Aufnahme-Pfiffikus im Miniformat
Neu in Tascams Minirecorder-Reihe ist der DR-10L Pro: Ein professioneller Pfiffikus für die unauffällige und unkomplizierte Aufnahme.
Text und Fotos von Harald Wittig

Mit dem winzigen Recorder DR-10L hat Tascam vor rund fünf Jahren einen großen Wurf gelandet: Der ultrakompakte Recorder mit dem Lavalier-Mikrofon TM-10LB ist in kürzester Zeit ein erklärter Liebling von Videofilmern geworden. Denn mit dem Kleinstrecorder lassen sich auf einfache, unauffällige Weise hochwertige Tonaufnahmen, beispielsweise bei der Trauzeremonie einer Hochzeit machen. Auch rasende Reporter schätzen den DR-10L, denn der äußerst energieeffizient arbeitende Aufnahmezwerg ermöglicht problemlose Mitschnitte an allen möglichen Orten und Zeiten.
Ein Erfolgsmodell wie der DR-10L ist kaum zu verbessern, weswegen Tascam den mit etwa 170 Euro sehr kostengünstigen Recorder unverändert im Programm behält – aber seit Kurzem mit dem DR-10L Pro einen noch raffinierteren Bruder für circa 230 Euro im Angebot hat. Der Neue baut technisch auf dem Erfolgsmodell auf, hat allerdings zahlreiche technische Innovationen zu bieten, die ihn für die avisierte Zielgruppe, professionelle Videofilmer und Reporter ausgesprochen attraktiv machen. Für uns war jedenfalls nach Eingang der Pressemeldung zum DR-10L Pro sofort klar: Den wollen wir haben und einem Praxistest unterziehen. Auch um herauszufinden, ob der neue Recorder seinen Mehrpreis von gut 60 Euro gegenüber dem DR-10L wert ist.
32 Bit Fließkommatechnologie
Der DR-10L Pro ist ein winzig kleiner Digital-Recorder mit ebenso kleinem Lavalier-Mikrofon vorzugsweise für Sprachaufnahmen, der sogar in Kinderhänden verschwindet und dank eines Papiergewichts von 65 Gramm Niemandem Beschwernis bereiten dürfte. Zugegeben, das hat der ältere Bruder DR-10L auch zu bieten. Der Neue setzt sich von seinem etablierten Geschwister allerdings mit seinen technischen Neuerungen – den redensartlichen „inneren Werten“ – ab: Denn er kann auf Wunsch mit 32 Bit-Gleitkomma aufnehmen, was eine wesentlich höhere Dynamik gegenüber dem weitesten Datenwort von 24 Bit des DR-10L garantiert. Anders ausgedrückt: Vom kaum vernehmbaren Flüstern bis zum umwerfenden Brüllen bewältigt der Recorder sämtliche stimmlichen Artikulationen, ohne dass es umständlichen Nachpegelns bedürfte. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass der DR-10L Pro am Set an der Kleidung der Protagonisten befestigt sein wird, die aber ganz bestimmt nichts regeln wollen und wohl auch können, ist das ein enormer Fortschritt. Der Pfiffikus garantiert damit hochklassige Aufnahmen in Situationen, wo es keine Chance für einen Wiederholungstake gibt.
Gleich zwei Wandler digitalisieren mit hoher Wandlerlinearität und geringsten Verzerrungen die angelieferten Analog-Signale mit einer Abtastrate von wahlweise 44,1 oder 48 Kilohertz und 32 Bit-Float-Auflösung. Um Speicherplatz zu sparen sind auch die Festkomma-Wortbreiten 16 und 24 Bit verfügbar, als Aufnahmeformate sind WAV oder MP3 im Angebot. Wobei 32-Bit-Gleitkomma-Aufnahmen nur im WAV-Format und als lineare PCM-Aufnahme möglich sind. MP3-Aufnahmen sind auf die Wortbreiten 16 oder 24 Bit und die Bitraten 128 oder 192 kbit/s beschränkt. Der Einfachheit halber sind diese im DR-10L Pro-Menü als „MP3L(ow)“ und „MP3H(igh)“ bezeichnet.
Stichwort Speicherplatz: Die Aufzeichnung erfolgt auf Micro SD-Karten, wobei der Recorder auch mit Micro SDXC-Karten ausweislich unserer Erfahrungen bestens zurecht kommt. Mit solchen Karten lässt sich die Speicherkapazität auf maximal 512 Gigabyte erhöhen. Wenn also wirklich der bestmögliche Ton aufgezeichnet werden soll, steht der PCM-Aufnahme mit 32 Bit Float/48 kHz-Auflösung insoweit nichts im Wege.
Die Stromversorgung erfolgt mit zwei AAA-Alkali- oder Lithium-Batterien, alternativ mit NiMH- oder Lithium-Akkus dieser Größe. Das Mehr an Top-Technik verlangt nach mehr Energie – der ältere, technisch aber kleinere Bruder DR-10L begnügt sich mit nur einer AAA-Zelle. Gleichwohl soll auch der Neue vergleichbar energiesparend arbeiten: Tascam verspricht eine maximale Aufnahmedauer von 24 Stunden und 30 Minuten bei Verwendung von zwei AAA Lithium-Batterien. Mit Alkali-Batterien sind es laut Hersteller gut 16 Stunden, also erheblich weniger. Allerdings gibt es ein sehr gutes Argument gegen die Verwendung von Lithium-Batterien: Deren Spannungsabfall erfolgt, anders als bei Alkali-Batterien, nicht linear, sondern abrupt. So kann die achtstufige Anzeige des Batteriestatus auf dem erfreulich scharfen OLED-Display des Recorders eben noch eine halbe Ladung signalisieren, kurze Zeit später blinkt sie – die niedrigste Stufe ist erreicht und das ungewollte Aufnahmeende gefährlich nahe. Auf einem anderen Blatt steht selbstverständlich, ob solch ultralange Aufnahmesessions wirklich praxisrelevant sind. Im finalen Praxisteil kommen wir auf den Leistungsbedarf des Recorders zurück. So viel sei aber schon verraten: Der DR-10L Pro enttäuscht nicht.
Bewährter Mini-Schallwandler
Ja, ja, Ihr habt die Bilder von dem Kleinen bereits bewundert, habt aufmerksam gelesen und wollt nun endlich etwas über den mitgelieferten Schallwandler des DR-10L Pro erfahren. Bitte sehr. Der Klein-Recorder hat kein eingebautes Mikrofon, sondern wird mit dem bewährten, kabelgebundenen Tascam TM-LB Lavalier-Mikrofon geliefert. Technisch haben wir es mit einem Back-Elektret-Kondensatormikrofon mit Kugelcharakterisitk zu tun, das ganz bewusst nicht überempfindlich gemacht ist, um auch hohe Schalldruckpegel bis 115 Dezibel zu verkraften. Damit ist das 24 Gramm leichte Winzmikrofon optimal für die Zusammenarbeit mit dem DR-10L Pro ausgelegt. Selbstverständlich gehört ein sehr effektiv arbeitender Micro-Windschutz sowie ein praktischer Ansteckclip zur Ausstattung. Das fest verbaute Anschlusskabel des Mikrofons wird mit dem Miniklinkenmikrofonanschluss am Recorder verbunden. Zur letzten Sicherheit lässt sich das Mikrofon-Anschlusskabel festschrauben. Der Mikrofon-Anschluss des Recorders ist auch offen für Lavalier-Mikrofone anderer Hersteller, etwa von Sennheiser. Wer also meint, seinem DR-10L Pro ein wenig Chip-Tuning angedeihen zu müssen, kann ohne Weiteres das professionelle Sennheiser MKE-1 mit dem Tascam verwenden. Allerdings ist das Sennheiser-Mikrofon etwa viermal so teuer wie die DR-10L Pro/TM-10 LB-Kombination – und die soll professionellen Ansprüchen eben auch genügen. Aber dazu gibt es später klare Worte – versprochen.
Noch wendiger dank Zubehör
Um Störgeräusche oder Verzerrungen von vorneherein und praktisch von den Aufnahmen fernzuhalten, verfügt der Recorder über ein Trittschallfilter und einen Limiter. Beide sind über das Menü am Recorder selbst auswählbar. Trotz der baugrößenbedingt kleinen Taster und des Klein-Displays sind sämtliche Einstellungen recht geschwind und sogar ohne Handbuchstudium durchführbar. Das mehrsprachige Handbuch ist aber lesenswert, da es wie bei Tascam üblich alle Bedienelemente, ihre Funktion und Einstellung mit wenigen Worten und instruktiven Abbildungen erläutert. Wer mehr Bedienkomfort braucht und auch eine visuelle Kontrolle des Aufnahmegeschehens schätzt, kann den Recorder auch über die kostenlose Fernbedienung-App DR-10L Pro CONNECT mit seinem mobilen Endgerät steuern. Klar, dass es hierzu einer – drahtlosen – Verbindung bedarf. Die kann über Bluetooth erfolgen, allerdings ist dann der optionale Bluetooth-Adapter AK-BT1 vonnöten. Der ist angemessen winzig, wird einfach in die ansonsten staubsicher verschlossene Anschlussbuchse am DR-10L Pro gesteckt und ist mit gut 30 Euro nicht unerschwinglich teuer. Der Adapter ist eigentlich unverzichtbar, wenn mehrere DR-10L Pro bei einem Videodreh zum Einsatz kommen sollen. Denn zusammen mit der CONNECT-App ist die Steuerung von maximal fünf Recordern möglich. Wir stellen uns eine Hochzeit vor: Braut und Bräutigam tragen jeweils einen DR-10L Pro, einen weiteren bekommt die trauende Person. Die TM 10-LB-Mikrofone sind unauffällig an der Kleidung angesteckt und fangen die gesprochenen Worte ein. Perfektionisten können jeden Recorder zur leichteren Identifizierung mit Namen versehen, beispielsweise „Pfarrerin“ oder „Bräutigam“. Allerdings gestattet die App kein Audio-Monitoring. Das erfolgt ausschließlich und ganz konventionell über Kopfhörer. Ja, in unserem erdachten Set definitiv nicht. Da müssen wir uns mit der visuellen Kontrolle, also der Betrachtung der aufgezeichneten Wellenformen begnügen.
Schließlich ist der DR-10L Pro mit dem AK-BT1 auch in der Lage, Timecode drahtlos mit einem unterstützten Drahtlossynchronisierer vom Spezialisten Atomos, beispielsweise dem passenderweise auch ultrakompakten Ultrasync Blue zu synchronisieren. Dieses knallblaue Helferlein ist für knapp 170 Euro zu bekommen und für Videofilmer, die mit einem oder mehreren Tascam DR-10L Pro arbeiten möchten und Audio und Video via Bluetooth perfekt zusammenbringen wollen, praktisch alternativlos.
Wenn MP3 das Aufnahmeformat der Wahl ist – beispielsweise für eine Reportage oder einen Konferenzmitschnitt – und die überlegene 32 Bit-Fließkomma-Auflösung nicht zur Verfügung steht, freut es den Anwender, dass der Recorder mit einer automatischen Pegelanpassung aufwarten kann. Die arbeitet nach unseren Tests ausgesprochen zuverlässig und schließt – mit oder ohne Unterstützung des ebenfalls verlässlichen Limiters – Übersteuerungen praktisch aus.
Das Abhören der fertigen Aufnahmen kann direkt über Kopfhörer geschehen, über USB – ein USB-Kabel liegt dem Recorder bei – können Dateien mühelos mit dem Rechner ausgetauscht werden. Über USB ist auch eine Stromversorgung des Recorderchens möglich. Dabei müssen die Batterien nicht entnommen werden, die USB-Stromversorgung hat aber Vorrang, sodass die Batterien geschont werden.
Abgerundet wird die unseres Erachtens sehr praxisgerechte Ausstattung des DR-10L Pro mit der bewährten Audioreparatursoftware iZotope RX-Elements für die sich ein Download-Gutschein im Karton des Recorders findet. Damit ist das geschwinde Bereinigen der Aufnahmen von störenden Hintergrundgeräuschen wie den unvermeidlichen Zwischenhustern während einer Trauzeremonie ein Leichtes – zur Freude aller Beteiligten.
Kleiner Könner
Kommen wir zur Aufnahme-Praxis mit dem DR-10L Pro. Dank des praktischen Clips, der am Recorder verbleiben kann, aber auch jederzeit entfernbar ist, lässt sich der Aufnahmezwerg sicher an der Kleidung anbringen. Die Federkraft des Clips ist recht hoch, sodass der Recorder sich kaum selbstständig machen kann. Mit dem griffigen seitlichen Schiebeschalter wird der Tascam eingeschaltet. Derselbe Schalter startet auch die Aufnahme. Dabei muss er etwa eine Sekunde gehalten werden. Eine eingebaute Sicherheitsschwelle, um einem übereilten Aufnahmestart vorzubeugen. Wenn aber doch ganz geschwind aufgenommen werden muss, ist der Hauptschalter direkt auf „REC“ zu schieben. Dann geht der Recorder ohne Umschweife in den Aufnahmemodus.
Ansonsten ist der DR-10L Pro ein wunderbar unkompliziertes Gerätchen, das genau das tut, was alle Anwender von ihm erwarten: Ohne Umstände gute Aufnahmen anfertigen. Bei unserem Besuch in den Münchener Dorian Gray Studios (siehe den Bericht in dieser Ausgabe) ist der Wichtelrecorder dabei und zeichnet bei der Führung durch den Studiokomplex mit Studioleiter Gerhard Wölfle alles wie gewünscht auf. Aus Sicherheitsgründen nehmen wir parallel noch mit unserem stets verlässlichen Tascam DR-1 auf. Die Havarie-Aufnahme ist aber am Ende nicht vonnöten. Der DR-10L Pro macht den Job sicher. Dabei ist die Klangqualität sehr überzeugend: Das TM-10LB fängt das akustische Geschehen mit hoher Klarheit und detailreich ein, die Aufnahmen klingen natürlich, ohne störende Verfärbungen. Die 32 Bit-Gleitkomma-Aufnahmetechnik sorgt für eine rundum überzeugende, verzerrungsfreie Aufnahme – klasse. Vor allem Stimmen klingen richtig gut und naturnah, weswegen wir dem DR-10L Pro/TM-10LB-Team die Note „Sehr gut“ für Sprachaufnahmen geben. Dass der Recorder mit zwei AAA Alkali-Batterien die komplette, zweitägige Fotosession für die auf diesen Seiten zu sehenden Bilder und den mehrstündigen Studiobesuch ohne Leistungsabfall durchgestanden hat, lässt uns final feststellen: Der DR-10L Pro mag klein sein, aber in puncto Leistung ist er ein wahrer Scheinzwerg, der professionelle Ergebnisse liefert und am Ende eines Arbeitstages ganz groß dasteht.
Fazit
Der Tascam DR-10L Pro ist ein superkompakter, superleichter und äußerst energieeffizient arbeitender Mobil-Recorder, der mittels kabelgebundenem Lavalier-Mikrofon ganz unauffällig (Sprach-)Aufnahmen ermöglicht, die dank herausragender 32 Bit-Fließkomma-Technik fraglos professionellen Ansprüchen genügen.

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