Viel Gold fürs Geld
Dass auch kostengünstige Mikrofone Gold in der Kehle haben können, beweisen das V67i und das 2010 von MXL eindrucksvoll.
Von Harald Wittig
Die Pro Audio MXL Division ist eine Abteilung des amerikanische Konzern Marshall Electronics, der sich seit gut 25 Jahren auf die Herstellung und den Vertrieb von Broadcast-, Multimedia- und Pro Audio-Geräten konzentriert, bietet. Unter dem Markennamen MXL bieten die Amerikaner inzwischen immerhin vierzehn verschiedene Mikrofone – vom USB-Mikrofon für Podcast-Anwendungen bis hin zum in Handarbeit hergestellten Röhrenmikrofon an. Allen MXLs ist gemeinsam, dass sie schon für vergleichsweise wenig Geld zu haben sind. Abgesehen vom Röhrenflaggschiff MXL V69M, das mit immer noch günstigen 340 Euro zu Buche schlägt, liegt die magische Preisschwelle bei MXL ansonsten bei etwa 300 Euro. Dennoch überraschen MXL-Mikrofone regelmäßig professionelle Anwender und Tester, denn ihre klanglichen Leistungen stehen häufig in umgekehrtem Verhältnis zum günstigen Preis…
So hinterließ beispielsweise das Großmembranmikrofon MXL V6 im großen Vergleichtest in Ausgabe 11/2006 von Professional audio Magazin einen rundum guten Eindruck und konnte sich gegenüber der vorzüglichen und namhaften Konkurrenz von Brauner, Neumann und Beyerdynamic – um nur einige zu nennen – gut behaupten. Die MXL-Produktpalette bekommt ständig Zuwachs, die beiden Testkandidaten gehören zu den jüngsten Repräsentanten der Mikrofonfamilie. Grund genug, die beiden MXLs einem ausführlichen Test zu unterziehen. Sowohl das auffällige gold-grüne V67i und das unscheinbare mausgraue 2010 werden hierzulande für deutlich unter 300 Euro angeboten: Rund 275 Euro kostet das V67i, der Listenpreis für das 2010 liegt bei 290 Euro. V67i und 2010 sind Großmembran-Mikrofone in Transistortechnik. Das 2010 hat eine goldbedampften 25 mm/1-Zoll-Doppelmembran. Über einen präzise rastenden Kippschalter lässt sich die Richtcharakteristik zwischen Niere, Kugel und Acht umschalten. Die Einsprechrichtung ist durch das eingravierte MXL-Logo im unteren Gehäusedrittel markiert. Das Metallgehäuse des Mikrofons ist sauber verarbeitet und poliert. Auch die Verarbeitung des V67i überzeugt rundum, der auffällige, vergoldete Schutzkorb – deutlich massiver als der des 2010 – behütet die Kapseln mit ihren beiden, ebenfalls goldbedampften Membranen. Das Kapseldesign des V67i unterscheidet sich grundlegend von dem des 2010. Das V67i bietet zwar nur die Nierencharakteristik, diese aber mit zwei unterschiedlichen Klangfarben. Hierauf gibt der Wahlschalter auf der Frontseite mit den eingravierten Kürzeln „Wm“ und „Brt“ einen Hinweis: „Wm“ steht für „Warm“, im beiliegenden Datenfaltblatt wird der Klang verheißungsvoll als ausgesprochen „warm und rund“ beschireben. Steht der Schalter hingegen auf „Brt“, was die Abkürzung für „Bright“ ist, sei der Klang demgegenüber eher hell, strahlend und offenen. Vorbild für diesen speziellen Sound sei der Klang von Mikrofonen der 60er Jahre. Im Unterschied zum grauen Kollegen, bei dem die Einsprechrichtung stets dieselbe bleibt, ist beim V67i je nach Einstellung nur jeweils eine Seite der Kapsel aktiv – folgerichtig ist auf dem Ring unterhalb des Schutzkorbes auf der Vorderseite „Wm“, auf der Rückseite „Brt“ eingraviert. Damit nicht genug der Hilfestellung: Auf beiden Seiten signalisiert eine rot strahlende LED sowohl die aktive Seite als auch das Anliegen der Phantomspannung. Anwendungsfehler sind damit auch im Eifer des Aufnahmegefechts weitgehend ausgeschlossen – ein sicherlich nicht notwendiges, aber pfiffiges Ausstattungsdetail. Beide Mikrofone sind mit einem Vordämpfungsschalter und einem Hochpass- beziehungsweise Trittschallfilter ausgestattet. Die die Vordämpfung beträgt beim 2010 -10 dB, beim V67i -6 DB. Das Trittschallfilter setzt bei beiden MXLs ausweislich unserer Messungen schon bei einer Eckfrequenz von etwa 150 Hertz ein. Das kann im Einzelfall, bei Sprach-, Gesangs- und Instrumentenaufnahmen problematisch werden, da hier der Bassbereich deutlich hörbar beschnitten wird. Hier ist einem vergleichbaren Filter am Pult oder am Vorverstärker, der bei 80 Hertz oder tiefer einsetzt, der Vorzug zugeben, falls ein Sänger partout nicht davon abzubringen ist, den Takt mit dem Fuß mitzuklopfen. Das V67i wird im gut gearbeiteten Holzetui geliefert, das 2010 ist lediglich im mit Schaumstoff ausgeschlagenen Karton zur Ruhe gebettet. Dafür hat MXL eine brauchbare Spinne mit Reduziergewinde beigepackt, die das Mikrofon sicher hält und jedenfalls leichtere Vibrationen wirksam abfedert. Beim V67i befindet sich leider keine Spinne im Lieferumfang, mit der metallenen Stativhalterung, die am Boden des Mikrofongehäuses angeschraubt wird, ist das Mikrofon aber immerhin schnell und bombenfest am Stativ befestigt. Dennoch empfiehlt sich die Anschaffung der Spinne MXL-06 für günstige 30 Euro. Noch besser ist die deutlich massivere und weitaus unerschütterliche Universal-Spinne MXL-USM001, die mit rund 80 Euro aber entsprechend teurer ist. Eine lohnens- und empfehlenswerte Zusatzanschaffung ist sie allemal – auch für Käufer des 2010.
Dass es sich bei beiden MXL-Mikrofonen um ungleiche Geschwister handelt, belegen die Ergebnisse im Professional audio Magazin-Messlabor, denn 2010 und V67i unterscheiden sich deutlich bei den Messwerten. Das Eigenrauschen des 2010 fällt mit einem moderaten Durchschnittswert von 76 Dezibel erfreulich gering aus und liegt auf dem Niveau guter, oft dreimal teurerer Mikrofone. Zusammen mit dem ebenfalls guten Empfindlichkeitswert, der im Mittel bei rund 18 mV/Pa liegt, ist störendes Rauschen auf der Aufnahme im Verbund mit heutigen Mikrofonvorverstärkern praktisch ausgeschlossen. Auch die gemessenen Frequenzgänge überzeugen, denn die Messkurven wirken wie aus dem Bilderbuch für Großmembran-Mikrofone: Bei Nierencharakteristik ist der Frequenzgang unter Berücksichtigung der Reflexionen von Stativ und Kabel weitgehend linear. Die für Großmembranmikrofone typische Höhenanhebung beträgt zwischen fünf und sechs Kilohertz gerade mal drei Dezibel und fällt somit sehr dezent aus. Bei Kugelcharakteristik fällt die Höhenanhebung hingegen stärker aus. Hier beträgt sie im Gipfel zwischen sechs und sieben Kilohertz fast sieben Dezibel. Messtechnisch nicht ganz auf der Höhe des 2010 ist hingegen das optisch auffälligere Geschwister: Zunächst ist das V67i mit durchschnittlichen 9 mv/Pa vergleichsweise niedrigempfindlich und erfordert einen weit aufgedrehten Gainregler des Preamps. Beim Test stand jedenfalls der Regler des Referenz-Vorverstärkers Lake People Mic-Amp F355 für einen vernünftigen Pegel auf immerhin +48 dB, was etwa Zweidrittel des Regelwegs ausmacht. Kritisch ist in diesem Zusammenhang, dass der Geräuschpegelabstand des V67i knapp unterhalb 69 Dezibel liegt – zumindest theoretisch ist damit die Gefahr störenden Rauschens gegeben. Ob das V67i allerdings wirklich hörbar rauscht, zeigt sich erst im Praxistest. Die Frequenzgänge, gemessen jeweils für die Einstellungen „Warm“ und „Bright“ belegen und illustrieren in gewisser Weise das Klangdesign des Mikrofons: In Einstellung „Warm“ ist zunächst die sanfte, aber stete Anhebung unterhalb 150 Hertz auffällig. Das erscheint konsequent, immerhin soll das V67i in dieser Einstellung voll und rund klingen. Dementsprechend weist das Mikrofon hier auch nur eine gemäßigte Höhenanhebung auf: Sie beträgt am Gipfelpunkt bei sieben Kilohertz lediglich drei Dezibel. In der „Bright“-Einstellung ermittelt das Messlabor einen steten Höhenanstieg knapp unterhalb fünf Kilohertz, der zwischen sechs bis zehn Kilohertz aber kaum über vier Dezibel ansteigt. Lediglich oberhalb 10 Kilohertz gibt es eine Pegelspitze von sechs Dezibel. Interessanterweise ist die Höhenanhebung auf der Kurve im Datenblatt des Mikrofons weitaus stärker ausgeprägt: Die Höhenanhebung bei der Herstellerkurve beträgt bei neun Kilohertz immerhin acht Dezibel.
Für die Testaufnahmen dient das bereits in vielen Tests bewährte, da vollkommen klangneutrale Duo bestehend aus Lake People Mic-Amp F355 und dem Lynx Aurora 8 Digitalwandler einmal mehr dem optimalen Stimmenfang. Beim ersten Abhören der Sprach- und Instrumentalaufnahmen können beide Mikrofone positiv überraschen: Keine Spur von dem gefürchteten, überpräsenten, scharfen Klang mit allenfalls befriedigender Auflösung, der vielen Billigmikrofonen zu Eigen ist. Sowohl das 2010 als auch das V67i klingen wesentlich erwachsener und aufs erste Hinhören teurer als sie in Wahrheit sind. Aber der Reihe nach: Der Klang des 2010 ist insgesamt erstaunlich ausgewogen, wobei sein Klang zumindest bei Nierencharakteristik leicht ins angenehm Warme tendiert. Gleichwohl färbt das Mikrofon nicht zu stark, wodurch das Timbre von Stimmen und Instrumenten grundsätzlich erhalten bleibt. Die Auflösung ist insgesamt gut, niemand wird hier die hochfeine Auflösung wesentlich teurer Mitbewerber erwarten. Da beim 2010 auch ein gesunder Schuss an crispen Höhen vorhanden ist, klingt es nie matt oder gar dumpf. Gerade für akustische Instrumente und Stimmen gefällt es spontan und kann auch Puristen, die Wert auf Natürlichkeit legen, für sich einnehmen. Erst im direkten Vergleich mit dem ausgesprochen klangneutralen M 930 von Microtech Gefell wird deutlich, dass das 2010 nicht in der Spitzenklasse rangiert. Das M 930 belohnt einen Instrumentalisten mit seiner hochpräzisen, fotorealistischen Darstellung von Ausführungsdetails wie Anschlagswinkel und Anschlagsstelle auf der Konzertgitarre, die mit millimetergenauer Präzision nachhörbar sind. Das schafft das 2010 nicht, wenngleich es sich gut gegenüber dem sechsmal teureren Mikrofon behauptet. Eine richtig gute Figur macht es im Vergleich mit dem AKG C 414 B-XLS: Vom Klangbild dem sehr guten Österreicher (siehe Test in Ausgabe 5/2007) durchaus verwandt, muss es sich lediglich bei der Auflösung geschlagen geben. Auch der Nahbesprechungseffekt ist beim 2010 nicht zu stark ausgeprägt, so dass auch eine Nahmikrofonierung der bassstarken Kohno 30 J Konzertgitarre nicht in unerträglichem Dröhnen resultiert. Das V67i bekennt sich sehr viel stärker zum eigenen Klang. Anders ausgedrückt: Es färbt stärker. Die Einstellung „Warm“ bringt genau den Klang, den MXL verspricht: Alles, ob Stimme oder Instrumente, klingt eine gute Spur voller und runder. Hohen Stimmen und brillant klingenden Instrumenten wie einer Flamenco-Gitarre mit Carbon-Saiten steht dieser Klang gut. Allerdings bleiben beim V67i obere Mitten und vor allem der Höhenbereich im Gesamtklang erhalten, so dass Gesangs- und Instrumentenstimmen nicht Gefahr laufen, an Kontur zu verlieren. Es ähnelt grundsätzlich dem 2010, lediglich der vordergründigere Tiefmitten- und Bassbereich sorgen für einen dickeren Klang gegenüber dem grauen Geschwister. Bei tiefen Stimmen und bassstarken Instrumenten kann es dann leicht zu viel des Guten werden – hier ist das 2010 die bessere Wahl. Ansonsten ist auch beim V67i der Nahbesprechungseffekt nicht zu stark, wenngleich etwas deutlicher als beim 2010 ausgeprägt. Sehr eigenwillig ist der Klang in der Einstellung „Bright“. Stimmen und Instrumente klingen deutlich schärfer: Egal was ein Spieler unternimmt – der Ton bekommt immer eine gewisse Kernigkeit, Zischlaute bei Sprache und Gesang treten sehr deutlich hervor. Deswegen sollte diese Einstellung eher besonderen Anwendungen vorbehalten sein sollte. Wer beispielsweise eine Gitarrenspur mit einer Stahlsaiten-Gitarre im Nashville-Tuning, also bespannt mit den Oktav-Saiten einer Zwölfsaitigen, aufnimmt, bekommt einen eigentümlich flirrenden, ein wenig an zerspringendes Glas erinnernden Klang, der gerade bei vielstimmigen Arrangements einen ganz eigenen Reiz hat. Hier sollten auch Puristen nicht vor dem Kompressor-Einsatz zurückschrecken, denn es ist damit verhältnismäßig einfach beispielsweise den klirrenden Akustikgitarren-Sound der Beatles nachzuahmen. Auch für Perkussion, namentlich Cajon oder Djembe kommt „Bright“ gut, wenn ein knallender Klang der Trommeln gefragt ist. Schließlich sollten auch Holzbläser, namentlich Flötisten auf den Spuren Herbie Manns mal mit der „Bright“-Einstellung des V67i experimentieren: Flötensoli bekommen den typischen perkussiven, funky Klang des Amerikaners. Schließlich Entwarnung an alle, die aufgrund der Messwerte ein erhöhtes Rauschen des V67i erwartet haben: Auch bei konzentriertem Hineinhören mit Kopfhörer, ist störendes Rauschen nicht auszumachen.
Fazit
MXL beweist mit dem 2010 uns dem V67i, dass kostengünstige Mikrofone richtig gut sein können und einen mehr als reellen Gegenwert fürs Geld bieten. Das 2010 ist, nicht zuletzt wegen der umschaltbaren Richtcharakteristik, vor allem aber wegen seines insgesamt guten, noch ausgewogenen Klangs eher der Allrounder für vielfältige Anwendungen. Das V67i hat Mut zum eigenen Sound und schmeichelt in der Einstellung „Warm“ vor allem mittleren und hohen Stimmen, sowie akustischen Instrumenten. „Bright“ lädt zum Experimentieren ein, wenn es wenig auf Natürlichkeit, dafür auf effektvolle Klänge ankommt.
Erschienen in Ausgabe 11/2007
Preisklasse: Mittelklasse
Preis: 277 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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