Alle unter einem Dach

Sie haben den Überblick über Ihre Plug-ins verloren? Sie wollen Ihre Lieblings-Plug-ins Live auf der Bühne einsetzen? Dann sind Sie ein Kandidat für Kore von Native Instruments.

Von Georg Berger

Recht spektakulär wurde Kore von Native Instruments angekündigt. Der Hauch des Revolutionären schwang in sämtlichen Ankündigungen mit. Es wunderte also nicht, dass die Vorstellung auf der diesjährigen Musikmesse entsprechend heiß ersehnt wurde. In der Tat ist das Konzept von Kore recht spektakulär. Oberflächlich betrachtet ist Kore zuerst einmal ein fester Verbund aus Soft- und Hardware. Aber was ist und kann Kore? Eine Kategorisierung fällt schwer. Die Gegenfrage gestaltet sich einfacher. Kore ist kein Klangerzeuger und kein DAW-/MIDI-Controller. Kore hat keinen eigenen Prozessor und Speicher an Bord und muss über die USB-Schnittstelle immer mit einem Computer verbunden sein.
Kurz und knapp beschrieben ist Kore vielmehr eine Software, die VST- und AU-Plug-ins außerhalb eines Sequenzers laden und abspielen kann. Der dazu gehörige Hardware Controller erlaubt es zusätzlich, sowohl die Kore Software, als auch die Plug-ins händisch zu bedienen.
Wer jetzt bei diesem Konzept denkt, dass Kore sündhaft teuer ist, wird überrascht sein. Denn Kore kostet nur knapp 500 Euro.

Das klingt anfangs vielleicht ein wenig banal. Aber es schlummert noch viel mehr Potenzial unter der Oberfläche dieses Produktes. Musikern im Studio wird die Arbeit mit Plug-ins dadurch erheblich erleichtert und Live-Musiker werden mit Kore als standalone-Anwendung in die Lage versetzt, Plug-ins ohne den Umweg über einen Sequenzer innerhalb einer Konzertsituation einzusetzen.

Im Studio bildet die Kore-Software dabei das Bindeglied beziehungsweise die Schaltzentrale zwischen Sequenzer und den Plug-ins. Das lästige Aufklappen unzähliger Plug-in-Fenster im Sequenzer gehört mit dieser einheitlichen Bedienoberfläche somit zur Vergangenheit. Mehr noch, ist es mit der Kore-Software im Studio möglich, Sequenzern zu unendlich vielen Plug-in Steckplätzen zu verhelfen. Die Software selbst tarnt sich schließlich als ein einziges Plug-in, das darauf wartet in den Sequenzer integriert zu werden.
Der nächste Clou: Besitzer von Sequenzern, die bislang keine AU- und/oder VST-Plug-ins laden konnten, erhalten jetzt die Möglichkeit dazu. Denn Kore kann nicht nur über VST und AU, sondern auch über DirectX und sogar RTAS in den Sequenzer eingebunden werden. Jetzt können also VST-/AU-Plug-ins sogar in Pro Tools genutzt werden.

Doch Native Instruments beschränkt sich nicht nur auf die eigenen Produkte. Nein, sämtliche Plug-ins – Effekte wie Instrumente -, also auch die von anderen Herstellern, lassen sich mit dieser Software ansteuern, bedienen und verwalten. Es können unendlich viele Effekte und Instrumente miteinander kombiniert und als ein einziges Plug-in gespielt werden. So stellt sich Kore in den Extrempositionen einmal als reines Effektrack dar und das andere Mal als virtuelle Synthesizerburg. Das dürfte auch den Live-Musiker interessieren, der sich quasi auf dem Computer sein ganz eigenes Live Instrumentarium zusammenstellen kann.  

Der Controller gestattet schließlich die händische Bedienung der Kore-Software, was den Einsatz mit der Maus erheblich vermindert und im Live-Betrieb aus jedem Keyboard ein Masterkeyboard macht. Aber nicht nur das: Außer das der Controller zusätzlich ein Audio-Interface enthält, kann er auch Parameter einzelner Plug-ins steuern. Damit stellt sich Kore als Rundum Sorglos Paket sowohl fürs Studio als auch im Live-Einsatz dar. Ein Meilenstein hinsichtlich Flexibilität und Bedienbarkeit – neudeutsch Usability – scheint sich mit diesem Konzept anzukündigen.

 

Die Kore-Software durchsucht beim Start – wahlweise abschaltbar – alle Festplatten des Computers und fasst sämtliche installierten Plug-ins, auch die von Drittanbietern, in eine eigene Datenbank zusammen. Die dort erfassten Plug-ins werden anschließend im so genannten Browser ebenfalls automatisch separat nach Instrumenten und Effekten aufgelistet. Der Browser enthält zusätzlich  die so genannten Kore-Sounds. Das sind Dateien, die in erster Linie Verweise auf programmierte Sounds eines Instrumentes oder Effektes enthalten. Darüber hinaus sind in diesen Dateien weitere Informationen abgelegt, die für das Arbeiten mit Kore wichtig sind. Zuvorderst sind hier die Meta-Informationen zusammen mit dem Attribute-Manager zu nennen, die helfen einen Sound für die Suchfunktion der Datenbank zu indizieren. Diese Metadaten sind allerdings per se nur für die von Native Instruments erstellten Kore-Sounds, sowie für einige wenige Drittanbieter verfügbar. Alle anderen Produkte da zuerst einmal außen vor. Die Suchfunktion anhand der Attribute der Kore-Sounds ist äußerst pfiffig und komfortabel. In fünf Spalten lassen sich Attribute anwählen und auf der rechten Seite werden die Ergebnisse dieser Suchkriterien angezeigt. Das lästige Ausprobieren von Klängen im Plug-in selbst hat damit ein Ende. Für die Plug-ins, die in der Software-Sammlung Komplete 3 von Native Instruments enthalten sind, ist diese Kategorisierung schon geschehen. Wer also auf der Suche nach einem analogen Flächenklang ist, der hell klingt, bekommt nach entsprechender Anwahl der Kategorien beispielsweise Sounds aus dem Absynth3 oder von Kontakt 2 auf der rechten Seite präsentiert. Das Ausprobieren der Sounds schrumpft damit auf einen Bruchteil der Zeit.
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Kore liegen darüber hinaus Konvertierungen ins Kore-Sound Format von 20 Drittanbieter-Plug-ins vor. Da Kore noch ein ganz junges Produkt ist, bleibt es nicht aus, dass der Großteil Ihrer Plug-ins über diese wirklich bequeme Funktion noch nicht angesteuert werden kann. Aber Sie brauchen nicht zu verzweifeln, denn Sie können Ihre favorisierten Plug-ins im Attribute-Manager selbstständig indizieren und so der Suchfunktion ebenfalls zugänglich machen.

Doch ein originaler Kore-Sound enthält noch weitere Informationen, die mit dem Ansteuern und Verwalten der Plug-ins innerhalb von Kore wichtig sind. An dieser Stelle kommt der Mixer – anwählbar über den Channel-Knopf – von Kore ins Spiel. Per Rechtsklick definieren Sie einen neuen Kanal im Mixer und mit Drag and Drop ziehen Sie ein Plug-in vom Browser auf die Mixer-Oberfläche. Ahnlich einem Kanalzug erscheint dort das Plug-in mit einer Reihe von zusätzlichen Einstellmöglichkeiten, die es in sich haben: Außer MIDI-Kanal-, Lautstärke- und Panorama-Einstellungen enthält dieser Plug-in Kanal auch die Möglichkeit maximal vier Send- und/oder Insert-Effekte der Kore-internen Effektsektion auf das Plug-in zu routen. Überdies können dort den Bedienelementen des Controllers Parameter zugeordnet werden. Ein besonderes Feature ist der MIDI-Player, der die Zuweisung und Ansteuerung von MIDI-Files auf das Plug-in gestattet, sofern dieses eine Abspielmöglichkeit dafür vorsieht. Arpeggios, Loops  und Sequenzen können somit fest an den Sound gebunden werden, die synchronisiert mit einem Haupttempo, den Klang des Plug-ins noch einmal erweitern.
Drei Arten von Kanälen existieren im Mixer: Der Source-Kanal ist für die Aufnahme der Plug-ins vorgesehen. Der Send-Kanal ist zur Aufnahme von Effekten vorgesehen, die wie in einem herkömmlichen Mischpult einen Aux-Weg repräsentieren. Die dritte Möglichkeit der Signalaufnahme ist der Gruppen-Kanal, der mit den Subgruppen eines Mischpultes gleichzusetzen ist. Die Funktionen für alle Kanal-Arten im Sound-Mixer sind dabei immer die gleichen.

Ein Kore-Sound kann unendlich viele Plug-ins enthalten. Mannigfache Kombinationen unterschiedlichster Klangerzeuger, kombiniert mit Plug-in-Effekten sind möglich. Die Palette an neuen Klängen ist dadurch unerschöpflich.

Die Bestandteile eines solchen Multisounds lassen sich jetzt noch über das Mapping-Fenster auf der Tastatur eines Keyboards verteilen. Diese Möglichkeiten sind schon recht komplex. Die Bedienung geschieht dafür allerdings schon nach kurzer Zeit spielend einfach. Aus dem Mixer-Kanal heraus lässt sich das Plug-in aufrufen und es erscheint zwecks Editierung in der üblichen Art als separates Fenster auf dem Monitor. In einem weiteren Schritt ist bei Bedarf das Hinzufügen zusätzlicher Attribute im entsprechenden Manager nötig, um den neuen Klang auch finden zu können. Außer diesem zentralen Sound-Mixer gibt es noch den Performance-Mixer, der in der Hierarchie über dem Sound-Mixer steht und anstelle von Plug-ins, Kore-Sounds enthält. Dieser Performance-Mixer ist nur im standalone Betrieb vorhanden, da seine Funktionalitäten auf den Live-Einsatz ausgerichtet sind. Zusammenstellungen von Kore-Sounds lassen sich dort als so genannte Performance-Presets abspeichern. Der Umgang mit dem Performance-Mixer geschieht auf exakt dieselbe Art und Weise wie der Sound-Mixer inklusive des Mapping-Managers.
   
Die Konzeption, der Software einen eigenen Hardware-Controller beizustellen ist angesichts des mächtigen Funktionsumfangs nur als konsequent zu werten. Das eckige Aluminium-Gehäuse ähnelt dem des Guitar Rig Controllers. Mit knapp eineinhalb Kilo ist dieses eher kleine Gerät doch recht schwer. Das Highlight dieses Controllers sind ohne Zweifel die acht berührungsempfindlichen Endlos-Drehregler, die bei Kontakt einen roten Ring aufleuchten lassen. Sie sind mit einem leichten Widerstand zügig zu bedienen. Im krassen Gegensatz dazu stehen allerdings die etwas fummeligen Drucktaster: Die Menü- und Navigationstaster müssen mit hohem Kraftaufwand betätigt werden, was den Spaß auf Dauer mindert. Das Jog-Rad wirkt nicht sonderlich präzise. Die Reaktion vom Drehbeginn bis zur eintretenden Werteveränderung ist – da zu lang – nicht akzeptabel. Dafür versöhnt das rot leuchtende, leicht abzulesende 64 x 128 Pixel Multifunktions-Display.

Die Audio-Anschlüsse auf der Stirnseite sind komplett mit Klinkenbuchsen ausgelegt. Die Ausgänge sind symmetrisch, die Eingänge unsymmetrisch verschaltet.

Die Funktionen des Controllers sind über  ein hierarchisches System von Seiten auf dem Display ablesbar. Über die Menütasten werden die Hauptfunktionen aufgerufen. Mit dem Jog-Rad oder den Navigationstasten geschieht der Aufruf von Unterseiten und mit der Enter- und Escape-Taste werden weitere Untermenüs aufgerufen oder verlassen. Allen Sounds und Performances ist eine Mixer-Page zugeordnet. Im Falle der bereits kategorisierten Sounds enthält diese Mixer-Page eine einheitliche Belegung der Taster und Regler zur allgemeinen Steuerung des angewählten Sounds. Eine Ebene tiefer befinden sich so genannte easy-access-pages, die in die Klangparameter des jeweiligen Sounds weiter eingreifen.

Selbstverständlich ist das Erstellen eigener Parameter-Zuweisungen ebenfalls möglich. Dies geschieht zuerst auf dem Computer, indem eine neue so genannte User-Page aufgerufen wird. Die Controller-Knöpfe am oberen Rand des Bildschirmfensters weisen danach keine Belegungen auf. Die Zuweisung eines Plug-in-Parameters auf ein Bedienelement des Kore-Controllers geschieht durch simples Auswählen eines Kore-Controller-Knopfes und anschließend des entsprechenden Parameters im eigentlichen Plug-in-Fenster. Das ist ein wirklich einfacher und komfortabler Vorgang, der in Windeseile erledigt ist. Die neu erstellte User-Page findet sich schließlich im Display auf dem Controller wieder inklusive Namensgebung.
 
Das Menü-System des Hardware-Controllers ist binnen kurzer Zeit verinnerlicht. Das Navigieren mit den Menütasten durch das bewusst schlicht gehaltene Display ist leicht verständlich und übersichtlich. Ein Manko gibt es dennoch: Zwar lassen sich über den Controller Sounds und Performances auswählen. Aber das Abspeichern derselben nach etwaiger Veränderung muss immer über den Computer geschehen. Das ist nicht konsequent genug durchdacht.  
Doch alles in allem ist die Einbindung des Hardware-Controllers in die Software als voll gelungen zu werten.

Ausgerüstet mit diesen ganzen Features gestaltet sich der Praxis-Test zu einem reinen Vergnügen. Nachdem das Konzept und die Bedienung von Kore einmal verinnerlicht sind, entstehen unterschiedlichste Setups binnen weniger Minuten. Die Möglichkeit Plug-ins unterschiedlichster Herkunft unter einem Dach zu vereinen und sie durch unterschiedliche Signal-Routings zu einem völlig neuen Klanggebilde zu verbinden, wertet altbekannte Plug-ins enorm auf. Die in Kore integrierte Effektsektion ermöglicht es Besitzern von nur wenigen Effekt-Plug-ins ebenfalls an diesem neuen Klangkosmos teilzuhaben. Sie erfüllen zwar keine hohe Qualität – ihr Grundklang ist eher mit bassig-dumpf und arm an Höhen zu beschreiben – werden aber mit Sicherheit den einen oder anderen Liebhaber finden.

Im Standalone-Betrieb erstellen wir während des Tests in Windeseile eine Performance mit fünf unterschiedlichen Sound-Kanälen, die ihrerseits wieder unterschiedliche Klänge enthalten. Zusätzlich fügen wir noch drei Send-Effekte in die Performance ein. Mit Hilfe des Mapping-Managers verteilen wir die Klänge über die Tastatur. Die Effekte selbst wirken durch Betätigung der Send-Regler unterschiedlich stark auf die einzelnen Sounds ein. Durch unterschiedliche Kombinationen von an- und abgeschalteten Kanälen, die wir jedes Mal im Preset-Manager durch simplen Aufruf und hinzufügen abspeichern, erhalten wir unterschiedliche Klangkombinationen dieses mächtigen Klanggebildes, inklusive Program-change Nummer. Versuchen Sie das einmal in derselben Zeit mit einem Sequenzer.

Kore als Plug-in im Sequenzer eingesetzt erfüllt ebenfalls sämtliche Kriterien in Sachen Bedienkomfort. Wir laden eine einzige Plug-in Instanz in den Sequenzer und
definieren im Sound-Mixer acht Kanäle mit unterschiedlichen Klängen und MIDI-Kanälen. Im Arrangement-Fenster des Sequenzers weisen wir diese acht MIDI-Kanäle entsprechend den Spuren zu und erledigen noch kurz das Signal-Routing im Mixer des Sequenzers. Und schon ist mit einer einzigen Plug-in Instanz ein komplettes Arrangement aus Klängen am Start. Das sorgt für einen enormen Schub hinsichtlich Übersichtlichkeit im Sequenzer. Etwaige Sonderspuren des Plug-ins im Arrangier-Fenster reduzieren sich damit auf ein Mindestmaß. Ein weiterer Bedienvorteil ist, dass Kore in dieser Anwendung als separater Submixer nur für Plug-ins fungiert. Fortan können Plug-in Spuren im Mixer des Sequenzers noch so weit auseinander stehen. In Kore sind sie auf einen Schlag versammelt.

Die Beschäftigung mit Kore von Native Instruments zeigt uns, dass es sich bei diesem Produkt um ein mächtiges Werkzeug handelt. Im Test haben wir nur einen kleinen Teil der Möglichkeiten ausschöpfen können, weshalb wir uns auf die hauptsächlichsten Anwendungen konzentriert haben. Es gibt sicherlich noch das eine oder andere zu bemängeln. So ist die Sound-Library von Kore nur für die VST-Plug-ins von Komplete 3 ausgelegt. Das Audio Units Format bleibt zunächst außen vor. Der Record-Button auf dem Hardware-Controller führt keine Aktionen aus und die komfortable Suchfunktion des Browsers beschränkt sich lediglich auf die Produkte von Native Instruments und erst ein paar wenige Drittanbieter-Plug-ins. Aber da Kore noch ein ganz junges Produkt ist – für den Test lag uns schon die Software Version 1.01 vor –, die Vorzüge dieses Konzeptes für sich sprechen und Native Instruments schon Abhilfe angekündigt hat, werten wir diese Schwachstellen als minder schwer ein, verbunden mit der Perspektive, dass sich in der Produktpflege von Kore in Zukunft noch eine Menge tun wird.

Fazit

Das Konzept von Kore ist innovativ, zukunftsweisend und ermöglicht Musikern außer einer erheblichen Erleichterung in der Bedienung und Verwaltung von Plug-ins auch neue überwältigende Klangmöglichkeiten zu nutzen. Es existiert zwar der eine oder andere Schwachpunkt. Den äußerst positiven Gesamteindruck kann das allerdings nicht schmälern. Etwas Vergleichbares gibt es unseres Wissens nach bislang nicht.

Erschienen in Ausgabe 07/2006

Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 499 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut