Native Instruments THRILL: Nervenkitzel garantiert
Was kommt dabei heraus, wenn sich zwei absolute Größen auf dem Gebiet der Software-Instrumente zusammenschließen und eine Library entwerfen, die bislang noch nie dagewesene Möglichkeiten der Klangmodulation bietet? Das lässt sich seit „Thrill“ herausfinden, einem Instrument für den Kontakt-Player, das aus der Kooperation von Native Instruments und Galaxy Instruments entstanden ist.
Von Christian Stede
Es gibt Entwickler von Software-Instrumenten, die sich eine möglichst genaue Emulation eines realen Hardware-Vorbildes auf die Fahne schreiben. Dabei kann es sich um berühmte Effektgeräte und Synthesizer, wie auch um akustische Instrumente wie Klavier und Schlagzeug handeln. Allerdings gehörte die Berliner Software- (und mittlerweile auch Hardware-) Schmiede Native Instruments schon früh zu denjenigen Anbietern, die virtuelle Instrumente auch als eigenständige Klangerzeuger verstanden haben und nicht bloß als Nachahmung eines realen Instrumentes. Spätestens seit der Veröffentlichung des “Absynth” war dies jedem klar. Nun läutet NI mit “Thrill” allerdings eine ganz andere Ära ein. Zusammen mit den Kollegen von Galaxy Instruments haben die Berliner eine bis dato einzigartige Mischung aus Software-Instrument und Sample-Library kreiert.
Hochwertige Auswahl hybrider Sounds
Wie andere Librarys auch, basiert „Thrill“ auf einem Pool aus Samples. Ein Großteil davon ist durch Orchesteraufnahmen entstanden, es gibt aber auch jede Menge synthetische Klänge und Geräusche anderer Art, wie etwa die von Maschinen oder Gegenständen. Wegen dieser Mischung aus echten mit synthetischen Klängen spricht man auch von hybriden Sounds. Dieser Klangpool macht jedoch noch nicht das Alleinstellungsmerkmal von Thrill aus. Dieses besteht nämlich darin, die Samples nicht nur abzurufen, sondern sie beim Abspielen in ihrem Charakter dramatisch verändern zu können.
Diese Manipulation des Klanges, die Steigerung der Intensität, des „Thrill Factors“, wie es im Handbuch heißt, kann auf ganz verschiedenartige Weise stattfinden. Die Manipulation kann sich nicht nur auf die Lautstärke und/oder Tonhöhe beschränken, sondern es kann sich auch um den Anteil handeln, den einzelne Soundquellen am Gesamtklang haben. Die Einstellmöglichkeiten der Software sind diesbezüglich sehr vielfältig, wie wir in der Folge sehen werden.
Schaurige Atmosphären
Welche Klänge sind bei Thrill zu hören? Für die Instrumentensamples wurde zwar mit Sinfonieorchester gearbeitet, das Ergebnis unterscheidet sich jedoch bedeutend von anderen Librarys wie beispielsweise der renommierten VSL-Serie. Die Simulation eines Orchesters war bei Thrill aber auch überhaupt nicht das Ziel, sondern der User sollte ein Tool an die Hand bekommen, das es ihm ermöglicht, atmosphärisch dichte Klänge zu entwerfen, die sich passend zu Filmszenen verändern lassen, um Spannung zu erzeugen.
Neben den Instrumentensamples kommen wie bereits erwähnt auch synthetische Sounds zum Einsatz. Dabei wird bei der Sample-Auswahl im Browser-Fenster von Thrill strikt zwischen „Atmospheres“ und „Cluster“ getrennt. Bei den ersteren handelt es sich um atonale Klänge, deren Höhe sich nicht durch die Tastatur beeinflussen lässt. Diese können aber sehr wohl auch aus Instrumentensamples bestehen. Der Begriff „Cluster“ bedeutet eigentlich, dass alle Töne innerhalb eines bestimmten Bereiches gespielt werden, beispielsweise, in dem man auf dem Klavier alle Tasten von A bis g gleichzeitig drückt. Die Bezeichnung ist im Falle von „Thrill“ durchaus passend gewählt. Denn bei diesen „Clustern“ lassen sich die Töne über die Tastatur anspielen, anders als bei den oben genannten VSL-Librarys hat man aber trotzdem den Eindruck, dass es mehrere Töne auf einmal sind, die man hört und der angeschlagene Ton lediglich der lauteste ist, der dann von einer Kulisse anderer Töne umgeben wird.
Eintritt in neue Sound-Welten
Um Thrill zu starten, benötigt man eine aktuelle Kontakt- beziehungsweise Kontakt-Player Version, letztere ist auf der Native Instruments-Webseite kostenlos erhältlich. Kontakt lässt sich dann auf dem Rechner entweder als Stand-alone Software betreiben oder auch als Plugin in eine DAW laden. Der benötigte Speicherplatz für die Installation von Thrill ist mit etwas über 30 GB natürlich sehr umfangreich, man wird allerdings schon bei den ersten klanglichen Experimenten verstehen, warum Thrill so viele Daten benötigt.
Das Herzstück der Software und die Steuerungseinheit Nr. 1 ist der XY-Controller. Während auf der X-Achse die Anteile der beiden Sounds Thrill A und Thrill B, aus denen der Gesamtoutput besteht, zueinander ins Verhältnis gesetzt werden, bewirkt eine Bewegung auf der Y-Achse eine Änderung der Intensität, beispielsweise der Lautstärke oder des Klangcharakters. Schon nach wenigen Handgriffen und ohne überhaupt einen Blick ins Manual geworfen zu haben gewinnt man den Eindruck, dass dieses Tool dazu prädestiniert ist, die ansteigende Spannung von Filmszenen akustisch zu untermalen und einem das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.
Ein Aufruf von Thrill zeigt als erstes immer das Hauptfenster, zu erkennen auch am leuchtenden „Home“-Symbol am unteren Bildrand. Dominiert wird diese Ansicht von der Darstellung des XY-Controllers, der zwischen den beiden Thrills A und B vermittelt. Bei der Auswahl dieser beiden Parts lässt sich aus einer Vielzahl von Presets wählen, die man aber natürlich auch verändern und unter neuem Namen abspeichern kann. Die oberste Kategorie für die Preset-Auswahl heißt immer „Cluster“ oder „Atmosphere“, je nachdem, ob die abgespielten Samples auf die Notenhöhe reagieren oder nicht. Danach folgen weitere Unterteilungen in Instrumentengruppen oder andere Klangquellen. Dabei ist es hilfreich, dass ganz rechts in der Auswahlliste neben dem Preset-Namen immer eine kurze Beschreibung des Sounds gegeben wird, etwa „Super Low Strings & Ambience“ oder „Low Woodwinds & Brass“. Ein Symbolbild deutet die Instrumente an, von denen die Klänge des jeweiligen Thrills stammen. Dies können neben den erwähnten Instrumenten wie Streicher und Bläser auch Gerätschaften wie Computerchips sein.
Zusätzlich zum XY-Controller gibt es im Hauptfenster weitere Einstellmöglichkeiten. So lässt sich mit einem kleinen Schieberegler am jeweils äußeren Rand der Dynamikumfang beider Sounds einstellen. Inwieweit sich die Y-Position des Controllers auf die Lautstärke auswirkt, kann mit dem kleinen Drehregler eingestellt werden, der neben dem Thrill-Namen und seiner Kategorie eingeblendet ist. Dass die Bedienelemente (wie bei anderen Plugins von Native Instruments übrigens auch) sehr klein geraten sind, ist für die Bedienung nicht unbedingt vorteilhaft. Zwar wird die Funktion der Regler immer mit einer kleinen erklärenden Zeile ganz unten im Fenster eingeblendet, dennoch braucht man aufgrund der Mini-Dimensionen der Regler definitiv eine gewisse Einarbeitungszeit. Auch die einheitlich dunkelgraue Benutzeroberfläche erleichtert das Einstellen des gewünschten Parameterwertes nicht unbedingt.
Auch der Zufall kann entscheiden
Wer sich bei der Klangauswahl von Thrill selbst überraschen lassen will, für die wurde die Funktion namens „Randomize“ kreiert. Hiermit übernimmt das Programm selbst das Einstellen bestimmter vorausgewählter Parameter nach dem Zufallsprinzip. Dieses Feature stellt sich wegen der großen Auswahl von fast 1000 Presets als sehr brauchbar heraus. Im „Randomize“-Menü lässt sich wählen, auf welche Bestandteile des Presets sich der Zufallsgenerator auswirkt, dies können neben der Klangquelle auch die Effekte oder das Voicing sein.
Ein Klick auf das Wellenformsymbol neben „Home“ öffnet das „Source“-Fenster. Dieses ist unterschiedlich, je nachdem, ob man eine „Atmosphere“ oder einen „Cluster“ bearbeiten will.
An dieser Stelle erkennt man, dass die Thrills aus jeweils bis zu zwei Quellen bestehen. Diese Zuordnung ist aber keineswegs in Stein gemeißelt, sondern lässt sich nach Belieben ändern und als neues Preset abspeichern. Auch das Stummschalten der Quellen ist möglich. Innerhalb des Source-Menüs kann man ferner die Lautstärke und das Panning für diese Quellen justieren. Außerdem gibt es hier die Möglichkeit, auch die Presets der Kategorie „Atmosphere“ in ihrer Tonhöhe zu verändern. Zwar nicht durch eine Midi-Tastatur, aber über den Pitch-Regler. Dies eröffnet im Zusammenspiel mit der Regler-Automation des Software-Sequencers zusätzlichen klanglichen Gestaltungsspielraum.
Auf den weiteren Fenstern, die vom Source-Menü aus erreichbar sind, lassen sich die Auswirkungen des XY-Controllers auf den Soundanteil einstellen, für Atmospheres gibt es einen Crossfader, der den Anteil der beiden Klangquellen regelt. Auch auf die Hüllkurve kann man hier Einfluss nehmen. Bei den Clustern lässt sich mit dem Mix-Parameter zwischen den unterschiedlichen Mikrofonpositionen bei der Aufnahme wechseln. Es ist auch möglich, die beiden Thrills A und B mittels Keyboard Split auf unterschiedliche Bereiche der Tastatur zu verteilen, allerdings nur dann, wenn es sich bei beiden gewählten Sounds um Cluster handelt.
Dann bietet „Thrill“ dem Nutzer auch noch eine Effektsektion an, die sich in Modulationen, EQ und Space (also Reverb) unterteilt. Die Master-Seite hält Inserts wie Sättigung und Kompression bereit. Da man den XY-Controller natürlich ungern mit der Maus, sondern am liebsten mit Midi-Equipment ansteuern möchte, gibt es bei Thrill auch eine Control-Seite. Hier wird festgelegt, mit welcher Intensität sich der Wert der Y-Achse ändert. So kann man sich für einen linearen Verlauf entscheiden, aber auch bewirken, dass die Bewegungen des Midi-Controllers ab eines gewissen Schwellenwertes multipliziert werden, um noch krassere Effekte zu erzielen.
Experimentierfeld für Klänge aller Art
Sowohl der Trailer auf der Native Instruments-Seite wie auch die düstere Optik der Benutzeroberfläche von Thrill legen nahe, dass es sich um ein Tool handelt, dem man in erster Linie Horrorklänge entlocken kann. Das stimmt auch, aber das stimmt nicht nur. Bei vielen Presets aus der Library ist es so, dass eine Bewegung mit dem Controller auf der Y-Achse in der Tat ein Schreckmoment erzeugt. Wie oben beschrieben wurde, lässt sich die Auswirkung dieser Bewegung allerdings auch in den umfangreichen Menüs ändern. Native und Galaxy Instruments haben gut daran getan, dem User auf den auf die Hauptseite folgenden Seiten mannigfaltige Möglichkeiten zur Klangbearbeitung an die Hand zu geben. Das von Uli Baronowsky und Stephan Lembke im Interview erläuterte neuartige, um nicht zu sagen revolutionäre Konzept geht absolut auf: Mit Thrill bekommt der Filmmusik-Komponist neue, bis jetzt noch nicht dagewesene Möglichkeiten, auf die Bildspur in Echtzeit zu reagieren. Und das Beste daran ist, dass die Bearbeitung der Klänge non-destruktiv ist, da sie ja im Wesentlichen von einer Bewegung des Controllers ausgeht. Ein weiterer bedeutender Vorteil von Thrill ist die enorme Bandbreite an Sounds, durch die sich die Library praktisch nicht abnutzt und in jeder Sentenz neu klingen kann.
Aber der Verwendungszweck von Thrill ist keinesfalls auf Filmmusik beschränkt, denn schließlich können musikalische Spannungsbögen ja auch anderweitig erwünscht sein. Zudem muss man den „Thrill Factor“ beim Abruf der Samples ja auch nicht zwangsläufig erhöhen, und die Qualität der Sounds, die Thrill bietet, ist allemal hoch genug, um darauf auch verzichten zu können, etwa um eine Fläche als klangliches Fundament auszubreiten.
Fazit
Die „Thrill“-Library zeichnet sich durch ihre atemberaubende Klangvielfalt und die zahlreichen Modulationsmöglichkeiten aus. Hier ist Native Instruments zusammen mit Galaxy Instruments ein großer Wurf gelungen, durch den sich nicht nur Komponisten von Filmmusik, sondern Klangkünstlern aller Art neue Sphären erschließen.

Produzent Uli Baronowsky, Orchestrator Stefan Behrisch und der Dirigent des Bratislava Symphony Orchestra, David Hernando Rico (v. l. n. r.) bei der Probenarbeit
Interview
Professional audio hat mit Uli Baronowsky (Produzent) und Stephan Lembke (Co-Produzent) von GALAXY Instruments über die Entstehung von Thrill gesprochen.
? Die von Euch entwickelte Library „Thrill“ bietet den Composern völlig neue Möglichkeiten der Klanggestaltung. Woher kam die Motivation, dieses Instrument zu entwickeln?
! Uli: Der Auslöser war die Arbeit an unserer Library „Rise & Hit“. Da haben wir beide festgestellt, dass uns die Arbeit mit einem Orchester sehr viel Spaß gemacht hat. So etwas wollten wir unbedingt noch einmal versuchen.
? Gerade im Bereich der Filmmusik gibt es ja aber schon Orchestersamples zuhauf. Worin besteht dann das Originelle an Eurem Ansatz für Thrill?
! Uli: Die anderen Libraries sind eher statisch. Du kannst die Samples zwar abfeuern und das mag gut klingen, aber wie das Ganze dann zum Rest des Arrangements passt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Wir wollten mit Thrill etwas bieten, dass es dem Composer ermöglicht, den Spannungsgrad des Sounds in Echtzeit zu modulieren. Das wird so von den bereits bekannten Sample-Librarys nicht geboten.
? Aufgrund dieser großen Bandbreite des vor Dir erwähnten Spannungsgrades stelle ich mir den Aufnahmeprozess mit dem Orchester als sehr aufwendig vor. Mit welchen Musikern konntet ihr das so Euren Vorstellungen entsprechend realisieren?
! Uli: Aufgenommen haben wir das Orchester in Bratislava. Da es dort insgesamt vier Orchester gibt, war es überhaupt kein Problem, ausreichend Mitwirkende zu finden. Für unser Projekt war es natürlich ein unschätzbarer Vorteil, dass diese Musiker sowohl eine klassische Ausbildung als auch Erfahrung in der Aufführungspraxis „Neuer Musik“ besitzen…
? …bei der nicht jede einzelne Note ausnotiert ist sondern auch aleatorische Elemente miteinfließen?
! Uli: Ja, ganz genau. Also Berührungsängste haben wir an keiner Stelle zu spüren bekommen.
? Trotzdem muss man den Musikern ja irgendwie sagen, was sie zu tun haben. Also einen Dirigenten und so etwas wie eine Partitur gab es schon?
! Uli: Ja, den Part des Orchestrators hat dankenswerterweise Stephan Behrisch für uns übernommen.
! Stephan: Die Notation hat einige Orchestermusiker anfangs allerdings schon etwas irritiert. Auf manchen Seiten unseres Scores stehen beispielsweise gar keine Noten, sondern es geht „nur“ mit einer Spielanweisung los. Einige haben sich dann schon mal etwas hilfesuchend umgeguckt.
? Ich kann mir allerdings auch vorstellen, dass manche Musiker es befreiend fanden, einmal „etwas Anderes“ zu machen.
! Uli: Ja, das entspricht auch genau meinem Eindruck, den ich aus den Gesprächen mit einigen Instrumentalisten gewonnen habe.
Wer schon einmal Musik von Penderecki oder Ligeti gehört hat, dem werden einige Cluster aus Thrill sicherlich bekannt vorkommen. So haben wir uns auch bei unseren Vorstellungen von der klassischen Avantgarde inspirieren lassen. Der Unterschied für die Musiker bestand allerdings auch darin, dass einzelne Klänge oder Cluster sozusagen ganz isoliert geprobt und aufgenommen worden sind, ohne sie in den Kontext einer Komposition einzubetten, wie es ja sonst im normalen Konzertbetrieb der Fall ist.
? Damit ich mit dem Controller aber den „Thrill Factor“ erhöhen kann, mussten doch aber in den Aufnahmesessions unbedingt alle Dynamikbereiche vorher abgedeckt werden. Wie seid Ihr hierfür vorgegangen?
! Uli: Diese Realisation ist das Werk unseres Orchestrators Stephan Behrisch, der beispielsweise den Streichern drei Töne zum Improvisieren gegeben hat und dann ist ein anderer Orchesterpart dazugekommen. Den roten Faden gab es aber natürlich schon vorher. So haben wir für die gesamten Aufnahmen auch nicht länger als zweieinhalb Tage gebraucht.
? Nun greift Thrill aber nicht nur auf Orchestersamples zurück, sondern auch andere Elemente, Alltagsgegenstände werden eingesetzt. Von wem kam da der Input?
! Stephan: Die zweieinhalb Tage beziehen sich natürlich nur auf das Orchester, die Produktionszeit insgesamt lag bei mindestens einem Jahr. Bei vielen der perkussiven Klangquellen, die du ansprichst, wie beispielsweise einer mit einem Flummi geriebenen Basstrommel, hat uns der Perkussionist den Input gegeben. Ich habe darüber hinaus viele Klangobjekte selbst für die Aufnahme gespielt, wie Waterphones und scheppernde Metallplatten. Solche Sachen wie Trockeneis auf Metall, Sprungfedern und so weiter wurden zwar auch schon mehrfach anderweitig aufgenommen und für Klangeffekte genutzt, dann aber nicht mit dem Ansatz, diesen Sound dann so stark in der Dynamik und dem Klang zu modulieren, wie es für „Thrill“ benötigt wird.
? Habt Ihr bei der Entwicklung von Thrill eigentlich eine bestimmte Zielgruppe im Auge gehabt und wenn ja, welche?
! Stephan: In den ersten Reaktionen auf Thrill haben wir oft gehört, dass es eine Library für Horror-Sounds ist. Darauf beschränkt es sich aber unserer Meinung nach nicht. Ich würde es aufgrund der Kombination von Echtzeit-Modulation mit hybriden Texturen eher als ein dramatisches Tool beschreiben, ohne dabei die Genregrenzen einzuengen.
? Gibt es denn Filmmusik, die ihr für die Planung von Thrill als Vorbild genommen habt?
! Stephan: Ja, schon, aber es gab für uns jetzt nicht das eine Vorbild. Während der langen Vorbereitungszeit für Thrill haben wir uns sehr intensiv damit beschäftigt, mit welchen musikalischen Mitteln Spannung im Film erzeugt wird. Dabei waren dann nicht nur Krimis oder Horrorfilme, sondern auch Serien oder sogar Cartoons.
Vorreiter in Sachen hybrider Sounds im Film, also dem Mischen von Orchesterklängen mit Synthesizern, ist natürlich Hans Zimmer. Andere Größen der Branche wie John Williams arbeiten ausschließlich mit Orchester.
? Nur hat nicht jeder angehende Filmmusik-Komponist ein Orchester zur Hand, das seine Werke aufführen will.
! Uli: Genau das ist der Punkt. Bei vielen amerikanischen Filmen und Serien wird mittlerweile Musik, die an die klassische Avantgarde erinnert, eingesetzt. Was macht jemand, dem auch derartige Klänge vorschweben, der aber nicht das Budget für eine Aufnahmesession mit Orchester hat? Bisherige Sample-Librarys haben zwar einzelne Klänge geboten, die sich aber wenig oder gar nicht modulieren ließen und die vor allen Dingen bei Wiederholungen sofort als solche aufgefallen sind. Bei Thrill besteht dieses Risiko nicht, da man sogar noch innerhalb der Presets über große Modulationsmöglichkeiten verfügt.
? Trifft Thrill also gewissermaßen den Zeitgeist, weil hybride Sounds in den letzten Jahren in der Filmmusik immer beliebter geworden sind?
! Uli: Ja, diese Entwicklung lässt sich durchaus feststellen.
Erschienen in Professional audio 09/2017