Modulare Klangwelten

Ein waschechtes virtuelles Modular-System im beliebten Eurorack-Standard emuliert von niemand geringerem als Softube? Dazu noch mit Hilfe illustrer Gäste wie Dieter Doepfer. Da läuft uns schon ein bisschen das Wasser im Mund zusammen. Ob analoger Sound inklusive Hardwarefeeling bei diesem Plug-in aufkommt, haben wir für Sie herausgefunden.

Von Stefan Feuerhake

Wurden Modular-System-User noch bis vor kurzem von vielen Leuten als Technik-Nerds betrachtet und ihre Sammlung von vielen kleinen Module und bunten Patchkabeln als Spielkram abgetan, erfreut sich die Modular-Szene mittlerweile einer wachsenden Beliebtheit. Einst in Kleinstserien von spezialisierten Entwicklern, wie z.B. Dieter Doepfer, dem Erfinder des Eurorack-Standards, mit viel Leidenschaft stetig weiterentwickelt, sind die Hardware-Modular-Synthesizer mittlerweile wieder auf dem Vormarsch, darunter auch Produkte der großen Synthesizer-Player wie Roland oder Moog. Besonders der Technik-Pionier Robert Moog ist heute noch ein Begriff, brachte er doch bereits 1964 den ersten modularen Synthesizer, damals noch in Größe einer Schrankwand, auf den Markt. Die meisten frühen Synthesizer waren modular aufbaut, doch massentauglicher wurden sie erst mit der Einführung des nicht mehr modularen Minimoog Model D, einem der ersten Kompakt-Synthesizer. Die Modular-Systeme blieben etwas für Tüftler und waren alles andere als erschwinglich. Das gilt auch für die aktuellen Moog-Modelle, die preislich zwischen unglaublichen 10.000 und 34.000 Euro liegen, die sich wahrlich nur noch eine Elite von Sammlern leisten kann.
Umso erfreulicher ist es da, dass es mittlerweile sehr viel günstigere Hard- aber auch Software-Lösungen gibt, die auf dem Modular-Prinzip aufbauen. Bereits 1996 veröffentlichte Native Instruments die Software Generator, mittlerweile in Reaktor umbenannt und bei Version 6 angekommen (Test in Professional audio 1/2016). Allerdings ging Reaktor von Beginn an einen eigenen Weg und schreibt sich keine fotorealistische Emulation eines Modular-Synths auf die Fahne. Genau das bietet indes unser Testkandidat: Für einen Preis von 99 Euro bietet Softube mit dem virtuellen Instrument Modular einen authentisch anmutenden, softwarebasierten Einstieg in die Welt der Modular-Systeme im Eurorack-Standard.

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Der Eurorack-Standard

Das A-100-System entwickelt in den 90ern von Dieter Doepfer, ist heutzutage das am weitesten verbreitete Hardware-Modular-System. Das System besteht aus einem drei Höheneinheiten messenden Rahmen, oft „Koffer“ genannt, auf dem die verschieden Module befestigt werden (je nach Set-Variante zwischen 1.294 und 2.249 Euro UVP). Mittlerweile ist das System sehr handlich, man braucht kein großes Auto oder viel Muskelkraft mehr, um es zu transportieren. Auch der Markt an dafür konzipierten Modulen ist mittlerweile kaum noch zu überschauen: Über 600 verschiedene Bausteine bieten dem User eine nahezu unendlich vielfältige Patch-Spielwiese. Genau dieses Eurorack getaufte Format hat sich der Software-Experte Softube, eigentlich hauptsächlich für Effekt- und Emulations-Plug-ins gekannt, zum Vorbild benommen, und in Zusammenarbeit mit Doepfer in Software gegossen.

Look & Feel

Beim Öffnen präsentiert sich Modular zunächst komplett ohne Module. Das GUI zeigt einen vierreihigen Eurorack-Rahmen, der sich nun beliebig mit Oszillatoren, Filtern, Hüllkurven und dergleichen füllen lässt. Um die erzeugten Sounds auch hörbar zu machen, stehen im Rahmen zwei Main-Ausgänge sowie vier Stereo-Aux-Wege zur Verfügung. Gut gefällt uns dabei sofort, dass neben Audio- auch CV-Signale (Steuerspannungssignale) ausgegeben werden können. Besitzt der Nutzer also ein DC-gekoppeltes Interface oder einen entsprechenden Adapter, kann er mit dem Plug-in auch ein Eurorack-Hardware-System ansteuern und Synthese auf Hard- und Software-Ebene miteinander kombinieren – eine hervorragende Idee.
Neben einem Mastervolume-Regler zeigt das GUI ein Output-Levelmeter und die drei Menü-Punkte Add, Move/Delete und Edit – alles bleibt noch angenehm überschaubar. Das kann sich schnell ändern, wenn wir den Edit-Schalter betätigen oder eines der knapp 200 Presets laden. Doch dabei haben wir zunächst etwas Schwierigkeiten: Die Preset-Verwaltung läuft in unsere Ableton Live-DAW nicht zu unserer Zufriedenheit. Haben wir Modular im AU-Format geöffnet, lassen sich die Presets überhaupt nicht laden. Im VST-Format funktioniert es, allerdings ist hier das Speichern sehr unkomfortabel gelöst. An dieser Stelle sollte Softube noch einmal nachbessern. In Cubase oder Logic funktioniert hingegen alles vollkommen einwandfrei.
Die Preset sind gut zusammengestellt und bieten einen gelungenen Überblick darüber, was soundtechnisch in Modular alles möglich ist. Gerade für Einsteiger bieten sie viele Möglichkeiten, spielerisch die Welt der Module und Patchkabel kennen zu lernen und experimentell an Knöpfen zu drehen oder ein paar virtuelle Kabelverbindungen zu ziehen.
Allerdings empfiehlt es sich das Modular-GUI in möglichst großer Auflösung auf den Bildschirm zu rufen, sonst müssen wir scrollen und haben nicht alle Module gleichzeitig im Blick. Letzteres ist essenziell, um gerade beim Einstieg nicht den Überblick zu verlieren.

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Mein erster Synthesizer

Wer sich am Anfang gar nicht zu helfen weiß, sollte direkt einen Blick ins PDF-Handbuch werfen. Dort finden sich gleich vier Step-by-Step-Anleitungen für einen ersten selbstgebauten Synthesizer, im Fachjargon auch Patch genannt. Allerdings sei gleich erwähnt, das so ein Modular-System auch in Softwareform relativ viel Einarbeitungszeit fordert, bis es sich richtig kreativ nutzen lässt. Ein kleiner Tipp: Auf der Webseite von Doepfer (www.doepfer.de) finden sich nicht nur ausführliche Beschreibungen zu den einzelnen Modulen, es gibt auch eine Vielzahl nützlicher Tutorials. Zusätzliches Know-how kann nicht schaden, denn Modular ist alles andere als eine Preset-Schleuder für den Soforteinsatz. Der Fokus liegt hier ganz klar auf dem Bauen eigener Patches.

Der Modul-Bowser

Klicken wir im Rahmen auf Add öffnet sich der Modul-Browser (siehe Abbildung). In der Standard-Version von Modular stehen insgesamt 50 Module geordnet in den Kategorien Doepfer, DAW & MIDI, Effect, Mixer, Sequenzer, Utility und Performance bereit. Optional sind außerdem außerdem drei Zusatzmodule des Herstellers Intellijel zu kaufen – doch dazu später mehr. Auf einen Extra-Bonus dürfen sich die Besitzer des Drum-Synths Softube Heartbeat (Test in Ausgabe 8/2015) freuen. Die acht Klangerzeuger aus der quirligen Drum-Maschine, darunter auch das von uns viel gelobte Percussion-Modul, stehen für User, die im Besitz einer Heartbeat-Lizenz sind, ebenso als Einzel-Module zur Verfügung.
Sobald wir ein paar Module in Rahmen platziert haben, können wir diese ganz klassisch, wie wir es von der Hardware kennen, mit virtuellen Patchkabeln verbinden. Vorteil auf Software-Ebene: Wenn wir ein Kabel patchen werden von Modular alle dankbarerweise möglichen Eingänge der anderen Modulen im Rack in der Farbe des zu patchenden Kabels gekennzeichnet. So sehen wir sofort, wohin ein Kabel führen kann und wohin nicht. Ebenfalls schön gelöst: Die Patchkabel werden nur angezeigt, wenn man mit dem Cursor über einem Ausgang/Eingang parkt. So verlieren wir nicht so schnell die Übersicht im Patchgewirr – ein klaren Vorteil gegenüber der Hardware.

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Basic Module

Den Mittelpunkt der Klangerzeugung in Modular bilden die sechs Doepfer-Module, die alle nicht nur optisch, sondern auch klanglich mit Hilfe von True Dynamic Circuit-Emulation der Hardware nachempfunden wurden. Zunächst ist da der A-110, ein VCO (= Voltage-Controlled Oscillator) mit Sinus-, Dreieck-, Sägezahn- und Puls-Wellenform, der außer Pulsweitenmodulation auch FM-Synthese-Optionen bietet. Er klingt sehr satt und hat einen schönen, warmen, analogen Sound. Besonders im Bassbereich drückt er richtig und es fällt schwer zu glauben, dass wir es „nur“ mit Software zu tun haben. Ergänzt wird die Klangerzeugung mit dem A-118, einem Noise-Modul, das weißes, rotes und blaues Rauschen erzeugen kann. Dazu gesellt sich das A-108, ein Lowpass-Filter im Moog-Ladder-Stil mit gezielt einstellbarer Flankensteilheit von 6 dB bis 48 dB. Gut gefällt uns an diesem Filter, dass es nicht wie das Original-Moog-Modul zu viel Bass bei hohen Werten verliert und ebenso mögen wir die zusätzliche Feedbackoption, die das virtuelle Modul bietet. Hinzu kommen außerdem der A-132 Dual VCA (= Dual Voltage-Controlled Amplifier), die ADSR-Hüllkurve A-140 und zum munteren Modulieren der VCLFO A-147 (= Voltage-Controlled Low-Frequency-Oscillator).

Gleich beim Durchhören der ersten Presets fällt auf, wie gut Modular klingt. Gewaltige, alles erschütternde Bässe, spaßige Drones oder dunkle, bedrohliche Atmosphären sind kein Problem für das Plug-in. Dazu gesellen sich allerhand modulierte Sequenzen und Lead-Sounds bestens geeignet für Techno, Trance und alle Formen experimenteller elektronischer Musik. Allerdings hat guter Sound auch seinen Preis und der macht sich bei Modular in der CPU-Auslastung bemerkbar. Bei den meisten Preset liegen wir locker bei 50 Prozent Auslastung oder mehr, und das auf einem aktuellen Computersystem (Betriebssystem? 32 oder 64 Bit? Prozessor? RAM? Festplattengröße?).

DAW & MIDI & Sequencing

Für die Ansteuerung der Patches aus der DAW ist Modular mit einem monophonen und einem quadrophonen MIDI-CV-Interface ausgestattet. Letzteres erlaubt das Erstellen vierstimmiger polyphoner Patches. Dazu gesellt sich ein MIDI- Trigger, der für das Arbeiten mit Drums spezialisiert ist und ein Sync Modul mit verschiedenen Synchronisations-Möglichkeiten.
Aber was wäre ein Modular-System ohne einen anständigen Sequenzer? Gleich vier verschieden Vertreter dieser Gattung wurden Modular spendiert. Darunter findet sich, außer einem 8- und einem 16-Step Sequenzer auch ein klassischer Beat-Sequenzer mit Lauftlichtprogrammierung im analogen Stil, der sich besonders in Verbindung mit den Heartbeat-Modulen für satte Drumpatterns eignet. Somit ist schon mal für reichlich Pattern-Optionen gesorgt. Das heißt in Modular lassen sich auch komplette Songs und Klangcollage ohne die DAW erstellen. Damit eignet sich das virtuelle Instrument auch gut für den Live-Einsatz.

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Mixer

Um die Klänge und CV-Signale vernünftig zusammen zu mischen, verfügt Modular über drei Mixer-Module. Eines für Audio, eines für CV und einen Poly-Mixer für mehrstimmige Patches – damit steht alles bereit, was wir brauchen.

Effekte

Eine echte Effekt-Auswahl ist in Modular noch nicht wirklich vorhanden. Das verwundert, wo doch Softube einer der Effektspezialisten auf dem Plug-in Markt ist. Nur ein einziges Modul in Form eines simplen Delays hat man Modular verpasst. Natürlich lassen sich die Summe oder die Aux-Wege aus Modular in der DAW mit Effekten weiter bearbeiten, allerdings nur mit externen Mitteln. Wir hoffen, dass von Softube an dieser Stelle im Rahmen des nächsten Updates nachgelegt wird.

Utility

Die Utilitys sind eine Sammlung von 19 simplen, aber sehr nützlichen Modulen. Dazu zählen ein simpler Sine-OSC, eine Basic-Hüllkurve mit Attack und Release und ein Sample-and-Hold-Modul – insgesamt eine schöne Ergänzung zu den Doepfer Klangmodulen.

Performance

Bei den knapp 20 Performance-Modulen, handelt es sich um Dreh-, beziehungsweise Schieberegler und/oder Tasten – optisch den Moog- und Roland-Synthesizern nachempfunden. Sie können gerade bei großen Patches helfen, das Steuern der vielen Parameter zu erleichtern. Im Edit-Mode können ganz einfach beliebig viele Parameter aus unterschiedlichen Patches gleichzeitig verändert werden. Unglücklicherweise lassen sich die zugewiesenen Parameter dann nur noch vom Performance-Modul aus steuern, nicht mehr an ihrer ursprünglichen Stelle. Beide Optionen gleichzeitig hätten wir praktischer gefunden.

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Add-Ons

Mit dem Basic-System von Modular kann man schon mal richtig viel Spaß haben und eine große Bandbreite an Sounds programmieren. Allerdings sind dem ambitionierten Klangtüftler auf Dauer ein einziger OSC und ein einzelnes Filter etwas zu dürftig. Außerdem besitzen Modular-System-User oft eine ausgeprägte Sammelleidenschaft, der auch auf virtueller Ebene Abhilfe geschaffen wird. So kündigt Softube gleich zu Release an, Modular in Zukunft fleißig mit neuen Modulen zu versorgen. Dazu arbeitet der Hersteller bereits mit einigen renommierten Eurorack-Hardware-Herstellern zusammen. Den Anfang bei den Zusatzmodulen macht der kanadische Hersteller Intellijel, der gleich mit drei Modulen vertreten ist. Auch bei Rubicon, Korgasmatron II und uHold II, so heißen die drei Module, handelt sich um fotorealistische Emulationen der Hardware.
Rubicon ist eine VCO-LFO Kombination mit reichlich Modulationsmöglichkeiten und ausgefuchsten Formungsoptionen für Wellenformen. Korgasmatron hingegen ist ein zweikanaliges Multimode-Filter, einem Korg MS-20 Filter nachempfunden und uFold ein kleiner aber feiner Waveshaper. Alle drei kommen, wie schon die Basic-Module, mit exzellentem Sound daher.
Alle drei sind eine echte Bereicherung und brechen den Kreis von der eher traditionellen subtraktiven Klangerzeugung der Basic-Module etwas auf. Sie sollten unserer Meinung nach gleich mit zur Basisausstattung gehören. Doch lässt sich ihr Zukauf mit einem Preis von 29 bis 49 Euro pro Modul noch verschmerzen. Mit dem Modular-Basic-System und den drei Erweiterungen liegt man dann bei rund 200 Euro. Bei diesem Super-Sound und den vielen Möglichkeiten wahrlich nicht zu viel, auch wenn sich der Preis, wenn weitere Module hinzukommen, natürlich noch weit nach oben entwickeln kann. Für 200 Euro bekommt man allerdings auch schon den Native Instruments Reaktor 6, der zwar schwieriger zu bedienen ist, aber insgesamt einiges noch mehr Kreativ-Möglichkeiten bietet. Bleibt abzuwarten, wie die User Modular annehmen, und wie sich das Ganze dann weiter entwickelt.

Fazit

Mit Modular bringt Softube ein sehr inspirierendes Synthesizer-Plug-in auf den Markt und hat dabei die Welt der Modular-Systeme exzellent virtuell für den Rechner emuliert. Dabei klingt Modular auch noch richtig amtlich. Ein kleiner Wermutstropfen ist die hohe CPU-Last, aber da kann man ja aufrüsten.