief in den Piano-Roll- und Noten-Editor eingebettet sind. Der Expression-Map-Dialog – erreichbar über den MIDI-Eintrag der Hauptmenü-Leiste – erlaubt ein detailliertes und flexibles Erstellen, Feintunen und Anpassen von Key-Switches für die Artikulationen eines oder sogar mehrerer Presets einer Sample-Library. Gleichzeitig wird eine Bezeichnung und ein Notensymbol für das vorgenommene Routing vergeben.
Die Routings der Artikulations-Samples auf die Switches werden in sogenannten Expression Maps wahlweise als eigenes Preset oder in ein Spuren-Preset gespeichert. Der Expression-Editor erlaubt dabei ein komplexes Kombinieren und Verbinden von Spielanweisungen – das sucht momentan seines Gleichen. Das Handling ist dennoch denkbar einfach. Betrachten wir als erstes den Piano-Roll-Editor: Wer bei der Aufnahme der Spur bereits die im Expression-Editor definierten Key-Switches eingesetzt hat, wird jetzt innerhalb der Noten-Balken die zuvor im Editor definierte Bezeichnung finden und zwar jedes Mal dort, wo der Key-Switch gedrückt wurde. Das geht auch nachträglich, indem anstelle der Velocity-Controller-Spur die neu hinzugefügte Artikulationsspur gewählt wird. Dort finden sich sämtliche zuvor definierten Key-Switches beziehungsweise die damit versehenen Bezeichnungen. Dort, wo ein Key-Switch eingesetzt wurde, haben die Programmierer einen Balken positioniert, der zur Länge der MIDI-Note korrespondiert. Mit dem Stift-Symbol lassen sich dort bei Bedarf weitere Artikulationen für jede Note einfügen. Mit dem Radiergummi entfernt man Key-Switches/Artikulationen. Einfacher geht’s nimmer. Der VST-Expression-Dialog im Inspektor des Projektfensters dient nur zur Anzeige und gibt im laufenden Betrieb durch Pfeilsymbole Auskunft, welcher Key-Switch gerade aktiviert ist.
Unschlagbar: Im Noten-Editor lassen sich über den VST-Expression-Dialog des Inspektors die im Expression-Editor zuvor definierten Notensymbole in den Text einfügen. Dies führt automatisch zu einem korrekten Ansteuern des entsprechend programmierten Key-Switchs und des darauf gerouteten Samples. Ein nachträgliches Editieren der MIDI-Noten ist fortan nicht mehr erforderlich. Das ist schlicht und einfach genial gemacht und dürfte für Notisten ein wahrer Segen sein. Für dieses Feature gebührt Steinberg ein Sonderlob in Sachen Benutzerfreundlichkeit.
Fazit
Steinberg hat mit Cubase 5 dem Anwender gezielt auf die Finger geschaut und seinen Sequenzer-Bestseller mit vielen neuen professionellen Features bereichert, die nicht nur den Workflow und das Handling fortan verbessern. Nicht zuletzt oder gerade wegen der neuen Instrumente kehrt zusätzlich ein erhöhter Spaß-Faktor beim Produzieren und Komponieren von Musik in das Major-Update ein. Insgesamt wandelt sich Cubase in Version 5 zu einem ausgereiften Sequenzer und gleichzeitig inspirierenden Kreativ-Werkzeug.
Erschienen in Ausgabe 04/2009
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 599 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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