Das Klang-Karussell
Native Instruments präsentiert mit Rounds ein neuartiges Synthesizer-Konzept, das nicht nur auf inspirierende Weise das Tor zu neuen Klangwelten aufstoßen will, sondern auch den unmittelbaren Spielspaß im Live-Einsatz ins Zentrum rückt. Wie Rounds aufgebaut ist und was es taugt, klären wir im Test.
Von Georg Berger
Dass Native Instruments immer wieder gut für innovative Produkte ist, die mit eigenwilligen aber dennoch praxisgerechten Features und Bedienungen aufwarten, dürfte allenthalben bekannt sein. Mit unserem diesmaligen Testkandidaten, dem auf Reaktor basierenden Synthesizer Rounds, soll dies nahtlos weitergeführt werden. Das rund 100 Euro kostende Instrument, das übrigens auch auf dem kostenlosen Reaktor-Player lauffähig ist, besitzt im Kern eher überschaubar ausgestattete Synthesizer-Sektionen, wobei sich Rounds als Hybrid-Synthesizer zu erkennen gibt. Einerseits beherrscht er die klassische subtraktive Synthese, andererseits ist er auch in der Lage als FM-Synthesizer zu fungieren, so dass außer den üblichen Bässen, Pads und Leads analoger Provenienz, auch die sattsam bekannten, metallisch-scharfen FM-Sounds und natürlich auch beliebige Mischformen daraus, das Klang-Potenzial von Rounds bestimmt. Bemerkenswert: Rounds kommt gleich mit jeweils acht analogen und digitalen Synthesizer-Engines, die sich individuell einstellen lassen. In Konsequenz benötigt Rounds je nach Zahl der eingesetzten Engines, die alle einzeln berechnet werden wollen, einiges an CPU-Last, was den Spielspaß beim Arrangieren in der DAW mitunter arg dämpft. Dies zu optimieren steht daher bei uns ganz oben auf der Wunschliste. Doch trotz überschaubarer Klangformungs-Möglichkeiten ist Rounds in der Lage eine breite Palette an Spektren zu erzeugen, die man dieser Ausstattung nicht zutrauen würde. Näheres dazu im Kasten auf dieser Seite.
Allerdings spielt die Klangerzeugung in Rounds eher die Nebenrolle beziehungsweise bildet den Hintergrund und den Nährboden für den tatsächlichen Haupt-Akteur: Den sogenannten Voice-Programmer, der im GUI oberhalb der Regler-Sektion mit seinen acht Kreisfeldern für Aufmerksamkeit sorgt. Jeder der acht Blöcke, besteht aus vier Zellen. In jede Zelle lässt sich wahlweise eine der jeweils acht analogen oder digitalen Synthesizer-Engines einfügen. Der Clou an Rounds: Über diverse Einstell-Optionen können einzelne Zellen und Blocks wahlweise gezielt oder über eine sequenzierte Abfolge sukzessiv angesteuert werden (siehe Kasten auf Seite 30). In Folge dessen sind Klangverläufe möglich, die mal mehr oder weniger weich diverse Spektren überblenden und entsprechend lebendig ausfallen. Die mitgelieferten Presets geben im Test eine anschauliche Vorstellung dessen ab, was mit Rounds alles möglich ist. Von leicht in der Tonhöhe oder im Filterverlauf changierenden fetten Sync-Bässen, über perlende, perkussive Polyrhythmus-Cluster, diversen Flächensounds von zart bis mächtig inklusive vielfarbiger Binnenklangverläufe bis hin zu chaotischen Soundscapes und sogar melodiösen kleinen Sequenzen und Drum-Loops stellt sich Rounds als vielseitiger Synthesizer im Test vor. Das Ansteuern und Durchfahren einzelner Zellen innerhalb eines Blocks erinnert dabei ein wenig an die von Sequential Circuits seinerzeit im Prophet VS eingeführte Vector-Synthese, die später von Korg in der Wavestation aufgegriffen und fortgeführt wurde. Anders als diese Klassiker multipliziert Rounds dieses Grundprinzip jedoch mit dem Faktor 8 und reichert diese Batterie mit den Möglichkeiten zum sequenzierten Ansteuern jedes Blocks an. Kunstvoll eingesetzt, entstehen Klanggebilde von wohlgeordnet bis kreativ-chaotisch und sorgen für erfrischende Abwechslung in jedem Arrangement.
Um aber soweit zu kommen ist anfangs ein gewisses Maß an Zeit zur Einarbeitung nötig. Doch einmal begriffen öffnet sich tatsächlich eine ganz neue Tür in Sachen Klanggestaltung. Da macht dann die übersichtlich ausgestattete Synth-Sektion auch nichts mehr aus. Ganz im Gegenteil, denn wer das volle Potenzial aus insgesamt 16 Engines ausschöpfen will, wird froh über diese Reduktion sein, unabhängig von der Möglichkeit über den Multi-Edit-Dialog (siehe Seite 31) einzelne Parameter für jeweils acht Engines gleichzeitig einstellen zu können. Zusammen mit den Einstellmöglichkeiten der Macro-Sektion sowie dem pfiffigen Remote-Octave-Control-Feature ist Rounds nicht nur ein Studio-Tool, sondern geradehin prädestiniert für den Live-Einsatz. Soundfrickler auf der Suche nach neuen, erfrischenden Sounds und Soundverläufen werden in jedem Fall ihre wahre Freude an Rounds haben. Wer zudem noch über ein Kontrol-Keyboard von Native Instruments verfügt, profitiert zusätzlich von den Möglichkeiten des Light Guide, der als visuelle Spielhilfe das Beherrschen von Rounds erleichtert.
Fazit
Native Instruments hats schon wieder getan und mit Rounds einmal mehr seinen Ruf als innovativer Hersteller virtueller Instrumente bestätigt. Das Reaktor-basierte Instrument geht einen eigenwilligen Weg in der Erzeugung von Sound, der anfangs beherrscht werden will, sich aber dann als sehr inspirierend erweist und nicht nur ambitionierte Danceflooristen, sondern auch Anwender mit experimentellen Ambitionen ansprechen dürfte. Einmal verstanden, zeigt Rounds seine wahren Stärken als Sounddesign-Tool nicht nur im Studio, sondern vor allem im Live-Einsatz.
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Runde Sache: Die Klangerzeugung
Eine Oszillator-Sektion, ein resonanzfähiger Filter mit einer kleinen Auswahl an Charakteristiken, ein LFO, eine Lautstärke-ADSR-Hüllkurve sowie eine Modulations-Hüllkurve mit nur einer Attack- und Decay-Stufe bilden das Herz der Klangerzeugung in Rounds. Send-Regler zum Beimischen des Delay- und Reverb-Effekts, ein Panpot sowie ein Lautstärkeregler runden die Ausstattung ab. Der LFO verfügt über mehrere wählbare Wellenformen und lässt sich, ebenso wie die AD-Hüllkurve auf eine Reihe üblicher Ziele wie unter anderem Lautstärke, Tonhöhe, Pulsweitenmodulation oder Filter-Cutoff routen. Im Vergleich zu manch einem Synthesizer-Boliden der Analog-Ära ist das ein recht überschaubares Arsenal an Einstellmöglichkeiten. Dennoch ist im Test trotz oder gerade aufgrund dieser reduzierten Ausstattung eine Vielzahl an Klangspektren realisierbar. Dies ist zu einem nicht unerheblichen Teil auch der Oszillator-Sektion zu verdanken, die einmal der analogen subtraktiven Synthese frönt, das andere Mal auf den Pfaden der Frequenzmodulation wandelt. Beide Synth-Engines sind dabei vierfach polyphon spielbar. Steht der Abspiel-Modus auf unison und ist der Layer-Modus aktiv, sind die Engines nur monophon spielbar, klingen dafür aber mächtig fett. Doch der Reihe nach. Die Analog-Engine verfügt über zwei Oszillatoren mit der üblichen Auswahl an Wellenformen und erlaubt somit eine Vielzahl an Mischklängen, die via Mixregler balancierbar sind. Über eine schaltbare Sync-Funktion lässt sich der zweite Oszillator auf den ersten synchronisieren, wahlweise sogar eine oder zwei Oktaven tiefer, was zu den sattsam bekannten, zumeist mit Lead-Sounds in Verbindung gebrachten Klängen führt. Als Besonderheit erlaubt der crossfade-Regler ein Modulieren der Tonhöhe von Oszillator 1 mit Hilfe des zweiten Oszillators. Letzterer sorgt über den FM-Regler gleichzeitig auch für ein Modulieren des Filter-Cutoffs.
Komplexer gehts hingegen in der Digital-Engine ans Werk. Ein Carrier-Oszillator wird wahlweise parallel oder seriell von zwei Operator-Oszillatoren moduliert. Über die FM-Regler wird dabei die Modulationsstärke eingestellt und mit Hilfe der schaltbaren Interval- oder Ratio-Parameter kann für jeden Operator ein Vielfaches der Carrier-Frequenz eingestellt werden, was rasch zu den üblichen metallischen, mit ungeradzahligen Obertönen angereicherten Spektren führt. Solls noch schärfer im Klang werden, erledigt das der Feedback-Regler, der wahlweise auf die Operatoren oder den Carrier anwendbar ist und dort für ein internes Rückkoppeln des Schwingungs-Generators sorgt. Als Besonderheiten finden sich zum einen der Op-Regler, der das Audio-Signal beider Operatoren dem modulierten Carrier-Signal beimischt sowie der Digitize-Parameter in der Filter-Sektion, der als Bitcrusher das Oszillator-Signal vor dem Filtereingang nochmals dekonstruiert. Um souverän und zielgerichtet gewünschte Klangspektren in der Digital-Engine zu erzeugen, ist schon ein wenig mehr Routine und Einarbeitung nötig. Doch im Vergleich zur mächtigen 6- beziehungsweise 4-Operatoren FM von Yamaha ist das wiederum ein Klacks.
In Sachen Sound eifern beide Engines keinem bestimmten Vorbild nach. Auffällig in beiden Klangerzeugungen ist aber ein hochfeiner, HiFi-mäßiger Grundsound, der völlig sauber, präzise und ohne irgendwelche Artefakte daherkommt. Ganz gleich ob knurrende Bässe, voluminöse Pads, metallische Percussion-Sounds oder glockenähnliche Spektren erklingen, sie alle besitzen einen Highend-Glanz der den einen vielleicht zu steril erscheint, den anderen aber eine eventuell noch nie gehörte Klarheit und Offenheit liefert, die diese Sounds stets hervorstechen lässt beziehungsweise bei denen man nicht weghören kann.
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Das Zentrum: Der Voice-Programmer
Um die 16 Synthese-Engines kunstvoll ansteuern zu können, haben sich die Entwickler den sogenannten Voice-Programmer einfallen lassen, der aus acht Blocks zu je vier Zellen besteht. Jede Zelle ist beliebig mit einem der 16 Klangerzeuger belegbar. Selbstverständlich können auch einzelne Blocks und Zellen von der Ansteuerung ausgenommen werden.
Um quasi Leben in die Bude zu bekommen, stehen als Erstes diverse Abspiel-Modi oberhalb des zentralen Einstell-Dialogs zur Auswahl. So kann Rounds wahlweise monophon, polyphon oder unisono spielen. Durch Anwahl einer der fünf Graphik-Buttons wird der Abspiel-Modus weiter definiert. So ist im Zonen-Modus für jede Zelle eine Oktave auf dem Keyboard reserviert in der sich Melodien und Akkorde spielen lassen. Der Layer-Modus sorgt für ein simultanes Anspielen aller vier Zellen (nicht zu verwechseln mit dem Unisono-Modus, der alle vier Stimmen einer Engine triggert). Werden mehr als vier Noten gespielt, wird übrigens einfach die nächstliegende Zelle des nächsten Blocks angesteuert. Der Zufalls-Modus spielt wahllos aktive Zellen und Blocks an, wohingegen die beiden Rotate-Modi für ein sukzessives Ansteuern sämtlicher aktiver Zellen und Blocks sorgt.
Über drei sogenannte Progress-Modi kann als nächstes definiert werden, wie der Übergang von Block zu Block stattfinden soll. Ist dieser im Noten-Modus werden einfach analog zu den gespielten Noten auf der Tastatur die Blocks nacheinander angesteuert. In Stellung Time werden sie unabhängig vom Tastenanschlag nach einem zuvor definierten Timing angesteuert, was zu entsprechend lebendigen Klangverläufen führt. Der dritte Progress-Modus „Seq“ verhält sich ähnlich einem Step-Sequenzer und führt, anders als im Note-Modus zum animierten Triggern von Blocks bei nur einem Tastendruck. Über die Parameter „count“ und „Reset“ ist es möglich, die drei Modi näher zu programmieren, etwa wieviel Notenanschläge erfolgen sollen, bis der nächste Block getriggert wird und wann wieder zum ersten Block zurückgekehrt werden soll. Ist der Progress-Modus übrigens deaktiviert, kann ähnliches alternativ über die Key-Switches der Remote-Octave-Funktion geschehen (siehe Kasten gegenüber).
Als dritte Option zum Ansteuern und Animieren von Blocks und Zellen findet sich schließlich die Morph-Funktion. Sie sorgt für ein Überblenden von Sound-Zellen, wahlweise im oder gegen den Uhrzeigersinn. Die Geschwindigkeit des Übergangs ist selbstverständlich regulierbar und über eine Quantisierungs-Funktion lässt sich auch ein rhythmisches, eher staccatohaftes Anspielen der Zellen realisieren. Um die Funktion zu aktivieren, reicht ein Klick in die Mitte des Zellenkreises, so dass das darin stehende geschwungene „X“ aufleuchtet. Der Clou: Morphings können sowohl global auf einen Schlag für alle Blöcke, als auch individuell für jeden einzelnen Block eingestellt werden. Im Test wirken die Möglichkeiten des Voice-Programmers ohne Wenn und Aber äußerst inspirierend und eröffnen neue Wege zum lebendigen Gestalten von Sound, wenngleich einiges wie etwa der Sequencer-Progress-Modus ungleich leichter mit herkömmlichen Step Sequenzern zu realisieren ist. Aber genau darin liegt der Spaß und die Herausforderung, sich via alternativer Wege zunächst dem Althergebrachten zu nähern, um von dort aus auf ganz neue Ideen zu kommen.
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Die Control-Sektion: Editieren, Modulieren, Anspielen
Um die insgesamt 16 Sound-Engines sowohl beim Spielen, als auch beim Editieren übersichtlich einstellen zu können, haben sich die Entwickler den Multi-Edit-Dialog innerhalb der Control-Sektion einfallen lassen. Zwei Faderbänke, je eine für die analogen und digitalen Engines, zu je acht Reglern erlauben das bequeme Einstellen eines zuvor in der Klangerzeugungs- oder Effekt-Sektion angeklickten Parameters für alle acht Klangerzeuger. Der Clou: Sämtliche Fader lassen sich mit dem Fader der ersten Engine verknüpfen, der seinerseits als Master-Fader fungiert und je nach Einstellung der übrigen Fader ein relatives Ändern der übrigen Fader realisiert. Noch besser: Die Faderbewegung kann in den verlinkten Fadern bei Bedarf invertiert werden, so dass beispielsweise beim Erhöhen des Cutoffs in der ersten Engine, sich der Cutoff etwa in der dritten, vierten und siebten Engine in gleichem Maße verringert. Pfiffig eingesetzt ergeben sich beim Soundschrauben effektvolle Klangverläufe. Schade ist, dass die Fader nicht per Lern-Funktion über MIDI-Controller direkt ansprechbar sind. Als Alternative dazu stellen die Entwickler einmal mehr eine Macro-Sektion bereit, bestehend aus acht Reglern auf die sich ausnahmslos jeder Parameter routen lässt. Auch hier wäre es schön, wenn sich mehrere Parameter auf einen Regler legen lassen könnten.
Der dritte aufrufbare Binnen-Dialog in der Control-Sektion zeigt sich nach Klick auf den MIDI-Eintrag. Außer dem Einstellen des Pitchbend-Bereichs sowie, sehr pfiffig, das Beugen der Tonhöhe nach bestimmten Skalen, etwa der Dur-Tonleiter und das Routen eines beliebigen Parameters auf das Modulations-Rad ist sonst nicht mehr viel einstellbar. Eher unscheinbar gibt die Anzeige der Voice-Programmer-Kreise in Form einer stilisierten Klaviatur einen Hinweis auf ein weiteres einzigartiges Feature in Rounds: Die sogenannte Remote-Octave-Control-Funktion. Sie kommt am Besten im Sequenzer-Betrieb zur Geltung, wenn über eine Keyboard-Taste nacheinander Zellen und Blocks durchfahren werden. Die Remote-Octave-Funktion stellt jetzt eine Keyboard-Zone mit Key-Switches bereit, die im MIDI-Dialog sowohl in der Oktavlage, als auch im MIDI-Kanal definierbar ist. Läuft jetzt die Sequenz kann darin über die weißen Tasten gezielt einer der acht Blöcke direkt getriggert werden. Über die ersten vier schwarzen Tasten innerhalb der Zone können auf einen Schlag in sämtlichen Blöcken einzelne Zellen auf solo geschaltet werden. Im Test erhalten wir eine anschauliche Demonstration bei Aufruf eines Drumloop-Presets, wobei wir durch gezielte Wahl des Blocks für entsprechende Synkopierungen sorgen und durch Aktivieren einzelner Zellen nur die Bass- oder Snaredrum erklingen lassen. Abseits solcher Kabinett-Stückchen sorgt diese Funktion etwa für ein rasches Aufrufen und Umswitchen von unterschiedlichen Teil-Spektren, wahlweise zellen- oder blockweise und erhöht im Live-Spiel die Vielgestaltigkeit von Rounds entsprechend. Im Test haben wir jedenfalls Sounds auf diese Weise schneller am Start als durch herkömmliches Laden von Presets.
Erschienen in Ausgabe 05/2015
Preisklasse: Spitzenklasse
Preis: 99
Bewertung: sehr gut
Preis/Leistung: sehr gut
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