Silberkistchen mit Charakter

Sie benötigen ein Audio-Interface ohne viel Schnickschnack? Sie brauchen nebenbei auch einen MIDI-Controller? Wir haben uns für Sie umgeschaut. Wie wäre es mit Audio Kontrol 1 von Native Instruments? 

Von Georg Berger 

Es ist eine kleine Premiere. Native Instruments, die für ihre Software-Instrumente bekannt sind, präsentieren mit Audio Kontrol 1 erstmals ein reinrassiges USB-Audio-Interface. Ausgestattet ist das Gerät des Berliner Unternehmens mit zwei Mono-Eingängen und zwei Stereo-Ausgängen. Es ist in der Lage, Abtastraten bis zu 192 Kilohertz bei einer Wortbreite von 24 Bit ein- und ausgangsseitig zu verarbeiten. Eine MIDI-Schnittstelle und ein regelbarer Kopfhöreranschluss runden die Audio-Möglichkeiten ab. Digitale Audio-Anschlüsse gibt es nicht. 

Kritiker könnten jetzt anmerken, dass es bereits genügend Mitbewerber mit deutlich mehr Features in diesem Marktsegment gibt. Doch Native Instruments hat in Audio Kontrol 1 etwas integriert, was andere Interfaces nicht besitzen: Drei Taster und einen Endlos-Drehregler auf der Oberseite, mit denen sich MIDI-Controller-Daten senden lassen. Voreinstellungen für viele Produkte aus eigenem Hause, sowie zur Steuerung der gängigsten Sequenzer, ja sogar von Applikationen wie dem Windows Mediaplayer, Winamp oder i-Tunes sind schon enthalten. Für rund 280 Euro erhalten Kaufinteressierte praktisch zwei Geräte in einem. Überdies sind mit den Guitar Combos, den Xpress Keyboards, sowie der abgespeckten DJ-Software Traktor 3 LE noch drei Software-Produkte im Wert von insgesamt 400 Euro im Lieferumfang enthalten. Damit spricht Audio Kontrol 1 eindeutig den DJ-Bereich beziehungsweise den ambitionierten Aufsteiger an.

Der Ersteindruck überrascht. Gerade so breit wie zwei große Zigarettenschachteln wirkt das Gerät recht zierlich. Doch spätestens wenn man es in die Hand nimmt, überzeugt es mit seinen knapp ein Kilo Kampfgewicht und vermittelt damit Robustheit und Stabilität. Mit seinen geringen Abmessungen findet das Gerät auch in der kleinsten Ecke Platz. Wie schon bei der Rig Control (Test in Heft 6/2006) und dem Kore-Controller, (Test in Heft 7/2006) besteht auch das Gehäuse von Audio Kontrol 1 aus stabilem, charakteristisch geformtem Aluminium. Die Plastik-Abdeckungen an den Seiten und auf der Oberseite schmälern die Stabilität nicht. Auf der Stirnseite finden sich eingangsseitig eine Combo-Buchse, wahlweise zum Anschluss eines Mikrofons oder eines Gerätes mit Line-Pegel, sowie eine weitere symmetrische Klinkenbuchse, die für die Einspeisung von Line- oder Instrumentenpegeln gedacht ist. Die Einstellung der Eingangsempfindlichkeit übernehmen zwei Drehregler. Zwei Drucktaster dienen zur Verschaltung von Mikrofon auf Line beziehungsweise von Line-Pegel auf den für elektrische Gitarren so genannten Hi-Z Eingangswiderstand. Zwei Regler direkt daneben beeinflussen die Lautstärke der beiden Stereo-Ausgänge. Darunter ist die Monitor-Sektion. Sie erlaubt die direkte Durchleitung anliegender Signale auf die Ausgänge und sie ermöglicht es auf Wunsch, vom Computer zurückgeschickte Stereo-Signale in Mono abzuhören. Ein regelbarer Kopfhöreranschluss, der per Drucktaster auf einem der beiden Stereo-Ausgänge liegt, schließt das Angebot an Bedienelementen und Anschlüssen ab. 

Die Rückseite des Gerätes ist bestückt mit zwei MIDI-Buchsen für In und Out, der USB-Schnittstelle, vier symmetrischen Klinkenbuchsen, welche die zwei Stereo-Ausgangssignale führen, sowie einem Drucktaster, mit dem sich die Phantomspeisung am ersten Eingang aktivieren lässt. Audio Kontrol 1 besitzt keinen Anschluss für ein Netzgerät; es lässt sich ausschließlich per USB-Schnittstelle mit Strom versorgen. Das mag zwar im mobilen Einsatz genügen; aus Stabilitätsgründen ist es jedoch problematisch. Ein Netzgerät-Anschluss hätte auf jeden Fall implementiert werden müssen.

Sämtliche Regler und Druckschalter überzeugen beim Praxistest durch einen angenehm zähen Widerstand beim Drehen respektive durch präzise rastende Druckpunkte. Das ermöglicht es, Werte detailliert einzustellen. Lediglich die drei Drucktaster auf der Oberseite fallen in ihrer Qualität ein wenig ab, sind aber vom Gefühl her eindeutig besser als ihre Pendants auf dem Kore-Controller, die wir unlängst kritisierten. Weiterhin bestechen sämtliche Bedienelemente und Buchsen durch einen optimalen Sitz. Somit ist nicht zu befürchten, dass ein ruppiger Gebrauch den internen Bauteilen schadet. Einzig die Combo-Buchse hätte von besserer Qualität sein können. Der Anschluss des Klinkensteckers, sowie ein fehlender Einrastpunkt beim XLR-Stecker lassen uns zweifeln, ob die Buchse auf Dauer stabil genug ist.

Audio Kontrol 1 verfügt über zehn Status-LEDs auf der Oberseite, die Auskunft über anliegende Signale der Ein- und Ausgänge geben. Gleichzeitig fungieren sie noch als Clip-LED – die Farbe ändert sich von grün nach rot – und helfen somit beim Einpegeln. Genau wie beim Kore-Controller leuchten die Bedienelemente auf der Oberfläche, wenn sie betätigt werden, an den Rändern rot auf und zeigen den Betrieb an. 

Vor der Inbetriebnahme des Audio Kontrol 1 ist zunächst einmal die Installation des Treibers sowie einer separaten Software erforderlich, womit die Programmierung der Controller-Bedien­ele­mente erfolgt. Die Installation der Treiber-Software gestaltet sich problemlos. Allerdings ist die Controller-Software – wie ein virtuelles Instrument – über die Service-Center-Anwendung von Native Instruments auf der Firmenhomepage zu registrieren. Das gleiche gilt für die im Lieferumfang enthaltene Software. Für Instrumente und Plug-ins ist diese Art von Kopierschutz zu begrüßen. Doch hinsichtlich der Controller-Software finden wir diese Prozedur eindeutig überzogen, zumal sie nur im Verbund mit der Hardware richtig funktioniert. Das lässt sich besser lösen. 

Nach der Registrierung starten wir schließlich Cubase SX3, wählen den ASIO-Treiber für Audio Kontrol 1 aus und definieren die Ein- und Ausgänge. Wir interessieren uns vor einer ersten Aufnahme zunächst für die Steuer-Software. Anstelle einer Bedienoberfläche mit zahlreichen Einstellmöglichkeiten, sowie eines internen virtuellen Mixers finden wir in der Control-Panel benannten Anwendung lediglich ein kleines Fenster, das die Einstellung der Samplerate und der Latenz erlaubt. Doch das muss so sein, denn der Clou an Audio Kontrol 1 besteht darin, sämtliche relevanten Einstellungen an der Hardware vorzunehmen. Damit empfiehlt sich Audio Kontrol 1 auf vorbildliche Weise – getreu den Maximen von Native Instruments bezüglich Bedienungsfreundlichkeit. 

Eine zweite Anwendung erlaubt die Zuweisung von MIDI-Controllern auf die drei Tasten und den Endlos-Drehregler. Es lassen sich Controller-Befehle sowohl für die Links- als auch die Rechtsdrehung des Endlos-Reglers definieren und bei den Tasten separate Events beim Drücken und Loslassen bestimmen. Die Zahl der per Drucktaster aktivierbaren MIDI-Controller ist sogar noch steigerbar, wenn unterschiedliche Tastenkombinationen – beispielsweise die linke und mittlere Taste – gleichzeitig gedrückt werden. Eine der Tasten fungiert dabei als sogenannter Modifier, ähnlich wie die Shift-Taste beim Computer. Insgesamt sind damit zehn unterschiedliche MIDI-Events definierbar. Erstellte Setups lassen sich selbstverständlich abspeichern. Audio Kontrol 1 verfügt über eine Reihe von Presets zum direkten und bequemen Ansteuern von Sequenzern, natürlich den firmeneigenen Produkten, aber auch für eher dem Consumer-Bereich zugewandte Applikationen wie Winamp oder i-Tunes. Bei letzteren muss Audio Kontrol 1 in den Systemeinstellungen als primäre Soundkarte ausgewählt sein. 

Wir probieren zunächst das Cubase-Preset aus und können bequem über die drei Tasten den Sequenzer starten, stoppen, in den Aufnahme-Modus versetzen und sogar vor- und zurückspulen. Wir erlauben uns zusätzlich, über eine Tastenkombination, auch den Loop-Modus zu aktivieren, was dank der übersichtlichen und intuitiv zu bedienenden Programmieroberfläche erfreulich unkompliziert geschieht. Damit besitzt Audio Kontrol 1 eine bequeme Funktionalität, die an die Tranzport-Fernbedienung (Test in Ausgabe 7/2006) erinnert und den Nutzer von der mitunter lästigen Bedienung mit der Maus befreit. Wer ein ausreichend langes USB-Kabel an das silberne Kistchen anschließt, muss sich bei der Steuerung und Aufnahme auch nicht mehr direkt vor dem Rechner befinden. Für dieses Feature gibt’s die Bestnote in Sachen sinnvoller Erweiterung von Hardware.

Den MIDI-Controller Praxistest hat Audio Kontrol 1 somit schon mal mit Bravour bestanden. Doch die Kernfunktion, das Audio-Interface, muss den Check noch bestehen. Die Werte aus unserem Testlabor zeigen Audio Kontrol 1 von seiner besten Seite. Ein fast linearer Frequenzgang, der zwar mit einem – vernachlässigbaren – Abfall um zwei Dezibel im Bereich von zehn bis 20 Hertz auffällt, aber ansonsten schnurgerade im hörbaren Bereich verläuft, zeugt von einer sauberen Signalverarbeitung. Ähnlich spektakulär zeigt sich auch das Klirrspektrum, das bei sehr guten 0,06 Prozent beginnt, um dann auf einen Wert von 0,006 Prozent zu sinken. Fremd- und Geräuschspannungsabstände zeigen sich mit 82,5 und 85,3 dBu für Signale über den Mikrofon-Eingang ordentlich. Die Werte an der Klinkenbuchse für Line-Pegel geraten mit 86,3 und 89,3 dBu sogar noch besser. Satte 22,2 dBu liefert der Silberling an maximalem Ausgangspegel. Das ist mehr als ausreichend, um auch eher träge Verstärker oder Monitore mit genügend Pegel zu versorgen. 

Für den Hörtest fertigen wir unterschiedliche Aufnahmen mit 24 Bit und 96 Kilohertz an. Zum einen nehmen wir analog aufgenommenes Material von unserer Telefunken M15A Tonbandmaschine auf. Als nächstes testen wir die Combo-Buchse und machen eine Gesangs- und Sprachaufnahme gefolgt von einem Gitarren-Take, den wir über den Line-Eingang mit aktivierter Hi-Z Funktion aufnehmen. 

Der Umgang mit Audio Kontrol 1 bei der Aufnahme gestaltet sich unkompliziert und kinderleicht. Die Eingangsstufen besitzen genügend Reserven, um sowohl Kondensator- als auch dynamische Mikrofone ausreichend zu verstärken. Selbst beim Einpegeln der Gitarre über den Hi-Z Eingang hat der Silberling ausreichende Reserven. Das Ablesen der Pegel muss dabei über den Sequenzer erfolgen. Zwar geben die Status-LEDs durch ihre Clip-Funktion Auskunft über zu hohe Eingangspegel, doch ist diese Anzeige vom Komfort her nicht mit einem Level-Meter gleichzusetzen. Das könnte, je nach Arbeitsgewohnheit, manchen Anwender skeptisch stimmen. Der Umgang mit Audio Kontrol 1 bei der Aufnahme gibt uns zumindest keinen Anlass zur Kritik. 

Ohne direkten Vergleich erklingen sämtliche Aufzeichnungen klar, durchsichtig und detailliert. Wir vermissen zunächst nichts an den mit Audio Kontrol 1 gemachten Aufnahmen. Es gibt keine klanglichen Ausreißer oder Verfärbungen, die auf eine schlechte Signalübertragung oder auf Wandler mit minderer Qualität deuten könnten. Erst im Vergleich mit dem Fireface 400 von RME zeigen sich dann doch Unterschiede. In Bezug auf Räumlichkeit und Dynamik vermag das Kistchen aus Berlin nicht mit dem Konkurrenten mitzuhalten. Bassbereich und Höhenspektrum wirken zweidimensionaler und nicht so präsent und klar wie die Aufnahmen des RME-Geräts. Die Luftigkeit und das Atmen des Raumes kann das Audio Kontrol 1 nicht wirklich perfekt einfangen. Für akustische Aufnahmen, bei denen auf eine präzise räumliche Abbildung viel Wert gelegt wird, ist es weniger geeignet. Die Gesangs- und Sprachaufnahmen wirken etwas matter, verhaltener und nicht ganz so präsent wie mit Fireface 400. 

Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass der RME-Kandidat, der fast dreimal so viel kostet und deshalb in einer höheren Liga spielt. Das Audio Kontrol 1 ist eher im Einsteigerbereich angesiedelt und empfiehlt sich mehr für elektronisch erzeugte beziehungsweise verstärkte Musik. Denn der Vergleich der E-Gitarren-Aufnahmen zeigt, dass das Audio Kontrol 1 durchaus mit dem Fireface 400 mithalten kann. Die Unterschiede sind hier nur marginal. Deshalb bescheinigen wir dem Audio Kontrol 1 eine gute Klangqualität. Im Zusammenhang mit seinem Preis und den guten Messergebnissen vermag der Silber-Winzling sich gut zu behaupten. Einzig das Fehlen digitaler Audio-Anschlüsse könnte den einen oder anderen noch zögern lassen. Aber wer weiß? Vielleicht schiebt Native Instruments demnächst mit Audio Kontrol 2 ein besser ausgestattetes Gerät ins Rennen. Lassen wir uns überraschen.

Fazit

Mit Audio Kontrol 1 präsentiert Native Instruments ein Hybrid-Gerät aus USB-Audio-Interface und MIDI-Controller und damit eine neue Geräteklasse. Diese unschlagbare Kombination wird es für viele interessant machen. Der kleine Silberling dürfte schon bald als Begleiter im Studio oder beim mobilen Einsatz nicht mehr wegzudenken sein. Seine Ausstattung, der kinderleichte Umgang und auch seine klanglichen Qualitäten empfehlen ihn primär für Einsteiger. Aber auch als Zweitgerät für Anwender mit höheren Ansprüchen stellt der Audio Kontrol 1 eine ernsthafte Alternative dar. Wir wünschen uns mehr Geräte dieser Art.

Erschienen in Ausgabe 12/2006

Preisklasse: Economyklasse
Preis: 279 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut