Beryllant

Zwei-Wege- oder Drei-Wege-System? Der Focal SM9 ist beides. Was es außerdem mit dem wohl ausgestatteten Studiomonitor-Flaggschiff des französischen Herstellers auf sich hat, haben wir für Sie in Erfahrung gebracht.

Von Sylvie Frei  

Nicht zum ersten Mal ist der französische Hersteller Focal mit seinen Monitoren bei uns am Start. Bereits in den Ausgaben 8/2006, 3/2009 und 10/2012 konnten drei Focal Oberklassemonitore – fabriqué en France – mit guten bis sehr guten Ergebnissen bei uns im Test punkten. Heute begeben wir uns eine Etage höher und widmen uns Focals Studiomonitor-Topmodell, dem Focal SM9, der nicht nur in Bauweise und Funktion – soviel sei schon einmal verraten – mit einigen wirklich außergewöhnlichen Merkmalen aufwarten kann. 
Mit einem stolzen Preis von rund 3300 Euro (pro Box) richtet sich der SM9 im Besonderen an professionelle Mix- und Masteringstudios und ähnliche Umgebungen mit großem Budget.
Das Besondere am SM9: In ihm verbergen sich eigentlich gleich zwei Monitore. Grundsätzlich ein Drei-Wege-Studiomonitor, lässt er sich auf einen Zwei-Wege-Modus umschalten, in welchem das Basschassis umgangen wird und der Frequenzgang somit unterhalb von 90 Hertz beschnitten wird. Der Toningenieur kann so beispielsweise ohne permanentes Wechseln der Abhöre beim Mischen gezielt auf unterschiedliche Hörsituationen und Audiowiedergabesysteme wie etwa den bassarmen Klang eines handelsüblichen Auto-CD-Players eingehen.
Der SM9 verfügt über drei Gegentakt-Verstärker, die für den Bassbereich 400 Watt und für Mittel- und Hochtöner jeweils 100 Watt Verstärkungsleistung aufbringen.
Neben den aktiven Bass-, Mitteltöner- und Hochtöner-Chassis, die sich auf der Frontseite befinden, besitzt der SM9 einen eher ungewöhnlichen, zusätzlichen passiven Bassradiator auf der Oberseite, doch dazu später mehr.
Mit etwas mehr als 30 Kilogramm pro Box und der Größe einer Industriemikrowelle stellt der SM9 im Professional audio Studio zwar noch keinen neuen Rekord auf, doch sind die beiden edlen Schallwandler bei Weitem groß und schwer genug, dass es Bandscheibe und Leiste zu Liebe klüger ist, sie zu zweit zu positionieren.
Mit seinem schwarzem Gehäuse, einer mit schwarz lasiertem Naturholzfurnier versehenen Deck- und Grundplatte sowie den silbern gesprenkelten Lautsprechermembranen macht der SM9 bereits optisch einen äußerst edlen Eindruck. Zur Abschwächung eventueller unliebsamer Gehäusereflexionen besitzt der Dreiwege-Monitor abgerundete Gehäusekanten. Das helle und praktisch kaum resonierende Geräusch beim Anklopfen an die die Gehäusewand spricht für eine gut abgedämpfte Substanz.
Die Anordnung der Chassis auf der Frontseite ist beim linken auf gespiegelte Weise zum rechten Monitor ausgeführt, sodass sich die Tieftöner außen, die übereinander angeordneten Hoch- und Mitteltöner innen befinden.
Focal legt großen Wert darauf, sämtliche Produkte im Inland zu produzieren.

So kann selbstverständlich auch das Flaggschiff SM9 mit dem Label „fabriqué en France“ aufwarten. Auffällig: Auch sämtlichen Lautsprecherchassis sind Focal-eigene Entwicklungen, die mittlerweile geradezu legendären Status unter Kennern genießt.
Der Beryllium-Hochtöner wurde sogar eigens für den SM9 entwickelt. Seine im Durchmesser etwa 25 Millimeter messende Kalotte besteht aus reinem Beryllium, einem harten, stahlgrauen Leichtmetall mit sehr hoher Dichte. Der Hochtöner ist laut Hersteller dazu in der Lage, ein Spektrum von mehr als fünf Oktaven (1000 bis 40 000 Hertz) abzubilden. Die extreme Reichweite in der Höhe, die weit jenseits des menschlichen Hörvermögens liegt, soll laut Focal die Wahrnehmungen von Transienten und klanglichen Details verbessern.
Die Kalotte des Hochtöners ist in einer invertiert gewölbten Form konstruiert – eine ebenfalls von Focal entwickelte Bauweise, die hohe Effizienz, Präzision und Energie versprechen soll, indem sie die mechanische Kopplung zwischen Schwingspule und gewölbter Membran optimiert und eine linearere, dynamischere und genauere Schallabbildung gewährleistet.
Die Mitteltöner- und Basschassis sind mit sogenannten W-Cone-Membranen ausgestattet. Das W steht bei Focal für eine doppelt mit Glas beschichtete Sandwichmembran aus einem speziellen Strukturschaum. Mittels einer größeren oder kleineren Anzahl von Fiberglas-Folien und einer unterschiedlichen Dicke des dazwischen befindlichen Schaums wurden die gewölbten Membranen in der Dämpfung auf den jeweiligen Frequenzbereich anpasst. Ihr geringes Gewicht, ihre große Flexibilität und ihre hohe Steifigkeit macht die Glasfaserbeschichtung laut Hersteller anderen Materialien wie Aramid/Kevlar überlegen.
Der bereits erwähnte zusätzliche passive Bassradiator, auch Passivmembran genannt, arbeitet wie eine Art Sonderform des Bassreflex-Prinzips. Seine Fläche und Masse ist mit 270 Millimeter Durchmesser derart bemessen, dass er gegenphasig zum 200 Millimeter messenden aktiven Tieftöner in Schwingung versetzt wird. Bewegt sich dessen Membran nach außen, schiebt sich die Passivmembran nicht ins Gehäuseinnere, sondern schwingt ebenfalls nach außen und erhöht so den Schalldruck im gewünschten Frequenzbereich.
Auf der Innenfläche der Gehäusebox sind drei mit LEDs versehene, kreisförmige Schalter angeordnet, die mit Standby/On, Focus und Direct Input bezeichnet sind.
Wird der Standby/On-Schalter betätigt, um den SM9 aus dem Schlaf zu erwecken, wechselt die dem Schalter beigeordnete LED ihre Farbe von rot nach grün. Währenddessen vollzieht sich ein Reinigungsprozess der Relays, der eine etwa fünfsekündige Verzögerung nach sich zieht, bevor der Monitor voll einsatzbereit ist.
Über den Focus-Schalter lässt sich vom Drei-Wege-Modus in den Zwei-Wege-Betrieb schalten. Leuchtet die dem Schalter beigeordnete LED grün, ist der Zwei-Wege-Modus aktiviert, beziehungsweise das Basschassis deaktiviert. Der Direkt Input-Schalter ermöglicht es sämtliche Filter, ausgenommen das Hochpassfilter, welches direkt am Eingang anliegt und separat deaktiviert werden kann, zu umgehen. Ist diese Bypass-Funktion aktiv, macht sie sich ebenfalls durch ein grünes Leuchten der beigeordneten LED bemerkbar.
Rückseitig finden sich sechs beschriftete und gerastete Drehregler für unterschiedliche Filtergruppen sowie der XLR-Eingang. Die Empfindlichkeit für den Eingang lässt sich zwischen -10 dBV für unsymmetrische Eingangssignale und +4dBu für symmetrische Eingangssignale umschalten. Den einzelnen Filterreglern sind auf dem Gehäuse aufgedruckte Kurvenillustrationen beigeordnet, welche die Einstellmöglichkeiten des jeweiligen Filters präzise veranschaulichen.

Das direkt am Eingang anliegende Hochpassfilter zum Ausblenden tiefer Störreflexionen im Raum greift mit einer Flankensteilheit von 12 Dezibel/Oktave und kann entweder auf 45, 60 oder 90 Hertz gestellt werden oder in Full Range-Stellung deaktiviert werden. Sämtliche weitere Filter erlauben es die entsprechenden Frequenzbereiche in 0,5 Dezibel-Schritten um +/-3 Dezibel anzupassen. Der SM9 verfügt über Shelvingfilter für den 30 bis 250 Hertz- sowie den 4500 bis 40 000 Hertz-Bereich, über die sich gezielt bei Bedarf Tiefen oder Höhen anheben oder absenken lassen. Zudem besitzt er drei in Frequenz und Bandbreite feste Glockenfilter auf einer Höhe von 50, 160 und 1000 Hertz. Wobei der Q-Faktor der Bandbreiten von tief nach hoch 2, 1 und 0,6 beträgt. Über dieses flexible Filtersystem lassen sich unterschiedlichste Störreflexionen im Raum abschwächen. Focal empfiehlt beispielsweise den mittleren Glockenfilter zur Abschwächung von Reflexionen der Mischpultoberfläche einzusetzen. 
Laut Hersteller sollen die Monitore zunächst etwa zwanzig Stunden lang mit unter anderem auch tieffrequentem Tonmaterial von moderater Lautstärke eingespielt werden. Diesen Wunsch gewähren wir den beiden SM9-Boxen natürlich gerne, bevor wir uns ganz dem Hören widmen.
Beim Aufstellen der Monitore sollte beachtet werden, dass sie in einem Abstand von einem bis vier Metern vom Hörenden entfernt positioniert werden sollten. Sind die beiden Boxen ausgerichtet, – die Hochtöner sollten sich etwa auf der Höhe der Ohren befinden – kann es losgehen.
Als Testhörmaterial dienen eine Orchestereinspielung des Radio-Sinfonieorchesters des SWR von Beethovens neunter Sinfonie unter der Leitung Roger Norringtons, zwei Klavieralben, eine Folk-, eine Rock- und eine Metal-Produktion.
Beim Hören der Orchesteraufnahme fällt sofort auf, wie dynamisch hochauflösend das SM9-Paar die Einspielung wiedergibt. Vom Pianissimo bis zum Fortissimo werden sämtliche dynamischen Abstufungen in feinsten Nuancen abgebildet. Das Hören stark komprimierter Musikstücke empfinde ich beim Test geradezu als enttäuschend, da die hervorragende dynamische Auflösung der Monitore dabei ungenutzt bleibt.
Auch die räumliche Darstellungsfähigkeit des SM9 ist äußerst beeindruckend. Beim Hören der Sinfonie entsteht sofort der Eindruck eines dreidimensionalen akustischen Orchesterabbilds. Jedes kleinste Detail lässt sich, sowohl auf der horizontalen Achse als auch in der Tiefenstaffelung, genauestens orten.
Der Klang der SM9er wirkt über das gesamte Frequenzspektrum äußerst transparent und ausgewogen. In den Höhen fällt auf, wie akribisch und detailliert diese wiedergeben werden. Die Bässe klingen je nach Musikstück knackig bis kraftvoll und wuchtig, dabei aber stets äußerst definiert.
Auffällig: Der Berylliumhochtöner ist gnadenlos präzise und verzeiht keine Nebengeräusche. Er macht es leicht, hohe Störquellen zu enttarnen. So wird bei der Orchesteraufnahme selbst das leiseste Anblasgeräusch und das zarteste Umblättern überdeutlich hörbar, obwohl diese Geräusche beim Hören über eine mittelmäßige Stereoanlage kaum auffallen.
Als äußerst praktisches Feature kann auch die Focus-Funktion punkten. Beim Berühren der aktiven und passiven Bassmembranen wird kurz nach Einschalten der Focus-Taste sofort spürbar, dass die Membranen nicht mehr schwingen. Klanglich kann der SM9 auch im Zwei-Wege-Modus absolut überzeugen. Da sein Mitteltöner noch immer bis auf etwa 90 Hertz hinabreicht, sind die Bässe nicht vollständig abgeschnitten, sondern erscheinen lediglich wie bei einer bassärmeren Abhöre unauffälliger und weniger wuchtig. Die übrigen hervorragenden Eigenschaften, die sich im Drei-Wege-Modus hervorgetan haben, bleiben jedoch ohne Abstriche erhalten. Auch nach längerem Hören empfinden wir den Klang der Monitore als äußerst angenehm und unanstrengend.

Fazit

Zugegeben, für einen Paarpreis von rund 6500 Euro, wird der SM9 sicher nur für betuchte Nutzer in Frage kommen. Aber wer sich dafür entscheidet, bekommt ein in Frankreich gefertigtes Produkt, das aus dem Besten aller Focal-eigenen Entwicklungen besteht und klanglich keinen Wunsch offen lässt.

Erschienen in Ausgabe 04/2013

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 3272 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut