Blaues Wunder
Mit „Luftigkeit und Raum“ charakterisiert der amerikanische Hersteller PreSonus den Klang seiner neuen R-Serie. Der R65 zeigt im Test, dass diese Charakterisierung den Nagel auf den Kopf trifft.
Von Freda Ressel
Nach der Sceptre-Serie in koaxialer Bauweise (Test in Ausgabe 02/2014) legt der Hersteller aus Baton Rouge, Louisiana nun eine weitere Zwei-Wege-Studiomonitorserie vor. Die Besonderheit der Modelle R65 und R80 ist der AMT-Hochtöner (Air Motion Transformer). Dieser aufwändig gebaute Hochtönertyp zeichnet sich dank seiner ultraleichten, massearmen Membranen durch ein besonders gutes Impulsverhalten und eine exzellente Transientenwiedergabe aus. Mit kräftigen Class D-Endstufen und DSP-basierten Anpassungsmöglichkeiten bringen die aktiven Zweiwege-Bassreflexmonitore beste Voraussetzungen mit.
Das getestete kleinere Modell R65 ist für einen UVP von 444 Euro pro Stück zu haben, der R80 kostet 555 Euro.
Gehäuse & Anschlüsse
Das im Aufbau klassisch gehaltene Gehäuse des R65 besteht aus mit schwarzem Vinyl beschichtetem MDF. Zur Vermeidung von Kantenreflexionen sind die Gehäusekanten abgerundet. Die Frontplatte ist im auffälligen, für PreSonus typischen Blauton gehalten. Für Liebhaber einer eher klassischen, unauffälligeren Optik liegt eine schwarze Frontplatte bei, die mit dem Inbus-Schlüssel schnell ausgetauscht ist. Mit 6,7 Kilo gehört der R65 zu den Leichtgewichten seiner Größenklasse. Das Gehäuse bietet kein Gewinde für die Verschraubung auf einem Stativ, allerdings liegen vier selbstklebende Schaumgummi-Füße bei, mit denen eine rutsch- und kratzfeste Aufstellung auf dem Desktop oder Stativ möglich wird. Eine weiße LED, die rechts auf der Frontplatte sitzt, signalisiert den Betriebszustand.
Der Monitor ist mit mehreren Schutzschaltungen ausgestattet: Er verfügt über einen Überhitzungsschutz, eine Einschaltverzögerung, sowie einen Subsonic-Filter. Außerdem besitzt er eine magnetische Abschirmung gegen hochfrequente Einstreuungen und einen Ausgangsstrombegrenzer, der die eingebauten Lautsprecherchassis zusätzlich schützt. Wenn 30 Minuten lang kein Signal anliegt, aktiviert sich der Energiesparmodus. Sollte diese Funktion stören, kann sie problemlos durch gleichzeitiges Drücken der „Acoustic Space“- und „HF-Driver“-Taste deaktiviert werden.
Anschlussseitig ist der R65 ordentlich bestückt. Neben dem symmetrischen XLR-Eingang verfügt er über einen ebenfalls symmetrischen 6,3 mm TRS-Klinkenanschluss sowie einen unsymmetrischen Cinchanschluss für die Nutzung mit HiFi-Anlage.
Treiber
Im Inneren des R65 werkeln zwei Class-D Endstufen mit 100 Watt (Tiefmitteltöner) und 50 Watt (Hochtöner) Sinusdauerleistung. Damit soll der R65 einen für seine Größe ordentlichen Schalldruckpegel von 104 dB bei einem Meter Abstand liefern, so der Hersteller.
Der von PreSonus auf Basis eines Patents des Deutschamerikaners Oskar Heil gebaute AMT-Hochtöner besteht im Wesentlichen aus einem 44 cm2 großen, Ziehharmonika-artig gefalteten Membranstreifen aus Kapton, einer extrem dünnen Polyamid-Folie, die mit Aluminiumstreifen bezogen ist und in einem starken elektromagnetischen Feld sitzt. Fließt nun ein Signalstrom durch die mäanderförmig angeordneten Aluminiumbahnen auf der Membran, so ziehen sich diese im Rhythmus der Hochtonsignale zusammen. Dadurch öffnen und schließen sich die Lamellen, sodass Luft ein- und ausgesogen wird – und das in der vierfachen Geschwindigkeit, mit der die Lamellen sich selbst bewegen. Das sorgt für eine extrem schnelle Wiedergabe, die damit die Beschleunigung handelsüblicher Kalottenhochtöner deutlich übersteigt. Während die Schallaustrittsöffnung im R65 der eines 7,5 mm-Kalottenhochtöners entspricht, ist die tatsächliche Membranfläche durch die Faltung erheblich größer. Weitere Besonderheit: Der Hochtöner strahlt auf der vertikalen Achse sehr gebündelt ab, sodass zwar Early Reflections vermieden werden, die Lautsprecher aber sehr genau auf den Hörplatz ausgerichtet werden müssen.
Der klassisch aufgebaute dynamische Tiefmitteltöner besitzt eine weich aufgehängte Konus-Membran aus Kevlargewebe mit 12 Zentimeter Netto-Durchmesser. Das Lautsprecherchassis misst 16,5 cm im Durchmesser, was 6,5 Zoll entspricht – daher der Name des R65.
Die Trennfrequenz zwischen den beiden Treibern liegt bei 2,7 kHz.
Der schlitzförmige Bassreflexport liegt mittig unter dem Tiefmitteltöner, strahlt also nach vorn ab.
Anpassungs-Optionen und Aufstellung
Mit dem Input-Gain-Drehregler auf der metallenen Rückplatte des R65 lässt sich der Eingangspegel einstellen. Der Regler ist in der Zwölf-Uhr-Position auf Nominalpegel einmal gerastet. Damit entspricht die Lautstärke des Eingangssignals der des Ausgangssignals. Der Hersteller empfiehlt diese Einstellung.
Der R65 bietet unter dem Segment „Acoustic Tuning“ auf der Rückseite verschiedene Anpassungsmöglichkeiten an die Raum- oder Setupsituation. Die Anpassungen erfolgen mittels dreier Drucktaster und jeweils vier verschiedenfarbigen LEDs, die bei Druck auf den Taster der Reihe nach durchgeschaltet werden.
Mit „Acoustic Space“ lässt sich der R65 für eine per se suboptimale wandnahe Aufstellung optimieren. Dabei werden alle Frequenzen unterhalb von 250 Hz um einen festen Pegelwert abgedämpft: -6 dB, -3 dB oder -1,5 dB stehen hier zur Auswahl. Der Hersteller empfiehlt dabei -6 dB für die Aufstellung an Raumecken. „Linear“ ist die neutrale Einstellung, die für die freistehende Aufstellung gedacht ist.
Die „HF Driver“-Einstellung steuert ein Shelvingfilter zur Höhenregulierung, das alle Frequenzen ab 2 kHz anhebt oder absenkt. Hier stehen + 1 dB, – 1,5 dB und -4 dB zur Wahl.
Hinter „HP Filter“ steht ein Hochpassfilter für den Anschluss eines Subwoofers, der nur mit Tiefpassfilter arbeitet. Das Filter senkt den Pegel des Monitors ab der eingestellten Frequenz (60, 80 oder 100 Hz) mit einer Flankensteilheit von -24 dB pro Oktave ab.
Wie bei allen Nahfeldmonitoren ist eine präzise Aufstellung im exakt gleichen Winkel und in gleichem Abstand zum Hörplatz wichtig, da die Lautsprecher wie gesagt im Hochtonbereich sehr gebündelt abstrahlen. Sind die Monitore korrekt aufgestellt, ist das Ergebnis hörbar – im Optimalfall löst sich die Aufnahme völlig vom Hörraum.
Klang
Im Hörtest im Setup mit unserem Referenzwandler Mytek Digital 8×192 ADDA und dem Monitorcontroller Funk Tonstudiotechnik MTX-Monitor.V3a zeigte sich, dass die von PreSonus versprochenen Eigenschaften „Luftigkeit und Raum“ ganz klar die großen Stärken des R65 sind. Die Darstellung des Stereopanoramas ist überaus plastisch mit einer starken und exakt definierten Phantommitte. Der R65 zeichnet eine sehr differenzierte Abbildung des Aufnahmeraums, die begeistern kann – für Panning-Aufgaben ist der Monitor eine echte Wunderwaffe. Auch die Auflösung ist sehr fein, besonders im Höhenbereich. Das Impulsverhalten ist gerade im Arbeitsbereich des AMT-Tweeters exzellent – vor allem die Transientenwiedergabe ist überaus schnell. Bei gezupften Westerngitarrensaiten ist jedes Saitenschnarren und Anschlaggeräusch deutlich zu hören, ebenso wie die feinsten Nuancen von Beckenschlägen und höheren Percussionklängen. Die klanglichen Vorzüge des AMT-Hochtöners kommen hier deutlich zur Geltung – in den mittleren und tiefen Regionen kommen die Impulse zwar auch schnell, können aber mit der Exzellenz des Hochtöners nicht mithalten.
Die Bässe reichen der Gehäusegröße entsprechend recht tief hinab. Die ganz tiefen Frequenzen kommen dabei straff und mit einer ordentlichen Portion Punch, ganz gleich ob wuchtige Bassdrumschläge oder knarzende Kontrabässe. Im oberen Mittenbereich klingt der R65 ein wenig zurückhaltend und dadurch weniger vordergründig als andere Abhörmonitore. Soloinstrumente und Einzelinstrumente rücken dadurch räumlich etwas nach hinten. In Kombination mit der sehr guten Räumlichkeit, die die Lautsprecher vermitteln können, kann dies für Klassik- und Jazzaufnahmen von Vorteil sein, denn die R65 stellt die einzelnen Instrumente sehr schön nach hinten gestaffelt auf und der Eindruck von räumlicher Tiefe wird auf diese Weise weiter gesteigert.
Die Höhenwiedergabe ist wie erwähnt ein echtes Highlight des R65. Schlagzeugbecken kommen präzise und exakt definiert, heftige Saitenanrisse beispielsweise von Gitarren wirken definiert und impulsiv, bei Violinen hört man das Colophonium, sie klingen plastisch unangestrengt und sanft auch bei hohen Lautstärken. Überzogene Zischlaute oder nervige Schärfe sind hier überhaupt kein Thema.
Fazit
Der R65 weist sämtliche Vorzüge auf, die ein guter AMT-Hochtöner mit sich bringt – eine hervorragende Räumlichkeit, sehr gute Transientenwiedergabe und angenehme, luftige Höhen. Seine Raumanpassungsmöglichkeiten sind sehr benutzerfreundlich, lässt sich der Monitor so auch in Homerecording-Umgebungen nutzen. Leichte Absenkungen im Mittenbereich sorgen dafür, dass der R65 zwar kein Allroundwunder im Studio werden kann – zur Bewertung von Räumlichkeit eignet er sich allerdings wie kaum ein anderer Monitor in seiner Preisklasse.
Ich bin auch vollends überzeugt von R65. In einem Duell mit der Adam T7V war ich doch überrascht, wie hervorragend sich die Presonus geschlagen hat. Gerade bei der Räumlichkeit und Tiefenstaffelung wurde die Adam geradezu deklassiert. Der Bassbereich wirkt auch deutlich direkter und unmittelbarer, ich habe das Gefühl, dass dieser bei der Adam hinterher hinkt. Insgesamt ist die Presonus deutlich harmonischer abgestimmt und ein qualitativer Klassenunterschied zwischen dem Hochtöner und Tiefmitteltöner, den man bei der T7V eindeutig ausmachen konnte, fehlt zum Glück was eindeutig für die Presonus und deren Tiefmitteltöner spricht.