Mission Vintage-Wohlklang

Das Telefunken TF51 ist in wichtiger Mission unterwegs: Klanglich am berühmten C12 orientiert, will es allen Tonschaffenden zur Veredlung ihrer Aufnahmen viel Vintage-Wohlklang darreichen.

Text und Fotos von Harald Wittig

Seit über 20 Jahren gibt es jetzt den amerikanischen, in South Windsor, Connecticut ansässigen Mikrofonhersteller Telefunken Elektroakustik. Das Team um Gründer und Geschäftsführer Toni Fishman – selbst ein eingeschworener Fan der großen Röhren-Mikrofone vergangener Tage – widmete sich ganz zu Anfang mit viel Hingabe der Wiederbelebung von Mikrofonklassikern der Marke Telefunken in Form von detailgenauen Nachbauten. Hinzu sind später Eigenentwicklungen gekommen, welche die Liebhaber von Vintage-Mikrofonen und Pragmatiker, die einfach nur gute Mikrofone schätzen, gleichermaßen ansprechen sollen. Neben den richtig teuren Nachbauten der Diamond-Serie mit dem Flaggschiff ELA M 251E, haben sich vor allem die Mikrofone der 2006 eingeführten R-F-T-Serie als Bestseller erwiesen. Diese Mikrofone waren einmal mehr an historische Vorbilder angelehnt, stellten indes keine Repliken dar – und waren sehr viel erschwinglicher als die Diamond-Mikrofone. Die R-F-T-Serie ist inzwischen eingestellt, die Lücke im Portfolio füllt seit Kurzem die Alchemy Serie. Die umfasst vier Röhrenmikrofone – die Modelle TF29 Copperhead und TF39 Copperhead Deluxe, das TF47 und unsere heutiges Testmikrofon, das TF51. Ergänzt wird das röhrende Kleeblatt um das TF11, seines Zeichens ein FET-Mikrofon, das ansonsten perfekt in die Serie passt. Klassisch gewandet, stellen die Fünf in puncto Konzeption, Konstruktion und Komponenten Variationen nach klassischen Vorbildern dar. Die beiden Kupferköpfe haben eine Kapsel im K67-Stil, orientieren sich also um Neumann-Klassiker TLM67. Das TF47 hat eine Kapsel, deren Design der K47 des U47 nachempfunden ist und klanglich der Spur von M49 und U47 folgen soll. Das TF11 und das TF51 schließlich seien beide dem „österreichischen Sound“ verpflichtet. Damit sind konkret das AKG C12 und das Telefunken ELA M 251E gemeint. Denn das Herzstück beider Mikrofon-Legenden war die CK12-Kapsel, also solche ein Meilenstein im Mikrofonbau und längst mit einem eigenen Kapitel im ewigen Geschichtsbuch der Aufnahmetechnik bedacht.

Für rund 2500 Euro ist das TF51, welches wie seine Geschwister in den USA gefertigt wird, zu haben. Was das Mikrofon zu diesem arrivierten Preis zu bieten hat, wollen wir sogleich en detail erläutern.

Viel Liebe zum Detail

Geliefert wird das TF51 im stabilen, formschönen und dank seines großen Handgriffs sehr gut tragbaren Leicht-Koffer. Der zerrt auch ordentlich am Arm – kein Wunder, immerhin befinden sich darin neben dem Mikrofon noch Netzteil, Anschlusskabel sowie zwei Mikrofonhalterungen. Gebettet in passgenau ausgeschnittenen Schaumstoff wird der Blick des Mikrofon-Enthusiasten direkt vom TF51 angezogen: Der Gehäusetubus aus Messing, der das elektronische Innenleben sicher behütet, ist grau  lackiert, der Drahtschutzkorb für die Kapsel und das abschraubbare Montagestück am Gehäuse-Fuß sind rauchgrau verchromt. Das sieht richtig klasse aus und hat die unaufdringliche Eleganz des europäischen Industriedesigns der 1950er-Jahre. Dass die originale Telefunken-Plakette in Alt-Messing auf dem Gehäuse prangt, kommt als Zückerchen noch obendrauf.

Das TF51 ist das Nachfolgemodell des R-T-F NR51, welches zunächst mit einer TK67-Kapsel ausgestattet war, die hinter einem dreilagigen Drahtschutz den eintreffenden Schall eingefangen hatte. Das spätere Modell bekam dann eine Kapsel im CK-12-Stil, um den Klang an den eigenen ELA M 251E anzunähern. Folgerichtig ist auch das TF51 mit einer solchen Kapsel ausgestattet. Dabei hat es sich nie um AKG-Kapseln, sondern um Nachbauten der berühmten Kapsel des österreichischen Mikrofon-Spezialisten gehandelt. Telefunken gehört, anders als so mancher selbsternannte Vintage-Mikrofon-Nachschöpfer, zu den ehrlichen Häuten in der Szene und hat noch nie behauptet, originale CK12-Kapseln von AKG zu beziehen. Gleichwohl entspricht die Kapsel des TF51 konstruktiv dem Vorbild, ist wie diese aus Messing gefertigt und seitengeschraubt. Die Polarisationsspannung des Kapselkondensators wird also nicht über eine Mittenschraubung, wie beispielsweise beim Neumann U 87, sondern über die Seitenschraubung zugeführt. Dadurch schwingt die Membran anders, was sich selbstverständlich auf den Klang auswirkt.

Anders als bei der R-F-T-Serie sind die Einsprechgitter aller Alchemy-Mikrofone jetzt zweilagig aufgebaut, was sich ebenfalls klanglich auswirken dürfte. Ob das Mikrofon allerdings wie vom Hersteller verhießen, in klanglicher Hinsicht einen „weichen Mittenbereich“ mit einem „luftigen oberen Ende“ verbindet, werden wir im Rahmen des Praxistests klären.

Der Impedanzwandler des TF51 ist in Röhrentechnik aufgebaut, die zwar in puncto Schaltungsaufwand – der fällt nämlich geringer als bei FET-Mikrofonen aus – vorteilhaft ist, aber wegen der benötigten Bauelemente keineswegs billig zu haben ist. So geht Telefunken schon bei der Röhre, einer Doppeltriode des Typs 6072A, keine Kompromisse ein und verbaut die gleichen, mit „Telefunken“ gelabelten Röhren, die auch im teureren ELA M251 E-Nachbau zum Einsatz kommt. Selbstverständlich waren die Vorbilder seinerzeit ebenfalls mit 6072A-Röhren ausgestattet. Ob ausgerechnet die Röhren den Klang entscheidend formen, darf allerdings bezweifelt werden. Wir wollen es aber damit belassen und uns keinesfalls an den nach wie vor heftig geführten Diskussionen über das wahre Wesen des Röhrenklangs beteiligen.

Keine Kompromisse

Ebenfalls ein klangentscheidendes Wörtchen mitzureden hat im Falle eines Röhren-Mikrofons unbestritten der Ausgangsübertrager. Der wurde vom deutschen Hersteller Haufe, der schon die Telefunken-Originale ausstattete, nach den Spezifikationen der Amerikaner für das TF51 maßgeschneidert. Im neuen ELAM 251E werkelt auch ein Haufe-Übertrager, der ist aber, entgegen anderslautender Gerüchte, anderer Machart. Der Hersteller hat also nicht einfach ins Regal gegriffen und Bauteile zusammengesetzt, sondern wirklich alles aufeinander abgestimmt.

Die klassische Röhrenschaltung des TF51 benötigt eine hohe Betriebsspannung und folgerichtig gehört ein Netzteil untrennbar zu dem Mikrofon. Das ist aus Stahlblech gefertigt, ultrarobust und haucht mit seiner perfekten Hammerschlag-Lackierung dem Betrachter das Wort „Vintage“ entgegen. Mit dem Chicken Head-Schalter auf der Front darf der Anwender zwischen drei Richtcharakteristiken, Kugel, Niere und Acht wählen. Die Umschaltung erfolgt wie bei Großmembran-Mikrofonen üblich auf elektrischem Wege. Die TF51-Kapsel im CK12-Stil besteht deswegen aus zwei Kapseln mit Nierencharakteristik, die Rücken an Rücken stehen und in entgegengesetzte Richtungen zeigen. Die Ausgangsspannung der beiden Nierenkapseln wird elektrisch addiert. Durch Aufschalten unterschiedlich hoher Polarisationsspannungen auf die beiden Kapseln werden bei der Summierung der Ausgangssignale unterschiedliche Richtcharakteristiken erzeugt. Ist im Falle des TF51 die Niere am Netzteil gewählt, wird die Polarisationsspannung der hinteren Kapsel einfach abgeschaltet. Sind beide Membranen gegenüber der Gegenelektrode mit gleicher Polarisationsspannung beschaltet, ergibt sich eine Kugel. Allerdings haben wir es weiterhin mit einem doppelten Druckgradienten-Empfänger zu tun: Das vorbildliche lineare Basswiedergabe eines Druckempfängers erreicht kein umschaltbares Großmembran-Kondensatormikrofon. Von hohem praktischem Nutzwert ist die umschaltbare Richtcharakteristik gleichwohl und war auch schon beim Urahn C12, welches neun verschiedene Richtcharakteristika anbot, ein wichtiges Verkaufsargument.

Das siebenpolige Anschlusskabel ist immerhin sieben Meter lang, hinreichend flexibel und hinterlässt ebenfalls einen robusten, langzeitstabilen Eindruck. Gleich zwei Halterungen liefert Telefunken mit. Beide halten das gut 600 Gramm schwere Mikrofon mittels eine Rändelschraube sicher fest, wobei die unspektakulär, aber praktisch gefertigte Spinne als probates Hilfsmittel zur Trittschallbekämpfung   klar zu bevorzugen ist. Beide Halterungen fügen sich jedenfalls bestens ins Gesamtensemble, welches sich des Prädikat „sehr gut verarbeitet“ redlich verdient.

 

Vintage-Mission possible

Es wird Zeit, dem schönen TF51 auf die Klangspur zu kommen. Dafür muss das Röhrenmikrofon bei Testaufnahmen von Sprache und Konzertgitarre Klangfarbe bekennen. Die Referenz-Kombination aus Lake People Mic-Amp F355 und Mytek 8 x 192 ADDA gewährleistet, dass nur Raum, Instrument/Stimme und Mikrofon den Klang der Testaufnahmen bestimmen und sämtliche Details, welche der Röhren-Schallwandler aus den USA einfängt, auf die SSD des MacBook Pro gebannt werden.

Zunächst ein paar Worte zu Empfindlichkeit und Nebengeräuschen des Mikrofons: Das TF51 ist ein mittellautes Mikrofon, sodass auch weniger kräftige Preamps, wie sie sich in einigen Audio-Interfaces finden, gut mit ihm kooperieren. Schon beim Soundcheck über Kopfhörer überzeugt das Mikrofon mit seinem vorbildlich geringen Eigenrauschen. Anscheinend entsprechen die von Telefunken behaupteten 86 dB(A) – sensationell für ein Röhrenmikrofon – der Wahrheit.

Obschon in puncto Nebengeräuschen sehr zurückhaltend, tritt das TF51 klanglich sehr selbstsicher auf. Es liefert bei recht gutem Impulsverhalten einen großen, im Bass und Mittenbereich standsicheren Klang mit einiger Liebe zum Detail. Interessanterweise gefallen alle drei Richtcharakteristiken, Ausfälle gibt es keine, wobei die Nierencharakteristik als prima inter pares mit Allzweckwaffen-Qualität etwas herausragt.

Wie erwartet, ist das TF51 in der Tat ein „schön“ klingendes Mikrofon, das die Ohren eher sanft umschmeichelt und mit einem Instrumentalisten nicht zu hart ins Gericht geht. Das gnadenlose Hervorheben von kleinen Ungenauigkeiten beim Spielen ist seine Sache nicht. Alles ist da, ohne dass es zu Aufdringlichkeiten käme. Das TF51-Timbre ist eher samtig-weich und rund, insofern ausweislich unserer früheren Testerfahrungen nahe am aktuellen AKG C12VR und vielleicht auch klanglich verwandt mit dem originalen C12. Ein Schuss röhriger Höhenhauch sorgt für Frische, ohne dass das der Klang rauchig-luftig würde. Es dominiert der angenehm ins Ohr gehende beschriebene Schönklang. Der steht Stimme und  und Gitarre im Studio sehr gut, macht aber in entsprechender akustischer Umgebung und im Duo mit einem zweiten TF51 beispielsweise auch schöne Klavieraufnahmen möglich. Dass der Klang dann im besten Sinne altmodisch ausfallen wird, kann nur im Sinne der TF51-Schöpfer sein, die das schöne Mikrofon auf seine Mission geschickt haben. Die es dann auch mühelos zu einer „Mission possible“ macht – zur  Freude aller klangverliebten Tonschaffenden.