Ausstattungs-Offensive

Der virtuelle Synthesizer Twin des holländischen Software-Herstellers Fabfilter hat sein erstes Major-Update erfahren und lässt die Vorversion ganz schön alt aussehen. Was sich mit dem Mehr an Features anstellen lässt, erläutert der Test.

Von Georg Berger

Fällt der Name des holländischen Software-Unternehmens Fabfilter, verbinden ihn viele Anwender zunächst mit Effekt-Plug-ins und im Besonderen mit seinen Filtern Volcano und Simplon. Abseits dessen haben die beiden Fabfilter-Masterminds Frederik Slijkerman und Floris Klinkert mit den subtraktiven Synthesizern Fabfilter One und Twin auch ihr Können in Sachen virtueller Klangerzeugung bereits erfolgreich unter Beweis gestellt. Dieses Können haben sie jetzt weiter ausgebaut und vor kurzem mit Twin 2 einen in weiten Teilen verbesserten Nachfolger des Synthesizers präsentiert, der mit einem deutlichen Plus an Ausstattungsmerkmalen aufwartet. Erfreulich ist die Preisgestaltung: Denn trotz des immensen Aufwands werden bei Erstkauf lediglich 150 Euro verlangt. Das Update kostet gerade einmal 80 Euro, was insgesamt also mehr als günstig ist.   
Dafür enthält das Major-Update jetzt drei anstatt zwei Oszillatoren, eine Delay-Sektion mit zwei unabhängig arbeitenden Prozessoren ist hinzugefügt worden, es stehen jetzt sogar vier separat einstellbare Filter zur Verfügung und das Arsenal an Modulatoren ist ebenfalls merkbar aufgestockt worden.
Für Aufsehen wird dabei der sogenannte XLFO sorgen. Er führt nicht nur herkömmliche Modulations-Aufgaben eines Niederfrequenz-Oszillators aus, sondern enthält auch noch einen einfach bedienbaren 16-stufigen Step Sequenzer. Opulente Modulationsverläufe und sogar Aufgaben eines Arpeggiators lassen sich damit realisieren und erweitern das Klang-Potenzial des Instruments enorm.

Die Liste an neuen Features ließe sich spielend weiter fortführen und würde den Rahmen des Artikels sprengen. Stattdessen wollen wir uns auf die wichtigsten Features und Besonderheiten konzentrieren und an dieser Stelle weitere bemerkenswerte Features lediglich kurz erwähnen. So lässt sich außer einer VST2- zusätzlich auch eine VST3-Variante von Twin 2 installieren. Die Einstellungen fast aller Synthesizer-Module sind als separate Sektions-Presets speicherbar, die sich auf diese Weise modular in Sound-Presets einfügen lassen. Nicht unerwähnt bleiben sollen auch Features wie die maximal 32-stimmige einstellbare Polyphonie, ein definierbarer Unisono-Modus sowie ein polyphones Portamento mit Legato-Funktion. Trotz dieser Offensive an neuen Features und Ausstattungsmerkmalen, soviel sei schon verraten, geht das Programmieren von Sounds Dank einer neu designten Oberfläche und eines genial durchdachten Bedienkonzepts nach wie vor kinderleicht und übersichtlich über die Bühne.

Beim Start von Twin 2 zeigt sich eine übersichtliche und klar strukturierte Bedienoberfläche, die sämtliche Komponenten auf einen Blick zeigen und im direkten Zugriff erreichbar sind. Das GUI ist mit einem Balken horizontal in zwei Hälften unterteilt. Die obere Hälfte zeigt ein Signalfluß-Diagramm mit sämtlichen Klang erzeugenden und verändernden Modulen, die in Form von Icons dargestellt sind. Die untere Hälfte ist den Modulatoren und einer Art Matrix vorbehalten, die Einfluss auf die Module der oberen Hälfte nehmen. Der Balken selbst zeigt sämtliche bislang eingesetzten Modulatoren an, die sich mit einem halbtransparenten Scrollbalken horizontal oder per Mausklick direkt anfahren lassen.  
Die Icons in der Klang-Sektion – von Fabfilter Component Buttons genannt – bieten außer einer Anzeige noch weitere pfiffige Funktionen: Mit gehaltener Maustaste und in Verbindung mit gedrückter Shift-Taste lassen sich durch horizontales und vertikales Ziehen der Maus über die Flächen insgesamt vier Parameter rasch editieren. Fabfilter sorgt damit für noch mehr Bedienkomfort beim Sound-Schrauben. Wer detaillierte Eingriffe vornehmen will, klickt einmal auf den Component-Button, woraufhin ein Unter-Dialog zu jedem Modul erscheint, der sämtliche Parameter offeriert. So enthält der Oszillator-Dialog die üblichen Eingriffsmöglichkeiten wie die Auswahl der Wellenform, der Fußlage, Einstellmöglichkeiten für die Pulsweitenmodulation und die Oszillator-Synchronisation. Ein Klick auf das Sternchen zwischen erstem und zweitem Oszillator aktiviert eine Ringmodulation zwischen beiden Generatoren.  

Die Filter-Dialoge für Oszillator und Delay zeigen eine Oberfläche, die an einen alten Bekannten aus Heft 6/2007 erinnert: Das Simplon-Plug-in. Die Oszillator- und Delay-Filter sind dabei jeweils paarweise auf einen Schlag editierbar, wahlweise über Drehregler oder das interaktive Graphik-Display. Im Vergleich zum Simplon-Plug-in sind hier keine Abstriche gemacht worden. Zur Auswahl stehen Hoch-, Tief- und Bandpass in Flankensteilheiten von jeweils 12, 24 oder 48 Dezibel pro Oktave. Besonderheiten: Insgesamt elf Filter-Algorithmen mit sprechenden Bezeichnungen wie etwa Tube, Metal oder Hollow bieten in jedem Filter eine umfangreiche Auswahl an charakteristisch klingenden Filtersounds, die entsprechend vielfarbige Ergebnisse liefern. Die paarweise angeordneten Filter-Schaltkreise lassen sich überdies seriell, parallel oder separat auf jeden Oszillator beziehungsweise jede Delay-Einheit schalten, was die Klangformungsmöglichkeiten noch einmal erweitert. Der dritte Oszillator wird übrigens in jedem Routing-Szenario immer zu gleichen Teilen auf die Kanäle der beiden anderen Oszillatoren hinzugemischt. Nicht alltäglich sind auch die integrierten Panpots. Je nach Stellung des Reglers wird der zuvor gewählte Cutoff-Wert im linken Stereokanal etwa angehoben und im rechten abgesenkt, was zu reizvollen Effekten führt.

Die beiden Delay-Prozessoren sind im Vergleich dazu eher simpel, aber ausreichend ausgestattet. Zur Verfügung stehen Regler zum Einstellen von Verzögerungszeit (Offset), Feedback und Cross-Feedback. Bemerkenswert: Anders als das Timeless-Plug-in (Test in Heft 6/2007) bieten die Delays im Ultra-Short-Modus auch sehr kurze Verzögerungszeiten zwischen 0,1 und 50 Millisekunden. Schade ist jedoch, dass die beiden Feedback-Regler in diesem Modus deaktiviert sind. Anlass zur Kritik gibt auch die Einstellung der Delayzeiten wenn sie zum Host-Tempo synchronisiert sind: Zwar lässt sich per Ausklapp-Menü eine Vorauswahl in Notenwerten vornehmen. Doch die Feineinstellung über den Offset-Regler zum nächsten Notenwert oder zum Erzeugen von punktierten oder triolischen Werten zeigt lediglich kryptische Zahlenwerte. 

Das Salz in der Synthesizer-Suppe liefern aber erst die Modulatoren und eine Modulations-Matrix, die für die Lebendigkeit der Sounds sorgen und erst die typischen Filter-Sweeps, Blubber- und Zwitscher-Sounds sowie dramatische Klangverläufe entstehen lassen. Die Fabfilter-Entwickler greifen dabei auf ein Konzept aus der Vorversion zurück, das beispielsweise auch im Timeless-Plug-in für Übersichtlichkeit und exzellente Bedienführung sorgt. Modulationsverknüpfungen erfolgen per einfachem Drag-and-drop vom Modulator aus auf einen Parameter der Klang-Sektion. Mehr ist nicht nötig. Anschließend zeigt sich oberhalb des Modulators ein Slot, der die Bezeichnung des Parameters und somit die Verknüpfung anzeigt. Ein editierbarer Balken innerhalb des Slots erlaubt die Modulationsintensität einzustellen und ein beigeordneter Button sorgt für ein Invertieren des Modulationsverlaufs. Einfacher und übersichtlicher geht’s nimmer. Verknüpfungen eines Modulators auf mehrere Ziele sind selbstverständlich realisierbar, ebenso wie auf andere Modulatoren, die sich somit gegenseitig beeinflussen. Allerdings ist die Anzahl an Verknüpfungen auf maximal 50 beschränkt, was aber mehr als ausreichend ist. Im Test wollen wir dieses Bedienkonzept alsbald nicht mehr missen.
In Windeseile sind mehrere Modulationsquellen auf ein Ziel geroutet und umgekehrt und Dank der übersichtlichen Zuordnung der Modulations-Slots zu den einzelnen Modulatoren behalten wir immer den Überblick über die vorgenommenen Verknüpfungen. Für dieses pfiffig-geniale Bedienkonzept gibt’s ein Sonderlob von Professional audio. 

Die verfügbare Anzahl an Modulationsquellen ist ebenfalls begrenzt, jedoch im Vergleich zu manch anderem Mitbewerber und vielen Hardware-Pendants opulent ausgefallen. So stehen insgesamt sechs Hüllkurven und XLFOs, vier XY-Controller und Hüllkurven-Folger sowie zehn sogenannte MIDI-Modulatoren zur Verfügung, die sich bei Bedarf in die Modulations-Sektion zusätzlich einfügen lassen. Die Hüllkurven besitzen die üblichen ADSR-Phasen und warten zusätzlich mit einem Attack-Delay und einer Sustain-Hold-Funktion auf. Die insgesamt vier verfügbaren XY-Controller und die zehn sogenannten MIDI-Modulatoren sind hingegen einfache Schnittstellen, auf die sich MIDI-Controller per Lern-Funktion routen lassen. Die XY-Module erlauben ein simultanes Ändern von zwei Parametern. Die MIDI-Modulatoren verarbeiten hingegen nur einen. Wer über einen Hardware-Controller mit Joystick oder einem Controller-Pad verfügt, wie etwa das Korg-Nanopad (Test in Heft 12/2008), kann mit einer Bewegung bequem zwei MIDI-CCs gleichzeitig ans Instrument senden.
Im Test routen wir mehrere Twin 2-Parameter auf das XY-Modul, tarieren die Intensitäten aus und führen drastische Klangänderungen durch, die ansonsten nur mit vier bis sechs Händen gleichzeitig machbar wären. Vorteil: Durch die Einstellmöglichkeiten in den Modulations-Slots erhalten wir zusätzliche Editier-Optionen, die mit einem bloßen Zuweisen von MIDI-CCs auf die Parameter nicht machbar wären.   Die Envelope-Follower, ebenso wie die Hüllkurven, nutzen ein weiteres bemerkenswertes Feature von Twin 2: Einen aktivierbaren Sidechain, der externes Audio-Material in den Synthesizer leitet zum Steuern und Erzeugen von Hüllkurvenverläufen. Der Hüllkurvenfolger generiert  dabei ein Steuersignal aus der Amplitude des anliegenden Sidechain-Signals und bietet somit eine interessante Zusatz-Option zur Modulation. Pro Tools- und Logic-Anwender können dieses Feature ohne Probleme einsetzen. Cubase-/Nuendo-Nutzer müssen einen Trick anwenden: Die VST3-Version bietet eine Insert-Effekt-Variante von Twin 2, die anstelle des Instrumenten-Plug-ins eingesetzt werden muss. Sonar-Anwender haben momentan das Nachsehen. 

Das unumstrittene Highlight im Modulatoren-Arsenal ist jedoch der sogenannte XLFO mit seinem integrierten Step-Sequenzer. Im Test zeigt er sich als Wunderwaffe, die zudem leicht zu bedienen ist und somit sehr inspirierend wirkt. Beim Aufruf in der Modulations-Sektion gibt er sich zunächst als reiner LFO zu erkennen. Über den globalen Glide-Parameter lässt sich die Wellenform dynamisch zwischen Sinus und Rechteck verändern und die Phase ist mit einem Dreiecksymbol im Display graphisch editierbar. Besonderheit: Der XLFO verfügt über einen Panpot, der Einfluss auf das Attack und Release der Wellenform nimmt. Damit lässt sich ein Verhalten, ähnlich einer Sägezahnwelle erzeugen, was den Vorrat an Wellenformen noch einmal erweitert. Die Amplitude der Wellenform kann man über die Steps sowohl graphisch im Display als auch über einen Regler dynamisch verändern.
Zusätzliche Optionen zum Interpolieren der Verlaufskurve in jedem Schritt bilden das Sahnehäubchen. Sehr schön: Eine Random-Funktion ist ebenfalls an Bord, die zufällige Amplitudenwerte für den Step generiert. So richtig mächtig wird der XLFO jedoch erst bei Einsatz mehrerer Steps, mit denen sich bei Bedarf sehr wüste Verlaufskurven erzeugen lassen und für drastische klangliche Ergebnisse sorgen. Klang-Tüftler werden in jedem Falle ihre wahre Freude an diesem Modulator haben. Wer den XLFO als Arpeggiator einsetzen will, findet mit dem Snap-Button außerdem ein willkommenes Feature: Im aktiven Zustand erscheint am Display-Rand eine Klaviatur und die Steps werden beim Editieren automatisch in einem Bereich von zwei Oktaven auf einen Noten-Wert versetzt. Melodien und Sequenzen sind binnen weniger Augenblicke realisiert, wenngleich wir uns bei aktiviertem Snap eine Noten-Anzeige gewünscht hätten, die Auskunft über die eingestellte Tonhöhe gibt.

Im Praxis-Test fühlen wir uns angesichts der weit reichenden Eingriffsmöglichkeiten oftmals an die Ausstattung waschechter Modularsysteme erinnert und sind begeistert vom unkomplizierten Handling, das uns alsbald in den Klangkosmos von Twin 2 hineinzieht und nicht mehr los lässt. Klanglich bietet der Fabfilter-Synthesizer alles was das Herz begehrt. Die Skala reicht von den üblichen Brot- und Butter-Sounds, über mannigfaltig erzeugbare Arpeggien und Sequenzen, bis hin zu reinen Effektklängen mit sich ständig ändernden spektralen Bestandteilen, die den Twin 2 auf lange Sicht zu einem kreativ einsetzbaren Instrument machen, dem nicht so leicht die Luft ausgeht. Die knapp 1.600 mitgelieferten Presets bieten einen profunden Einblick in die Möglichkeiten des Klangerzeugers.
Zu hören sind nicht nur die üblichen analogen Streicher, Bässe, Bläser und Lead-Sounds mit ihren als angenehm empfundenen Filter-Sweeps. Der Twin 2 ist auch in der Lage, metallische, scharf und spitz klingende Sounds zu erzeugen, die eindeutig in Richtung Frequenzmodulation gehen. Auffällig ist in allen Presets der Grundsound: Ganz gleich welches Preset wir anwählen, den Sounds fehlt es ein wenig an Durchsetzungskraft und der für analoge Sounds typischen Betonung im unteren Mittenbereich, die für den angenehmen Knurr sorgen.
Zwar überzeugen die Bass-Sounds durch ihre Wucht, was nicht zuletzt das Verdienst der exzellent klingenden Filter ist. Dennoch fehlt es auch hier ein wenig an Durchsetzungskraft und Vordergründigkeit. Dafür ist jeder Sound ohne Ausnahme bis in die Höhen hochfein aufgelöst, sehr klar und transparent, was dem Twin-Instrument einen Hauch von Highend verleiht und sicher eine Menge Liebhaber finden wird.  

Fazit

Fabfilter demonstriert mit Twin 2 auf anschauliche Weise, dass sich zum Dauerbrenner-Thema subtraktive Synthese nach wie vor neue und interessante Perspektiven finden, die zudem nicht teuer sein müssen. Gleichzeitig haben die Entwickler einen erfolgreichen Spagat hingelegt, indem sie trotz der Ausstattungs-Offensive die Fülle an Einstellmöglichkeiten durch ihr Bedienkonzept überschaubar und einfach halten.

Erschienen in Ausgabe 06/2009

Preisklasse: Oberklasse
Preis: 149 €
Bewertung: sehr gut – überragend
Preis/Leistung: sehr gut – überragend