Das Stachelschwein

Die amerikanische Mischpultschmiede Mackie ist immer für eine Überraschung gut. Selbst dann, wenn sie ein Audio-Interface auf den Markt bringt. Denn lediglich Klänge zu digitalisieren ist ja viel zu einfach.

Von Georg Berg 

Einige werden das Aussehen des USB Audio-Interfaces Spike XD-2 lieben. Andere werden es hassen. Eines aber ist sicher: Es wird bestimmt nicht ignoriert. Das eigenwillig gestaltete Gerät mit der Viertelkreis-Silhouette ist jedoch nicht nur optisch ungewöhnlich, auch in seinem Inneren ist es nicht alltäglich. In ihm steckt ein digitaler Signalprozessor, der die Berechnung von Effekten übernimmt. Das erweitert das reine Audio-Interface zu einem vollwertigen Channel-Strip. Übertragungsraten von maximal 96 kHz bei einer Wortrbreite von 24 Bit sind mit ihm möglich. Für rund 290 Euro gibt es dem Spike zudem im Bundle mit dem hauseigenen Sequenzer Tracktion 2. 

Die Bedienelemente auf dem Frontpanel zeigen gleich, worum es geht: Der Spike ist ein zweikanaliges Audio-Interface zur Digitalisierung analoger Signalquellen. Zwei Eingangsempfindlichkeits-Regler fallen eingangsseitig als Erstes auf. Darüber sitzen jeweils zwei Drucktaster. Einer dient der Anhebung des Eingangswiderstands und einer betätigt das Trittschallfilter. Ein weiterer Tastschalter aktiviert für beide Kanäle die Phantomspeisung. 

In der unteren Hälfte findet sich ein Mix-Regler, der zwischen durchgeschleiftem und vom Computer zurückgeschicktem Signal überblenden kann;  er ist  für das Monitoring bei Aufnahmen von Wichtigkeit, um eine optimale Balance zwischen einzuspielendem Signal und dem vom Computer zurückgeschickten Arrangement herzustellen. Ein weiterer Drehknopf dienst der Lautstärkekontrolle der (an den rückseitigen Klinken-Ausgängen anliegenden) Abhöranlage. Der Lautstärkesteller für den Kopfhörerausgang  rundet die Bedienelemente ab.

Die Anschlüsse korrespondieren mit den Bedienelementen der Vorderseite: Zwei Combo-Buchsen, zwei symmetrische Klinken-Buchsen zum Anschluss einer Abhöranlage, eine Netzteil-Buchse, sowie jeweils ein Pärchen MIDI- (in und out) und koaxiale S/PDIF Cinch-Buchsen verteilen sich auf dem zu einem gebogenen Rücken des Gerätes. Nicht viel an Features hardwareseitig mögen einige meinen. Doch wie so oft im Leben ist Verpackung das eine und der Inhalt das andere. 

Mackie würde nicht Mackie heißen, wenn das Gerät nicht noch ein besonderes Feature hätte. In diesem Fall ist es ein integrierter Sharc DSP-Prozessor, dem über eine eigene Control-Software Leben eingehaucht wird. Durch diese Erweiterung der  üblichen Features wandelt sich der Spike zu einem reinrassigen virtuellen Stereo-Channelstrip mit einem vierbandigen vollparametrischen Equalizer, einem Compressor und einem Noise Gate/Expander. Vorteil: Der Klang muss nicht mehr nachträglich im Sequenzer bearbeitet werden. Das spart nicht nur Zeit, sondern – viel wichtiger – Prozessorleistung im Computer, da der Sharc  DSP-Prozessor die Berechnung der Klangmanipulation  erledigt. Damit hat der Spike in Sachen Ausstattung gegenüber der  Konkurrenz eindeutig die Nase vorn. Doch es geht noch weiter. Über den USB-Schalter in der Control-Software läßt sich der Signalfluss sogar umdrehen.  

Der Stachel mutiert damit zu einem externen Effektprozessor im Stile einer TC Electronic Power-Core (siehe Ausgabe 5/2006). Ein fertiger Mix im Sequenzer gelangt so stereo in den Spike und lässt sich über die internen Effekte des XD-2 abschließend mastern. Das so bearbeitete Signal wird direkt über USB wieder an den Sequenzer zurückgeschickt und auf einer neuen Stereo-Spur simultan aufgezeichnet. Dies gestaltet sich einfach und unkompliziert.

Bei all diesen atemberaubenden Möglichkeiten sind aber auch Schwachstellen zu nennen, deren Wichtigkeit jeder Nutzer selbst für sich beurteilen muss. 
So fehlt dem Stachel die unabhängige Stromversorgung über den USB-Anschluss. Er ist auf sein, allerdings sehr zierliches externes Netzgerät angewiesen.

Signale werden zwar mit 24 Bit Wortbreite digitalisiert. Aber ein Vollduplex-Modus ist lediglich bis 48 kHz möglich. Ist ein Arbeiten mit 96 kHz erforderlich, so kann dies entweder nur beim Aufnehmen oder beim Abhören geschehen. Ein dieses Manko behebendes Update der Firmware, die einen Vollduplex-Modus vorsieht, wird schon im Handbuch genannt, lässt aber bis dato noch auf sich warten. 

Schließlich ist das Thema Latenz beim Spike auch etwas problematisch. In der niedrigsten Einstellung schafft der Mackie-eigene ASIO-Treiber lediglich 21,4 Millisekunden. Beim Durchschleifen von Signalen sind störende Rauminformationen zu hören. Andere Interfaces liefern da bessere Werte. 

Das Arbeiten im Kontext mit Tracktion 2 gestaltet sich einfach und reibungslos, nicht zuletzt durch die vorbildlich gestaltete Bedienungsanleitung, die Einsteigern einen patenten Einstieg in den Umgang mit Tracktion 2 bietet. Am Gerät selbst werden die grundsätzlichen Einstellungen vorgenommen. Wer will, der kann jetzt über die Control-Software das eingehende Signal weiter verbiegen. Über einen Link-Button können beide Kanäle sogar simultan editiert werden. Das ist nützlich bei der Aufnahme von Stereo-Signalen. In der Software sind einige Presets als so genannte Snapshots abgespeichert, die als erster Ausgangspunkt für Eigenkreationen eine breite Palette unterschiedlicher Aufnahmesituationen abdeckt. Sind die virtuellen Effekte für eine eigene Aufnahmesituation ideal eingestellt, lassen sie sich in der Software als neuer Snapshot abspeichern. Das geht selbstverständlich auch separat für die einzelnen Effekte. Ein Druck auf den Menü-Button in jeder Sektion lässt ein neues Fenster erscheinen, in der die üblichen Dateifunktionen als Buttons vorhanden sind.

Wir testet das Audio-Interface zunächst ohne Einfluss der virtuellen Effekte. Dabei zeichnet sich der Spike allgemein durch einen wohlig warmen und angenehmen Grundklang aus. Das Gerät betont Frequenzen im Mitten-Bereich auf eine fast unmerkliche Art und Weise. Allerdings ist der Bass-Bereich durchweg etwas unterrepräsentiert. Dies korrespondiert jedoch nicht mit dem von uns gemessenen Frequenzgang, der fast linear verläuft. Sprach-Signale erklingen ebenfalls wohlig angenehm im Mitten-Bereich. Der Klang erscheint warm, fast schmeichelnd aber auch filigran in den Höhen. Dafür fehlt es ein wenig im Bass-Bereich. E-Gitarren klingen sehr präsent. Bei diesen zeigt sich eine Reichhaltigkeit an Obertönen. Höhenimpulse reicht das Mackie ohne Dynamikverluste durch und ebnet sie nicht ein. Das Rutschen der Finger über die Bass-Saiten beispielsweise tritt deutlich in den Vordergrund. 

Einen Schnitzer leistet sich der Spike allerdings in Sachen Phantomspeisung. Magere 43 anstatt 48 Volt vermag sie nur zu leisten. Damit werden Mikrofone von vorne herein nicht optimal versorgt. Das ist ein Faux Pas der gerade einem Mischpulthersteller nicht unterlaufen darf. Die übrigen Werte versöhnen wiederum. Der Fremdspannungs- (-89,3 dBu) und Geräuschspannungsabstand (-91 dBu) sind hingegen fantastisch.
Die Empfindlichkeitsbereiche für Mikrofon- und Line-Signale geraten mit -52 dBu gleich, was an einer parallelen Verschaltung der Buchsen liegt. Dies korrespondiert schließlich auch mit den Übersteuerungsreserven, die hier +14 dBu betragen. Für Line-Signale ist das ein Wert im oberen Mittelfeld. Bezogen auf Mikrofon-Signale erreicht dieser Wert schon fast Studioqualität. Schade ist nur, dass im Spike keine Onyx-Mikrofonvorverstärker verbaut wurden.

Seine klanglichen Vorteile spielt der Spike allerdings im Verbund mit dem Sharc-DSP-Prozessor aus. Der Klang des Equalizers ist effektiv, aber nicht unangenehm. Kein Rauschen ist zu hören, selbst wenn die Höhen voll aufgedreht sind. Das vornehme und zurückhaltende Klangverhalten bleibt auch bei Einsatz der virtuellen Effekte erhalten. Die vier Frequenzbänder sind voll durchstimmbar, das heißt, dass sie nicht auf einen bestimmten Frequenzbereich beschränkt sind. Das Arbeiten mit dem Equalizer macht Spaß und erlaubt äußerst musikalische Einstellmöglichkeiten. Dafür erhält der Spike von der Redaktion des Professional audio Magazins allerhöchstes Lob. 

Fazit

Die Firma Mackie hat mit dem Spike XD-2 ohne Zweifel ein äußerst markantes und eigenständiges Audio-Interface entwickelt. Form vollendet präsentiert es sich nicht nur rein äußerlich. Auch die inneren Vorzüge sprechen für sich. Das Spike ist deshalb nicht nur für Ästheten interessant.

Erschienen in Ausgabe 06/2006

Preisklasse: Economyklasse
Preis: 288 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut