Legenden-Tuning zum Zweiten
Arturia präsentiert voller Stolz das erste Major-Update seiner Minimoog-Emulation und beweist erfolgreich, wie man eine Synthesizer-Legende auf virtueller Ebene klanglich erweitern und aufwerten kann. Wie das geht, erfahren Sie im Test.
Von Georg Berger
Ganze fünf Jahre ist es her, dass die Software-Schmiede Arturia erstmals den Synthesizer-Klassiker Minimoog als virtuelle Emulation Minimoog V präsentierte. Der französische Hersteller bot darin nicht nur eine in allen Teilen naturgetreue Reproduktion der monophonen Legende, die wenig später in Version 1.5 noch einmal klanglich näher an das Original heranrückte. Gleichzeitig implementierten die Entwickler in das virtuelle Instrument einige zusätzliche Features, die weit über das technisch Machbare des Originals hinausgehen und dem Anwender zusätzliche kreative Ausdrucksmöglichkeiten an die Hand gab. So findet sich schon in der ersten Version der Emulation eine Modulations-Matrix, die weitaus opulentere Sound-Design-Möglichkeiten bietet. Ein Arpeggiator sorgt für zusätzliche Lebendigkeit, der Sound lässt sich mit Chorus und Delay veredeln und mit einem zusätzlichen LFO braucht der dritte Oszillator, der bei Bedarf im Original für diese Aufgabe zweckentfremdet werden musste, nicht mehr dafür herhalten und steht als zusätzliche Klangquelle zur Verfügung. Abgerundet wird der Reigen an Features mit einer maximal 32-stimmigen Polyphonie inklusive Unisono-Modus sowie Pulsweiten- und Phasenlagen-Modulation der Rechteck- und Dreieckswellen.
Im April dieses Jahres präsentierte Arturia auf der Frankfurter Musikmesse schließlich das erste Major-Update des Minimoog V, das den legendären druckvollen Sound um neue klangliche Facetten erweitern soll. Registrierte Besitzer der Vorversion erhalten den Minimoog V 2.0, so seine offizielle Bezeichnung, übrigens kostenlos. Erstkäufer zahlen knapp 230 Euro. Ausgesprochene Skeptiker werden vielleicht die Möglichkeiten von Verbesserungen in Frage stellen und den Sinn eines Major-Updates grundsätzlich anzweifeln, reproduzierte doch die Erstversion das Original ungemein authentisch. Tatsächlich hat sich an der originalen Klangerzeugung bis auf die erwähnten zusätzlichen Features aus der Vorversion nichts geändert. Dies schließt auch die nach wie vor existente hohe Prozessorbelastung mit ein, vor allem bei aktivierter Soft-Clip-Funktion. Ausnahme: Der zweite Oszillator kann jetzt, ebenso wie der dritte, per Schalter aus der Keyboard-Steuerung genommen werden. Vielmehr haben die Entwickler ihrer Schöpfung neue zusätzliche Module hinzugefügt und bestehende ein wenig erweitert, so dass man ab sofort noch stärker in die Klanggestaltung eingreifen kann. Die Modulations-Matrix hat sich von maximal sechs auf acht Verknüpfungsmöglichkeiten erweitert und der Umfang an wählbaren Modulationsquellen und -zielen hat sich ebenfalls vergrößert.
Mit dem sogenannten Motion Recorder steht eine interne Aufzeichnungs- und Wiedergabe-Option für Parameter-Automationen zur Verfügung und die sogenannte Sound Map bietet nicht nur eine pfiffige und innovative Lösung zum Auswählen und Verwalten der Presets, sondern darüber hinaus auch eine Morphing-Funktion mit der sich geschwind neue Sounds generieren lassen. Last but not Least liefert das neu integrierte Vocal Filter eine zusätzliche Alternative zum Verbiegen der Sounds: Das Modul erzeugt charakteristisch klingende Vokal-Formanten und soll den Minimoog V 2.0 quasi zum Sprechen bringen. Wie die neuen Features funktionieren und vor allem was sich kreativ damit anstellen lässt, wollen wir jetzt der Reihe nach erläutern. Allerdings müssen wir aufgrund des gegebenen Rahmens von einer detaillierten Darstellung der Klangerzeugung des Minimoog V absehen. Wer detaillierte Informationen sucht, dem sei der Besuch der Homepage www.synrise.de/html/minimoog.htm empfohlen. Sie erklärt detailliert die einzelnen Klangbausteine und den Signalfluss im Minimoog. Wie erwähnt hat sich an der eigentlichen Klangerzeugung des Minimoog V 2.0 nichts geändert. Beim Start des Programms zeigt die Bedienoberfläche nach wie vor ein originalgetreues Abbild des Minimoogs mit sämtlichen Bedienelementen plus einiger weniger spezifischer Schalter und Drehgeber, etwa zum Aktivieren des Polyphon- und Unisono-Modus und zum Synchronisieren von Oszillator eins und zwei. Ansonsten bleibt alles beim Alten: Drei Oszillatoren können über einen Mixer anteilig in der Lautstärke gemischt werden. Dort ist ein Rauschgenerator zuschaltbar und wer mag, kann wie im Original auch ein externes Signal einspeisen, von dort aus geht es in das legendäre Vier-Pol-Filter. Zur Modulation stehen zwei Hüllkurven mit Attack-Decay-Sustain-Phasen zur Verfügung. Per Schalter ist das Decay als Release-Phase einsetzbar. Die erste Hüllkurve ist fest auf das Filter und die zweite auf den Verstärker geroutet. Weitere Modulationen sind mit dem dritten Oszillator ausführbar. Dazu muss sich sein Fußlagenschalter in Stellung „Low“ befinden, um im Niederfrequenzbereich zu arbeiten. Besonderheit: Der Minimoog V besitzt zwei Low-Modi. In Stellung „Low Mono“ arbeitet lediglich ein LFO-Oszillator, der im polyphonen Spiel auf jede neu gespielte Stimme angewendet wird. In Stellung „Low“ erhält jede neu gespielte Stimme einen eigenen Oszillator zur Seite gestellt. Per Schalter kann der jetzt umgewidmete LFO auf die Oszillatoren oder die Filter-Sektion einwirken. Die Zusatz-Features erreicht man via Open-Button, das Bedienpanel des Minimoog klappt dann in einer sehr schönen Animation nach oben und ein 19-Zoll-artiges Bedienfeld erscheint. Im Vergleich zur Vorversion ist dieses Bedienfeld zwar etwas höher ausgefallen, um Platz für die neuen Module zu schaffen, doch insgesamt ist es uns immer noch zu klein. Denn das Bedienen der sehr kleinen Regler mit der Maus gerät zu einer fummeligen Angelegenheit. Überdies erfordert das Ablesen der eingefügten Modulationsquellen und -ziele in der Modulationsmatrix ein sehr scharfes Auge und strengt auf Dauer an. Eine großzügigere Dimensionierung des Bedienfeldes und vor allem eine bessere Ablesbarkeit wäre sehr wünschenswert. Ergonomische Verbesserungen verdienen auch die kontrastarmen Displays im Motion Recorder und Vocal Filter, denen wir uns als nächstes widmen wollen. Der Vocal Filter ist, wie übrigens auch der Motion Recorder, die Effekte und die Modulations-Matrix, per Button in der oberen Menüleiste separat aktivierbar.
Im Display des Moduls finden sich fünf Quadrate, in denen jeweils ein Vokal abgebildet ist. Mit der Maus bewegen wir den sehr kleinen roten Punkt, mit dem sich das Cutoff ändern lässt und fahren jedes Quadrat nach Belieben an, woraufhin sich auf subtile Weise Formanten ins Klangspektrum einfügen, ähnlich wie beim Singen eines Tons während man gleichzeitig die Form und Größe der Mundhöhle ändert. Und plötzlich erhält ein ganz banaler, orgelartiger Sound stimmliche Qualitäten, die ein wenig an einen chorartig klingenden Vocoder-Effekt erinnern. Die Orgel singt nach Belieben entweder „Aaah“, „Oooh“ oder einen der anderen Vokale und über die einstellbare Resonanz verstärken wir den Effekt. Das typische Resonanzpfeifen ist dabei nur minimal hörbar. Dafür stellt sich mit ansteigender Resonanz ein deutlich nasal klingendes Timbre ein und der Gesamtklang wird im Bass- und Höhenbereich beschnitten. Sehr schön: Ein integrierter und einstellbarer LFO veranlasst den roten Steuerpunkt zu einer kreisförmigen Bewegung und ermöglicht ein automatisches Anfahren sämtlicher Vokale, der Radius der Kreisbewegung ist einstellbar. Eigentlich zeigt sich beim Aufziehen des Radius ein Kreis. Doch der ist nur zu erahnen, da seine schwarze Linie mit dem Schwarz des Untergrunds im Displays verschmilzt und nur dann zu erkennen ist, wenn er über die Quadrate hinausragt. Dies ist schlecht gemacht und sollte alsbald behoben werden. Sehr pfiffig gerät hingegen die Möglichkeit, die Vokal-Quadrate im Display frei zu positionieren. Der Anwender ist also nicht auf die alphabetische Abfolge der Vokale festgelegt und kann die Abfolge der Formanten beliebig zusammenstellen, wenn sie per LFO angefahren werden. Formantverläufe sind umgekehrt durch Bewegen eines Quadrates ebenfalls möglich. Im Verbund mit aktiviertem LFO, Ändern des Radius und dem Neupositionieren der Quadrate erhalten wir immer wieder neue Filterverläufe, die klanglich ausnahmslos gefallen. Arturia hat dem Minimoog V mit dem Vocal Filter ein insgesamt zwar behutsam wirkendes, aber dennoch sehr mächtig klingendes Modul mit Charakter hinzugefügt, das sicherlich viele Liebhaber begeistern wird. Allerdings gibt es auch einen Kritikpunkt: Zwar finden sich der horizontale und vertikale Verlauf des Filter-Cutoffs als Modulationsziel in der Modulations-Matrix, so dass sie etwa per Modulationsrad oder mit einem der anderen 14 Modulationsquellen steuerbar ist. Doch ein direktes Routing von MIDI-Controllern auf die X- und Y-Parameter des Cutoffs ist nicht möglich. Arturia verschenkt hier Potenzial und schränkt die Einsatzmöglichkeiten des Vocal Filters ein, zumal Controller wie das Korg Nanopad (Test in Heft 12/2008) oder der Novation SL 25 Mk II (Test auf Seite 76) mit ihren XY-Pads das optimale Bedienelement auf Hardware-Seite bereitstellen. Hier ist in jedem Falle also noch Spielraum für weitere Updates vorhanden. Eine Alternative, die X- und Y-Parameter des Vocal Filter-Cutoffs fernzusteuern bietet sich auch im neu hinzugefügten Motion Recorder. Das Modul gestattet die Aufzeichnung und Wiedergabe von vier Automationsverläufen. Darüber hinaus stehen weitere 27 Parameter zur Auswahl, die sich über dieses Modul in Bewegung versetzen lassen. Zwar kann man nicht jeden verfügbaren Regler, vor allem in den Modulen des Bedienfelds, darüber automatisieren. Doch das Repertoire deckt die wichtigsten Parameter ab, wie etwa die Lautstärke, Tonhöhe und Pulsweitenmodulation in den Oszillatoren oder Cutoff und Resonanz des Filters.
Das Handling ist denkbar einfach: Man aktiviert in der Menüleiste zuerst den Motion Recorder, klickt anschließend den Record-Button direkt daneben an, spielt eine Note am Keyboard und nach Herzenslust an dem Regler/Parameter, der automatisiert werden soll, herum. Wichtig: Es lässt sich immer nur ein Parameter aufzeichnen. Die Wiedergabe aller vier Parameter ist jedoch gleichzeitig möglich. Der Recorder stoppt die Aufzeichnung der Reglerbewegung überdies nach maximal 30 Sekunden, was aber mehr als ausreichend ist. Anschließend zeigt sich im Display des Motion Recorders ein Kurvenverlauf. Drückt man anschließend eine Keyboardtaste wird der zuvor automatisierte Parameter zum Leben erweckt. Es mag zunächst bedauerlich erscheinen, dass beim Abspielen der Parameter-Automation der dazu korrespondierende Regler nicht animiert wird. Doch dafür gibt es einen triftigen Grund, denn die Automationskurve ändert die Werte des Parameters relativ zur momentan eingestellten Position des Reglers. Vorteil: Während der Wiedergabe der Automation können wir den Regler simultan verändern, was immer wieder zu neuen klanglichen Veränderungen führt. Damit nicht genug, lässt sich doch im Modul durch Klick auf das Textfeld im Handumdrehen ein neuer Parameter auf die Kurve routen. Ein Klick ins Display öffnet schließlich den sogenannten Curve Editor, der eine Reihe von Zeichenwerkzeugen offeriert und flexible Möglichkeiten zur Korrektur oder zum Erstellen neuer Verlaufskurven offeriert. Allerdings ist die Liniendarstellung wieder einmal sehr blass, ähnlich wie im Display des Recorders ausgefallen, was den ansonsten tadellosen Eindruck dieses Moduls trübt. Die Ausstattung des Motion Recorders wird durch eine Quantisierungs- und Loop-Funktion sowie einstellbare Modulationstiefe und Ablaufgeschwindigkeit abgerundet. Allerdings ist ein Aufzeichnen des Vocal Filter Cutoffs leider nicht möglich. Während der Aufnahme bewegen wir zwar den roten Cutoff-Punkt im Filter-Display, doch der Recorder verweigert beharrlich das Aufzeichnen. Um dennoch ans Ziel zu kommen müssen wir die separaten X- und Y-Parameter des Vocal Filter-Cutoffs auf bereits existierende Kurven routen und editieren sie über den Curve Editor. Ohne Zweifel sind Filterverläufe darüber ungleich farbenprächtiger realisierbar als mit dem integrierten LFO. Ein direktes Ansteuern per MIDI-Controller wäre dennoch die eindeutig bessere Wahl. Insgesamt trübt das jedoch nicht den hervorragenden Eindruck, den der Motion Recorder im Test hinterlässt. Der Anwender erhält ein kreativ einsetzbares Werkzeug, das intuitiv und flexibel einsetzbar ist. Dasselbe über die Host Automation des Sequenzers zu realisieren, erfordert deutlich mehr Aufwand. Nicht minder kreativ lässt sich auch mit dem dritten Highlight des Major-Updates arbeiten, der sogenannten Sound Map. Dahinter versteckt sich, oberflächlich betrachtet, eine visuell-aufbereitete und gleichsam innovative Lösung zur Verwaltung der mitgelieferten knapp 1.000 Presets.
Durch Klick auf den gleichnamigen Button erscheint ein von der Minimoog-Oberfläche unabhängiger Bildschirm-Dialog, der ähnlich wie in einer Sternkarte ein buntes Muster aus verschieden farbigen geometrischen Figuren zeigt. Die verschiedenen Formen und Farben repräsentieren dabei Preset-Unterkategorien wie etwa Bass, Lead oder String. Hinter jeder Figur verbirgt sich schließlich ein Preset, das per einfachem Klick geladen wird. Das Geniale daran ist, dass die Gruppierung der Figuren dem Anwender graphisch Auskunft über die Gleichartigkeit der Presets gibt und das unabhängig davon, ob es ein Bass-, String- oder Effektsound ist. Im Test weiß diese pfiffige Lösung ohne Ausnahme zu begeistern. Nach Anwahl eines Bass-Presets und erneuter Anwahl weiterer Presets, die sich in nächster Nähe zum zuvor gewählten Sound befinden, erhalten wir automatisch musikalisch sinnvolle Alternativen präsentiert, die vor allem bei Anwahl von Presets aus anderen Unterkategorien eine inspirierende Palette an neuen aber dennoch ähnlichen Klangfarben und Timbres offeriert. Im Vergleich zu Datenbank-Suchfunktionen herkömmlicher Sound-Browser, wirkt die Sound Map erfrischend neu und deutlich intuitiver bedienbar. Den Vogel schießt das Presetverwaltungs-Feature jedoch mit einer Morphing-Funktion ab. Beim Klick ins Leere der Sound Map schnappt sich das Programm vier Presets, deren Position am nächsten zur Klickposition liegen und errechnet daraus ein vollkommen neues Preset. Das Beste daran: Ausnahmslos jedes Morph-Ergebnis, das sich selbstverständlich auch als neues Preset speichern lässt, gefällt durch musikalische Verwendbarkeit. Arturia hat bei der Entwicklung des Morph-Algorithmus ganze Arbeit geleistet. Denn das vergleichende Durchhören des Morph-Sounds mit den vier dafür zugrunde gelegten Presets lässt nur stellenweise eine Nähe zu den Ausgangs-Sounds erkennen. Dafür gibt’s ein Sonderlob. Wer das Heft in Sachen Morph-Sounds jedoch selbst in die Hand nehmen will, erhält mit dem integrierten Kompass-Dialog das richtige Werkzeug an die Hand. Dazu brauchen lediglich vier frei wählbare Presets über die Snapshot-Buttons in den Zwischenspeicher geladen zu werden. Sie finden sich anschließend bei Aufruf des Kompass-Dialogs auf die vier Himmelsrichtungen verteilt. Ein anschließendes Ziehen der Maus im Dialog mit gehaltener Maustaste erzeugt einen Vektor, der Auskunft über die Gewichtung der vier Basis-Presets für den Morph-Sound gibt. Im Vergleich zum freien Klicken in der Sound Map sind die Basis-Presets im Morph-Ergebnis allerdings deutlicher heraushörbar. Doch auch diese Ergebnisse wissen zu gefallen. Schade ist nur, dass sich keine Morphing-Animation dort realisieren lässt, ähnlich wie mit dem Cutoff-Parameter im Vocal Filter. Arturia sollte sich überlegen, das in einem kommenden Update zu integrieren.
Fazit
Arturia hat Wort gehalten und mit Minimoog V 2.0 seine authentisch klingende Minimoog-Emulation in neue Klang-Dimensionen katapultiert. Wem die Sound-Design-Möglichkeiten des Minimoog – real wie virtuell – bislang zu eingeschränkt erscheinen und wer nicht auf den druckvollen und prägnanten Sound verzichten will, kommt künftig nicht am Minimoog V 2.0 herum.
Erschienen in Ausgabe 07/2009
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 229 €
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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