Klein, aber oho!
Der neue 8010A ist das Nesthäkchen im professionellen Lautsprecher-Sortiment des finnischen Herstellers Genelec. Doch lassen Sie sich nicht vom Niedlichkeitsfaktor in die Irre führen – der Kleine hat es klanglich faustdick hinter den Chassis…
Von Hans-Günther Beer und Sylvie Frei
Nicht überall ist ausreichend viel Platz für ein großes Monitor-Setup und gerade im Mobil-Einsatz sind auch Lautsprecher mittlerer Größe oft nicht kompakt genug. Es muss also etwas ausgesprochen Kleines her, das mit ins Handgepäck passt, sich aber dennoch möglichst gut als Werkzeug zur Bearbeitung und Beurteilung akustischen Materials eignet. Ein auf diese Ansprüche ausgerichteter Miniatur-Studio-Monitor findet sich jetzt im Sortiment des finnischen Lautsprecher-Experten Genelec.
Der neue 8010A ist der kleinste analoge Studio-Monitor der professionellen 8000er-Serie, die Studio-Monitore in acht Größen umfasst. Er wurde speziell für den Einsatz im Broadcast-Bereich, im Ü-Wagen, für das Monitoring unterwegs sowie als Studio-Monitor für beengte Desktop-Arbeitsplätze konzipiert. Mit einem unverbindlichen Richtpreis von 305 Euro pro Lautsprecher ist der Genelec preislich in der unteren Mittelklasse angesiedelt.
Der 8010A ist ein Zweiwege-Bassreflex-Monitor für das Nahfeld und wird aktiv in echtem Bi-Amping von zwei 25 Watt Class-D-Endstufen betrieben. Er soll auch noch bei hohen Lautstärken einen klaren, neutralen und verzerrungsarmen Klang liefern und trotz seiner geringen Größe eine gute Basswiedergabe besitzen. Ein professioneller XLR-Eingang sowie zwei Filter zur klanglichen Anpassung der Bässe an die Abhörumgebung sind mit an Bord.
Für ein 2.1- oder 5.1-Monitoring-Setup lassen sich zwei beziehungsweise fünf 8010A mit dem rund 1.000 Euro kostenden Genelec 7050B-Subwoofer kombinieren. Dieser ergänzt den Bassbereich der 8010A von circa 70 Hertz auf 25 Hertz hinunter und komplettiert den 8010A zu einer vollwertigen Full-Range-Lösung.
Kaum größer als ein handelsüblicher PC-Lautsprecher und mit einem Lebendgewicht von immerhin 1,5 Kilogramm, passt der zierliche 8010A tatsächlich auch als Paar problemlos in eine Reisetasche oder einen Rucksack. Dank seines robusten, sehr aufwändig konstruierten Aluminium-Druckguss-Gehäuses ist der Monitor-Winzling außerdem sehr widerstandsfähig. Die beiden Chassis sind, wie üblich bei Genelec, mit fein gelochten Aluminium-Schutzgittern geschützt, wobei sich der Hersteller den Luxus gönnt, zwei verschieden fein gelochte Varianten für die beiden Chassis einzusetzen. Die Gitter sind fest mit dem Gehäuse verbunden und nicht abnehmbar.
Das Aluminium-Druckguss-Gehäuse der Genelecs hat akustisch günstige Eigenschaften, da es einerseits sehr steif ist und die Gehäusewände deshalb nicht schwingen können und ihrerseits Schall abstrahlen – das Gehäuse ist also akustisch tot. Andererseits besitzt das Gehäuse aufgrund seiner Formgebung keine parallelen Wände. Stehende Wellen im Innern können so nicht entstehen. Außerdem lösen sich durch die abgerundeten Ecken und Kanten Schallwellen besser von der Gehäusefront, Interferenzen werden gemindert und die 8010A haben ein homogenes und gleichmäßiges Abstrahlverhalten. Ein weiterer Vorteil der Gussform ist die „Wave Guide“ genannte Schallführung um den Hochtöner, die dessen Abstrahlverhalten optimiert. Last but not least ermöglichen die vergleichsweise dünnen Wandstärken des steifen Aluminiumgehäuses trotz der sehr kleinen Außenabmessungen ein relativ großes Innenvolumen, das der Basswiedergabe zu Gute kommt. Da der Tief/Mitteltöner durch einen beachtlich großen Membranhub eine recht tiefe Eigenresonanz besitzt, ließ sich das System in Verbindung mit dem vergleichsweise langen Bassreflexkanal erstaunlich tief abstimmen und erzeugt eine saubere und für die Gehäusegröße tief hinabreichende Basswiedergabe, wie wir im Hörtest feststellen.
Außer der beiden Chassis findet sich auf der Frontseite des 8010A lediglich eine grüne LED, die Auskunft darüber gibt, ob der Monitor gerade aktiv ist oder im Standby schlummert. Auf der Rückseite sitzt der runde Ausgang des besagten Bassreflex-Kanals. Wie es sich für einen professionellen Studio-Monitor gehört, ist auf der Rückseite zudem ein professioneller XLR-Anschluss verbaut. Außerdem sind dort der Power-Schalter und fünf in einer Vertiefung untergebrachten Dip-Schalter zum Justieren der Filter und weiterer Funktionen untergebracht. Wie bei Dip-Schaltern üblich, muss man sie mit einem kleinen Schraubenzieher umschalten, was einerseits etwas fummelig werden kann, aber einmal eingestellt meist kaum noch verändert werden muss. Nervig werden kann das allerdings im mobilen Einsatz, wenn der Standort der Monitore häufig wechselt und unterschiedliche Filter-Anpassungen von Nöten sind.
Jeder der insgesamt fünf winzigen Schalter steht für eine Einstelloption. Mit dem ersten lässt sich die ISS-Funktion deaktivieren. Dabei handelt es sich um die Genelec-typische, umweltfreundliche Stromsparschaltung, die den Monitor, wenn er länger als eine Stunde inaktiv bleibt, automatisch in den Stand-by-Zustand versetzt. Sobald wieder ein Signal anliegt, wacht er automatisch wieder auf. Ist diese Funktion bei einer längeren Hörsessions mit großen Unterbrechungen unerwünscht, sorgt der Schalter für Abhilfe.
Der zweite Schalter senkt die Eingangsempfindlichkeit des XLR-Eingangs um minus zehn Dezibel. So lässt sich der Lautsprecher zwischen Consumer- oder Studio-Pegel umschalten – praktisch bei unterschiedlichen Signalquellen.
Die Schalter drei, vier und fünf verwalten die unterschiedlichen Bass-Filter: Erstens das sogenannte Desktop Control-Filter, das die Pegelanhebung im oberen Bassbereich, die durch das Aufstellen auf einem Tisch entstehen (oder einer ähnlichen planen Fläche) können, abschwächt. Das Filter senkt die Frequenzen unterhalb 200 Hertz um vier Dezibel ab.
Zweitens die beiden Bass Tilt-Filter, welche die Basswiedergabe an eine nicht ideale Abhörumgebung – zum Beispiel nahe an einer Wand oder in einer Raumecke – anpassen. Eines der Filter dämpft den Basspegel unterhalb 100 Hertz um minus zwei, der andere um minus vier Dezibel Sind beide Filter aktiviert, summiert sich die Absenkung auf minus sechs Dezibel.
Für die komfortable Positionierung auf dem Desktop ist der 8010A mit genial konstruierten Füssen ausgestattet. Diese bestehen aus sehr gut dämpfenden, an das Gewicht der Lautsprecher angepassten Gummifüßen, die über einen Drahtbügel unverlierbar mit dem Gehäuse verschraubt sind. Falls es die Hörposition erfordert – ist es außerdem möglich, den Monitor mit Hilfe des Untersatzes leicht zum Hörer hin zu neigen. Als alternative Befestigungsoptionen stehen zudem diverse im Gehäuse eingelassene Gewinde bereit, mit deren Hilfe sich der 8010A an der optional erhältlichen Stativplatte Genelec 8010-408 (etwa 40 Euro) und diverse Wandhalterungen und Monitor-Stativen von Genelec montieren lässt.
Der 8010A ist mit einem Konus-Tief/Mitteltöner ausgestattet, der eine spezielle Pappmembran mit einem Durchmesser von netto 76 Millimeter besitzt. Den 19 Millimeter Kalottenhochtöner statteten die Entwickler mit einer hochfesten aber sehr leichten Aluminiummembran aus. Beide Chassis haben teure aber auch sehr starke Neodym-Magnete, die für einen guten Wirkungsgrad sorgen, jedes Chassis wird von einer 25 Watt Class-D-Endstufen angetrieben.
Die elektronische Frequenzweiche trennt das Eingangssignal zwischen den beiden Chassis bei drei Kilohertz. Das hat zur Folge, dass der Tief/Mitteltöner einen besonders breiten Frequenzbereich abdecken muss, was aber auf Grund seiner „Kleinheit“ überhaupt kein Problem darstellen sollte – bei Dreiwege-Lautsprechern ist der Mitteltöner schon größer. Logischer Weise kann eine solche Konstruktion trotz Aktivbetrieb und ausgeklügelter Anpassung in Sachen Maximalpegel mit großen Systemen nicht mithalten, hier setzt die Physik Grenzen.
Für den Hörtest positionieren wir die Mini-Genelecs mit etwa 50 Zentimeter Abstand zum Hörer auf dem Desktop. Anschließend dürfen die 8010A beim Abspielen vertraute Produktionen aus unterschiedlichen Genres und unseren jüngsten Testaufnahmen ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen.
Erster Eindruck: Für derart kleine Boxen haben die Genelecs einen beachtlich runden und kräftigen Klang. Das Stereobild der Monitore ist sehr differenziert, nicht nur in der Breite, sondern auch in die räumliche Tiefe, was dem guten Abstrahlverhalten geschuldet ist. Das Orten unterschiedlicher Signalanteilen gelingt präzise. Auch der Sweetspot ist überraschend breit und erlaubt genug Bewegungsspielraum, sodass längere Hörsessions nicht unangenehm werden. Das Impulsverhalten der kleinen Genelecs ist ebenfalls beachtlich gut, auch bei schwierigen Signalen. Hier zeigen die massearmen Membranen ihre Vorteile. Sie sind zu einer definierten und konturierten Abbildung von Kontrabass-Tönen und Paukenschlägen in der Lage. Insgesamt klingend die 8010A ausgewogen. Die Höhen sind fein und klar, ohne dabei zu aufdringlich zu werden, lassen aber zuverlässig hochfrequente Signalanteile beurteilen. Die Bässe tönen straff und trocken, vergleichsweise laut, aber ohne die Mitten zu verdecken. Die 8010A klingen also eher vollmundig statt dünn. Sie reichen für einen derart kleinen Monitor außerdem recht weit in die Tiefe, sodass wir bei der überwiegenden Mehrzahl unserer Hörbeispiele kaum Einschränkungen im Bassbereich wahrnehmen.
Fazit
Daumen hoch: Der 8010A zeigt sich im Test als leistungsfähiger, professioneller Mini-Monitor, der für das akustische Sichten von Aufnahmen, den Audio- und Videoschnitt, aber auch das Mixing – sowohl im Homestudio als auch unterwegs – zu empfehlen ist.
Erschienen in Ausgabe 11/2014
Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 305 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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