Von eigener Art
Sontronics-Mikrofone zeichnen sich seit jeher durch Ihren ganz eigenen Stil aus. Das gilt auch für die neuen Modelle Apollo und Saturn, die beweisen müssen, was klanglich hinter der auffälligen Fassade steckt.
Von Harald Wittig
Sontronics-Mikrofone gibt es inzwischen seit fünf Jahren, die ersten Modelle hatten ihr internationales Debüt auf der NAMM Show 2005. Sontronics ist eine Marke des britischen Unternehmens Omnisonic International Distribution, der geistige Vater hinter Sontronics ist Trevor Coley, seinerseits Musiker und Pro-Audio-Enthusiast. Coley hatte zum Ziel, eine Mikrofon-Kollektion zu günstigen Preisen anzubieten, die klanglich ohne Weiteres professionellen Maßstäben genügen sollten. Dass sich dieses Ziel nicht mit einer Fertigung in England oder einem anderen europäischen Land realisieren lässt, war Coley von Anfang an klar. Folgerichtig werden die Sontronics von der Kapsel bis zum XLR-Anschluss zu 100 Prozent in England entwickelt, die Fertigung erfolgt nach genauen Vorgaben der Briten in China. Seit kurzem bieten die Briten unter dem Label Sontronics auch Mikrofon-Vorverstärker an, die – im Unterschied zu den Mikrofonen – in der eigenen, neuen Fabrik in Portugal gefertigt werden. Sobald die Preamps Chimera und Sonora lieferbar sind, werden wir sie selbstverständlich in einer der kommenden Ausgaben testen. Zurück zu den Sontronics-Mikrofonen. Diese haben nicht nur ihre eigenen, aus der griechischen Mythologie entlehnten Namen, sondern vor allem ein ganz eigenes Erscheinungsbild. Äußerlich orientieren sich die Sontronics – ganz anders als viele No-Name-Mikrofone aus Fernost – bewusst an alten Vintage-Mikrofonen, während sie klanglich je nach Modell durchaus eigene Wege gehen. Das konnte Professional audio bereits bei einem der ersten Modelle, dem umschaltbaren Großmembran-Kondensatormikrofon Orpheus (Test in Ausgabe 11/2006), feststellen. Dieses Mikrofon erspielte sich aufgrund überzeugender Klangleistungen ebenso wie das aktive Bändchen-Mikrofon Sigma (Test in Ausgabe 2/2007) einen soliden Platz in der Oberklasse. Unser erster Testkandidat, das den Götternamen Apollo trägt, basiert auf dem Sigma. Es ist ebenfalls ein aktives Bändchen-Mikrofon, allerdings in Stereo-Ausführung.
Es ist mit zwei Bändchen-Elementen in XY-Anordnung ausgestattet, die dem Anwender Stereoaufnahmen im Blumlein-Verfahren mit nur einem Mikrofon ermöglichen. Der zweite Testkandidat ist brandneu und hört auf den Namen Saturn – wir haben es also mit einer Gesandtschaft aus dem Olymp zu tun. Das Saturn ist ein umschaltbares Kondensatormikrofon, wurde laut Hersteller in Zusammenarbeit mit Top-Produzenten und Künstlern aus aller Welt entwickelt und soll als Allrounder für die meisten Anwendungen geeignet sein. Das werden wir im Rahmen dieses Tests selbstverständlich überprüfen, zuvor sehen wir uns die beiden Sontronics mal näher an. Mit den empfohlenen Verkaufspreisen von rund 830 fürs Saturn und etwa 1.100 für das Apollo sind beide Mikrofone relativ günstig zu haben, um Billigmikrofone handelt es sich selbstverständlich nicht. Obwohl die Mikrofone insgesamt gut verarbeitet sind, wirkt das Saturn auf den ersten Blick etwas hausbacken gefertigt: Das gilt vor allem für das von der Kapsel abgesetzte rechteckige Stahlblechgehäuse der Verstärkereinheit. Zumindest bei unserem Testmodell ist die goldene Farbe in den frontseitigen Gravuren teilweise schon verblasst, wodurch das Gehäuse ein wenig billig wirkt. Das gilt indes nicht für das Herzstück des Mikrofons, die Kapsel. Diese ist, angelehnt an die Gesangsmikrofone der 1940er und 1950er Jahre elastisch in einem Stahlring aufgehängt. Ein echter Blickfang und eine wohltuende optische Alternative zu den gängigen Designs vieler Mikrofone, bei denen AKG, Neumann oder Telefunken Pate steht. Diese Aufhängung hat auch einen praktischen Nutzen, denn sie federt zusätzlich zur mitgelieferten Halterung Trittschall durchaus wirkungsvoll ab, da die Spannung der fünf Stahlfedern weder zu hart, noch zu weich ist. Die goldbedampfte, einen Zoll durchmessende Doppelmembran-Kapsel mit Mittenkontakt nach Neumann-Art ist durch ein feinmaschiges, sehr stabil erscheinendes Stahldrahtgitter geschützt. Es handelt sich beim Saturn wie gesagt um ein umschaltbares Großmembran-Kondensatormikrofon, das die Richtcharakteristiken Niere, Breite Niere, Hyperniere, Acht und Kugel bietet. Die einzelnen Charakteristika lassen sich bequem mittels eines Drehrads auf der Verstärker-Front einstellen. Eine grüne LED informiert über die ausgewählte Charakteristik. Das gefällt uns gut und erinnert entfernt an das AKG C414, so dass das Sontronics recht clever Vergangenheit und Gegenwart beim Design vereint. Zusätzlich finden sich noch ein zweistufiger Vordämpfungsschalter und ein weiter Schalter, der das ebenfalls zweistufige Trittschallfilter aktiviert, auf der Vorderseite und damit in Reichweite des Sprechers oder Musikers. Das ist durchaus praktisch, nicht nur für homerecordende Alleintäter.
Das Apollo hat mit dem Saturn die spezielle Halterung gemein, die es exklusiv nur bei Sontronics gibt. Es handelt sich um eine elastische Halterung, die über insgesamt acht Auflage-/Dämpfungspunkte verfügt und damit die Mikrofone einerseits sicher hält, andererseits die empfindlichen Kapseln vor Erschütterungen behütet. Gerade beim Apollo ist das besonders wichtig, denn die beiden Bändchen-Elemente hinter dem Drahtkorb reagieren traditionell empfindlich auf Erschütterungen und Störgeräusche. Die gekreuzte Anordnung der beiden Bändchen entspricht der Vorgabe von Alan Blumlein, ein Landsmann von Sontronics-Chef Coley, der dieses XY-Stereoverfahren mit Achten erfunden hat. Während das Gehäuse des Apollo wertiger wirkt als das des Saturn, ist der Drahtkäfig für die Bändchen-Wandler sehr filigran und gibt schon bei sanftem Fingerdruck nach. Das Mikrofon erfordert daher einen besonders sorgsamen Umgang, der bekanntlich bei allen Bändchen Pflicht ist. Das Apollo ist ein aktives Bändchen-Mikrofon, also mit einem internen Verstärker ausgestattet. Im Unterschied zum klassischen Bändchentyp benötigt es zum Betrieb die 48 Volt Phantomspannung, ist gleichzeitig aber deutlich lauter als die passiven Kollegen. Das Apollo ist sogar außergewöhnlich empfindlich: Das Professional audio-Messlabor ermittelt für beide Bändchenelemente eine Empfindlichkeit von 23,6 beziehungsweise 24,0 mV/Pa. Zusammen mit den guten Geräuschpegelabständen von 73,6 Dezibel für das obere Bändchen-Element und 74,1 Dezibel für das untere, ist dieses Mikrofon – einen entsprechend störgeräuschfreien Preamp vorausgesetzt – auch bei leisen Signalquellen praktisch rauschfrei. Das gilt auch für das Saturn, das mit einer durchschnittlichen Empfindlichkeit von rund 29 mV/Pa bei gemitteltem Geräuschpegelabstand von 75 Dezibel vergleichbar gute Messwerte vorweisen kann. Die Frequenzgänge beider Sontronics geben gewisse Hinweise auf das Klangdesign der Mikrofone: Beim Apollo hat sich der Hersteller – wie schon beim Sigma – ganz bewusst am Klang der Vintage-Bändchen orientiert. Folgerichtig weisen die Frequenzgänge beider Bändchen-Elemente den typischen Höhenabfall bei knapp oberhalb sechs Kilohertz auf. Dieser sorgt in der Regel für den charakteristischen warm-samtigen Bändchen-Klang. Ansonsten verlaufen beide Messkurven grundsätzlich sehr linear, lediglich das obere Element fällt im Bassbereich leicht ab.
Bei den Frequenzgängen des Saturn sind neben einer Bassanhebung vor allem eine mehr (Kugel) oder weniger (Niere) ausgeprägte Höhenanhebung bei jeweils sechs Kilohertz erkennbar. Tatsächlich soll das Saturn überhaupt nicht neutral klingen: Sontronics hebt sogar ausdrücklich seine „unverwechselbare Präsenz“ hervor. Das Saturn klingt bei guter Auflösung und ordentlichem Impulsverhalten wirklich kernig und präsent. Diese Klangcharakteristik passt gut zu warmen Stimmen und verleiht diesen eine gewisse Kontur und Durchsetzungsfähigkeit. Bei hohen Stimmen kommt es entscheidend auf das Timbre an. Bei einem tendenziell schrillen Sopran sorgt das Saturn für einen überscharfen Klang, so dass viele Tonmeister nach dem Equalizer greifen werden. Das gilt auch für Instrumente. Puristen werden das Mikrofon nicht mal mit der Kneifzange anfassen, wer aber beispielsweise Steelstring-Gitarren lieber stählern abbildet, wird das Saturn schätzen. Bei diesem Mikrofon kommt es letztlich auf das Klangempfinden des Anwenders an. Wer diese spezielle Farbe mag, ist mit dem auffälligen Mikrofon gut beraten. Das Apollo klingt wie es sich für ein Bändchen gehört: Samtig-rund mit angenehm weichgezeichneten Hochmitten und Höhen. Sein Auflösungsvermögen ist sehr gut, ebenso das Impulsverhalten – die traditionelle Domäne der Bändchen-Mikrofone. Für Gesangs- und Sprecherstimmen ist das Apollo eine sehr gute Wahl, denn es verleiht Stimmen ein gewisses goldenes Timbre, das angenehm ins Ohr geht. Als reiner Druckgradient weist es allerdings einen stark ausgeprägten Nahbesprechungseffekt auf. Daher sollte ein Hochpassfilter unbedingt zum Einsatz kommen. Für die begleitenden Klangbeispiele, die Sie wie gewohnt von unserer Website www.professional-audio-magazin.de frei herunterladen können, finden Sie deswegen zwei Sprachaufnahmen. Die eine ist ohne Hochpassfilter aufgenommen, beim Vergleichstake ist der Hochpassfilter des Lake People Mic-Amp F355 bei 80 Hertz aktiv. Die wahre Freude mit dem Apollo kommt allerdings erst auf, wenn es bestimmungsgemäß als Stereo-Mikrofon zum Einsatz kommt. Dass das Blumlein-Verfahren bei der stereophonen Aufnahme von kleineren Ensembles beliebt ist – einen guten Raum ohne starke Seiten- und Rückwandreflexionen vorausgesetzt –, können wir bei den Aufnahmen einer Flamenco-Gitarre bestens nachvollziehen. Gerade bei obertonreichen Instrumenten sorgt das Verfahren zusammen mit dem warmen Bändchenklang für ein angenehmes Klangbild, das vom subjektiven Höreindruck her natürlicher wirkt als Aufnahmen mit extrem neutralen, hochauflösenden Kondensatormikrofonen. Selbstverständlich färbt das Apollo wie jedes Bändchen, aber es ist dieser Eigenklang, der uns vor allem bei akustischen Gitarren gefällt. Dank des Blumlein-Verfahrens fängt das Stereobändchen auch die Bewegungen der Hände ein. Es lohnt sich deswegen mit der Positionierung zu experimentieren, denn verschiedene Positionen und Winkel bringen subtile, gleichwohl hörbare Klangergebnisse. Bei Nahmikrofonierung sollte, je nachdem wie bassstark das Instrument ist, das Hochpassfilter aktiviert sein. Für die bei den Klangbeispielen verwendete Gitarre konnten wir allerdings auf das Filter verzichten – mit überzeugenden Ergebnissen, wovon Sie sich selbst überzeugen können.
Fazit
Sowohl das Saturn als auch das Apollo sind äußerlich und klanglich außergewöhnliche Mikrofone. Das präsent-kernige Saturn empfiehlt sich für alle, die genau diese Klangfarbe sowohl für Stimmen als auch für Instrumente schätzen. Das Stereo-Bändchen Apollo bietet einen vintage-orientierten Bändchenklang, spielt die Vorteile des Blumlein-Verfahrens voll aus und ist deswegen nicht zuletzt wegen seines vergleichsweise günstigen Preises ein heißer Tipp.
Erschienen in Ausgabe 07/2010
Preisklasse: Oberklasse
Preis: 1089 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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