Kompaktes Recording-Multitalent
Tascam ist bekannt für Recording-Produkte mit hoher Qualität und innovativen Funktionen. Das Modell X6 ist das zweite Gerät aus Tascam’s moderner Portacapture-Serie, die durch 32 Bit Recording, Touchscreens und Mehrspurfunktionen glänzen. Kann der kleine Bruder mit dem großen X8 mithalten? Wie gut sind Neuheiten wie das neue Mikrofonkonzept und für wen ist der Portacapture X6 die optimale Lösung?
Von Heiner Kruse

Schon seit Jahrzehnten brilliert Tascam im Recording-Sektor einerseits mit kompakten Recordern, andererseits mit innovativen Mehrspur-Recordingkonzepten, die Musiker von Lady Gaga bis zu den Eagles inspirierten.
Tascams Produktpalette ist dabei breit gefächert. Im Handheld-Recorder-Bereich hat der Hersteller zuletzt mit dem Modell Portacapture X8 geglänzt (Test in Heft 02/2022). Nun hat er nachgelegt und mit dem Modell X6 sozusagen einen kleinen Bruder an die Seite gestellt. Beide Geräte verbinden mehrere Schwerpunkte. Sie sind einerseits auf mobile Audioaufnahme ausgelegt, selbst ein kleiner Lautsprecher ist integriert. Andererseits schultern die Geräte auch Mehrspuraufnahmen und spezialisierte Podcasting-Konfigurationen mit Jingle Pads ohne Probleme. Es gibt sogar Optionen zur Tonsynchronisation mit Bild oder zum Rendering interner Mixdowns.
Dass der Portacapture X6 deutlich kompakter ist als sein Bruder, macht das Gerät für mobiles Recording noch einmal attraktiver. Zudem profitiert der X6 kurz- und langfristig von den Erfahrungen, die Tascam seit dem Erscheinen des X8 gesammelt hat. Das gilt bezüglich des Grundkonzeptes, der Betriebssoftware und den bereits angekündigten Updates.
Portacapture Basics
Beide Portacapture-Geräte beherrschen die 32 Bit float Aufnahme. Das bedeutet in der Praxis, dass ihr eine Aufnahme sehr schnell ohne vorherige Aussteuerung starten könnt. Denn der Dynamikumfang einer solchen Aufnahme ist sehr groß, so dass ihr nachträglich alle möglichen Korrekturen der Lautstärke nach unten und oben vornehmen könnt. Ihr müsst dabei weder Verzerrungen bei zu lauten noch zu starkes Rauschen bei zu leisen Schallquellen befürchten, es sei denn, diese stammen von analogen Komponenten. Mit dieser Technik könnt ihr verzerrte Aufnahmen durch einfache Normalisierung/Gain-Reduktion leicht wieder sauber klingen lassen und ihr seid damit in der Nachbearbeitung sehr flexibel. Der X6 führt dabei als maximale Aufnahme-Samplerate übrigens 96 kHz an, während der X8 sogar bis 192 kHz aufnehmen kann.
Der Portacapture X6 liefert euch besonders gute Klangqualität in ganz unterschiedlichen Situationen, denn es sind zwei unterschiedliche Wandler verbaut, die jeweils für hohen Pegel und geringen Dynamikumfang versus niedrigen Pegel und hohen Dynamikumfang optimiert sind.
Wenn das „X6“ im Produktnamen dafür steht, dass das Gerät sechs Spuren aufnehmen kann, dann sind hiermit vier Audiosignale von angeschlossenen Quellen und dazu ein „Stereomixdown“ gemeint. Der Recorder ist seitlich links mit verriegelbaren XLR-Ins (Input 3 und 4) ausgestattet, die im Gegensatz zum X8 nicht als Combo-Buchsen ausgeführt sind. Die Phantomspeisung könnt ihr optional mit wahlweise 24 oder 48 Volt für jeden Eingangskanal separat einschalten. Auch die alternative 3,5mm-Eingangsbuchse (EXT IN) neben den XLR-Buchsen hilft euch in der Praxis mit Vielseitigkeit, denn sie unterstützt einerseits die Stromversorgung für Kleinmembranmikrofone. Sie kann aber auch für Aufnahmen mit Line-Pegel verwendet werden. Bei der Vierspuraufnahme könnt ihr die (XLR-) Inputs 3 und 4 und den (3,5mm-) EXT IN Eingang auch gleichzeitig aufnehmen und den Spuren zuweisen, ähnlich wie bei TASCAM’s DR60 mk2. Der X6 ist ebenfalls nicht zuletzt für Tonaufnahmen im Zusammenhang mit Filmaufnahmen und einer Kamera konzipiert und auf der Unterseite mit einem Stativgewinde ausgestattet. Die Blitzschuhbefestigung des X8 fehlt allerdings. Ein Kamera-/Line-Ausgang mit wählbarer Pegelabsenkung kann zum Weiterleiten des Tons an eine Kamera oder ein anderes Gerät genutzt werden.
Trotz seiner etwas geringeren Größe verfügt der X6 im Vergleich zum X8 erstaunlicherweise über eine leicht verbesserte Transport-Steuerung auf der Vorderseite. Dafür fällt der Touchscreen deutlich kleiner aus. Diese Umgewichtung finde ich gelungen, besonders der zusätzliche Menüknopf erleichtert die grundsätzliche Bedienung. Die Benutzerführung beider Geräte ist ansonsten ähnlich: Der Touchscreen, für den es auch Kontrasteinstellungen gibt, präsentiert einen Launcher-Dialog, über den ihr zahlreiche Einsatzkonfigurationen als Apps aufrufen könnt. Mehr dazu weiter unten.
Mikrofone
Die Mikrofone des X6 lassen sich im Vergleich zum X8 deutlich leichter von der X/Y- in die A/B-Position versetzen. Hierfür könnt ihr sie beim X6 stufenlos in die jeweils andere Position drehen, die dann einrastet. Beim X8 müssen die Mikrofone hierfür erst von der einen in die andere Steckposition ummontiert werden. Die X6-Mikrofone lassen sich aber im Gegensatz zu denen des X8 nicht abmontieren. Das ist insofern schade, als die Mikrofone in den Kunststoff-Schutzhüllen etwas fragil wirken und etwa bei Tascams DR W 44L durch Bügel besser vor dem Abbrechen bei einem Sturz geschützt sind.
Die Mikrofone klingen gut und im ersten Test vergleichbar mit denen des X8. Der Klang wirkt rauscharm und hochauflösend, ich konnte auch bei einer leisen Ambience-Aufnahme kaum Rauschen hören. Hierzu habe ich ein Demo aufgenommen, das ihr auf sound.report finden könnt. Allerdings empfiehlt sich der Kauf des optional erhältlichen Windschutzes. Durch die Möglichkeit zum Verstellen der Mikrofone könnt ihr sowohl auf eine Klangquelle zielen, als auch Umgebungsgeräusche einfangen.
Launcher und Touchscreen
Das Drücken des Menü-Buttons führt euch in einen Dialog, über den ihr Dateien durchsuchen und alle möglichen Einstellungen vornehmen könnt. Ihr erreicht hier auch den sogenannten „Launcher“ als Bedienungszentrale, den ich oben kurz erwähnt habe. Dort könnt ihr sogenannte „Recording Apps“ mit passenden Konfigurationen für Szenarien wie Musikaufnahmen, Podcasts oder Field Recording wählen. Das sieht schick aus und ist intuitiv benutzbar. So lassen sich im Touchscreen abgebildete Fader nicht nur im Display selbst, sondern auch mit dem Endlos-Drehrad justieren.
Wählt ihr zum Beispiel die App zum Aufzeichnen von Musik, findet ihr dort eine Reihe von Presets, etwa zur Aufnahme bestimmter Instrumente oder Vocals. Außerdem könnt ihr verschiedene Halleinstellungen wählen. Die Manual- und Podcast-Apps verfügen über einen integrierten Mixer mit einer optionalen Mixdown-Funktion zum Zusammenmischen von Mehrspuraufnahmen in einer einzelnen Datei. Aktivierbare Effekte wie EQ, Tiefenfilter, Kompressor, Limiter und Noise-Gate findet ihr aber auch in anderen Apps. Ihr erreicht die Optionen zum Aktivieren einzelner Effekte etwas versteckt durch Antippen des Mic-Symbols. Im Equalizer findet ihr ebenfalls eine Reihe an Presets. Ihr könnt durch Anwahl des Eintrags „Manual“ aber auch individuelle Einstellungen vornehmen. Vier Bänder (2x vollparametrische Bell-EQ’s, 1x Low-Shelving, 1x High-Shelving) stehen euch hierfür zur Verfügung. Im Portacapture X8 könnt ihr seit den letzten Firmwareupdates übrigens auch drei Presets pro App sowie drei vorkonfigurierte Presets im Launcher speichern. Auch für den X6 sind diese Optionen bereits angekündigt.
Zu beachten ist, dass Effekte im Signalfluss vor und nicht nach der Aufnahme im Input-Bereich aktiviert werden. Die nachträglichen Mixdown-Einstellungen erstrecken sich auf Volume und Pan-Settings. Effekte werden also typischerweise mit aufgezeichnet, so dass sie nicht nachträglich aus Aufnahmen entfernt oder verändert werden können. Das gilt auch für den in den Grundeinstellungen aktivierbaren Hall. Das könnt ihr in der Praxis gut bei Podcasts, Performances oder Streams brauchen. Bei Studioproduktionen würde ich mich meist erst nach der Aufnahme um derart weitreichende, klangverändernde Einstellungen kümmern und Effekte in Ruhe einstellen. Aber nicht immer ist eine nachträgliche Studiobearbeitung eingeplant. Die internen Effekte sind besonders dann ein Mehrwert, wenn schnell ein veredeltes und sendefähiges Ergebnis zustande kommen soll. Mit der optionalen XRi Option (Extended Recording Information) könnt ihr zudem detaillierte Informationen zu Aufnahmeeinstellungen zusammen mit BWF-Aufnahmen speichern.
Im dedizierten Podcast-Modus
findet ihr auch Pads für Jingles. Allerdings ist die Ausstattung mit nur zwei Monokanälen im Mixer zusätzlich zu den Pads hier etwas spartanisch, im X8 lassen sich immerhin vier Kanäle mixen. Das Manual erklärt zwar, dass ihr damit einen Podcast mit zwei Personen realisieren könnt. Aber ihr könnt dann, außer den Pads, nichts mehr hinzumischen. Im X8 wurde die Sonderfunktion „Mix Minus“ mit einem Firmware-Update eingeführt: Wenn das Gerät über USB mit einem Smartphone oder Computer verbunden ist, könnt ihr diese Funktion bei einem Telefoninterview nutzen, um zu verhindern, dass der Gesprächspartner ein Echo seiner eigenen Stimme hört. Für den X6 wurde diese Funktion ebenfalls angekündigt.
Interfacefunktionalität, Klang, Batterie
Analog zu den Recordingfunktionen kann der X6 laut Hersteller auch als 6-In/2-Out USB Audio-Interface dienen. Auf dem Mac ist hierbei keine Installation nötig, für Windows gibt es ASIO-Treiber. Die maximale Auflösung beträgt bei Interface-Nutzung aktuell zwar nur 24 Bit, allerdings war dies beim X8 anfangs ebenso und nach einem Firmware-Update klappte es auch mit 32 Bit-Auflösung. Gleiches ist für das X6 Gerät bereits angekündigt.
Primär ist der X6 aber vor allem ein Recorder. Ich konnte zwar im Test die von den integrierten Mikrofonen eingefangenen Signale in einer DAW aufnehmen, musste aber zuvor darauf achten, dass die Samplerate am Recorder mit der DAW übereinstimmt. Es ist überdies bislang nicht vorgesehen, einfach den Stereoausgang der DAW einzustellen, um ihn via Line- oder Kopfhörer-Ausgang abzuhören. Die Audioausgabe der DAW klappte nur, wenn USB als Input eines Kanals in der zuvor ausgewählten Manual App oder der Podcast App eingestellt war. In diversen Youtube-Channels wird Ähnliches berichtet. Zu einem gewissen Grad ist das sogar logisch, denn der X6 kann ja via USB eingehende Audiosignale aufnehmen. Die X6-Ausgänge geben dann wieder, was in der App passiert. Das verbraucht in der Mixer-App allerdings gleich zwei Mixer-Kanäle, was beim X6 mehr ins Gewicht fällt als beim X8, weil sich insgesamt nur vier Kanäle mixen und aufnehmen lassen. Zudem klappte die Audioausgabe vom Mac zum Gerät nur mit meinem Intel-Mac. Mit dem M1-Mac konnte ich zwar via X6 Audio aufnehmen, doch blieb die Soundausgabe im Test stumm. Ich hoffe auf ein baldiges Firmware-Update, das diese Scharte auswetzt.
Kinderkrankheiten des X8 in Form leichter Einstreuungen, die es bei manchen frühen Modellen gab, fand ich bei meinem frisch geschlüpften X6 hingegen nicht. Im Test klang alles tadellos sauber. Allerdings ergaben sich im Test Einbußen oberhalb von 18 kHz bei einer Aufnahme eines von mir zu diesem Zweck regelmäßig verwendeten Drum & Bass Tracks durch den 3,5mm EXT IN Eingang (hierzu habe ich wieder ein Video auf sound.report eingestellt).
Die Betriebsdauer mit Batterie ist trotz des Touchscreens dank moderner Bauteile überzeugend. Ihr könnt sie verlängern, wenn ihr den Power Save Mode aktiviert, den richtigen Batterietyp auswählt und Optionen wie Bluetooth ausschaltet. Eine Auto Power Off Funktion ist ebenfalls integriert, was bei dieser Geräteklasse sehr wichtig, aber mittlerweile auch Standard ist.
Sonstige Funktionen
Bei vorgezogenen Aufnahmen können aus der Aufnahmebereitschaft bis zu zwei Sekunden der Aufnahme hinzugefügt werden. Eine Klappensignal-Funktion kann bei der Synchronisation mit Videomaterial helfen. Während der Aufnahme könnt ihr Marker automatisch setzen lassen, etwa bei Übersteuerung, bei einem bestimmten Pegel oder nach einer definierbaren Zeitspanne.
Im dualen Aufnahmemodus könnt ihr auch verschiedene Formate wie MP3s und 32 Bit Float Dateien gleichzeitig aufnehmen.
Die Stromversorgung kann auch durch einen optional erwerbbaren Netzadapter oder via USB erfolgen. Das Gerät beherrscht dabei eine automatische Wahl der Stromquelle, um bei einem Stromausfall nahtlos mit Batterien weiterarbeiten zu können. Mit Hilfe eines ebenfalls separat erwerbbaren AK-BT1 Bluetooth Adapters könnt ihr den Recorder von einem mobilen Gerät mithilfe der Portacapture Control Software fernsteuern. Die Option einer drahtlosen Timecode-Synchronisierung mit Atomos-Geräten und UltraSync Blue ist für eine künftige Firmwareversion geplant.
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